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Die Leber ist das zentrale Stoffwechselorgan des Körpers. Als solches ist es an nahezu allen biochemischen Stoffwechselkreisläufen beteiligt. Einerseits stellt sie Proteine (z.B.

Gerinnungsfaktoren, Albumin) oder Hormonvorstufen (z.B. 25-Hydroxycholecalciferol, Angiotensinogen) her. Anderseits dient sie auch als Speicherort für Eisen, Fette, Vitamine und Zucker. Darüber hinaus ist die Leber essentiell wichtig für die Homöostase des Körpers durch Entgiftung verschiedenster endogener und exogener Substanzen mittels Biotransformation.

Die Endprodukte werden dann wiederum über die Galle ausgeschieden. Diese dient zusätzlich der Emulsion von Fetten im Dünndarm und hat somit auch einen großen Stellenwert bei der Verdauung dieser Stoffe.

Abbildung 1.1 Makroskopische Abbildung der Leber, Schrift modifiziert nach Preuße, Giebel 2009 Dargestellt von A) ventral und B) dorsal. A. Arteria Lig.: Ligamentum. V. Vena. Vv. Venae.

1.1.1 Topographie und Anatomie

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Die Leber ist ein ca. 1,5 kg schweres, parenchymatöses Organ, welches intraperitoneal im rechten Oberbauch lokalisiert ist. Kranial grenzt sie an das Zwerchfell (Diaphragma), mit dem sie an der Area nuda verwachsen ist. Die Gallenblase (Vesicae biliaris), die rechte Niere und Nebenniere und die rechte Colonflexur liegen der Leber von kaudal an. Medial hat die Leber Kontakt mit dem oberen Verdauungstrakt aus Ösophagus, Magen und Duodenum. Die Leber an sich ist schmerzfrei, nur die sie umgebenden Bindegewebshülle (Glisson-Kapsel) besitzt Schmerzrezeptoren. Eingeteilt wird die Leber in vier Lappen (Lobus dexter, sinister, quadratus

1 Wenn nicht anders angegeben: Manns, Cieplik et al. 2016 und Lüllmann-Rauch 2012

und caudatus) mit wiederum insgesamt acht Segmenten. Diese lassen sich makroskopisch von außen nicht abgrenzen und richten sich nach ihrer jeweiligen Blutversorgung durch Pfortader und Lebervene. Die Leberpforte besteht aus dem Ductus choledochus, der A.

hepatitica propria und der V. portae. Der arterielle Blutstrom des Organs speist sich aus der A. hepatica und der V. portae. Die A. hepatica versorgt die Leber mit sauerstoffreichem Blut aus dem großen Blutkreislauf, während über die V. portae nährstoffreiches, aber sauerstoffarmes Blut aus dem Verdauungstrakt der Leber zugeführt wird. Sie erhält dabei nur 25% ihres Blutes aus dem großen Kreislauf, während die restlichen 75% aus dem Pfortaderkreislauf stammen. Das Blut wird im Anschluss an die Leberpassage über die Vv.

hepaticae in die V. cava inferior geleitet.

Abbildung 1.2 Schematische Darstellung des Leberazinus, Schrift und Sprache modifiziert nach Adams, Eksteen 2006

Mikroskopisch lassen sich zwischen den sechseckigen Leberläppchen Portalfelder, bestehend aus je einem Zufluss der A. hepatica und V. portae sowie den in den Ductus choledochus abfließenden Gallengang, erkennen. Unter funktionellen Gesichtspunkten wird das Lebergewebe in Leberazini eingeteilt. Ein Leberazinus wird durch das Drainagegebiet eines Portalfeldes bestimmt. Das Blut fließt vom Portalfeld kommend über den Sinusoiden an den Hepatozyten vorbei in die Zentralvene, welche in die Vv. hepaticae drainiert. Dabei vermischt sich das nährstoffreiche Blut der V. portae mit dem sauerstoffreichen Blut aus der A. hepatica.

Durch das gefensterte Endothel der Sinusoide entsteht ein zweiter Raum, der Disse’sche Raum, zwischen Sinusoidendothel und Hepatozyten. Hier findet der Austausch zwischen Hepatozyten und Blut statt. Der dem Disse’schen Raum entgegengesetzte Hepatozytenpol grenzt zur Drainage der Gallenflüssigkeit an den Gallengang. Im Disse’schen Raum sind Fibroblasten ähnliche Zellen, genannt Ito-Sternzellen, lokalisiert. Diese speichern im Ruhezustand Vitamin A. Unter zellulärem Stress bilden sie das Bindegewebe, was zur Leberfibrose führt. Außerdem finden sich hier leberspezifische Makrophagen, die Kupffer-Sternzellen.

1.1.2 Pathophysiologie der Leberschädigung

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Einer Schädigung der Leber können verschiedene Ätiologien zu Grunde liegen. So unterscheidet man zwischen einer infektiösen, medikamentösen, toxischen oder autoimmunen Genese. Darüber hinaus können auch verschiedene hereditäre Defekte, Vorerkrankungen (z.B. Steatosis hepatis), Gallestau (Cholestase) oder Blutstau (Stauungsleber) die Leber schädigen. Bei ungeklärter Ursache spricht man von „kryptogen“. Je nach Verlauf wird eine akute von einer chronischen Leberschädigung unterschieden. Von der letztgenannten spricht man bei einer Hepatitis, welche länger als sechs Monate andauert. Bei anhaltender Schädigung kommt es zum Umbau des Leberparenchyms mit Vermehrung des Bindegewebes. Dies führt über eine noch reversible Fibrose zu einer meist irreversiblen Zirrhose der Leber. Der Verlauf ist fließend und erstreckt sich in den meisten Fällen über mehrere Jahre. Die Bindegewebsvermehrung ist der Versuch des Organismus, die Schädigung lokal zu begrenzen. Bei Elimination der auslösenden Faktoren ist Restitutio ad integrum möglich. Bei Persistenz der auslösenden Faktoren kommt es hingegen zu einer progrienten Vermehrung des Bindegewebes, bis die Leber völlig von harten, Läppchen übergreifenden Bindegewebssepten durchzogen ist.

1.1.3 Akutes Leberversagen

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Das akute Leberversagen ist ein drastisches und lebensgefährdendes Krankheitsbild, welches durch das Auftreten von Ikterus, hepatischer Enzephalopathie und Koagulopathie gekennzeichnet ist. In der Vorgeschichte besteht keine chronische Lebererkrankung oder sekundäre Ursache (z.B. Schock). Dadurch wird das akute Leberversagen von der Zirrhose als Endstadium verschiedener chronischer Lebererkrankungen mit ihren möglichen Komplikationen abgegrenzt. Man teilt das akute Leberversagen chronologisch entsprechend dem Zeitabstand zwischen Ikterus und Enzephalopathie in hyperakut (< 7 Tage), akut (< 4 Wochen) oder subakut (5-12Wochen) ein. Es handelt sich um eine seltene Erkrankung mit jährlich nur 200-500 Fällen in Deutschland (Canbay, Tacke et al. 2011). Ätiologisch stehen Medikamente, toxische und virale Ursachen im Vordergrund. Häufig wird aber auch keine Ursache gefunden (Hadem, Tacke et al. 2012). Sollten Ursachenelimination und organsupportive Maßnahmen nicht ausreichen, ist die Lebertransplantation die einzige Therapiemöglichkeit.

1.1.4 Hepatozelluläres Karzinom

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist mit einem Anteil von 90% der häufigste primär maligne Tumor der Leber. Das seltenere Cholangiokarzinom (CCC) entspricht fast gänzlich den restlichen 10%. Weniger als 1% der primär malignen Lebertumore geht auf seltene epitheliale oder kombinierte Tumore bzw. Hepatoblastome zurück (Schmidt, Vogel 2016). Als fünfthäufigste Tumorerkrankung des Mannes und siebthäufigste Tumorerkrankung der Frau

2 Wenn nicht anders angegeben: Manns, Cieplik 2016

3 Wenn nicht anders angegeben: Koch, Trautwein et al. 2017

weltweit sowie zweithäufigste zum Tode führende Tumorerkrankung im Jahr 2012, ist das HCC von großer klinischer Relevanz (Ferlay, Soerjomataram et al. 2013). Dabei ist das HCC zwar v.a. in Entwicklungsländern (Ost- und Südostasien, Subsahara-Afrika) häufig (Ferlay et al. 2013), jedoch handelt es sich auch um einen der wenigen Tumore in Deutschland mit steigender Inzidenz und Mortalität (Barnes, Kraywinkel et al. 2016). Ein HCC entsteht in 70%

auf dem Boden einer Leberzirrhose. Das jährliche Risiko für einen Patienten mit Leberzirrhose, ein HCC zu entwickeln, beläuft sich auf 1-6% pro Jahr (Schmidt, Vogel 2016). Die wichtigsten Risikofaktoren für die Tumorgenese eines HCC sind Virushepatitiden (Hepatitisvirus B und C), chronischer Alkoholabusus (Alkoholische Fettleber, ASH) und das metabolische Syndrom (Nichtalkoholische Fettleber, NASH). Je nach Region und Ethnie sind sie unterschiedlich verteilt (Ozakyol 2017). Daneben können aber auch Intoxikation mit dem Aflatoxin B1, seltene genetische Erkrankungen, langjährige Autoimmunhepatitiden oder die primäre biliäre Zirrhose (PBC) das Risiko einer Leberzirrhose erhöhen. Der klinische Verlauf ist meist durch die zugrundeliegende Lebererkrankung bestimmt. Erst im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu Symptomen durch den Tumor wie abdominellen Oberbauchschmerzen, B-Symptomatik, Übelkeit und Ikterus (Schmidt, Vogel 2016). Für die Behandlung unterscheidet man je nach Tumorstadium kurative (Resektion, Transplantation oder lokal ablative Verfahren) von palliativen (Transarterielle Chemoembolisation, systemische Therapie) Therapieoptionen.

Trotz dieser diversen Therapiemöglichkeiten ist die Prognose insgesamt schlecht. Das durchschnittliche Gesamtüberleben beträgt elf Monate (Greten, Papendorf et al. 2005).

Aufgrund der unspezifischen Klinik wird die Mehrzahl der Patienten erst in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert und nur 20% können chirurgisch mittels Resektion oder Transplantation versorgt werden. Bei Inoperabilität in einem frühen Stadium wird mittels lokal ablativen Verfahren (Radiofrequenzablation RFA, perkutane Ethanolinjektion PEI) therapiert (Dimitroulis, Damaskos et al. 2017), in fortgeschrittenen Stadien ist der Therapieansatz hingegen palliativ. Die Chemotherapie ist wenig erfolgsversprechend bei Patienten mit HCC; die Ansprechrate ist gering und das Überleben wird nicht verlängert (D.

Kim, Talati et al. 2017). Stattdessen rücken andere molekulare Angriffsziele in den Blickpunkt, wie beispielsweise Sorafinib, ein Multikinaseinhibitor, welcher bereits seit 2006 zur systemischen Erstlinientherapie des HCCs zugelassen ist. Er konnte in einer großen internationalen, placebokontrollierten Multicenter-Phase-III-Studie (SHARP) einen Überlebensvorteil gegenüber der Placebogruppe zeigen (Llovet, Ricci et al. 2008). In den letzten Jahren folgten verschiedene weitere Medikamente wie beispielsweise Regorafenib oder Lenvatinib, welche in der Erst- oder Zweitlinientherapie des HCCs zum Einsatz kommen (Ikeda, Morizane et al. 2018, Zhu, Baron et al. 2016). Diese Ansätze zeigen, dass die molekularen Grundlagen der Tumorgenese des HCCs der Schlüssel für zukünftige Therapieansätze sein könnten.