• Keine Ergebnisse gefunden

4.1. Das Werk “Berlin Alexanderplatz”

4.1.1. Der Inhalt

Das Werk “Berlin Alexanderplatz” ist der bisher bedeutendste deutsche Großstadtroman. Zu Beginn des Romans wird die Hauptfigur Franz Biberkopf, ein ehemaliger Transportarbeiter, aus dem Gefängnis Tegel entlassen. Vier Jahre mußte er hinter sich bringen, weil er seine zukünftige Braut Ida erschlagen hatte. Das Werk fängt mit der Straßenbahnfahrt in die Stadt an, wobei Biberkopf bemerkt, daß sich in den vier Jahren die Menschen sehr viel verändert haben und diese Veränderungen verunsichern

219 Vgl. hierzu: Kunze K. – Obländer H., ebd, S.51.

220 Bekes P., ebd, S.11.

ihn. Franz Biberkopf hat nach der Gefangenschaft den Willen, von nun an ein anständiger Mensch zu sein und will ein neues Leben anfangen. Dabei zeigt sich schon in den ersten Seiten, daß er leicht zu beeinflussen ist, was ihn auch in den folgenden Kapiteln in Schwierigkeiten bringt. Er wird auch unbewußt in nicht gesetzlichen Ereignissen verwickelt, was wiederum den Charakter der Hauptfigur in den Vordergrund rückt.

Die Hauptfigur Franz Biberkopf wird in dem Roman mit seinen schwachen Seiten geschildert. Alfred Döblin beschreibt in diesem Roman eine moralische und nützliche Umgebung, in dem die Lebensgefahren und Risiken der neuen Welt dargestellt und erkennbar werden. Sein unbewußter Held Franz Biberkopf ist ein Demonstrationsobjekt.

Döblin bearbeitet in seinem Werk zu dem benannnten Zweck nicht nur einen naiven Helden, sondern auch einen moralisierenden Erzähler, der die Geschichte seiner Hauptfigur mit deutlich didaktischen Absichten leitet und kommentiert.221 Franz Biberkopf steht vor der Tür des Gefängnis Tegel und denkt, daß erst jetzt außerhalb des Gefängnis die große Strafe beginnt und bezeichnet diesen Augenblick als schrecklich.

Woerner, Geisler und Radler bezeichnen die Hauptfigur Biberkopf als einen schwachen und kleinen Mann. Ihrer Ansicht nach ist Franz Biberkopf ein gutwilliger Mensch, der immer wieder in dunklen Geschäften hineingezogen wird, bis er am Ende seines Lebens endlich zur Besinnung kommt und von nun an seine ‘Vernunft’ gebraucht.222 Am Anfang des Romans wirkt es, als könnte Franz seinen Vorsätzen treu bleiben. Er verdient sein Geld, indem er Zeitungen auf dem Alexanderplatz verkauft, wo er auch schnell eine Freundin, Namens Polin Lina, findet. Doch der Onkel von Lina betrügt ihn, wobei Franz Biberkopf den ersten Schicksalschlag erlitt.223 Franz Biberkopf empfindet einen großen Schmerz und beginnt mit dem Trinken. Außerdem gibt er sein ganzes Geld für Alkohol aus. Nach kurzer Zeit denkt er an seinen Vorsatz und versucht sein Leben wieder in den Griff zu bekommen und verkauft wieder Zeitungen.

221 Vgl. hierzu: Matzkowski B., ebd, S.28.

222 Vgl. hierzu: Woerner G. – Geisler R. – Radler R., ebd, S.1461.

223 Vgl. hierzu: Döblin A., Berlin Alexanderplatz, ebd, S.91.

Franz Biberkopf lernt eines Abends Reinhold kennen, der das Leben von Franz in den Chaos führt. Auf der Flucht vor der Vergangenheit gerät Franz mit den Hindernissen von Reinhold immer mehr in Schwierigkeiten. Reinhold wirft Franz aus einem fahrenden Auto, das sich auf der Flucht vor einem vermeintlichen Verfolger befindet. In dieses Auto gerät Franz, weil er unbewußt in einen Einbruch verwickelt ist, bei dem er Schmiere stehlen muß. Daß es sich um einen Einbruch handelt, wird ihm allerdings erst viel später bewußt. Da Franz aber nicht bereit ist zu kooperieren, will sein bisheriger Freund Reinhold ihn mit dem Sturz umbringen. Franz stirbt bei dem Sturz nicht, aber verliert dabei seinen rechten Arm, der amputiert werden muß. Verlieren des Armes ist der zweite Schicksalsschlag für Franz Biberkopf. Trotz alledem verrät Franz seinen Freund Reinhold nicht, schildert nicht das genaue Geschehene den Polizisten und erzählt ihnen, daß es sich um einen Unfall handelte. Nachdem er sich allmählich wieder erholt hatte, gerät er wieder in chaotische Ereignisse.

Franz Biberkopf beschließt sein Leben von neuem zu beginnen. Er trifft die Entscheidung wieder mit kriminellen Geschäften anzufangen, denn als guter Mensch wurde er immer wieder verraten. Er besorgt sich eine neue Identität auf den Namen Franz Räcker und lernt durch seine Freunde Eva und Herbert die Prostituierte Emilie Parsunke, die Biberkopf Mieze nennt, kennen und wird später ihr Zuhälter, dabei kommt er wieder mit Reinhold in Kontakt. Als Reinhold von Mieze erfährt, will er sie für sich haben und nimmt sich vor, Mieze von Franz wegzunehmen. Mieze will aber nicht Reinholds Freundin werden und für ihn arbeiten, weil sie die Beziehung von Franz und ihn genau kennt. Reinhold vergewaltigt sie, bringt sie um und wirft sie in den Wald.

In kurzer Zeit werden Reinhold und Franz als Miezes Mörder gesucht.

Der Tod von Mieze ist der dritte Schicksalsschlag für Biberkopf, der ihn endlich zum Nachdenken führt. Franz sucht überall Reinhold, um die Wahrheit klarzustellen, doch Reinhold ist nirgendwo zu finden. Zusammengebrochen geht er in eine Kneipe, wo er von der Polizei verhaftet wird. Dabei wird seine wahre Identität von der Polizei entdeckt. Franz wird als Täter von Mieze verhaftet, denn auch dieses Verbrechen wird von Reinhold auf die Liste von Franz eingeschrieben. Aber auch Reinhold wird als einer der möglichen Mörder Miezes verhaftet. Franz hält es nicht mehr aus und bricht

zusammen, weil er bemerkt, daß er wieder alles falsch gemacht hat und kommt schließlich in die Irrenanstalt Buch. In der Irrenanstalt erinnert der Tod von Mieze ihn an verschiedene Situationen seines Lebens und macht ihn auf das Geschehene aufmerksam. Erst im Todeskampf bereut Franz sein Verhalten gegenüber seinen Mitmenschen.

Woerner, Geisler und Radler stimmen überein, daß der Mensch verflucht ist, der sich auf Mitmenschen verläβt und besonders diese Aussage wird als das Leitmotiv des Romans angesehen.224 Franz Biberkopf bereut alle seine Taten und will nicht mehr weiterleben. Er stirbt schließlich und wird als neuer Mensch geboren. Zuletzt spricht Franz wieder über die Ereignisse und wird nach Aufsage und Bestätigung seines Alibis entlassen. Franz sagt beim Prozess gegen Reinhold aus und Reinhold wird wegen Totschlags an Mieze zu zehn Jahren verurteilt. Franz Biberkopf wird im neunten Kapitel als tragischer Held angesehen und fängt ein neues Leben als Hilfsportier an. Der Tod und die Wiedergeburt von Franz wird in dem Werk als zentrale Stelle angesehen und wird in einem Extra–Kapitel beschrieben.

Glaser ist der Ansicht, daß sich Biberkopf wie mit Fieber in das Chaos stürzt, denn nach seiner Meinung wird der Himmel sich erst öffnen, wenn das Opfer vollbracht ist.

Glaser drückt auch aus, daß Döblin seine Hauptfigur Franz Biberkopf –wie Rilke an seinen weltberühmten Roman “Malte Laurids Brigge”– mit vielen Assoziationen an Hiob und andere alte und neue Schmerzensmänner versehen hat.225 Ziel dieser Assoziationen ist, die Hauptfigur schließlich mit dem seeligen Leben eines Fabrikportriers namens Franz Karl Biberkopf zu belohnen und einen neuen Weg zum Weiterleben zu zeigen.

Das Werk erzählt nicht nur die Handlung um Franz Biberkopf, sondern auch andere Geschichten, die nicht unmittelbar zur Haupthandlung gehören, aber auch nicht zur Darstellung Berlins beitragen. Häufig stammen sie aus der griechischen Mythologie

224 Vgl. hierzu: Woerner G. – Geisler R. – Radler R., ebd, S.1461.

225 Vgl. hierzu: Glaser H.A., ebd, S.105.

oder dem alten Testament. Sie dienen in der Regel als Parallel– und Kontrastgeschichten.

In der Form von Leitmotiven ist besonders das Alte Testament gegenwärtig. Sie zeigen Parallelen auf, vertiefen die Thematik oder dienen der metaphorischen Überhöhung. In jedem Fall fördern sie den inneren Zusammenhalt des Textes. Unter den wichtigen Leitmotiven kann z.B. der Hiob, der gelegentlich verglichen wird, aufgezählt werden.

Aber diese literarisch charakteristischen Merkmale sind nicht nur die einzigen, denn der Roman “Berlin Alexanderplatz” ist mit nicht traditioneller Erzähltechnik überfüllt.

Hiob, jetzt hast alles verloren. In den Schuppen darfst du abends kriechen. Man fürchtet deinen Aussatz. Du bist strahlend über deine Güter geritten und man hat sich um dich gedrängt. Jetzt hast du den Holzzaun vor der Nase, an dem die Schneckchen hochkriechen. Du kannst auch die Regenwürmer studieren. Es sind die einzigen Wesen, die sich nicht vor dir fürchten. […] Was quält dich am meisten, Hiob? Daβ du deine Söhne und Töchter verloren hast, daβ du nichts besitzt, daβ du in der Nacht frierst, deine Geschwüre im Rachen, an der Nase? Was, Hiob?226

Die Hiob Legende wird in dem Roman ausführlich beschrieben. Das Leben von Hiob zeigt dabei Gemeinsamkeiten mit dem Leben von Franz Biberkopf. Hiob verliert wegen seiner eigenen Fehlern seine Familie bzw. seine Söhne und Töchter. Franz Biberkopf ermordet am Anfang seine Lebensgefährtin Ida und später wird auch seine Freundin Mieze von seinem besten Freund Reinhold erwürgt. Deshalb wird in dem Roman die Hiob Legende mit dem Leben von Franz Biberkopf verglichen.