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2.4.1. Ätiologische Bedeutung von PCV2 für den kongenitalen Tremor (KT)

Dem klinisch recht einheitlichen Bild des kongenitalen Tremors (Myoclonia conge-nita) liegen offensichtlich verschiedene Ursachen zugrunde. Zwei Haupttypen des kongenitalen Tremors werden unterschieden. Typ A ist gekennzeichnet durch de-finierbare Ursachenkomplexe sowie charakteristische Gewebebefunde, während der Typ B keine morphologischen Äquivalente bietet (DONE 1976). Der klinisch wichtige Typ A wird ätiologisch in die Gruppen I-V unterteilt. Der Typ AI ist die Fol-ge einer diaplazentaren Schweinepestinfektion, Typ AIII ist ein Fol-genetischer Defekt (Oligodendrozytenmangel) und Typ AIV scheint eine erbliche Enzymopathie im anabolen Fettsäurestoffwechsel zugrunde zu liegen. Die Zitterform AV wird durch Trichlorfon (Neguvon-®) ausgelöst und wurde von BÖLSKE et al. (1978) beobach-tet sowie von KNOX et al. (1978) und FATZER et al.(1981) bestätigt.

Für Typ AII wurde bisher ein nicht näher spezifiziertes Virus verantwortlich ge-macht; neuere Untersuchungen bringen nun porzines Circovirus (n. typ.) (HINES 1994) bzw. PCV2 (STEVENSON et al. 2001) mit dieser Erkrankung in Zusam-menhang. STEVENSON et al. (2001) wiesen als erste PCV2 im Nervengewebe von erkrankten Ferkeln nach. Andere virale Erreger (AK, Influenzavirus, Rotavirus,

21 porzines hämagglutinierendes Enzephalomyelitisvirus, porzines Parvovirus, Virus der transmissiblen Gastroenterits und PRRSV) wurden ausgeschlossen. Für diese Studie wurden an kongenitalem Tremor erkrankte Tiere sowie klinisch unauffällige Tiere von vier Betrieben in den USA ausgewählt. Sie konnten mittels ISH und indi-rektem Immunfluoreszenztest (IIFT) aus Gewebe des ZNS sowie aus der Leber PCV2 nachweisen. Bei allen infizierten Tieren wurde mehr PCV2 in Gehirn und Rückenmark (große Neuronen) als in nicht-neuronalem Gewebe (Makrophagen) nachgewiesen, wobei die klinisch erkrankten Tiere wesentlich mehr PCV2-infizierte Neuronen in Gehirn und Rückenmark als die klinisch unauffälligen Schweine aufwiesen. Untersuchungen von KENNEDY et al. (2003) konnten kei-nen direkten Zusammenhang zwischen dem Auftreten von kongenitalem Tremor und dem Nachweis von PCV2 ermitteln. Im Rahmen der Untersuchung wurden neuronale und nicht-neuronale Gewebe von 40 an kongenitalem Tremor erkrank-ten Schweinen aus Spanien, Großbritannien, Irland und Schweden auf das Vor-kommen von PCV1 bzw. PCV2 untersucht. Bei keinem der an KT erkrankten Schweine konnte PCV-Nukleinsäure oder – Antigen nachgewiesen werden. Der Zusammenhang zwischen KT und PCV2 ist nach derzeitigem Forschungsstand nicht klar zu beweisen, es sind also weitere Untersuchungen durchzuführen, um die Rolle von PCV2 in der Pathogenese des KT zu klären (SEGALES 2004).

2.4.2. Pathogenese vom „PCV2-induzierten“ kongenitalen Tremor der Saug-ferkel

GUSTAFSON und KANITZ beschrieben schon 1974 die Übertragung eines Virus, welches für den kongenitalen Tremor bei Saugferkeln verantwortlich sein soll. In der Elektronenmikroskopie war dieses Virus dem PCV sehr ähnlich und in der Zellkultur zeigte es ebenfalls keinen zytopathogenen Effekt (GUSTAFSON 1981).

Es gibt bislang nur einen Infektionsversuch mit Schweinen (HINES u. LUKERT 1994), bei dem ein kongenitaler Tremor bei den meisten Ferkeln eines Wurfs pro-voziert wurde, nachdem die Sau im letzten Trächtigkeitsdrittel mit PCV (aus einem am Tremor erkrankten Ferkel isoliert) intranasal / oral oder subkutan infiziert

wur-22 de. Bei fünf der betroffenen Ferkel konnte PCV in Zellkulturen von Niere, Dünn-darm, Zäkum und Kolon reisoliert werden. Mittels immunhistologischer Verfahren konnte PCV zusätzlich noch in den mesenterialen Lymphknoten und der Leber (Untersuchungsmaterial der Studie von HINES u. LUKERT von 1994) nachgewie-sen werden (LUKERT 1999). Bei einem weiteren Infektionsversuch, allerdings mit Balb / c-Mäusen, wurde PCV2 nach Infektion von graviden Mäusen bei den Neu-geborenen gefunden, Läsionen und Klinik des KT zeigten diese Tiere jedoch nicht (KIUPEL et al. 2000).

Bislang war man davon ausgegangen, dass eine gestörte Myelinsynthese die Ursache für den kongenitalen Tremor darstellt (EDWARDS u. MULLEY 1999).

STEVENSON et al. (2001) fanden PCV2 im Nervengewebe, und zwar hauptsächlich in großen Neuronen und nur ganz vereinzelt in Oligodendrozyten.

Die Autoren folgerten daraus, dass eine gestörte Myelinsynthese nicht die alleinige Ursache für den kongenitalen Tremor darstellt, weil die für diese Synthese zuständigen Oligodendrozyten kaum betroffen sind (STEVENSON et al.

2001). Auffallend war noch, dass die bei PMWS-Schweinen vorgefundene granulomatöse Entzündungsreaktion bei den Ferkeln mit kongenitalem Tremor nicht vorlag. Ein möglicher Grund könnte eine Immuntoleranz der Feten zum Zeitpunkt der intrauterinen Infektion sein (STEVENSON et al. 2001).

2.4.3. Klinik des kongenitalen Tremors der Saugferkel

Die klinischen Symptome des kongenitalen Tremors der Saugferkel sind zwar ein-heitlich, aber unterschiedlich stark ausgeprägt. Die betroffenen Ferkel zittern am ganzen Körper durch klonische Muskelkontraktionen (STEVENSON et al. 2001).

Der Tremor ist bilateral und betrifft nur die Skelettmuskulatur (LUKERT 1999). Bei stark ausgeprägten Symptomen können die Ferkel so stark behindert sein, dass keine ausreichende Nahrungsaufnahme möglich ist. Überleben sie jedoch die ers-te Lebenswoche, genesen sie zumeist nach drei bis vier Wochen; selers-ten bleibt der Tremor bis zum Schlachtalter erhalten (STEVENSON et al. 2001). Die Symptome

23 können im Liegen und während des Schlafes aussetzen, aber auch nach plötzli-chem Lärm oder durch Kälte verstärkt werden.

2.4.4. Pathomorphologie und -histologie bei kongenitalem Tremor Typ AII

In diesem Abschnitt wird nur der KT Typ AII dargestellt, der möglicherweise durch PCV2 verursacht wird. Weitere KT-Typen und deren Ätiologie sind in Kapitel 2.4.1.

aufgeführt.

LAMAR (1971) beschreibt eine verzögerte Myelinisierung des Rückenmarks.

STEVENSON et al. (2001) untersuchten 13 „Zitterferkel“ und sechs klinisch unauf-fällige Ferkel von vier verschiedenen Betrieben mit akuten Ausbrüchen von kon-genitalem Tremor; alle Ferkel waren maximal 48 Stunden alt. Sie konnten weder bei den erkrankten, noch bei den gesunden Ferkeln pathomorphologische Verän-derungen erkennen. Mittels ISH und IIFT wurden virales Antigen bzw. Genom-fragmente in Makrophagen, großen Neuronen und geringgradig auch in Oligo-dendrozyten nachgewiesen; dabei fanden sie bei klinisch erkrankten Tieren mehr PCV2-infizierte Zellen als bei klinisch gesunden. Entzündungsreaktionen fehlten jedoch (STEVENSON et al. 2001).