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Koordinative Fähigkeiten und Koordinations-Anforderungs-Regler nach

1 Einleitung

1.4 Koordinative Fähigkeiten und Koordinations-Anforderungs-Regler nach

Koordination, in den 60er Jahren als Gewandtheit für großmotorische und Geschicklichkeit für feinmotorische Bewegungen bezeichnet und als die Fähigkeit definiert, wie schnell und zweckmäßig die sporttreibende Person die Bewegungsaufgabe absolvieren kann. Heute lässt sie sich per Definition in einzelne Teilbereiche zerlegen, die miteinander in Interaktion stehen und auch im Zusammenspiel mit den konditionellen, kognitiven und psychischen Fähigkeiten funktionieren. (Golle et al.,2019)

Das erste Modell zur Erklärung der koordinativen Fähigkeiten von Blume unterteilt in sieben koordinative Fähigkeiten. Darunter die Reaktions-, Rhythmisierungs-, Orientierungs-, Differenzierungs-, Kopplungs-, Umstellungs- und Gleichgewichtsfähigkeit (Blume, 1978). Dieses Modell wurde von Hirtz (1985) auf fünf Fähigkeiten beschränkt. Elementar ist die Reaktionsfähigkeit, als Fähigkeit motorische Aktionen schnell einzuleiten und auszuführen, sobald ein mehr oder weniger komplexes Signal (akustisch, optisch, taktil, kinästhetisch) wahrgenommen wurden.

Unter der Rhythmisierungsfähigkeit wird das Vermögen verstanden, einen von außen vorgegebenen Rhythmus aufzunehmen und motorisch wiedergeben zu können, oder einen verinnerlichten Rhythmus in die Bewegung umzusetzen. Die Orientierungsfähigkeit beschreibt die Fähigkeit zu bestimmen, wo sich der eigene Körper im Raum befindet und setzt dies in Beziehung zu einem definierten Aktionsfeld oder einem sich bewegenden Objekt. Daraufhin folgt eine zieladäquate Veränderung.

Die kinästhetische Differenzierungsfähigkeit beschreibt die Feinabstimmung einzelner Bewegungsphasen oder Teilköperbewegungen, die sich in einer großen Bewegungsgenauigkeit und -ökonomie zeigen. Die Gleichgewichtsfähigkeit beschreibt die Aufgabe den gesamten Körper in Ruhe oder in Bewegung im Gleichgewicht zu halten oder diesen Zustand wiederherzustellen. (Hirtz, 1985) Dieses Modell ist fähigkeitenorientiert und geht von isolierbaren, spezifischen Teilvoraussetzungen aus.

Es handelt sich dabei um individuelle Fähigkeiten der sporttreibenden Person, die situativ verfügbar sind (Ferrauti, 2020).

Das im Folgenden erläuterte Modell von Neumaier (Neumaier, 1999) ist viel mehr anforderungsorientiert und lässt sich nicht isoliert, sondern gekoppelt mit spezifischem Techniktraining anwenden. Der Fokus liegt dabei auf den situativen Anforderungen an

die sporttreibende Person und der individuellen Verfügbarkeit der koordinativen Fähigkeiten (Ferrauti, 2020).

Neumaier (1999) unterschied in seinem Modell (Abbildung 4) die koordinativen Anforderungen von Bewegungsaufgaben zum einen in Druckbedingungen und zum anderen in Informationsanforderungen.

Abb. 4 Anforderungsorientiertes Koordinationsmodell nach Neumaier (Neumaier, 1999, S. 113)

Die Informationsanforderungen werden in die einzelnen Analysatoren unterteilt. Sie geben Auskunft darüber, welche sensorische Informationsquelle genutzt wird. Dem Gleichgewicht kommt hierbei eine integrative Rolle zu, da es ständig aufrechterhalten werden muss. Dabei können sich die Analysatoren auch gegenseitig beeinflussen, die Gleichgewichtskontrolle ist jedoch immer von allen weiteren sensorischen Informationen abhängig. Die Nutzung der einzelnen Informationsquellen ist abhängig vom Niveau der Sportlerinnen und Sportler und inwieweit die auszuführende Bewegung bereits automatisiert ist. (Neumaier, 1999)

Die Druckbedingungen beschreiben die Außenperspektive, die die Komplexität einer Bewegung beeinflusst. Sie geben somit Auskunft über den Schwierigkeitsgrad der Bewegungsaufgabe.

Unter dem Präzisionsdruck versteht Neumaier (1999) die Bewegungsgenauigkeit, dabei wird unterschieden in die Ergebnis- und Verlaufsgenauigkeit. Eine weitere Unterscheidung in räumliche Genauigkeit, zum Treffen eines Ziels, und in eine

räumlich-zeitliche, beispielsweise beim Fangen und Werfen, kann getroffen werden.

Der Präzisionsdruck steht in Wechselwirkung mit dem Zeitdruck, ebenso mit der Rhythmisierung und Wiederholungsgenauigkeit. Je größer der Präzisionsdruck, umso höhere Anforderungen sind an die Konzentration auf die Wahrnehmung von Eigenbewegungen und der Umwelt gestellt.

Der Zusammenhang des Zeitdrucks mit dem Präzisionsdruck wird als Geschwindigkeit-Genauigkeitskompromiss bezeichnet und beschreibt die Fähigkeit trotz hoher Bewegungsgeschwindigkeit eine Bewegungsaufgabe noch sauber auszuführen, diese Fähigkeit ist abhängig vom Niveau der Sportlerinnen und Sportler.

Wie in Abbildung 5 zu sehen, lässt sich der Zeitdruck, welcher ein Synonym für die Schnelligkeitsanforderungen ist, in zwei Teilbereiche gliedern. Die Reaktionsschnelligkeit zum Bewegungsbeginn ist abhängig von der Art des Signals und der erwarteten muskulären Antwort, einfach oder komplex. Der Zeitdruck während der Bewegungsdurchführung wird als Aktionsschnelligkeit bezeichnet. Der Teilbereich Bewegungsdauer beschreibt, ob die Geschwindigkeit über den gesamten Verlauf der Bewegung aufrecht erhalten werden soll oder als konträrer Teilbereich, ob die Endgeschwindigkeit maximal schnell sein soll. Limitierende Faktoren hierbei sind die inter- und intramuskuläre Koordination, sowie die Geschwindigkeit der Reizaufnahme und Verarbeitung. (Neumaier, 1999)

Abb. 5 Gliederung des Zeitdrucks (Neumaier, 1999, S. 122)

Komplexitätsdruck bezeichnet die gesteigerten Anforderungen an die Bewegungskoordination, da mehrere Bewegungshandlungen gleichzeitig (simultan) ablaufen oder Bewegungsteile aufeinander abgestimmt werden müssen (sukzessiv).

Zusätzlich findet eine Unterscheidung durch den Umfang der beteiligten

Muskelgruppen statt. Feinmotorisch kann mit dem eingangs erwähnten Begriff der Geschicklichkeit gleichgesetzt werden. Großmotorische Bewegungen, bei denen mehr Muskelgruppen beteiligt sind, betreffen die Gewandtheit. Zusätzlich Einfluss auf feinmotorische Bewegungen hat der Präzisionsdruck. Das Gleichgewicht spielt hingegen bei großmotorischen Bewegungen eine wichtige Rolle. (Neumaier, 1999) Der Situationsdruck ist von Umgebung und Umwelt beeinflusst. So lässt er sich in Situationsvariabilität und -komplexität unterteilen (Abbildung 6). Bei der Situationsvariabilität wird in drei mögliche Umgebungsformen unterschieden. Statisch-gleichbleibende Umgebung findet sich beispielsweise beim Hochsprung, statisch, aber örtlich variierende findet sich im Ski Alpin und ein Beispiel für eine dynamische, sich verändernde Umgebung ist die Sportart Basketball. Limitierende Faktoren auf diesen Teilaspekt des Situationsdrucks sind die Umstellungsfähigkeit und die Anpassung der Sportlerinnen und Sportler an die Umgebung. Die Situationskomplexität ist mit den Informationsanforderungen verknüpft. Wie viele Analysatoren beansprucht werden und wie groß der Informationsumfang ist, sind hier entscheidende Aspekte. (Neumaier, 1999)

Abb. 6 Gliederung des Situationsdrucks (Neumaier, 1999, S. 127)

Die letzte Druckbedingung, der Belastungsdruck, wird unterschieden in die äußere Belastung und die innere Beanspruchung. Die Beanspruchung lässt sich noch in einen physischen sowie psychischen Bereich untergliedern. Die physische oder konditionell-energetische Beanspruchung ist abhängig von der Energieausnutzung, wohingegen die psychische eng mit Konzentration, Wille, Motivation, aber auch negativen Emotionen wie Stress und Angst zusammenhängt. Stressresistente Bewegungskoordination wird dadurch gefördert, dass die Sportlerinnen und Sportler im Training mit psychisch stärker beanspruchenden Bedingungen konfrontiert werden.

(Neumaier, 1999)