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Die Kriegsschäden Südniedersachsens im Vergleich zu anderen Regionen Regionen

4. Die südniedersächsischen Dörfer im 17. Jahrhundert

4.1. Zu den konkreten Kriegsschäden der Ämter und Dörfer

4.1.4. Die Kriegsschäden Südniedersachsens im Vergleich zu anderen Regionen Regionen

Um die Relation und die Höhe der Kriegsbelastungen der südniedersächsischen Dörfer besser einordnen zu können, erscheint es sinnvoll, einen Vergleich mit den Belastungen anderer Regionen vorzunehmen. Dieses Vorhaben wurde leider dadurch erschwert, dass nur wenige solcher Verzeichnisse überliefert sind und eine konkrete Auswertung dieser Schadensverzeichnisse für andere geographische Regionen bislang kaum vorgenommen wurde.

Für die beiden im Herzogtum Schleswig-Holstein-Gottorf gelegenen Ämter Reinbek und Trittau hingegen liegt eine ähnliche und aktuelle Untersuchung vor.210 Jörn Rathjen zeigte ebenfalls anhand von Schadensverzeichnissen die Kriegsbelastungen der Dörfer dieser beiden gottorfischen Ämter auf. Die im südöstlichen Holstein gelegenen Ämter umfassten im 17. Jahrhundert 19 (Amt Reinbek) bzw. 32 Dörfer (Amt Trittau). Wie auch in den Dörfern der Ämter Münden und Friedland, so sorgte in diesen beiden Ämtern der sogenannte kaiserliche Krieg (1625-1629) zwischen Herzog Christian IV. und den kaiserlichen Truppen, der mit der Niederlage Herzog Christians in der Schlacht bei Lutter am Barenberge im August 1626 eine vorentscheidende Wendung erfahren hatte, für zahlreiche Einquartierungen und Durchmärsche. Während die kaiserliche Streitmacht unter Tilly bereits vor der Schlacht in Lutter die Städte Münden und Göttingen belagert, angegriffen und besetzt hatte und aus Richtung Süden nach Lutter zog, so quartierte Herzog Christian schon zu Beginn seiner Kriegsvorbereitungen im Frühjahr 1625 einige neugeworbene Kavallerieeinheiten in den

210 Rathjen, Jörn: Soldaten im Dorf. Ländliche Gesellschaft und Kriege in den Herzogtümern Schleswig und Holstein 1625–1720: eine Fallstudie anhand der Ämter Reinbek und Trittau, Kiel 2004.

102 Ämtern Reinbek und Trittau ein.211 Nachdem Christian ein Heer von 16.000 Mann ausgehoben hatte, verließen seine Truppen die Quartiere und zogen im Juni 1625 Richtung Süden den kaiserlichen Truppen Tillys entgegen. Nach der Niederlage Herzog Christians bei Lutter kam es aufgrund der Rückführung und Neuaufstellung seiner Truppen zu erneuten Truppeneinquartierungen und Durchmärschen im südöstlichen Holstein. Neben den Kosten, die die Untertanen für den Aufenthalt der Soldaten aufbringen mussten, hatten sie auch die Hauptlast bei den Planungen zur Landesverteidigung zu leisten. In erster Linie war eine Fortifikation der ungeschützten holsteinischen Grenze vorgesehen. Größere und kleinere Schanzen wurden errichtet. Die Schanzarbeiten verrichteten Arbeitskommandos der Untertanen aus den Grenzämtern, also auch aus Reinbek und Trittau. Die Fortifikationsarbeiten verliefen jedoch schleppend und Tillys Heer rückte weiter vor. Im Juli 1627 gelang seinem Heer der Übergang über die Elbe und es zog weiter nach Lauenburg. An Widerstand von Seiten der dänischen Truppen war nicht zu denken. Auch Wallenstein und der kaiserliche Oberst Schlick zogen mit ihren Truppen in diese Gegend. Nun folgte die Einquartierung der kaiserlichen Truppen im holsteinischen Gebiet. Dabei entstanden nur mäßige Belastungen für die Untertanen, da im Dezember 1627 die geregelte Einquartierung in Kraft gesetzt wurde. In diesem Zusammenhang dienten Reinbek und Trittau einigen kaiserlichen Kompanien als Einquartierungsgebiet und Kontributionsbasis. Nach dem Friedensschluss von Lübeck im Mai 1629 zogen die kaiserlichen Truppen ab, jedoch folgten darauf Einquartierungen dänischer Truppen.

Sowohl die Ämter Reinbek und Trittau als auch die Ämter Münden und Friedland waren in den 1620er Jahren durch Einquartierungen, Plünderungen und Belagerungen in Mitleidenschaft gezogen worden. Neben dem Schadensverzeichnis für die beiden südniedersächsischen Ämter aus dem Jahre 1629 mit der Aufstellung der durch die Truppen Tillys angerichteten Schäden, liegen für das Amt Reinbek zwei Schadensverzeichnisse aus dem Jahre 1628 vor, in denen ebenfalls der Schaden aufgelistet wurde, den die kaiserlichen Truppen im Amt Reinbek verursacht hatten und die im Rahmen von Rathjens Untersuchung ausgewertet wurden.212

So lag die Schadenssumme im Amt Reinbek 1627/1628 bei 125.658 Mark lübisch. Drei Mark lübisch entsprachen einem Reichstaler. Umgerechnet ergab sich also ein Schaden von 41.886

211 Vgl. im Folgenden Rathjen, Jörn: Soldaten im Dorf, S. 36ff.

212 Zu allen Angaben des Amtes Reinbek sowie dessen Dörfer vgl. im Folgenden Rathjen, Jörn: Soldaten im Dorf, S. 44f.

103 Talern im Amt Reinbek, der durch die kaiserlichen Truppen 1627/1628 verursacht wurde. Im Amt Friedland lag der Schaden durch die Truppen Tillys 1629 bei 272.455 Talern. Wie erwähnt, umfasste das Amt Reinbek 19 Dörfer, das Amt Friedland 17. Was die Zahl der Haushalte betraf, so gab es im Amt Reinbek im Jahre 1613, also noch vor Ausbruch des Krieges, 346 Bauernstellen. Im Amt Friedland waren es 421. Zu Kriegszeiten jedoch sank die Zahl der Haushalte im Amt Friedland auf 183 (1632). Konkrete Haushaltszahlen zu Kriegszeiten für das Amt Reinbek lieferte Rathjen nicht. Dennoch bleibt trotz einer möglicherweise leicht höheren Zahl der Haushalte im Amt Friedland festzuhalten, dass die Dörfer des Amtes Friedland einen deutlich höheren Kriegsschaden durch die kaiserlichen Truppen erlitten hatten als die des Amtes Reinbek. Bei Betrachtung des Gesamtschadens beider Ämter ergibt sich eine 6,5 Mal höhere Belastung des Amtes Friedland.

Im Durchschnitt belief sich der Gesamtverlust eines Dorfes 1627/1628 im Amt Reinbek auf 6.262 Mark lübisch, also auf ca. 2.087 Taler. Im Amt Friedland hingegen lag 1629 die durchschnittliche Belastung pro Dorf um ein Vielfaches höher bei etwa 16.026 Talern. Der durchschnittliche Schaden war in den Dörfern des Amtes Friedland also fast achtmal so hoch wie in den Dörfern des südostholsteinischen Amtes. Allerdings waren, wie auch im Amt Friedland, die Dörfer des Amtes Reinbek unterschiedlich stark belastet. Auf die Anwesen/Haushalte umgerechnet ergab sich im Amt Reinbek für die beiden stark belasteten Dörfer Tonndorf und Siek ein durchschnittlicher Schaden von 1.273 Mark lübisch (ca. 424 Taler) bzw. 755 Mark lübisch (ca. 251 Taler). Im eher gering belasteten Dorf Stemwarde ergab sich ein Schaden von 187 Mark lübisch (ca. 62 Taler) pro Anwesen. Im Amt Friedland waren die Haushalte des Dorfes Friedland durchschnittlich am stärksten belastet. Durch die Truppen Tillys wurden hier pro Haushalt durchschnittlich etwa 1.430 Taler Schaden angerichtet.213 Im Vergleich zum Dorf Tonndorf, welches mit ca. 424 Talern pro Haushalt im Amt Reinbek am stärksten belastet war, wurden in jedem Haushalt des Dorfes Friedland mehr als 1.000 Taler höhere Unkosten verursacht. Aber auch in zahlreichen anderen Dörfern des Amtes Friedland wurde durch die Truppen Tillys pro Haushalt deutlich mehr Schaden angerichtet. Die Dörfer Reiffenhausen, Ludolfshausen, Groß Schneen, Niedernjesa und Elkershausen waren mit einem durchschnittlichen Schaden von über 1.000 Talern pro Haushalt deutlich höher belastet als Tonndorf im Amt Reinbek. Nur weniger Dörfer des

213 Für die Errechnung dieser und der folgenden Durchschnittswerte wurden der Schaden aus dem

Schadensverzeichnis 1629 und die durchschnittliche Zahl der Haushalte der jeweiligen Dörfer während des Krieges verwendet.

104 Amtes Friedland waren weniger stark belastet als Tonndorf. Hierzu gehörten Dramfeld und Diemarden mit 413 bzw. 265 Talern pro Haushalt. Alles in Allem zeigte der Vergleich beider Ämter eine sehr viel höhere Belastung der Haushalte und Dörfer des Amtes Friedland.

Vergleicht man das Amt Münden mit dem Amt Reinbek, so muss zunächst festgehalten werden, dass das Amt Münden mit 37 Dörfern deutlich größer war als Reinbek mit 19 Dörfern. Auch die Zahl der Haushalte lag mit 1.040 zu Beginn des 17. Jahrhunderts im Amt Münden entschieden höher. Im Jahre 1632 waren es immerhin noch 727 Haushalte im Amt.

Was den durch die Truppen Tillys erlittenen Schaden betraf, so lag dieser ebenfalls höher als der im Amt Reinbek. 251.108 Talern im Amt Münden standen den 41.886 Talern im Amt Reinbek gegenüber.214 Berücksichtigt man die unterschiedliche Zahl der Dörfer in den Ämtern, so ergab sich im Amt Münden ein durchschnittlicher Schaden von ca. 6.786 Talern pro Dorf.215 In Reinbek waren es 2.087 Taler. Somit war auch die durchschnittliche Belastung pro Dorf deutlich höher als im gottorfischen Amt. Die Belastung der Mündener Dörfer überstieg die Belastung der Reinbeker Dörfer um mehr als das Dreifache.

Vergleicht man die durchschnittliche Belastung der Dorfhaushalte in den einzelnen Dörfern beider Ämter, so ergaben sich deutlich geringere Unterschiede als noch beim Vergleich mit dem Amt Friedland.216 So erlitten sieben Dörfer des Amtes Münden durchschnittlich einen höheren Schaden als das Dorf Tonndorf (424 Taler pro HH), das am höchsten belastete Dorf im Amt Reinbek. Varmissen lag im Amt Münden mit 599 Talern Schaden an erster Stelle.

Zwischen den am höchsten belasteten Dörfern erwies sich die Differenz also als deutlich geringer, als es noch im Vergleich mit dem Amt Friedland der Fall war. Dennoch bleibt auch für das Amt Münden festzuhalten, dass die einzelnen Haushalte in den Dörfern zum Teil deutlich höhere Unkosten zu tragen hatten als die des Amtes Reinbek. Dies war insbesondere vor dem Hintergrund der Fall, dass das Beispiel Tonndorf mit 424 Talern pro Haushalt im Amt Reinbek offenbar das mit Abstand am stärksten belastete Dorf war. Viele weitere Dörfer dieses Amtes schienen deutlich weniger stark belastet gewesen zu sein.

214 Miteinbezogen wurden die „sonstigen Kosten“ von 48.096 Talern im Amt Münden

215 Miteinbezogen wurden die „sonstigen Kosten“ von 48.096 Talern im Amt Münden.

216 Für die Errechnung dieser und der folgenden Durchschnittswerte wurden der Schaden aus dem

Schadensverzeichnis 1629 und die durchschnittliche Zahl der Haushalte der jeweiligen Dörfer während des Krieges verwendet.

105 Darauf lassen die viel geringeren Gesamtschadenssummen der übrigen Dörfer des Amtes Reinbek schließen.217

Dieser Vergleich der beiden südniedersächsischen Ämter mit dem im südöstlichen Holstein gelegenen Amt Reinbek lässt das deutlich höhere Ausmaß an Unkosten durch die kaiserlichen Truppen bei den südniedersächsischen Dorfschaften erkennen. Insbesondere das Amt Friedland setzte sich hier deutlich vom gottorfischen Amt ab. Als Gründe für die eindeutig stärkere Belastung durch Plünderungen, Einquartierungen und Truppendurchzügen lassen sich für die Ämter Münden und Friedland insbesondere die langwierigen Belagerungen und Besetzungen der Städte Münden und Göttingen im Jahre 1626 anführen. Insbesondere die umliegenden Dörfer erlitten durch die vor den Städten lagernden Truppen massiven Schaden. Wie bereits aufgezeigt, wurden auch die Einwohner der Dörfer des Amtes Reinbek Opfer von Durchmärschen und Einquartierungen. Der Schaden fiel im Vergleich zu Südniedersachsen eher gering aus, dazu trug die „exponierte Grenzlage“218 des Amtes bei, denn „im Amt selbst oder in dessen Nähe war es jedoch zu keinerlei Kampfhandlungen gekommen, die im allgemeinen größere Zerstörung mit sich brachten.“219 Dennoch stellte das Amt Reinbek 1627/1628 im gottorfischen Raum eines der stärker belasteten Gebiete dar220, was wiederum die Kriegsbelastungen des Amtes Friedland umso höher erscheinen lässt.