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Begriffsdefinitionen und -abgrenzungen erfolgen zum besseren Verständnis die-ser Arbeit, für die zentralen Begriffe des Forschungsgegenstandes und der For-schungsfrage in diesem Kapitel sowie gegebenenfalls vertiefend, zusammen mit weiteren für diese Arbeit relevanten Begriffen, im Theoriekapitel (Kapitel 2).

Bezogen auf dieses Kapitel ist die Reihenfolge der Begriffsdefinition nach fol-gender Logik festgelegt: Im Fokus dieser Arbeit stehen die verbandlichen „Wis-sensdienstleistungen“ zweier „Spitzenverbände“. Verbandliche Wissensdienst-leistungen werden durch die „Geschäftsstellen“ für die „Mitglieder“ erbracht und koordiniert. Die Basis für die empirischen Forschungsergebnisse liefern die Aussagen der befragten „ExpertInnen“ der Mitglieder und Geschäftsstellen. Auf die Wissensdienstleistungen nehmen unterschiedliche „Einflussfaktoren“, syste-misch betrachtet Systemelemente, Einfluss. Die Wissensdienstleistungen der Verbände beziehen sich im besonderen Maße auf den Faktor „Wissen“. In Ver-bänden findet Handeln und „Kommunikation“ in Bezug auf Wissen statt. Das Wissen wird, gemeinsam mit den anderen Einflussfaktoren, direkt und indirekt gesteuert. Dabei spielen wissensbezogene Steuerungsmodelle wie das „Wis-sensmanagements und die Wissensarbeit“ eine wesentliche Rolle.

1 Anmerkung zur Sprachregelung: Diese Arbeit verwendet im Sinne des Gleichstellungsgrund-satzes geschlechtergerechte Formulierungen. Dort wo Frauen und Männer gemeint sind, wer-den das Binnen-I oder geschlechterneutrale Formulierungen verwendet.

Dienstleistungen, Wissensdienstleistungen, verbandliche Wissensdienst-leistungen

Der in den Forschungsteilfragen ursprünglich verwendete Begriff der „Wissens-funktionen“ wurde aufgrund der theoretischen Erkenntnisse und der Dokumen-tenanalyse durch den Begriff der „Wissensdienstleistungen“ ersetzt. In der Ver-bändeforschung und -literatur, aber auch den Beschreibungen der Verbände wird der Leistungs- bzw. Dienstleistungsbegriff verwendet. Reichsvillser ver-wendet das Begriffspaar „Organisations- und Informationsleistungen“, Schwarz definiert „Dienstleistungen“ und Witt et al. formulieren „immaterielle kollektive und individuelle (Dienst)leistungen“ des Verbandes (vgl. Reisvillser 1973: 50 und Schwarz 1996: 44 und Witt et al. 2006: 19-20). In den ausgewerteten Doku-menten der Verbände wird von „Leistungen“ und „Serviceleistungen“ gespro-chen. Alternativ gebräuchlich ist der Begriff „Aufgaben“. Witt et al. verweisen darauf, dass Verbände überwiegend Dienstleistungen und nur in geringeren Umfang Sachleistungen produzieren. Die Dienstleistungen, zum Beispiel die In-formation und Beratung der Mitglieder, die verfügen über bestimmte Eigen-schaften: So sind Dienstleistungen überwiegend immateriell, ein großer Teil der Dienstleistungen wird in „einem Akt“ erbracht, d.h. die Leistungserbringung und -abnahme erfolgt simultan, da der/die LeistungsempfängerIn in die Leistungser-bringung eingebunden ist. Eine Dienstleistung ist in der Regel in Abgrenzung zur Sachleistung nicht „lagerfähig“, sondern lässt sich nur zu einem bestimmten Zeitpunkt erstellen. Die Dienstleistung kann auch zweistufig erfolgen, d.h. sie wird in diesem Fall nicht am Mitglied direkt, sondern im Zusammenspiel mit Drit-ten, etwa im Rahmen der Interessensvertretung erbracht. Darüber hinaus sind der größte Teil der Dienstleistungen in Verbänden „von einem direkten Entgelt entkoppelt“, da die Mitglieder einen Mitgliedsbeitrag bezahlen, der ihnen einen Zugriff auf die Einzel-, Gruppen- oder Gesamtleistungen ermöglicht (vgl. Witt 2006: 21-22; 114-130). Als weitere Eigenschaft betonen Witt et al. die Wissens-intensität verbandlicher Leistungen und formuliert, dass die „(…) Ressource Wissen in ihnen ein sehr hoher Stellenwert zukommt. Wissen umfasst alle sub-jektgebundenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten eines Individuums.

Wissensintensive Verbandsleistungen erfordern eine möglichst optimale Nutz-barmachung des Wissens der Verbandsakteure und somit ein systematisches Wissensmanagement“. (Witt et al. 2006: 21). Diese Arbeit fokussiert sich auf eine Auswahl von Dienstleistungen mit besonders hohem Wissensbezug. Des-halb wird im Folgenden der Begriff „Wissensdienstleistungen“ verwendet. Ver-tiefende Ausführungen zu den verbandlichen Wissensdienstleistungen folgen in Kapitel 2.2 und 4.1). Mit verbandlicher Wissensdienstleistung (Forschungsge-genstand dieser Arbeit) ist im engeren Sinne die Summe der Wissensdienstleis-tungen gemeint. Im weiteren Sinne bezieht sich der Begriff auch auf die Sys-temfaktoren.

Verband, Spitzenverband

Der Begriff umfasst die gesamte verbandliche Einheit mit ihren Strukturen (Ge-schäftsstelle, Fachverbände, -gruppen und -gremien), dem Dienstleistungsan-gebot, den Mitarbeitenden der Geschäftsstellen und den Mitgliedern. Eine ver-tiefende Definition von Verbänden als Organisationsform wird in Kapitel 2.1 vor-genommen. Die strukturelle Perspektive ist in Kapitel 2.5.6.2 in allgemeiner Form und in Kapitel 4.2.6.1 bezogen auf die untersuchten Verbände dargestellt.

Die beiden untersuchten Verbände sind Dachverbände und werden deshalb als Spitzenverbände bezeichnet (vgl. Kapitel 2.1.5). Werden die beiden untersuch-ten Verbände bzw. Spitzenverbände im Text direkt angesprochen, geluntersuch-ten die Abkürzungen „DPWV“ für den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Baden-Württemberg e.V. / Der PARITÄTISCHE und „DWW“ für das Diakonische Werk Württemberg e.V.

Geschäftsstelle

Die Geschäftsstelle unterstützt mit ihren Strukturen und Mitarbeitenden mit ent-sprechenden Dienstleistungen die Mitglieder, koordiniert die Fachverbände, -gruppen und -gremien und ist für die Verbandsorganisation zuständig.

Mitglieder

Mitglieder sind die Mitgliedsorganisationen (Träger und Initiativen) der unter-suchten Spitzenverbände. In Kapitel 4.2.6.2 wird die Mitgliederstruktur der un-tersuchten Verbände ausgeführt.

ExpertInnen

ExpertInnen im Sinne dieser Arbeit sind die befragten Führungskräfte der ers-ten oder zweiers-ten Ebene der untersuchers-ten Mitglieder und die befragers-ten Fachre-ferentInnen und Abteilungsleitungen der Verbände beziehungsweise Geschäfts-stellen. Ausführungen zum ExpertInnenstatus und zur Auswahl der ExpertInnen sind im Methodenkapitel (vgl. Kapitel 3.5) dargestellt. Um die Anonymität der Expertenaussagen im empirischen Teil sicher zu stellen, werden die ExpertIn-nen als GeschäftsstellenrepräsentantInExpertIn-nen bezeichnet.

Einflussfaktoren, Systemelemente

Die auf die Wissensdienstleistung einflussnehmenden Faktoren (Einflussfakto-ren) sind Forschungsgegenstand dieser Arbeit. Einflussfaktoren im Sinne dieser Arbeit können Umweltfaktoren außerhalb des Verbandes und Faktoren inner-halb des Verbandes umfassen (vgl. Kapitel 2.5 und 4.2). Systemisch betrachtet lassen sich Einflussfaktoren als Systemelemente verstehen. Systeme bestehen aus in Wechselbeziehung stehenden Systemelementen. Die Einflussfaktoren beziehungsweise Systemelemente2 sind in der Regel immateriell, wie die Kul-tur, die Strategie, das Wissen. Ein materieller Faktor ist beispielsweise der Mensch.

2 Der Begriff Systemelemente wird verwendet, wenn der systemische Kontext betont werden

Wissen

Der Begriff Wissen wird als Überbegriff für explizite und implizite Wissensfor-men verwendet. Mit expliziten WissensforWissensfor-men sind Informationen und explizites Erfahrungs- und Handlungswissen gemeint. Implizite Wissensformen beziehen sich auf implizites Erfahrungs- und Handlungswissen (vgl. Kapitel 2.5.4.2). Falls fachlich sinnvoll, werden Wissensformen zum Beispiel in Daten, Informationen und Wissen unterschieden. Sonderformen des Wissens sind das Metawissen und das Nichtwissen (vgl. Kapitel. 2.5.4.3 und 2.5.4.4).

Kommunikation

Diese Arbeit greift auf das Kommunikationsverständnis von Luhmann zurück und bezieht sich dabei auf die Rekonstruktion Luhmanns durch Schützeichel3. Um Kommunikation im Sinne Luhmanns zu erklären muss zunächst auf die Be-griffe "Sinn" und "Beobachtung" eingegangen werden. Schützeichel bezeichnet den Begriff Sinn als „Zentralbegriff der soziologischen Theorie Luhmanns" mit der Funktion Komplexität zu reduzieren, damit Auswahlmöglichkeiten und Handlungsalternativen entstehen. Sinn schafft die Möglichkeit, Unterscheidun-gen zu treffen. Für diesen Vorgang wird der Oberbegriff Beobachtung mit den

"Sachverhalten wie Denken, Handeln, Wahrnehmen, Kommunizieren" verwen-det. Beobachtungen leisten dabei gleichzeitig zwei "Momente": Unterscheiden und Bezeichnen. Kommunikation - die für alle sozialen Phänomene eine zent-rale Bedeutung hat - greift auf beide Momente zurück (vgl. Schützeichel 2004:

165–169).

Diese Interpretation von Kommunikation lässt sich auf die verbandliche Arbeit übertragen. Kernaufgabe des Verbandes ist es, Wissenskomplexität zu reduzie-ren, also relevantes Wissen zu bezeichnen und nicht relevantes Wissen nicht

3 Die Verwendung von Sekundärliteratur erfolgte, Schützeichel die Grundlagen der Systemtheo-rie nach Niklas Luhmann auf die wesentlichen Aspekte fokussiert und sprachlich verständlich rekonstruiert, ohne dabei den inhaltlichen Anspruch zu vereinfachen.

zu bezeichnen. ReferentInnen müssen entscheiden, welches Wissen aufberei-tet und verteilt und welches Wissen nicht berücksichtig wird (angewandtes Nichtwissen). Mitglieder müssen entscheiden, welches Wissen sie annehmen und welches Wissen sie nicht annehmen. Ist das verteilte Wissen anschlussfä-hig (vgl. Schützeichel 2004: 261), wird durch Kommunikation Wissenskomplexi-tät bedarfsgerecht reduziert. Darüber hinaus wird deutlich, dass Kommunikation die Einbeziehung der Nutzer bzw. der Mitglieder einschließt. Bezogen auf die verbandliche Praxis sind in diesem Zusammenhang unterschiedliche Phäno-mene zu beobachten. Im Hinblick auf die zentralen Wissensfunktionen des Ver-bandes ist die Einbeziehung der Mitglieder in Entscheidungsprozesse unter-schiedlich ausgeprägt. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Kommunikati-onsprozesse sind zu aufwendig oder Mitglieder haben aufgrund der Dienstleis-tungshaltung oder eigener Ressourcen kein Interesse an einer Kommunikation bzw. Unterscheidung und Bezeichnung. Darüber ergeben sich aus der Ausrich-tung der WissensdienstleisAusrich-tungen unterschiedliche Anforderungen. So unter-scheiden sich die Anforderungen an Kommunikation im Zuge der Wissens-dienstleistung "Austausch" in selbstgesteuerten Gruppen von den Anforderun-gen der Wissensdienstleistung „Information“ in Zuge der unaufgeforderten Infor-mationsvermittlung. Notwendig sind deshalb Systeme innerhalb des Verbandes die Kommunikation analysieren. Darüber hinaus lässt er Kommunikationsbegriff systemweit verorten. Schützeichel rekonstruiert Luhmann:

„Systeme bestehen aus Kommunikationen bzw. Operationen und ihren Medien einer-seits, und den Strukturen, die für die Anschlussfähigkeit von Kommunikationen sorgen andererseits“ (Schützeichel 2004: 261).

Wissensmanagement, systemisches Wissensmanagement, Wissensarbeit

Innerhalb der Verbände findet Handeln und Kommunikation statt. Beide „Ereig-nisse“ werden mit unterschiedlicher Ausprägung direkt und indirekt gesteuert.

Die folgenden Begriffsdefinitionen zum Wissensmanagement, dem systemi-schen Wissensmanagement und der Wissensarbeit, beschreiben die zentralen wissensbezogenen Steuerungsansätze, auf die sich diese Arbeit bezieht. Bei den Recherchen zum Wissensmanagementbegriff stößt man überwiegend auf Definitionen, die Wissensmanagement mit der Funktion eines zielgerichteten,

geregelten, gesteuerten, systematischen, strukturierten und methodengestütz-ten Umgangs mit Informationen und Wissen beschreiben. Dabei wird regelmä-ßig auf das Wissensmanagementmodell von Probst/Raub/Romhardt (1999) mit acht Prozess-Bausteinen verwiesen (vgl. Probst/Raub/Romhardt 1999: 53-56).

Die Autoren scheinen, die weiteren Hinweise von Probst/Raub/Romhardt zu den Beziehungen zwischen den Bausteinen und weiteren einflussnehmenden Faktoren des Wissensmanagements (vgl. Kapitel 2.4.4.1) nicht wahrzunehmen.

Sie bleiben in den Definitionen meist unerwähnt. Andere Definitionen setzen Wissensmanagement mit Informationsmanagement gleich oder reduzieren Wis-sensmanagement auf den Einsatz von Software-Tools.

Ganzheitlichere bis hin zu systemisch Definitionen von Wissensmanagement beginnen meist mit der Differenzierung von Wissen in Daten, Informationen, (Handlungs-)wissen und Fähigkeiten. Unterschieden wird zwischen individuel-lem und kollektivem Wissen. Der Umgang mit Informationen wird erweitert um den Umgang mit Kompetenzen und impliziten Wissensformen, insbesondere dem Handlungs- und Erfahrungswissen. Es werden weitere Faktoren wie Men-schen, Strukturen, die Kultur, Technik und Methoden einbezogen. Systemische Definitionen gehen von Organisationen als Systemen aus und verweisen in Hin-blick auf das Wissensmanagement auf die Wechselwirkungen der Faktoren. Die Funktionen des Wissensmanagements sind in diesem Sinne Handeln und Wirk-lichkeitskonstruktion. Wissensmanagement gestaltet und fördert für und partizi-pativ mit den beteiligten Akteuren in Form von Kommunikation den Umgang mit den für Wissensorganisationen relevanten Faktoren. Wissensmanagement re-duziert Komplexität und schafft Anschlussmöglichkeiten, unterstützt das Ent-scheiden, fördert das gegenseitige Lernen, entwickelt Kompetenzen und geniert neues Wissen. Wissensmanagement befähigt, erklärt und unterstützt Verste-hen. Wissensmanagement verändert die Einflussfaktoren. Organisationales Wissensmanagement beansprucht immer ein bestimmtes Maß an Steuerung.

Vertiefende Ausführung zu den Begriffsdefinitionen sind in den Kapiteln 2.4.4 und 2.6.4.1 dargestellt.

Wissensarbeit setzt an den Grenzen von Wissensmanagement an und stellt den eben dargestellten Anspruch an die direkte Steuerbarkeit von Wissen in

Frage. Wissensarbeit bezieht sich im Kern auf den interaktiven Austausch von Wissen, der die Generierung von neuem Wissen zu Folge hat. Dabei passen sich die Einflussfaktoren während des Kommunikationsprozesses an. Wissens-arbeit erfolgt im Sinne dieser Arbeit selbstgesteuert. Eine Steuerung durch den Verband ist nur indirekt vorgesehen, in Form von unterstützenden Leistungen (vgl. Kapitel 2.6.4.3).