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3. Historische Einordnung: Der Dreißigjährige Krieg im Untersuchungsgebiet

3.4. Der Dreißigjährige Krieg in den Ämtern und Gerichten

3.4.4. Amt Münden

Auch das einwohnerstärkste Amt des Untersuchungsgebietes litt stark unter den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges. Das Kapitel zur Belagerung, Besetzung und Plünderung der Stadt Münden gab einen ersten Einblick, wie stark auch die umliegenden Dörfer von dieser Belagerung betroffen waren. Man kann also schon allein aus der Tatsache einer Belagerung der Stadt Münden schließen, dass besonders die umliegenden Dörfer des Amtes Münden unter den Gräueltaten der Soldaten zu leiden hatten. Gleiches galt für die Dörfer in der Umgebung Göttingens, die zum Teil zum Amt Münden gehörten.

Wie erwähnt, handelte es sich beim damaligen Amt Münden um das größte Amt des südniedersächsischen Untersuchungsgebietes mit einer Vielzahl von Dörfern und laut Kopfsteuerbeschreibung 1689 fast 7.500 Einwohnern. Aus diesem Grund ist es kaum möglich, eine Beschreibung der Kriegsgeschehnisse für jedes einzelne Dorf zu liefern. Eine für die Dörfer des Amtes Münden exemplarische Darstellung der Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges soll anhand des Dorfes Groß Ellershausen erfolgen. Im Anschluss daran werden einige weitere Dörfer zusammenfassend behandelt.

Groß Ellershausen gehörte im Jahre 1689 trotz seiner geographischen Nähe zur Stadt Göttingen zum Untergericht des Amtes Münden. Es liegt für Groß Ellershausen eine ausführliche zweibändige Ortschronik vor, auf deren Inhalt die folgende Darstellung maßgeblich fußt.181

180 Vgl. auch im Folgenden Brauch, Albert: Geschichte des Hannoverschen Klosterfonds. Die calenbergischen Klöster 1634–1714., überarbeitet von Annelies Ritter, Teil 3, S. 133ff.

181 Vgl. im Folgenden Die Chronik von Groß Ellershausen. Geschichte und Geschichten aus dem Dorf, bearbeitet von Gudrun Pischke, herausgegeben vom Heimatverein Groß Ellershausen e. V., Göttingen, 1989, S. 84ff.

79 Zum ersten Mal direkt vom Krieg betroffen war Groß Ellershausen, wie auch die übrigen Dörfer der Umgebung, im Jahre 1623. Wie bereits erwähnt, lagerte Christian von Halberstadt mit seinem Heer zwischen Gieboldehausen und Northeim. Tilly hatte nach der Belagerung und Einnahme des Schlosses Friedland sein Hauptquartier in Duderstadt bezogen. Als Christian dann über die Weser zog, folgte ihm bekanntlich auch das Reichsheer Tillys und richtete in der Göttinger Gegend erhebliche Verwüstungen an, von denen auch Groß Ellershausen und weitere Dörfer des Amtes betroffen waren.

Für Groß Ellershausen liegt hierzu ein umfangreiches Schadensverzeichnis vor.182 In dieser Zeit hatte Tilly die Bevölkerung durch ordentliche Kriegsintendaten gegen Entgelt zu den Kriegslasten herangezogen, wozu auch die Verpflegung der Soldaten gehörte. Für das Schadensverzeichnis bedeutete dies eine genaue Auflistung eines jeden Betroffenen.

Weiterhin wurde verzeichnet, was die Soldaten bei den jeweiligen Personen gegessen und getrunken hatten, was sie mitgenommen, beschädigt oder zerstört hatten. Für jeden dieser einzelnen Posten wurde dann ein Geldwert angegeben. Neben nicht näher spezifizierter Kost, bereicherten sich die Soldaten mit weiteren Gegenständen, wie Pfannen oder auch Kleidung, Hemden und Schuhen. In einigen Fällen fanden sie auch Bargeld. Weiterhin wurden Vieh und Tiere, namentlich Pferde, Rinder, Schweine und Schafe fortgeführt und/oder geschlachtet. Zudem hinterließen die plündernden Soldaten Schäden an den Häusern und Einrichtungen. So wurden Fenster eingeschlagen, Kachelöfen, Speiseschränke, Truhen und Laden zerschlagen.

Nach dem Durchzug des tillyschen Heeres hatten insgesamt 37 Haushaltungen Schadensersatzansprüche gemeldet. Diese Ansprüche umfassten zwischen zwei und zehn Einzelposten. Für Speis und Trank berechnete man von etwas mehr als einem Taler bis hin zu über 17 Talern. Die Forderungen für zerstörte Fenster, Einrichtungsgegenstände, Hausrat, Wäsche und Kleider differierten recht stark, ebenso wie die Kosten für fortgetriebenes und geschlachtetes Vieh, die sich auch nach dem Alter der Tiere richteten.

Wenige Jahre später, als die kaiserlichen Truppen erneut in das Fürstentum Göttingen einmarschierten, im Jahre 1626 Münden eroberten und auch Göttingen zur Übergabe zwangen, war dies für die umliegenden Dörfer erneut mit Einquartierungen und Versorgung

182 Vgl. auch im Folgenden Die Chronik von Groß Ellershausen, Band 2, S. 85ff. ; „Verzeichnis des in Ellershausen angerichteten Schadens z. T. mit Namen der Bürger“ (Stadtarchiv Göttingen AA 5778, Film Nr. 608)

80 der Soldaten verbunden.183 Teile der Dorfbevölkerung verließen das ländliche Gebiet und suchten Zuflucht in Göttingen, wo sie Verteidigungsdienste leisten mussten. Andere wiederum zogen in Regionen, die zu diesem Zeitpunkt von Kriegslasten verschont waren, wie Bewohner Groß Ellershausens, die sich ins Eichsfeld begaben und offenbar nicht zurückkehrten. Ein Mannschaftsverzeichnis von 1632/33 nannte somit lediglich 13 Familien, wobei das Schadensverzeichnis aus dem Jahre 1623 noch 37 Haushaltungen in Groß Ellershausen erwähnte. Innerhalb von zehn Jahren hatte sich die Zahl der Haushalte des Dorfes also erheblich reduziert. Auch der damalige Pastor der Gemeinden Groß Ellershausen und Hetjershausen, Pastor Mönch, verließ seine Wirkungsstätte, nachdem das Pfarrhaus in Hetjershausen niedergebrannt und er misshandelt wurde.

Die Folgejahre brachten für die Bevölkerung weiterhin keine Ruhe oder Erleichterung. Man litt unter den hohen Kriegssteuern und noch viele Jahre lagerten kaiserliche Truppen im niedersächsischen Gebiet, bevor es zum Abzug kam.

Zu einer Reihe von weiteren Dörfern des damaligen Amtes Münden ließen sich in veröffentlichten Dorfgeschichten oder –chroniken Passagen zu den Ereignissen des Dreißigjährigen Krieges innerhalb des jeweiligen Dorfes finden. So auch für Escherode, das im Jahre 1689 innerhalb der Kopfsteuerbeschreibung dem Obergericht des Amtes Münden zugeordnet war. Vieles, was in der Darstellung für Escherode beschrieben wurde, begegnete uns schon in der Dorfchronik Groß Ellershausens. Dennoch sei eine kurze Zusammenfassung gestattet.184 Gingen die ersten Jahre des großen Krieges mit Ausnahme von Abgaben für die Kriegskasse und Einquartierungen noch relativ glimpflich ab, so änderte sich die Situation nach dem Mündener Blutbad. Das Kloster Wilhelmshausen und die Dörfer Windhausen und Schilderode wurden gänzlich zerstört. Escherode hingegen wurde von Tillys Truppen besetzt und viele Dorfbewohner flohen in den nahegelegenen Wald. Wertsachen und Lebensmittel wurden vergraben und viele Leute litten Hunger. Alles, was die Soldaten nicht mitnehmen konnten, wurde zerschlagen oder zerstört. Nachdem Tillys Truppen das Dorf verlassen hatten, glich dieses einem Trümmerhaufen. Abgebrannte Höfe prägten das Dorfbild, die Kirche wurde ausgeraubt und teilweise zerstört. Auch nach dem Abzug der kaiserlichen Truppen litt man weiter unter dem Krieg, denn in den Folgenjahren zogen immer wieder Truppen durch das Gebiet südlich der Stadt Münden. Selbst nach dem Friedensschluss im

183 Vgl. auch im Folgenden Die Chronik von Groß Ellershausen, Band 2, S. 86f.

184 Vgl. im Folgenden 1150 Jahre Escherode: 813-1963, bearbeitet von August Schwanz, Escherode, 1963.

81 Jahre 1648 besserte sich die Situation nur sehr langsam, denn viele Bauern hatten in ihren angebrannten Dörfern weder Vieh noch Werkzeug oder Ackergeräte. Weiterhin fehlte es an Saatgut und einige Felder konnten aufgrund ihrer Verwilderung jahrelang nicht bestellt werden. Die zu entrichtende Kontribution tat ihr übriges.

Die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges fanden in weiteren Dorfgeschichten ihren Niederschlag, meist jedoch nur in sehr geringem Umfang, wie in der Dorfgeschichte Mackenrodes, wo sich der Hinweis auf den Bericht eines Amtmanns fand.185 Dieser wandte sich im Jahre 1629 an die Kämmerräte in Kassel und berichtete für Mackenrode von sechs Ackerhöfen und sieben Kothöfen, die aufgrund des Krieges wüst ständen. In Sattenhausen seien es 14 Ackerhöfe und zwölf Kothöfe, die nicht besetzt waren. Die überlebenden Eingesessenen wollten aufgrund der Schuldenlast ihre Ländereien nicht mehr bestellen. Es sei zu vermuten, dass auch diese die Dörfer verlassen werden. Er bitte daher, sein Amt von einer Steuer zu verschonen.

Auch das Dorf Grone, geographisch eher Göttingen zugehörig, laut Kopfsteuerbeschreibung 1689 allerdings dem Untergericht des Amtes Münden zugeordnet, hatte im Krieg erheblichen Schaden erlitten.186 Im Jahre 1625 zogen Wallensteins Truppen über Grone nach Holtensen, Lenglern und Einbeck. Sie raubten das Vieh sowie Hab und Gut der Einwohner.

Sie erschlugen die Männer und nahmen viele Frauen mit sich. Anschließend wurden die Wohnhäuser in Brand gesteckt. Aus diesem Grund ist in Grone kein Wohnhaus aus dieser Zeit mehr erhalten. Ein Jahr später lagerten die tillyschen Truppen vor der Erstürmung der Stadt Münden in und bei Grone. Viele Bewohner flüchteten nach Göttingen. Im Jahre 1632 plünderten schwedische Truppen Grone. Auch zog im selben Jahr der Reitergeneral Pappenheim durch Grone und brachte dem Dorf neues Leid.

Wie bereits erwähnt, wurde auch das Dorf Hemeln im Jahre 1625 von den kaiserlichen Soldaten des Mortaigne ausgeplündert. Hierbei zündeten sie zwölf Häuser an, die auch im Jahre 1646 noch nicht wieder aufgebaut waren.187

Auch das Dorf Varlosen hatte im Jahre 1632 unter Raub und Plünderung zu leiden. Vieh und Geld wurde mitgenommen. Ein Jahr später fand zudem eine große Einquartierung mit

185 Vgl. im Folgenden Steinmetz, Erwin: Das tausendjährige Mackenrode, Gemeinde Landolfshausen/Ortsteil Mackenrode, 1973, S. 20.

186 Vgl. im Folgenden Kage, August: Aus der Geschichte von Grone. Ortsteil Göttingen, Göttingen-Grone, 1973, S. 157f.

187 Vgl. Osenbrück, Willi: Hemeln 834–1984. Beiträge zur Geschichte eines Oberweserdorfes, unter Mitarbeit von Walter Henckel, Hannoversch Münden, 1984, S. 53.

82 entsprechenden Kontributionszahlungen und der Verpflichtung zu Lieferungen großer Mengen an Hafer und Brot statt.188