• Keine Ergebnisse gefunden

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

62 _______________________________________________________________________________

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

Vergleichbar mit der allgemeinen Entwicklung im Bereich der Zootierhaltung, veränderte sich auch die Haltungssituation der Großen Menschenaffen im Zoo Frankfurt. Diese Verän-derungen soll an dieser Stelle beispielhaft für die Haltung der Gorillas im Zoo Frankfurt wiedergegeben werden.

Die erste Unterbringung des Gorillas ‚Tommy‘ 1930 war ein kleines Häuschen (Abb. 57).

Abb. 57: Unterbringung des Gorillas ‚Tommy‘ 1930 im Frankfurter Zoo.

Im Jahre 1966 dominierte eine sterile Einrichtung das Bild der Innenanlage der Gorillas im Zoo Frankfurt, mit gefliesten Wänden, Epoxyböden und Edelstahlklettergerüsten (Abb. 58).

Im Vergleich dazu präsentierte sich diese Innenanlage dann bis 2008 mit Holzstämmen sowie Tauen und Seile die an den Wänden befestigt waren (Abb. 59).

Abb. 58 und 59: Vergleich der Innenanlage der Gorillas von 1966 (Badezimmerarchitektur) und der Innenanlage bis 2008 im Frankfurter Zoo.

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

64 _______________________________________________________________________________

Aber nicht nur die Innenanlagen veränderten sich. Auch die Außenanlage, die bis 1980 aus Stein war (Abb. 60), wurde später einer Hügellandschaft nachempfunden (Abb. 61).

Abb. 60 und 61: Vergleich der Gorilla Außenanlage von 1980 (links) und der Außenanlage 2005 (rechts).

Im Mai 2008 war das neue Menschenaffenhaus ‚Borgori-Wald‘ bezugsfertig. Dabei ist die Innenanlage der Gorillas vergleichbar dem Besucherraum gestaltet, die Wände sind sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geheges aus bemalten Kunstfelsen, der Boden ist auf beiden Seiten der Scheibe aus Naturboden. Außerdem wurden sowohl in der Innenanlage wie auch außerhalb eine natürliche Bepflanzung vorgenommen (Abb. 62).

Abb. 62 : Große Gorilla Innenanlage im neuen Menschenaffenhaus ‚Borgori-Wald‘ im Juli 2008.

Diese beschriebenen Änderungen der Haltung der Menschenaffen fanden und finden weitestgehend deshalb statt, da die natürlichen Ansprüche der Tiere an ihren Lebensraum

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

eine immer vordergründigere Rolle spielen. In diesem Zusammenhang müssen auch bestimmte gesetzlich vorgeschriebene Mindestanforderungen bei der Haltung eingehalten werden. Diese Mindestanforderungen für die Haltung von Großen Menschenaffen in Deutschland sind vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft (BMVEL) herausgegeben worden und sind im Bundesgesetzbuch verankert, und sind im Folgenden beschrieben.

Diesem Gutachten entsprechend sollte die Höhe der Gehege für Große Menschenaffen 4m betragen, dies ist auch für die Außenräumlichkeiten geltend, wenn diese überdacht sind.

Speziell für die Orang-Utans schlägt PUSCHMANN (2007), aufgrund derer arborealen Lebens-weise, hohe Innenanlagen vor. Das Platzangebot für Menschenaffen sollte nach BMVEL (1996) für zwei Tiere sowohl innen als auch außen eine Fläche von 25m² betragen. Wird die Gruppe vergrößert, ist für jedes weitere Tier 10m² Raum vorgesehen. In Ausnahmefällen ist eine Haltung in einer Tropenhalle vorstellbar, ohne eine zusätzliche Außenanlage, in diesem Fall sind für zwei Tiere 50m² Gehegefläche verbindlich. Ebenfalls weist das Gutachten darauf hin, dass den Tieren der dreidimensionale Raum über etwaige Kletterstrukturen zugänglich gemacht werden sollte. Als Möglichkeiten dafür zählt PUSCHMANN (2007) Natur- und Kunst-bäume auf sowie Klettergerüste, Schaukeln, Hängeleitern, künstliche Lianen, Seile, Taue, Hängematten, Netze, Jutesäcke und Nestplätze auf. Ebenfalls findet die Gehegeeinrichtung im Gutachten des BMVEL(1996) Berücksichtigung. Dabei soll der Raum für die Tiere durch verschiedenste Strukturelemente wie Schwingvorrichtungen und Sitzgelegenheiten nutzbar gemacht werden. Außerdem seien Rückzugsmöglichkeiten in Form von Nischen und Blenden den Tieren anzubieten. Des Weiteren sei eine sinnvolle Option, durch mehr als eine Schiebermöglichkeit die Tiere voneinander separieren zu können. Zudem sollen die Absperr-möglichkeiten ein Kontaktgitter besitzen und den Großen Menschenaffen ist Spiel- und Beschäftigungsmaterial anzubieten, wie auch Utensilien zur Anfertigung von Schlafnestern.

Bei PUSCHMANN (2007) wird herausgestrichen, dass die Einrichtung nicht unbedingt augen-fällig für den Besucher sein sollte, sondern vor allem von Vorteil für das gehaltene Tier, und dass ebenfalls ein Kompromiss zwischen der notwenigen Hygiene und dem Wohlbefinden des Tieres gefunden werden muss. Als Beschäftigungselemente sind natürliche Materialen zu bevorzugen, aber auch künstliche Beschäftigungsobjekte bieten durch Langlebigkeit und einfaches Reinigen Vorteile. Für die Gestaltung der Außenanlage sind Bodenprofile mit Höhenunterschieden zu bevorzugen. Auch sollte die Anlage Ruhe– und Ausflugsplätze

bein-Literaturübersicht Haltung und Gesetz

66 _______________________________________________________________________________

halten sowie Bäume als Schattenspender und Klettermöglichkeiten. Des Weiteren bietet ein Naturboden die Option Erde aufzunehmen (Geophagie) oder gewachsene Pflanzen zu konsu-mieren (PUSCHMANN 2007).

Ein weiterer Abschnitt des Gutachtens (BMVEL1996) beschäftigt sich mit den klimatischen Bedingungen. In den Innenanlagen sollte eine Temperatur von unter 16°C langfristig nicht unterschritten werden. Die Außenanlage darf auch bei Temperaturen unter 0°C genutzt werden, wenn die Tiere die Wahlmöglichkeit haben, die Innenräume jederzeit aufzusuchen und der Außenbereich ausreichend Schutz vor Witterungseinflüssen bietet. Allerdings ver-weist das Gutachten auf mögliche gesundheitliche Konsequenzen, wenn ein Temperatur-gefälle von mehr als 10°C zwischen der Innen- und der Außenanlage besteht. PUSCHMANN

(2007) hält eine Innentemperatur mit einer Luftfeuchtigkeit, die den Ursprungsgebieten der Tiere entspricht, für angemessen. Außerdem schlägt er eine natürliche Beleuchtung vor.

Für die Abgrenzung zum Besucherraum werden Gitter, Sicherheitsglas oder glatte Wände von dem BMVEL(1996) vorgegeben. PUSCHMANN (2007) bevorzugt als sichere Trennung des Besuchers von den Tieren Panzerglas, da unerwünschte Kontakte unterbunden werden und das Unfallrisiko minimiert wird. Bei dem Bau von Trocken- oder Wassergräben ist nach BMVEL (1996) darauf zu achten, dass diese gegen Ertrinken und Absturzmöglichkeiten gesichert sind. Zudem sollte ein Überwinden unmöglich sein, wenn das Gehege an der Oberseite nicht geschlossen ist. Zur Sicherung der Türen schlägt PUSCHMANN (2007) Kasten-schlösser vor und rät keine VorhängeKasten-schlösser zu verwenden.

Als Sozialgefüge wird von dem BMVEL(1996) für alle Großen Menschenaffen eine Gruppen-haltung empfohlen, die den natürlichen Verhältnissen der Tiere entspricht. Dies soll in diesem Fall auch für die Orang-Utans gelten, die dauerhaft auch in einer sozialen Gruppe gehalten werden können. Nach PUSCHMANN (2007) tolerieren adulte Orang-Utan Männer auch heranwachsende Söhne, die keine sekundären Geschlechtsmerkmale besitzen. Bei den Bonobos ist darauf zu achten, dass eine gleichgroße Zahl von adulten Geschlechtern in der Gruppe ist und der männliche Nachwuchs in der Geburtsgruppe, bei seiner Mutter, ver-bleiben kann. Eine paarweise Haltung von Gorillas, Bonobos und Schimpansen wird durch das BMVEL(1996) abgelehnt, da dies unnatürlich sei. Eine Einzelhaltung sei generell abzu-lehnen und nur in Ausnahmefällen, wie Krankheit und Unverträglichkeit, über einen kurzen Zeitraum zulässig. Eine Vergesellschaftung von Großen Menschenaffen mit anderen Tieren ist ebenfalls möglich (PUSCHMANN 2007). So werden Sumatra Orang-Utans (Pongo abelii) mit

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

Gibbons (Hylopatidae) im Zoo Prag gemeinsam gehalten. Eine Vergesellschaftung von Borneo Orang-Utans (Pongo pygmaeus) mit Bartaffen (Macaca silenus) und asiatischen Zwergottern (Aonyx cinerea) wird im Allwetterzoo Münster seit 2000 durch-geführt (Abb. 63). Auch im Tierpark Hagenbeck, Hamburg teilen sich die Sumatra Orang-Utans (Pongo abelii) ihre Anlage mit den asiatischen Zwergottern (Aonyx cinerea).

Im Zoo Dortmund leben die Schabrackentapire (Tapirus indcus) zusammen mit den Sumatra Orang-Utans (Pongo abelii). Die Gorillas (Gorilla g. gorilla) werden beispiels-weise im Safariepark Beekse Bergen, Niederlande mit Guerezas (Colobus guereza), im Allwetterzoo Münster wie die Abbildung 64 zeigt, mit Rotschopfmangaben (Cerco-cebus toruqatus)

oder im Zoo Duis-burg mit DeBrazza-Meerkatzen (Cercopithecus neglectus) gehalten.

Ein weiterer Aspekt ist die Ernährung der Großen Menschenaffen. Dabei ist nach BMVEL (1996) min-destens dreimal am Tag eine entsprechende art-spezifische Fütterung angebracht. Zu füttern sind dabei verschiedenste Obst- und Gemüsesorten. Auch tierische Eiweiße sind neben Laub und Zweigen den Tieren anzubieten. Dies sollte nicht nur saisonal bedingt sein, sondern sollte auch in den Winter-monaten so gehandhabt werden. Des Weiteren

sollte auch Beschäftigungsfutter in Form von verstreuten Getreidekörnern, künstlichen Ter-mitenhügeln, Rosinenhölzern und ähnlichen den Tieren angeboten werden. Außerdem ist eine verminderte Fütterung von Nüssen zu bevorzugen, da diese einen hohen Fettgehalt aufweisen. Auch das Füttern von zuckerhaltigem Obst, wie Banane, Weintraube, Dattel, Feige und Zuckermelone sollte in geringen Mengen durchgeführt werden. Der Fruchtanteil der einzelnen Menschenaffen sollte bei den Orang-Utans bis zu 65% der Gesamtfuttermenge

Abb. 63: Orang-Utan mit zwei Bartaffen im Allwetterzoo Münster.

Abb. 64: Vergesellschaftung von Gorilla und Rotschopfmangabe im Allwetterzoo Münster.

Literaturübersicht Haltung und Gesetz

68 _______________________________________________________________________________

betragen, bei den Bonobos zwischen 40-50% ausmachen und bei den Gorillas 40% der Gesamtmenge nicht überschreiten (PUSCHMANN 2007). Zudem sollte die Nahrung viel Roh-faser enthalten, da dies Verhaltensanomalien wie der Regurgitation und Reingestion ent-gegenwirkt. Auch ist bei den Orang-Utans darauf zu achten, dass energetisch nicht ununter-brochen zu hochwertig gefüttert wird, da sich im Freiland fruchthaltige und fruchtarme Perioden abwechseln und die Tiere in menschlicher Obhut leicht verfetten. Bei den Bonobos sollte der Anteil tierischen Eiweißes 10% der Tagesration ausmachen (PUSCHMANN 2007).

Literaturübersicht Verhaltensanomalien