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2.4 Biologie der Orang-Utans

2.4.5 Lebensweise

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Abb. 47: Sumatra-Tiger.

Die Fellfarbe der Orang-Utans variiert zwischen hellorange, vor allem bei Jungtieren, bis hin zu dunklen Brauntönen, die besonders bei älteren Tieren auftreten (MACKINNON 1988).

Sumatra Orang-Utans, die in der vorliegenden Studie behandelt werden, sind im Allge-meinen am ganzen Körper inklusive ihrer Gesichter heller gefärbt. Die Gesichtsfarbe von Jungtieren ist heller und dunkelt im Alter nach, bis sie nahezu schwarz wird (MACKINNON

1988). Auch haben Sumatra Orang-Utans längeres, dichteres Fell, eventuell als Anpassung an die größeren Höhen, in denen ihre Habitate zu finden sind, im Gegensatz zu denen auf Borneo (COURTENAY ET AL. 1988).

Das Höchstalter von Orang-Utans im Freiland wird mit 45 Jahren angegeben, in menschlicher Obhut wurden Weibchen bereits 57 und Männchen 59 Jahre alt (WEIGL 2005).

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Abb. 48: Adulter männlicher Suma-tra Orang-Utan ruft.

der beiden Inseln Borneo und Sumatra aufzeigen. Das höhere Nahrungsangebot auf Sumatra führt dort zu mehr Tieren pro Flächeneinheit (DJOJOSUDHARMO & VAN SCHAIK 1992, VAN SCHAIK ET AL. 1995). So leben in Flussauen- und Sumpfwäldern auf Borneo durchschnittlich 2,9 Orang-Utans pro km², auf Sumatra sind es 6,1 Tiere pro km² (DELGADO & VAN SCHAIK 2000). Größere soziale Gemeinschaft würde zu einer Futterkonkurrenz bei den Orang-Utans führen. Gegen eine vollkommen solitäre Lebensweise sprechen die häufig vorkommenden Ansammlungen von mehreren Orang-Utans in Fruchtbäumen, in denen sich vor allem juvenilen Tieren, die Möglichkeit zum sozialen Spiel bietet (RODMAN 1973,RIJKSEN 1978,GALDIKAS 1988, MACKINNON

1988). Eine weitere Form der beobachteten Zusammentreffen im Freiland sind Assozia-tionen während der Wanderungen. Diese Vereinigungen werden von vielen Forschern als koordinierte Fortbewegungen angesehen. Sie treten häufiger auf, als es der Zufall erlauben würde (TE BOEKHORST ET AL. 1990). Daher wird angenommen, dass Orang-Utans nicht voll-ständig solitär sind, sondern durchaus in einem sozialen

Netzwerk leben. Dieses soziale Gefüge ist jedoch von losen Assoziationen charakterisiert, ähnlich den indivi-duellen Fission-Fusion-Gesellschaften der Schimpansen (MACKINNON 1974, VAN SCHAIK 1999). Weibliche Orang-Utans gelten im Allgemeinen als ortstreu und bleiben auch im Erwachsenenalter in der Nähe ihrer Geburts-gebiete (RIJKSEN 1978, SINGELTON & VAN SCHAIK 2002). Die einzelnen Gebiete der Weibchen können bis zu 900ha betragen. Die Lebensräume mehrerer Weibchen über-lappen sich häufig und zeigen sogar reproduktive Synchronizität (MACKINNON 1974, RODMAN 1988, DEL

-GADO & VAN SCHAIK 2000, SINGELTON & VAN SCHAIK 2002).

Bei männlichen Tieren sind unterschiedliche soziale Tendenzen zu finden. Adulte dominante Männchen besitzen ein weiträumiges Revier von bis zu 3.000ha, in dem sich die Gebiete mehrerer Weibchen befinden. Diese Reviere werden durch laute Rufe gegen andere Männ-chen abgegrenzt. Männliche Sumatra Orang-Utans geben dabei mehrere kürzere sowie im Tempo schnellere Rufe ab (Abb. 48), im Gegensatz zu den lang gezogenen Lautäußerungen der Borneo Orang-Utans (MACKINNON 1974). Diese akustischen Signale werden durchschnitt-lich viermal am Tag abgegeben, jedoch variiert die Rufhäufigkeit stark nach spezifischem

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Lebensraum und Populationsdichte (MITANI 1985, 1985B). Ebenso rufen die Männchen häufiger, wenn das Wetter unbeständig ist, ein Baum gerodet wird oder ein anderes Männchen einen Ruf absetzt (MACKINNON 1988). Die Rufe sind bis zu 800m weit hörbar (MITANI 1985,1985B). Bislang wurden 32 verschiedene Rufe identifiziert, die in drei Klassen eingeteilt wurden: 1. Kurze-Distanz Rufe (engl.: short distance calls) – Rufe, die weniger als 25m weit hörbar sind. 2. Mittlere-Distanz Rufe (engl.: middle-distance calls) – Rufe, die bis zu 250m weit zu hören sind, und 3. Weite-Distanz Rufe (engl.: long-distance calls) - Rufe mit einer Hörweite von über 250m (HARDUS ET AL.2009). Ihre Funktion ist umstritten, neben der Verteidigung der männlichen Reviere dienen sie eventuell auch für koordinierte Wander-ungen sowie dem Anlocken paarungsbereiter Weibchen (MACKINNON 1974, TE BOEKHORST ET AL. 1990). Die dominanten Männchen werden bei der Paarung von den Weibchen bevorzugt (SCHÜRMANN & VAN HOOFF 1986). Zur Fortpflanzung leben Männchen und Weibchen auf Suma-tra für mehrere Tage bis sogar Monate in festen Partnerschaften (RIJKSEN 1978). Subadulte Tiere besitzen im Gegensatz zu den adulten, dominanten Männchen kein festes Revier. Sie werden von weiblichen Orang-Utans eher gemieden und nur selten zur Kopulation aufge-sucht. Als Folge dessen erzwingen sie eine Paarung oft durch Vergewaltigungen der Weibchen (MACKINNON 1974). Es lässt sich festhalten, dass die Orang-Utan-Gesellschaft am besten als eine lose Gemeinschaft beschrieben werden kann, welche aus mehreren Assozi-ationen von Weibchen, deren Jungtieren und dem präferierten dominanten Männchen besteht (SINGELTON & VAN SCHAIK 2002).

Der Tagesablauf der Orang-Utans wird wegen ihrer relativ solitär erscheinenden Lebens-weise auch selten durch soziale VerhaltensLebens-weisen bestimmt. 95% der Zeit widmen sich adulte Orang-Utans der Aufnahme von Nahrung, dem Ruhen und der Wanderung zwischen Schlaf- und Futterplätzen. Subadulte oder juvenile Tieren spielen zusätzlich, vorwiegend mit sich selbst (MACKINNON 1971, 1974). Eine Feldstudie zeigte, dass Tiere im Freiland durchschnittlich 43% ihres Tages mit stoffwechselbedingtem Verhalten, 41,5% mit Ruhen, 13,5% mit Wandern und 2% mit anderen Verhaltensweisen wie Nestbau, Vokalisation, sozialen Verhaltensweisen und Paarungen verbrachten (DELGADO & VAN SCHAIK 2000). In einer neueren Studie von FOX ET AL. (2004) wurde für adulte Orang-Utans in Sumatra, 55% der Tageszeit für die Nahrungsaufnahme festgehalten, 25% entfielen in dieser Studie auf das Ruheverhalten und 17% auf das Wandern. Weitere 2% wurden für den Nestbau

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Abb. 49: Juveniler Orang-Utan im Nest, aus WOTHE &CLEMENS 1996.

tiert und andere Verhaltensweisen wie auch das Sozialverhalten nahmen 1% der Zeit in Anspruch. In der genannten Studie fanden sich auch geschlechtsspezifische Differenzen in dem Aktivitätsbudget. Die weiblichen Tiere verbrachten, im Vergleich zu den männlichen Tieren, einen höheren prozentualen Anteil mit der Nahrungsaufnahme. Dafür ruhten die Weibchen um den gleichen prozentualen Anteil weniger als ihre männlichen Artgenossen.

Für adulte Männchen wurde ein geringeres Wanderverhalten dokumentiert als für subadulte Männchen und adulte Weibchen (FOX ET AL. 2004).

Das Verlassen des Schlafplatzes bei Sonnenaufgang ist in vielen Fällen von einer Urin- und Kotabgabe begleitet (MACKINNON 1974). In Ketambe, Sumatra wurde die Verfügbarkeit von Früchten als Zeitgeber für den Tagesbeginn definiert, da in Zeiten mit vielen Früchten die Tiere in kürzerer Zeit mehr energiereiche Nahrung aufnehmen können und daher später den Tag beginnen. In Sabangau, Borneo wurde weder ein Einfluss von Früchten auf den tages-zeitlichen Beginn gefunden noch spielte der Sonnenaufgang eine Rolle (MORROGH-BERNARD ET AL.2009). Unabhängig von dem Aktivitätsbeginn wird nach dem Erwachen meist in der Nähe des Schlafnestes ausgedehnt Nahrung aufgenommen, gefolgt von einer längeren Ruhephase.

Für diese Ruheperiode am Mittag werden in einigen Fällen, wie zur Nachtruhe, Schlaf-nester in den Bäumen errichtet (MACKINNON

1971, 1974), deren Konstruktion ist jedoch einfacher und schlichter gestaltet. Der Bau der Tagnester ist auch vom Fruchtangebot abhängig, sind viele Früchte verfügbar, er-möglicht die gewonnene Energie das Konst-ruieren von Tagesnestern (PRASETYO ET AL. 2009). Gegen Nachmittag setzt eine Wan-derung zu neuen Futterplätzen ein (RODMAN

1988). Am Ende des Tages beginnen die

Utans Schlafnester anzulegen (Abb. 49), zu dieser Verhaltensweise ist jeder Orang-Utan im natürlichen Lebensraum in der Lage (PRASETYO ET AL.2009). Diese Nester befinden sich niemals am Boden, sondern ausschließlich in den Baumkronen. Zusätzlich zu dem sich ändernden jahreszeitlichen Tag-Nacht-Rhythmus variiert die Zeit des täglichen Nestbaus je nach Wetterlage. Bei windigem und kühlem Wetter beginnen die Tiere früher, bei milder

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Wetterlage erst nach Sonnenuntergang mit dem Errichten von Schlafplattformen. Dabei benötigen Orang-Utans im Durchschnitt 2–3 Min. für den Bau eines Schlafnestes (MACKINNON

1974). Für die Platzierung des Nestes werden jedoch nur selten fruchttragende Bäume ausgewählt, da diese Bäume von anderen Orang-Utans oder Fressfeinden gezielt aufgesucht werden (PRASETYO ET AL.2009). Das Bauen eines Nestes bietet den Tieren Komfort, Schutz vor Raubfeinden, Hitzeschutz und zusätzlichen Schutz vor Parasiten wie Moskitos. Außerdem bietet es Platz für das Sozialspiel und das Reproduktionsverhalten. Das Anfertigen der Nest-bauten erfolgt nach einem bestimmten schematischen Ablauf: Auswahl des Baumes, Konst-ruieren des Grundgerüstes, Bilden einer Bodeneinlage, Erstellen eines Außenrandes und schließlich evtl. Spezialanfertigungen wie beispielsweise ein Kissen (PRASETYO ET AL.2009). Die für den Bau benötigten Materialien werden in manchen Populationen direkt der unmittel-baren Umgebung entnommen, in anderen Populationen werden diese von den Orang-Utans im näheren Umfeld ausgewählt und zum Nest transportiert. Blätter und Äste werden nicht allein zum Bau von Schlafnestern genutzt, sondern teilweise auch verzehrt. Über den Tag verteilt setzen Orang-Utans unter anderem gezielt große Blätter als Schutz vor Nässe z.B. bei starken Regenfällen ein (MACKINNON 1974, RIJKSEN 1978).

Die Länge der Aktivitätsperiode kann sowohl durch das Alter als auch durch das Geschlecht beeinflusst werden, wie auch durch die verfügbare Futtermenge und die Zeit, die mit sozialen Kontakten verbracht wird. Ein genereller Trend scheint dahingehend zu bestehen, dass Männchen ohne Backenwülste die längste Aktivitätsspanne zeigen, gefolgt von den sexuell nicht aktiven Weibchen, den sexuell aktiven Weibchen und den Männchen mit Backenwülsten (MORROGH-BERNARD ET AL.2009).