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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Kollegen,

sehr geehrte Herren Landeshauptleute, liebe Frau Bürgermeisterin,

sehr geehrter Herr Generaldirektor!

Ihnen darf ich vorab als Preisträger sehr herz-lich gratulieren. Es ist mir eine Freude und eine Auszeichnung, mit Ihnen heute diesen Preis empfangen zu können.

Ich weiß, dass eine Danksagung kürzer sein sollte als die Laudatio, und ich werde mich diesbezüglich auch bemühen. Lassen Sie mich aber zwei Gründe meines Dankes sagen; der erste ist ein sehr einfacher: Wenn ein Wiener eine Tiroler Auszeichnung bekommt, erfüllt mich das mit besonderem Stolz, denn das ist alles andere als alltäglich. Es ist nicht ganz so schwierig, wie als Schotte eine englische Aus-zeichnung zu bekommen, aber sehr weit da-von entfernt ist es nicht.

Das hat einige Journalisten zur Frage veran-lasst, wie ich mich dabei fühle. Nun, ich bin erfüllt von Dankbarkeit und freue mich ganz besonders über die sehr persönliche Begrün-dung, die du, lieber Herwig, hier erwähnt hast.

Es hat aber natürlich auch einen inhaltlichen Grund und das ist sehr viel wichtiger. Ja, ich freue mich eine Auszeichnung zu bekommen für die europäische Arbeit, die wir gemeinsam leisten, gemeinsam mit den beiden Kommu-nalverbänden in Österreich, dem Österreichi-schen

Gemeindebund und dem Österreichischen Städtebund, aber durchaus auch in guter Zu-sammenarbeit mit den einzelnen Regionalpoli-tikern in diesem Land. Gemessen an der Klein-heit dieses Landes spielen die österreichischen

Kommunalverbände eine überproportionale Rolle in der europäischen Regionalpolitik.

Dieses Europa ist ein Traum, der nicht nur 1957, als die römischen Verträge unterzeich-net wurden, geboren wurde, sondern sehr viel früher aus einer Zeit der Not und des Elends nach dem Terrorherr-schaft, hin zu einem Traum von einem

verwirklichen. Zu Recht ist heute die berühmt gewordene Konferenz von Versailles der Bür-germeister aus ganz Europa erwähnt worden, die zusammengekommen sind, um als erste über diesen gemeinsamen Traum von Europa zu diskutieren und ihn aus der Taufe zu he-ben. Ja, es waren Regionalpolitiker und Bür-germeister, die diesen europäischen Traum begonnen haben. Einmal mehr zeigt sich die Vorreiterrolle der Regionen, Städte und Ge-meinden in Europa.

Heute stehen wir mitten in diesem europäi-schen Traum. Rifkin hat ein ganzes Buch über diesen Traum geschrieben. Es wäre mir lieber, er hätte den europäischen Traum mehr aus sich selbst definiert und nicht nur als eine Abgren-zung zum American Way of Life, zum amerika-nischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell.

Wir können heute selbstbewusst genug sein zu sagen, dass wir Europäer ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell entwickelt haben, das die größte Erfolgsstory der Menschheitsgeschichte darstellt. Man hat in diesem Europa aus den Fehlern des 19. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gelernt und ge-meinsam einen Weg zur Verwirklichung dieses europäischen Traums gefunden.

Er besteht heute im Wesentlichen aus vier Teilen, von denen wir zwei mit Sicherheit im hohen Ausmaß erreicht haben – wenn auch noch viel zu tun ist. Es ist das unglaublichste Friedensprojekt, das jemals auf diesem alten Kontinent entwickelt werden konnte, von dem so viele Kriege, Ausbeutung, Not und Elend ausgegangen sind, gerade in der Phase des Kolonialismus und des Imperialismus.

Die meisten von uns können sich heute gar nicht mehr persönlich an den Zweiten Welt-krieg erinnern, ich zum Beispiel bin als heute nicht mehr junger Mensch fünf Jahre nach Kriegsende geboren. Wenn man mit jungen Menschen in den siebten und achten Klassen der Mittelschulen redet, wird klar, dass sie den Krieg nur aus Fernsehberichten kennen, und er in ihrem realen Erfahrungshorizont nicht vor-handen ist. Das ist eine diskussionswürdige Si-tuation, denn es ist noch nicht allzu lange her, dass eine Flugstunde von Wien entfernt ein furchtbarer Krieg getobt hat. Niemand sollte heute im Europa des Friedens das Massaker von Srebrenica vergessen, das uns im heuti-gen Europa des 20. Jahrhundert unvorstellbar war. Wir haben auch in diesem Europa noch einiges zur Umsetzung des Friedensprojektes in ganz Europa zu tun.

Wir tragen hier auch selbst Verantwortung, die wir wahrnehmen müssen: Demokratie und Freiheit müssen wehrhaft sein, und sich

gegen die Feinde der Freiheit und Demokratie auch tatsächlich wehren können. Wer an den Gräbern von Srebrenica und den Gräbern von Sarajevo gestanden ist, der weiß, was ich mei-ne. Ich würde niemals einem Angriffskrieg das Wort reden, aber man hat sich gegen die Fein-de Fein-der Freiheit zu verteidigen, wie das auch schon einmal in der französischen Revolution formuliert worden ist.

Wir haben ein unglaubliches Erfolgsprojekt hinter uns, was die ökonomische Entwick-lung Europas betrifft. Gar keine Frage, es kam auch zu Rückschlägen. Keine Frage, wir haben uns in vielfacher Hinsicht selbst nicht Ernst genommen. Wo ist denn die Umsetzung der Beschlüsse von Lissabon in diesem Euro-pa, gerade in ökonomischer Hinsicht; gerade in Hinblick auf die Energiepolitik, die Wissen-schaft und Forschung?

Wir haben uns in vielfacher Hinsicht nicht Ernst genommen, wenn man von einer key-nesianischen ökonomischen Theorie ausgeht, indem wir jene Zeit nicht genutzt haben, in der wir uns auf Rezessionsphasen vorbereiten hätten können. Das bedeutet nicht, dass die Grundidee falsch ist. Die Erfolgsstory Europas muss nicht geschmälert werden, aber nichts-destotrotz muss man scharf analysieren, dass vieles besser hätte laufen können.

Wir haben Aufgaben vor uns: In der immer deutlicheren und differenzierteren Globa-lisierung werden wir im Wettbewerb dann bestehen, wenn wir ein starkes Europa sind.

Es wird nicht nur notwendig sein, die Krite-rien der Währung entsprechend einzuhalten, sondern darüber hinaus fortzuschreiten in Richtung einer Harmonisierung der Steuer-systeme in der Europäischen Union. Daneben gibt es noch viele andere grundlegende und wichtige Elemente, die die Voraussetzung für

die wirtschaftliche Stärke und das Bestehen im Wettbewerb darstellen.

Aber liebe Freunde, die noch größere Aufga-be, die wir vor uns haben, ist eine moralische, und sie trägt wesentlich zur Akzeptanz in der Bevölkerung für dieses europäische Erfolgsmo-dell bei: Es ist die Lösung der sozialen Frage.

Wir werden den Menschen das Modell Euro-pa nur dann näher bringen können, wenn wir uns damit auseinandersetzen, dass wir heute 17 Mio. Arbeitslose in diesem reichen Europa haben.

In einem unglaublichen Kraftakt, in einer großartigen Anstrengung haben es viele Mit-gliedstaaten geschafft eine gemeinsame Wäh-rung einzuführen. In einem nächsten Kraftakt, einem großen Schritt wird es notwendig sein, die Fragen der Beschäftigungspolitik und der Sozialpolitik auch entsprechend durchzuset-zen. Den Hoffnungslosen kann man nicht ein abstraktes Bild Europas vorgeben, sondern nur die konkrete Hoffnung, dass sich ihr Leben verbessern wird. Neben dieser Solidarität ist der letzte wesentliche Punkt aus meiner Sicht tatsächlich die Demokratie und die Subsidiari-tät. Warum ich als leidenschaftlicher Europäer für ein Europa der Regionen kämpfe? Weil sich damit die Akzeptanz dieses großartigen europäischen Projektes am ehesten durchset-zen lässt, und angreifbar machen lässt. Da-durch werden die Menschen letztendlich ver-anlasst, wirklich an Europa teilzunehmen und sich selbst einzubringen.

Europa ist heute in jeder Gemeindestube. Ein Großteil der Entscheidungen, egal, ob sie in einer kleinen Gemeinde oder im großen Wien gefällt werden, wird durch europäische Ent-scheidungen beeinflusst oder sogar entschie-den. Daher haben wir nicht nur das Recht, sondern die Pflicht, uns in die europäische

Politik einzubringen. Die Menschen werden Europa sehr viel besser verstehen, wenn man ihnen diese Gedanken entsprechend nahe bringt. Es kann nicht sein, dass die Menschen heute in vielfacher Hinsicht erleben, dass die Subsidiarität zwar eines der Grundprinzipien der Europäischen Union ist, so wie Wettbe-werb oder Freiheit, aber in der täglichen Ar-beit vom Wettbewerb alles und von der Subsi-diarität nichts zu erleben ist.

In jedem Konflikt, der zwischen der Subsidia-rität und dem Wettbewerb ausgetragen wird, egal, ob vor dem Europäischen Gerichtshof oder vor der Kommission, verliert die Subsidi-arität. Ich denke, das macht einen Gutteil des Unmuts der Menschen aus. Das ist nicht das ganze Europa, das wir uns vorstellen, sondern nur ein Teil des Traums. Das ist nicht der ganze Traum, den wir wollen. Wer heute ein leiden-schaftlicher Europäer ist, der muss die Demo-kratie vertiefen wollen, der Regionalpolitik in diesem Europa das Wort reden, dem sozialen Zusammenhalt in dieser Gesellschaft, genau so, wie wir auch für die ökonomische Prospe-rität und Stabilität eintreten. Der Friede muss weiterhin eine entscheidende Rolle in der eu-ropäischen Erfolgsstory spielen.

Ich möchte noch ein bisschen begründen, warum ich mich mit Leidenschaft in der eu-ropäischen Regionalpolitik engagiere. Als Regionalpolitiker sind wir sehr viel häufiger mit den Sorgen und Ängsten der Menschen konfrontiert; auch was ihre Kinder und Enkel betrifft. Ich denke es ist unsere Aufgabe, das auch deutlich zu machen. Das ist nicht hoff-nungslos, denn in den Diskussionen haben wir eine ganze Menge erreicht. Ich denke an die Nahverkehrsrichtlinie, die Daseinsvorsorge, und auch die Verankerung der Bedeutung der Regionen und Gemeinden in der Verfassung.

Das ist die nächste große Auseinandersetzung,

die wir zu führen haben werden. Wir müssen ein Ja zu diesem Entwurf der europäischen Verfassung erreichen, denn er stärkt jene, die dafür eintreten, dass es zu dieser umfassenden Verwirklichung des europäischen Traums kom-men kann. Er stärkt die Regionen, Städte und Gemeinden. Daher halte ich es schon heute für unendlich wichtig, wie in der Resolution von Innsbruck ja auch festgehalten ist, dass die Charta der kommunalen Selbstverwaltung in das Acquis Communautaire, das gemeinsa-me Rechtswesen der Europäischen Union auf-genommen wird. Am Ende dieses Weges muss die Verabschiedung der Verfassung stehen, so dass wir uns auf einer gesicherten Rechts-grundlage bewegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich darf mich noch einmal sehr sehr herzlich be-danken, und versichern, dass ich reinen Herzens hier stehe und mich bedanke. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, und ich weiß es da-her doppelt zu schätzen. Es wird mir Freude und Anlass sein, in Zukunft besonders gern nach Innsbruck zu kommen.

Speech of laureate Dr. Michael Häupl