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1.3 Atg7 und Autophagie

1.3.3 Autophagie und Karzinogenese

Die Entstehung maligner Tumorzellen aus normalen Zellen wird durch die sogenannten zehn

„Hallmarks of cancer“ definiert, welche zuletzt 2011 von Hanahan und Weinberg aufgestellt wurden. Zu diesen zählen, neben weiteren, eine gesteigerte, unkontrollierte und potentiell unendliche Tumorzellproliferation und eine Apoptoseresistenz. Tumorzellen weisen Mutationen in ihrem Genom mit resultierender Störung von Kontrollmechanismen und Feedbacksystemen auf. Dies bereitet den Grund für eine Störung der gesamten Zellhomöostase und möglicher unkontrollierter maligner Expansion (Hanahan, Weinberg 2011).

Abbildung 1.6 Rolle der Autophagie in der Tumorgenese, Schrift, Sprache und Layout modifiziert nach Sun, Guo et al. 2013

Autophagie spielt eine Doppelrolle in der Tumorgenese des HCC. Im Initiationsstadium verhindert Autophagie die Tumorgenese durch verminderte Zellproliferation, geringere Inflammation und DNA-Stabilisierung. Dies beruht auf einer geringeren Akkumulation von ROS durch Autophagie. Bei manifestem Tumor fördert Autophagie das Tumorwachstum. Die übermäßige ROS-Akkumulation wird verhindert und damit die Tumorzellapoptose vermieden.

Gleichzeitig werden Nährstoffe durch Selbstdigestion für weitere Zellproliferation bereitgestellt. Dies verhindert wiederum die Tumorzellapoptose.

Der Autophagie als wichtiger Stoffwechselweg zur Aufrechterhaltung der Zellhomöostase werden in diesem Zusammenhang sowohl fördernde als auch hemmende Funktionen in der Tumorgenese zugeschrieben (Abbildung 1.6). So schützt einerseits der Abbau von geschädigten Organellen und Zellbestandteilen vor einer Zellschädigung aufgrund von zellulärem Stress, andererseits können Tumorzellen durch eben diese Bereitstellung von Nährstoffen ihren erhöhten Energiebedarf für weiteres Wachstum tilgen (Ávalos, Canales et al. 2014). In den letzten Jahren konnte dem Mechanismus der Autophagie in Abhängigkeit zum jeweiligen Kontext und Tumorstadium eine tumorsuppressive oder onkogene Rolle zugeordnet werden (White 2015, White 2012). So kann Autophagie als zweischneidiges Schwert in der Tumorentstehung angesehen werden, welches in frühen Stadien die Initiation von Tumoren verhindert und in fortgeschrittenen Stadien mit manifestem Tumor diesen in seinem Wachstum unterstützt (Czaja et al. 2013).

1.3.3.1 Tumorsuppressive Rolle der Autophagie

In frühen Stadien der Tumorentstehung wird Autophagie heute eine tumorsuppressive Wirkung zugeschrieben, weil das Tumorwachstum durch verschiedene Mechanismen unterdrückt werden kann (Ávalos et al. 2014). Hierbei sei der Zusammenhang zwischen gesteigerten ROS (Reactive oxygen species) durch geschädigte oder gealterte Mitochondrien und der Mitophagie hervorgehoben. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zelle und bilden den Großteil an ATP für ihren Stoffwechsel (Saraste 1999). Bei Schädigung von Mitochondrien kann es zur erhöhten Ansammlung von ROS, proapoptotischen Signalen und unnützen ATP-Verbrauch kommen, was wiederum weitere Zellschädigung bedingt und somit auch die Hepatozyten schädigt (I. Kim, Rodriguez Enriquez et al. 2007, Lemasters 2005, Dawson, Gores et al. 1993). Hohe Produktionsraten an ROS haben DNA-Mutationen, Oxidationen von Proteinen sowie Lipiden und Veränderungen von Ionenkanälen als Konsequenz. Daraus ergibt sich eine zunehmende zelluläre Instabilität und damit ein erhöhtes Risiko einer Tumorentstehung (Z. Wang, Li et al. 2016, Goetz, Luch 2008, Valko, Izakovic et al. 2004).

Innerhalb der Zelle entsteht ROS in verschiedenen Organellen, beispielsweise im Verlauf der Atmungskette in den Mitochondrien, wobei die Mitochondrien den Löwenanteil liefern (Zhao, Qu et al. 2016). Durch Abbau eben dieser Zellorganellen durch Mitophagie schützt Autophagie die Zelle vor weiterer Schädigung (Chourasia, Boland et al. 2015). Folglich ist die Autophagierate bei vermehrter Mitochondrienschädigung mit vermehrtem ROS-Aufgebot erhöht (Hewitt, Korolchuk 2016). Neben dem Abbau von geschädigten Mitochondrien wird mittels Mitophagie auch die Menge an Mitochondrien dem gegenwärtig gegebenen Stoffwechselbedarf der Zelle angepasst (Youle, Narendra 2011, Lemasters 2005). Deshalb gilt, dass das Ausmaß der Mitophagie in engen Grenzen dem momentanen Bedarf angepasst werden muss, da sowohl übermäßige, als auch verminderte Mitophagie zu Zellschädigung führen kann. Autophagie führt weiterhin auf einem basalen Level zu einem Abbau von anderen Organellen, die beschädigt sind und somit wiederum Hepatozyten schädigen können. Die Organellenanzahl wird außerdem auf diesem Weg den gegenwärtigen Bedürfnissen der Zelle angepasst (J. Schneider, Cuervo 2014). Entzündliche Prozesse tragen durch Infiltration von Entzündungszellen und der Ausschüttung von Zytokinen mit folgender vermehrter Proliferation zur Entartungstendenz der Zellen bei. Es folgt eine gesteigerte Angiogenese und Infiltration

ins umgebende Gewebe, was zusätzlich das Tumorwachstum unterstützt. (Candido, Hagemann 2013). Bei Autophagieinhibition zeigte sich eine erhöhte Nekroserate innerhalb von Tumoren (Degenhardt, Mathew et al. 2006). Autophagie könnte also antiinflammatorisch bei chronischer Leberschädigung wirken und so das Tumorwachstum durch Abschwächung der lokalen Inflammation hemmen (Mallat, Lodder et al. 2014, Morselli, Galluzzi et al. 2009).

1.3.3.2 Tumorfördernde Rolle der Autophagie

Im Gegensatz zu den bereits genannten Argumenten lassen sich in späteren Tumorstadien auch supportive Mechanismen der Autophagie für das Tumorwachstum feststellen. So erlaubt die Nährstoffbereitstellung mittels Autophagie das Wachstum auch unter widrigen Bedingungen wie Hypoxie, Ischämie und Nährstoffmangel. Nährstoffmangel im Zuge des Fastens ist der bestcharakterisierte Auslöser der Autophagie. Durch diese können Aminosäuren zur Sicherung der Energieversorgung der Hepatozyten freigesetzt werden. Unter ausreichender Energiezufuhr beträgt der stündliche Proteinumsatz der Leber durch Autophagie 1,5% der totalen Leberproteinmenge. Im Zuge der unterbundenen Nährstoffzufuhr steigert sich dieser Umsatz auf 4,5%, sodass nach 48 h Fasten bis zu 36% der Leberproteine durch Autophagie umgesetzt wurden (Mortimore, Hutson et al. 1983, Schworer, Shiffer et al.

1981). Die schnelle Bereitstellung von Energie in Form von Aminosäuren innerhalb der ersten Stunden des Fastens ist physiologisch v.a. für Neugeborene wichtig, um die Zeit zwischen der transplazentalen Versorgung und der Laktation zu überbrücken. Autophagie-defiziente Mäuse versterben wenige Tage nach der Geburt, da nicht genügend freie Aminosäuren zur ATP-Synthese bereitgestellt werden können (Kuma, Hatano et al. 2004). Die Hochregulation der Autophagie innerhalb der ersten 4-6 h des Fastens ist für die Hepatozyten überlebensnotwendig, um ihren Energiebedarf durch Abbau von Aminosäuren und anderen Substraten aufrechterhalten zu können (Czaja et al. 2013). Daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Bedeutung der Autophagie für den Tumor folgern. Die für die hohe Proliferation notwendigen Metabolite und das benötigte ATP werden mittels Autophagie zur Verfügung gestellt. Diese Überlegungen entsprechen auch der Tatsache, dass häufig eine Hochregulation der Autophagie in Tumorzellen beobachtet wird (Ávalos et al. 2014, White 2012). Die Interaktionen zwischen Autophagie und der Einleitung des Zelltodes durch Apoptose sind vielfältig und noch nicht vollends verstanden. Beide können unabhängig oder in wechselseitiger Beeinflussung zum Zelltod führen (K. Wang 2015). Autophagie ist eine frühzeitige Zellreaktion auf Stress und beginnt bereits vor der Induktion der Apoptose. Somit ist die Autophagie der Apoptose vorgeschaltet und beeinflusst diese. Als Grundüberlegung gilt, dass Autophagie das Überleben der Zelle mittels Energieversorgung durch Selbstdigestion sichert. Dies wirkt der Apoptose entgegen und verhindert, dass manifeste Tumorzellen zu Grunde gehen und somit weiter proliferieren können (Sun et al. 2013). Somit kann dem Prozess der Autophagie in fortgeschrittenen Tumorstadien eine tumorfördernde Funktion zugeschrieben werden, da das Überleben der Tumorzelle gefördert wird. Beispielhaft sind Lungentumore, welche eine Aktivierung des Tumoronkogens K-Ras aufweisen, für ihr weiteres Wachstum geradezu auf Autophagie angewiesen (Guo, Karsli Uzunbas et al. 2013, Guo, Chen et al. 2011).

1.3.3.3 Autophagie in der hepatozellulären Karzinogenese

Die Entstehung von hepatozellulären Karzinomen ist ein Vorgang in mehreren Schritten, welcher durch Untergang gesunder Leberzellen und einer darauffolgenden Entzündungsreaktion beginnt. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer kompensatorisch erhöhten Hepatozytenproliferation und bedingt durch die Entzündung zu einer Zirrhose, auf deren Grundlage sich eine HCC entwickeln kann (Z. Wang, Han et al. 2014). Verschiedenste Autoren beschreiben die Rolle der Autophagie in der HCC-Entstehung als ähnlich zwiespältig wie in den vorangegangenen Kapiteln beschrieben (L. Liu, Liao et al. 2017, Y. Lee, Jang 2015).

So wirkt die Autophagie initial als tumorsuppressiver Mechanismus. In gesunden Zellen schützt Autophagie durch Abbau von geschädigten Zellorganellen und Proteinen die Zelle gegen Entartung. Sobald jedoch ein manifester Tumor besteht, fördert Autophagie dessen Fortschreiten durch Bereitstellung der benötigten Nährstoffe wie Aminosäuren, Fettsäuren und Glukose (Czaja et al. 2013). In Atg7-defizienten Mäusen zeigte sich die spontane Bildung von gutartigen Leberadenomen (Takamura, Komatsu et al. 2011). Bei Beclin-1+/- Tieren, die somit teilweise Autophagie-defizient waren, kam es häufiger zur HCC-Entstehung (Qu, Yu et al.

2003). Bei bestehendem Tumor verändert sich die Rolle der Autophagie jedoch, da hier der Schutz der Tumorzellen gegen ROS, Apoptose und die Förderung der Invasion und Metastasierung im Vordergrund steht (Toshima, Shirabe et al. 2014, Li, Yang et al. 2013, Song, Guo et al. 2011). So könnten unterschiedliche Autophagiemarker in verschiedenen genetischen Subtypen des HCCs bald als prognostische Marker eingesetzt werden. Ding, Shi et al. berichteten von einer inversen Korrelation zwischen HCC-Aggressivität und Autophagieaktivität, gemessen an der Expression von Beclin-1, was in diesem Fall bedeutet, dass eine verminderte Autophagie in Zusammenhang mit einem schlechteren Outcome in vitro und in vivo steht (Ding, Shi et al. 2008). In einer anderen Studie korrelierte die Menge an LC3-II mit der Tumorgröße und bei fortgeschrittenen HCCs (> 3 cm) mit dem Hypoxiegrad. Zudem konnte LC3-II in diesen Tumoren als unabhängiger Prognosemarker für ein Tumorrezidiv postuliert werden (Toshima et al. 2014). Mit unserem derzeitigen Wissen kann jedoch noch nicht erklärt werden, unter welchen Konditionen und zu welchem Zeitpunkt sich der Funktionswechsel der Autophagie bezüglich Tumorgenese und Tumorwachstum vollzieht und aus einem tumorsuppressiven ein tumorsupportiver Mechanismus wird. So rückt therapeutisch zunehmend die Frage in den Vordergrund, ob die Autophagie zum Zeitpunkt der Intervention unterdrückt oder gefördert wird (J. Schneider, Cuervo 2014).