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Nach der Verortung der untersuchten Spitzenverbände werden nun im Sinne der Forschungsfrage die Leistungen von Verbänden ermittelt. Dabei wird zu-nächst eine Abgrenzung zum Funktionsbegriff vorgenommen.

Verbandliche Funktionen

Der Funktionsbegriff ist im Sinne dieser Arbeit dem Leistungsbegriff übergeord-net. Reichvilser nimmt Bezug auf Tuchfeldt (1956)5 und unterscheidet die Bin-nenfunktionen und Außenfunktionen eines Verbandes. Die Binnenfunktion um-fasst den Interessensausgleich nach innen und die Interessensformung durch entsprechende Leistungen wie Information, Beratung und Weiterbildung sowie

„die Übersetzung von staatlichen Maßnahmen in Informationen, Appelle an die Mitglieder und die Entschärfung radikaler Mitgliederforderungen“. Die Außen-funktion schließt den Interessensausgleich zwischen den Verbänden und die In-teressensvertretungen gegenüber der Öffentlichkeit sowie die politische Interes-sensvertretung ein (vgl. Reichvilser 1973: 45). Witt et al. ordnen die Verbände den Funktionsweisen von Non-Profit-Organisationen zu und definieren als Oberziel und Handlungsprinzip die Bedarfsdeckung und das Dienstprinzip (vgl.

Witt 2006: 16). Als explizite Funktionen von Verbänden unterscheiden die Auto-ren verbandliche Kreislauffunktionen und verbandliche Querschnittsfunktionen.

5 Tuchfeldt, Egon: Wirtschaftspolitik und Verbände. In: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 1 (1956), S. 73 f.

Kreislauffunktionen sind die Beschaffung, die Leistungswirtschaft und die Ange-botswirtschaft, „die im Marketing eingebettet ist“. Verbandliche Querschnitts-funktion beziehen sich auf das Mitgliedermanagement, das Personalwesen und die Organisationsgestaltung (vgl. Witt 2006: 44-45). Schwarz weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass die klassische betriebswirtschaftli-che Gliederung von Unternehmen mit den Funktionen der Unternehmenslei-tung, Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Absatz und Ver-waltung in Verbänden insgesamt eine geringere Bedeutung hat (vgl. Schwarz 1996: 83). Witt et al. erweitern den Funktionsbegriff und schreiben den Verbän-den zentrale Eigenschaften zu. Sie unterscheidet Verbände als Nonprofit-Orga-nisationen, als DienstleistungsorgaNonprofit-Orga-nisationen, als demokratische Organisatio-nen, als Interessensorganisationen und als Aktionsräume für ehrenamtliches Engagement (vgl. Witt et al. 2006: 16-28).

Verbandliche Leistungen

Verbandliche Leistungen ordnen sich den Funktionen unter. Reichvilser unter-scheidet zwei Leistungsbereiche: Organisationsleistungen und Informationsleis-tungen. Im Zuge der Organisationsleistungen stellen die Mitglieder „einander oder dem Verband Informationen und Dienste zur Verfügung. Der Verband or-ganisiert die Kooperation“ beziehungsweise die notwendigen Rahmenbedingun-gen. Er stellt räumliche Ressourcen zur Verfügung, übernimmt organisatorische und koordinierende Aufgaben, wie Einladungen an die Mitglieder und externe ExpertInnen, versendet Unterlagen, leistet Dokumentationsaufgaben, vermittelt die ausgetauschten Informationen weiter und stellt diese gegebenenfalls mit Unterstützung eines Informationssystems bereit. Im Rahmen der Informations-leistung erhebt der Verband Informationen, „verarbeitet sie zu neuen Informatio-nen, (…) teilt sie den Mitgliedern (Mitgliederbeeinflussung) und der Umwelt (Umweltbeeinflussung) mit" und speichert sie. Informationsleistungen zur Mit-gliederbeeinflussung umfassen mündliche und schriftliche Informationen in Form von Informationsdiensten wie Rundschreiben, Publikationen, Veranstal-tungen, Vorträge und Seminare sowie die Beratung auf Anfrage. Informations-leistungen zur Umweltbeeinflussung beinhalten die Beeinflussung von „Instan-zen der staatlichen Willensbildung“, der engeren Umwelt und der öffentlichen

Meinung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit. Weitere umweltbezogene Leis-tungen sind die Rechtsvertretung und die Gewinnung von Verbündeten um an-dere Zielgruppen zu beeinflussen (vgl. Reichvilser 1973: 40-51).

Eine weitere Orientierung in Bezug auf verbandliche Dienstleistungen bieten Leistungskataloge von Verbändeumfragen und empirischen Erhebungen.

Reichvilser bezieht sich auf zwei Leistungskataloge. Daraus lassen sich weitere Dienstleistungen ableiten. Hierzu gehören die Unterrichtung der Mitglieder über aktuelle Entwicklungen, die individuelle Beratung und Betreuung der Mitglieder, die Empfehlung und Vermittlung von Beratern, der Erfahrungsaustausch, die In-teressensvertretung, die Gemeinschaftswerbung, die Durchführung von Aus-stellungen und Messen, die Durchführung von Ausbildungskursen, die wissen-schaftliche Grundlagenforschung und Mitarbeit in Selbstverwaltungskörper-schaften, der Hinweis auf Veranstaltungen anderer Organisationen und Insti-tute, die Durchführung von Betriebsuntersuchungen (Betriebsanalysen, Be-triebsvergleiche), die Bereitstellung von Statistiken auf Grundlage von Erhebun-gen unter den Mitgliedern und AuswertunErhebun-gen von Sekundärstatistiken, die Zu-sammenarbeit im Spitzenverband sowie die ZuZu-sammenarbeit mit Stellen außer-halb des Verbandes wie beispielweise Universitäten (vgl. Reichvilser 1973: 46-49).

Im Fokus des Leistungskatalogs der Verbändeumfrage 2005, die von der Deut-schen Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. und der TechniDeut-schen Uni-versität München durchgeführt wurde, stehen die Leistungen Information (allge-meiner Service), Beratung (individueller Service), Aus- und Weiterbildung und Interessenvertretung (vgl. Witt at al. 2006: 229).

Die von den Autoren beschriebenen Leistungen lassen sich folgenden Leis-tungsbereichen zuordnen:

Leistungsbereich Leistung

Information

 Information als allgemeiner Service

 mündliche und schriftliche Informationen (Rund-schreiben, Publikationen)

 Unterrichtung der Mitglieder über Entwicklungen

 Veröffentlichungen (laufende Mitteilungen)

 Hinweise auf externe Veranstaltungen Beratung

 Beratung als individueller Service

 Beratung auf Anfrage

 Betreuung

 Vermittlung von Beratern Qualifizierung

 Aus- und Weiterbildung

 Durchführung von (Ausbildungs)kursen

 Veranstaltungen, Seminare

 Hinweise auf Veranstaltungen anderer Organisa-tionen

Austausch

 Organisation des Informationsaustausches (Mitglieder stellen einander und dem Verband In-formationen und Dienste zur Verfügung)

 Erfahrungsaustausch

 Organisation von Kooperationen

 Vermittlung von Kooperationen unter den Mitglie-dern

Forschung

 Wissenschaftliche Grundlagenforschung

 Zusammenarbeit mit Universitäten und For-schungsinstitutionen

 Durchführung von Ausstellungen und Messen Vernetzung,

Kooperationen  Mitarbeit in Zusammenschlüssen

 Zusammenarbeit im Spitzenverband Untersuchungen

Tabelle 1: Übersicht theoretisch ermittelte verbandliche Leistungen (eigene Darstellung)

Eine weitere Möglichkeit der Gliederung verbandlicher Leistungen unterscheidet kollektive und individuelle Leistungen. Das Verhältnis zwischen kollektiv und in-dividuell ist von verschiedenen Bedingungen abhängig. Eine Bedingung ist die Ebene des Verbandes. Je höher der Verband in der Verbandsstruktur steht, desto weniger ist er in der Lage, individuelle Leistungen für Mitglieder zu erbrin-gen. Eine weitere Bedingung ergibt sich aus der Ökonomisierung und Individua-lisierung unserer Gesellschaft. Die Mitglieder achten verstärkt auf die Kosten und den Nutzen verbandlicher Leistungen. Eine Fokussierung auf kollektive Leistungen reicht deshalb nicht mehr aus, um Mitglieder zu gewinnen und zu binden (vgl. Witt et al. 2006: 111-130). Schwarz weist darauf hin, dass kollektive Leistungen allen zugutekommen, „auch denen die keinen Beitrag zur Produk-tion geleistet haben“ (Schwarz 1996: 24).