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3. Historische Einordnung: Der Dreißigjährige Krieg im Untersuchungsgebiet

3.3. Die Stadt Münden im Dreißigjährigen Krieg

Auch die Stadt Münden – neben Göttingen die zweite größere Stadt im Untersuchungsgebiet – war direkt vom Kriegsgeschehen des Dreißigjährigen Krieges betroffen. Für die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg weist Wilhelm Lotze132 auf die Wohlhabenheit der Bevölkerung Mündens hin. Insbesondere Handel, Schifffahrt und das Brauwesen hätten hierzu beigetragen. Jedoch sollte der Krieg die Stadt besonders schwer treffen, wie Lotze in seinem Werk zur Geschichte Mündens ausführlich darlegte. Die folgende Darstellung greift im Wesentlichen auf die Ausführungen Lotzes zurück, so wie auch neuere Darstellungen zur Stadtgeschichte, die den Dreißigjährigen Krieg in der Stadt Münden thematisierten, rekurrieren in großem Umfang und größtenteils auch wortgenau auf die Schilderung Lotzes.133

Bereits in den Jahren vor dem Krieg begann sich die Stadt zu rüsten. So wurden in den Jahren 1607 und 1608 insgesamt 16 gegossene Geschütze angeschafft; zudem hatte die Stadt in den

132 Die folgenden Ausführungen zu den Kriegsereignissen in der Stadt Münden beruhen im Wesentlichen auf Lotze, Wilhelm: Geschichte der Stadt Münden nebst Umgegend mit besonderer Hervorhebung der

Begebenheiten des dreißigjährigen und siebenjährigen Krieges, 2. unveränderte Auflage, Münden, 1909, S.

57ff.

133 Vgl. Saehrendt, Helmut: Hannoversch Münden. Wissenswertes aus der Geschichte. Wissenswertes aus einer Stadt, Hannoversch Münden, 2002, S. 11–23. ; von Pezold, Johann Dietrich: Geschichte an den drei Flüssen.

Streiflichter in die Vergangenheit der Stadt Hann. Münden an Werra, Fulda und Weser, Heft 1, Hannoversch Münden, 2001, S. 50–54.

62 Jahren unmittelbar vor dem Krieg nicht unerhebliche Beträge an die leere Kriegskasse des Herzogs zu leisten.

Direkt vom Kriegseschehen betroffen wurde Münden jedoch erst im Jahre 1623. Herzog Christian von Halberstadt wurde 1622 mit einem Heer von Tilly bei Höchst geschlagen und so stand Tilly mit seinem Heer an der Grenze zu Oberhessen und war im Begriff, in das nördliche Deutschland vorzudringen. Herzog Christian hatte im darauffolgenden Jahr sein Heer wieder auf 21.000 Mann vergrößert und schlug ein Lager bei Gieboldehausen auf. Tilly ging bei Eschwege mit seinem Heer über die Weser und belagerte das Schloss Friedland, was er schließlich am 6. Juli einnahm. Die Truppen Tillys befanden sich also zu dieser Zeit schon unmittelbar in der Umgebung Mündens. Den Mündener Bürgern hingegen schienen sie jedoch keine sonderliche Angst zu bereiten, denn die Bürger verließen nachts in Gruppen von 20 Personen und mehr den Wachdienst, um Tillys Soldaten zu überfallen und zu berauben. Die Stadt jedoch verbot diese Raubzüge und setzte fest, dass sich kein Bürger der Stadt ohne schriftliche Erlaubnis außerhalb der Stadtmauern aufhalten durfte.

Herzog Chritian zog sich mit seinem Heer nach Westpfalen zurück, was Tilly dazu veranlasste, die Verfolgung aufzunehmen. Er zog über Friedland, Adelebsen, Uslar und setzte bei Corvey über die Weser. Diesem raschen Abzug fielen besonders die Dörfer Groß Schneen, Klein Schneen und Jühnde zum Opfer. Tillys Soldaten plünderten die Dörfer und brannten sie anschließend nieder. Am 6. August schließlich besiegte Tilly Herzog Christian in der Schlacht bei Stadtlohn. In diesen Jahren war der große Krieg also noch an Münden vorübergezogen.

Dies sollte sich jedoch schon bald ändern. Im Jahre 1625 nahm Tilly die unter braunschweigisch-lüneburgischem Schutz stehende Festung Höxter ein. Mitte des Jahres drang man in den Solling vor und plünderte Uslar und Moringen. Zudem bemächtigte sich Tilly der Getreidevorräte im calenbergischen und göttingenschen Raum.

Auch das Heer Wallensteins drang nach Niedersachsen vor und stand am 5. November in Niedergandern, „von wo an er die ganzen Dörfer des schönen gesegneten Leinebodens ausplünderte und in Flammen aufgehen ließ.“134 Wallenstein lagerte dann im Leinetal bei Alfeld, Gronau und Elze.

Am 16. November erschien Levin Mortaigne, Generalzeugmeister und Oberster Tillys, mit einer starken Truppe in der Nähe Mündens und ersuchte die Stadt um Aufnahme einer

134 Lotze, Wilhelm: Geschichte der Stadt Münden, S. 66.

63 Garnison. Nachdem der Rat der Stadt dies ablehnte, bat er ihn zwei Tage später, zwei Kompanien Fußvolk in der Stadt aufzunehmen. Als der Rat erneut ablehnte, versuchte Mortaigne mit seinen Leuten, die Stadt in einem Handstreich einzunehmen. Dieser Vorstoß schlug fehl und Mortaigne und seine Truppe bezogen in Moringen und Hardegsen Winterquartiere. Dennoch kam es im Amt zu Plünderungen und Verbrechen der Truppen Mortaignes. Der Mündener Amtmann Johann Rebock berichtete in einem Schreiben an den Herzog Friedrich Ulrich, dass die feindlichen Truppen Mortaignes im gesamten Amt alles ausgeplündert hätten, was zuvor Wallensteins Truppen übrig gelassen hatten. Die armen Leute hätten davonlaufen und ihre Häuser leer stehen lassen müssen. Auch in Dransfeld und anderen Dörfern dieses Amtes seien Truppen eingerückt und hätten großen Schaden angerichtet. In einem weiteren Schreiben berichtete der Amtmann, die Truppen hätten nun auch die Dörfer Gimte, Volkmarshausen, Hilwartshausen, Hemeln und die hessischen Dörfer Vaake und Veckerhagen ausgeplündert und man befürchte, dass auch die Truppen des Generals Merode diesen Weg wählen würden.135

Am 28. November forderte Mortaigne die Stadt erneut auf eine Garnison aufzunehmen.

Diese Forderung wurde jedoch erneut zurückgewiesen. Das Jahr 1625 endete für die Mündener Bürger in Erwartung einer baldigen Belagerung oder eines Angriffs der kaiserlichen Truppen.

Und so wurde im Jahre 1626 wurde nun auch Münden direkt von den Kriegsgeschehnissen heimgesucht. Der dänische König Christian IV. war von den protestantischen Fürsten zum Oberhauptmann des niedersächsischen Kreises gemacht worden. In Münden lag daher eine 800 Mann starke dänische Besatzung, die unter dem Befehl des Obrist-Leutnant Sevis von Lawis stand. Hinzu kam ein Aufgebot von wehrfähigen Mündener Männern, das bei etwa 600 Leuten lag. Tillys Belagerungsheer hingegen bestand aus acht Regimentern und umfasste ca. 24.000 Mann. Dem Mündener Aufgebot von insgesamt etwa 1.400 Personen stand somit ein ausgebildetes und kriegserfahrenes Heer von 24.000 Mann gegenüber.

Zur Pfingstzeit des Jahres 1626 begann Tilly mit der Belagerung der Stadt und forderte sie zur Übergabe auf, die jedoch verweigert wurde. Tilly errichtete um die Stadt herum drei Lager.

Eines wurde in der abgebrannten Vorstadt Blume errichtet, das zweite befand sich unterhalb der Stadt, wo die Fulda und Werra zusammenfließen, während sich das dritte Lager auf dem

135 Vgl. auch in Folgenden ibid., S. 66ff.

64 Galgenberge über den Königshof, durch den Voglesang und bis hinter die Burg unter dem Kattenbühl zog. In diesem dritten Lager hielt sich auch Tilly selbst auf.136

Für die Stadt kam weiterhin erschwerend hinzu, dass sich eine Vielzahl von Flüchtlingen aus der Umgebung in der Stadt aufhielt.

Erneut forderte Tilly die Stadt zur Übergabe auf. Der Bürgermeister von Mengershausen erkannte die Ausweglosigkeit der Lage und schlug auf einer Sitzung des Magistrats am 27.

Mai vor, die Stadt angesichts der Übermacht der Feinde zu übergeben, um so Frauen und Kinder zu retten und unnützes Blutvergießen zu verhindern. Zudem war es seine Absicht, ein Bittschreiben an den Grafen Tilly zu richten. Der Magistrat stimmte diesem Vorschlag einstimmig zu, doch Obrist-Leutnant Lawis bestand auf seinen Eid und seine Pflicht gegenüber dem dänischen König, den ihm anbefohlenen Platz (Münden) zu verteidigen. Der Rat müsse also die Unterhandlungen einige Tage aufschieben.

Am folgenden Tag, dem 28. Mai 1626, begann die Belagerungsarmee mit der Beschießung der Stadt, die jedoch von den Belagerten stark erwidert wurde und so den tillyschen Truppen nicht unerheblicher Schaden zugefügt wurde. Die Stadt hingegen wurde besonders aus Richtung Blume durch die Truppen des feindlichen Artillerie-Generals von Fürstenberg beschossen.137

Am folgenden Tag entsandte Tilly erneut einen Trompeter in die Stadt und forderte die Übergabe. Doch erneut berief sich von Lawis auf seinen Eid und seine Pflicht gegenüber seinem König, die Stadt bis zum Äußersten zu verteidigen. Auch der Magistrat und die Bürgerschaft habe in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht, da beide Institutionen in seiner Gewalt wären und das tun müssten, was er als Kommandant für das Richtige erachte.

Der Gesandte kehrte mit dieser Botschaft zu Tilly zurück und noch am selben Abend begann ein erneuter Beschuss der Stadt.

Am 30. Mai änderte Tilly seine Beschusstaktik. Er befahl, die Feuerkraft der Geschütze auf einen Bereich zu richten und dort eine Bresche zu schießen, durch die man dann mit einem ganzen Regiment in die Stadt stürmen könne. Bis zum Abend lag die Stadt unter ununterbrochenem Beschuss, so dass das Ziel erreicht war, und in der Nähe des Mühlentores nun eine Bresche gebrochen war. Zwischen 20 und 21 Uhr desselben Abends

136 Vgl. auch im Folgenden Lotze, Wilhelm: Geschichte der Stadt Münden, S. 69ff.

137 Vgl. auch im Folgenden ibid., S. 70ff.

65 drangen zwei Regimenter von insgesamt 6.000 Mann auf die Bresche vor und behielten trotz Gegenwehr der Bürger und Soldaten der Stadt schon nach kurzer Zeit die Oberhand.

Die Truppen Tillys drangen in der Stadt die Speckstraße hinauf zur Brücke vor und öffneten das Brückentor, jedoch leisteten hier die Mündener Bürger unter Zuhilfenahme einer Kanone erfolgreich Widerstand. Gelang es zunächst noch, die Feinde von der Brücke zurückzudrängen und das Brückentor zu schließen, so zogen sich die dänischen Soldaten und Bürger Mündens angesichts der überwältigenden Anzahl an Gegnern zum Aegidii-Kirchhof zurück und wehrten sich dort nach Kräften. Auch von Lawis erkannte die ausweglose Situation und ließ sich von seinem Diener neben der Aegidii-Kirche erschießen.

Nachdem der Widerstand endgültig gebrochen war, folgte ein grausames Blutbad, in dem weder Frauen, Kinder noch alte Leute verschont wurden. Die Anzahl der Toten wurde auf 2.260 Personen eines jeden Standes, Alters und Geschlechts beziffert. Von der dänischen Garnison überlebten lediglich ein Major und acht Soldaten. Weiterhin waren eine Reihe von Häusern durch die Eroberer in Brand gesteckt worden.

Am darauffolgenden Tag ließ Tilly seine gefallenen Soldaten begraben und die übrigen Toten auf Wagen laden und über die Brücke in die Werra werfen.

Ein weiteres Unglück ereignete sich vier Tage später am 3. Juni 1626, als sich das Pulver des Pulverturms in der Nähe des Aegidii-Kirchhofes entzündete und der Turm explodierte.

Neben der Kirche fielen der Explosion über 20 weitere Häuser zum Opfer und wurden komplett zerstört. Viele Soldaten Tillys fanden bei diesem Ereignis den Tod oder wurden verletzt.

Über die nach der Erstürmung der Stadt verübten Gräueltaten gab eine Schrift Auskunft, die der Magistrat der Stadt durch den Stadt-Syndikus Hüpeden an den Herzog Friedrich Ulrich richtete.138 Auf eine ausführliche Darstellung dieser Gräueltaten soll hier verzichtet werden, interessanter scheinen die in diesem Zusammenhang aufgestellten spezifizierten Schadensberechnungen. Der Gesamtschaden belief sich demnach auf 313.638¼ Taler.

Neben Hausgeräten, Schiffen, Barschaften, Kleidern, Betten, Leinen, Flachs und Früchten setzte sich diese Summe wie folgt zusammen: „An verwüsteten Häusern 20,526 Tlr. An Wiesenwachs, Ländereien und Gärten 13,059 Tlr. An Stadtgebäuden, Türmen, Sprengung des Stadtpulverturms und der Aegidien-Kirche, Brauhaus und anderen da herum

138 Vgl. hierzu ibid., S. 74ff.

66 gestandenen Häusern 26,925 Tlr.“139 An dieser Stelle wird deutlich, in welchem Maße – neben der hohen Zahl an menschlichen Opfern – die bauliche Substanz der Stadt unter dem Angriff Tillys gelitten hat. Nach diesem erfolgreichen Angriff wandte sich Tilly der zweiten größeren Stadt im heutigen Südniedersachsen zu: Göttingen.

Doch auch nach dessen Abzug hatte die Stadt Münden schwer an den Kriegsfolgen zu tragen.

Die Bevölkerung litt unter den Einquartierungen und dem feindlichen Benehmen der Soldaten. In Aufstellungen von Beschwerdepunkten wurde darum gebeten, die Stadt Münden mit Einquartierungen zu verschonen, da alle Mittel an Gold, Silber und anderen Metallen den Bürgern, unter ihnen nach dem Angriff viele Witwen und Waisen, bereits genommen wurden. Weiterhin bat man um Sicherung der Reise- und Handelswege, um den völlig zum Erliegen gekommenen Handel und das Gewerbe wieder beleben zu können. In einer weiteren Ausführung wies man erneut auf den erbärmlichen Zustand der Stadt hin, in der mehr als 500 arme Witwen lebten und in der es über 200 unbewohnte und verwüstete Häuser gab. Weiterhin erhielten die in der Stadt einquartierten Soldaten keinerlei Geld bzw.

Unterhalt, so „sei des Raubens, Stehlens und Einbrechens kein Ende.“140 Auch Brethauer spricht von 200 leer stehenden Häusern. Zudem seien von den ehemals 500 Haushaltungen nur noch 183 erhalten geblieben.141 Zusammenfassend ergab sich für Münden zu dieser Zeit also folgendes Bild: Handel und Schifffahrt waren nicht intakt, das Gewerbe stockte ebenfalls, Waldungen der Stadt waren verwüstet und auch eine Vielzahl der Felder konnte nicht bestellt werden, was in den 1620er Jahren eine Reihe von Missernten zur Folge hatte.142 Die Finanzen der Stadt waren erschöpft und dennoch lastete eine sehr hohe Kontribution auf der Stadt, auch das Brauwesen konnte nicht mehr ordnungsgemäß betrieben werden. Noch im Jahre 1631 lagen Tillys Truppen weiterhin in der Stadt und mussten von der Bevölkerung ernährt werden. An der finanziellen und wirtschaftlichen Lage besserte sich auch in den folgenden Jahren bis zum Ende des Krieges wenig. Bis in das Jahr 1647 war das Amt Münden mit Kontributionszahlungen in Rückstand.143

Selbst als der Frieden geschlossen war, litten die Stadt Münden, das Amt Münden und die umliegenden Dörfer weiter Not. Anfang des Jahres 1649 lagen schwedische Truppen im

139 Ibid., S. 76.

140 Ibid., S. 80.

141 Brethauer, Karl: Die Stadt Münden: Blick in die Vergangenheit, in: Der Landkreis Münden. Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, herausgegeben in Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung, Redaktion: Ronge, Rudi und Hoffmann, Walter, Oldenburg, 1970, S. 148.

142 Vgl. Lotze, Wilhelm: Geschichte der Stadt Münden, S. 80.

143 Vgl. ibid., S. 90-105.

67 Mündener Gebiet und die Bevölkerung litt „unter der Geißel dieser zügellosen und räuberischen Soldateska.“144 Die Kontributionszahlungen waren weiterhin kaum zu leisten.

Nur sehr langsam gesundete das Gebiet in und um Münden von den Kriegsfolgen.145 Doch mit der Zeit erholte sich die Landwirtschaft in den Dörfern der Umgebung, die Erträge stiegen und die Getreidepreise sanken. Kostete beispielsweise ein Scheffel Roggen 1633 14 Mariengroschen, 1635 17 Mariengroschen und 1640 21 Mariengroschen, so sank der Preis im Jahr 1655 auf neun Mariengroschen.146