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Kommunikation und Interaktion – indirekte vs. direkte Informationsprozessierung

5 MEDIENKOMMUNIKATION

5.1 Kommunikation und Interaktion – indirekte vs. direkte Informationsprozessierung

Die Diskussion darüber, ob Kommunikation oder Interaktion der umfassendere, ursprünglichere Begriff ist, währt bereits lange und dauert bis heute an. Die verschiedenen in der Literatur anzutreffenden Meinungen sind schon in den Grundzügen häufig nicht miteinander in Einklang zu bringen und werfen die Frage auf, ob eine Abgrenzung der beiden Phänomene überhaupt sinnvoll sein kann. In diesem Abschnitt soll der Versuch unternommen werden, sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede der Begriffe anhand von Befunden aus der einschlägigen Literatur herauszuarbeiten. Dieses Unterfangen dient dazu, die grundsätzlichen Unterschiede zwischen direkter und indirekter Kommunikation auf der Grundlage kommunikationswissenschaftlicher Begriffe erkennbar zu machen. Ziel ist dabei die Identifikation von Merkmalen, die klar machen, auf welcher Grundlage sich persönliche und mediale Kommunikation sinnvoll voneinander unterscheiden lassen.

Graumann vertritt mit anderen Autoren zusammen die Auffassung, dass auf eine Unterscheidung zwischen Interaktion und Kommunikation verzichtet werden kann, da ein jedes Verhalten von zwei oder mehr Individuen zueinander als soziale Interaktion oder zwischenmenschliche Kommunikation bezeichnet werden kann.186

Watzlawick hingegen schlägt eine differenzierte Sichtweise vor, die auf der Ansicht fußt, dass Kommunikation soviel wie Mitteilung (message) heißt, während Interaktion den wechselseitigen Ablauf von Mitteilungen zwischen zwei oder mehreren Personen bezeichnet.187 Diesem Ansatz folgend wäre ein isoliert betrachteter Akt der Informationsübermittlung Kommunikation, während alle darauf folgenden, von der eigentlichen Kommunikation initiierten Reaktionen als eine Form von Interaktion gelten würden. Watzlawick widerspricht dieser Ansicht in gewisser Weise selbst, wenn er an anderer Stelle von der „Kreisförmigkeit der Kommunikationsabläufe“ spricht, die er damit begründet, dass Kommunikation in Systemen mit Rückkopplung keinen Anfang und kein Ende haben kann.188 Genau genommen müsste hier von der Kreisförmigkeit der Interaktion, nicht der Kommunikation, gesprochen werden, da einzelne Mitteilungen keine derart komplexe Struktur erreichen können, wohl aber eine Verkettung mehrerer von

186 vgl. Graumann, C. F. 1972, S. 1109.

187 vgl. Watzlawick, P. et al. 1996, S. 50f.

188 vgl. a.a.O., S. 48.

ihnen. Wie Schulz von Thun richtig erkennt, ist mit dem einzelnen Akt der Kommunikation diese mitnichten als vollzogen oder abgeschlossen zu bezeichnen:

„Kommunikation ist ja nicht damit beendet, dass der eine etwas von sich gibt und beim anderen etwas ankommt. Im Gegenteil, nun geht es ja erst richtig los! Der Empfänger reagiert, wird dadurch zum Sender und umgekehrt, und beide nehmen aufeinander Einfluss.“189

Mit der Möglichkeit zur gegenseitigen Einflussnahme stellt der Autor klar, dass Kommunikation seiner Ansicht nach keineswegs ein separierbarer Prozess ist, sondern sich gerade dadurch auszeichnet, dass sich Folgeakte anschließen, die den Kommunikationsraum immer weiter mit Informationen füllen.

Luhmann und Goffman verweisen auf Rahmenbedingungen, unter denen sich Kommunikation bzw. Interaktion vollzieht, und propagieren im Hinblick darauf die weitreichende Bedeutung der gegenseitigen Bezugnahme. Für sie spielt das Kriterium der Anwesenheit der Partner zur Unterscheidung von Kommunikation und Interaktion eine fundamentale Rolle.190 Nur wenn durch die gleichzeitige Präsenz der Kommunikationsakteure an einem Ort eine direkte, gegenseitige Bezugnahme möglich ist, wird das höchste Ausmaß an Interaktivität erreicht. Informationsprozesse werden in diesem Zusammenhang in die Kategorien direkt oder indirekt bzw. unvermittelt oder vermittelt unterteilt. Luhmann beschreibt Interaktion dieser Auffassung folgend als eine Sonderform der Kommunikation, in der das Senden und das Empfangen von Mitteilungen sowohl räumlich vereint als auch zeitlich synchron verlaufen, da die Akteure anwesend sind.191

Im Fall einer über Distanzen hinweg prozessierten Informationsübertragung muss zwangsläufig auf Hilfsmittel zurückgegriffen werden, die eine Überbrückung von Raum und/oder Zeit ermöglichen, sodass Interaktionspartner aufgrund der unter diesen Umständen nur eingeschränkt möglichen Interaktion zu Kommunikationspartnern werden.

Die bereits bei persönlicher Kommunikation bestehende Problematik in der Wissensübertragung verschärft sich in diesem Fall, da nicht mehr der Kommunikationspartner selbst als Informationsmittler auftritt, sondern ein Medium als zusätzliche Instanz zugeschaltet ist. Der Prozess verläuft so noch indirekter und birgt zusätzliche Gefahren von Missverständnissen, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit konkreter aufgegriffen werden.

189 Schulz von Thun, F. 2002, S. 82.

190 vgl. Merten, K. 1977, S. 64. M.w.V..

191 vgl. Luhmann, N. 2004, S. 11.

Versteht man Kommunikation als mediale und Interaktion als persönliche Form der Informationsübermittlung, wie es von Luhmann vorgeschlagen wird, bedeutet dies, dass die Information auf ihrem Weg zum Empfänger eine zusätzliche „Hürde“ überwinden muss. Diese Vermittlungsinstanz wird von vielen Autoren als Medium bezeichnet, wobei der Begriff sehr unterschiedlich aufgefasst wird und deshalb im nächsten Abschnitt näher dargestellt werden soll.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Interaktion dem gerade abgeleiteten Verständnis nach der ursprünglichen, direkten Form der Informationsübermittlung entspricht, während der Begriff Kommunikation zudem Informationsprozesse umfasst, bei denen fehlende gegenseitige Wahrnehmbarkeit durch bestimmte Hilfsmittel ausgeglichen werden soll. Interaktion bezeichnet im Sinne Luhmanns und anderer Autoren also soviel wie persönliche, direkte Kommunikation von „face-to-face“, wobei die Begriffsverwendung variiert. Kommunikation hingegen umfasst als Oberbegriff sowohl Interaktionen als auch Kontakte, die auf eine Vermittlungsinstanz als Informationsträger zurückgreifen, deren verschiedene Formen folgend unter dem Begriff Medium zusammengefasst werden. Zum Kernthema wird in diesem Zusammenhang die so genannte Telekommunikation, mit der die Informationsübermittlung über die organisch bedingten Grenzen des Menschen hinweg beschrieben wird:

In der Kommunikationswissenschaft wird unter Telekommunikation der Informationsaustausch zwischen Kommunikationspartnern verstanden, der sich außerhalb ihrer Hör- bzw. Sichtweite vollzieht, wobei der Begriff in jüngster Zeit als Bezeichnung für alle Formen der Kommunikation mit Hilfe technischer Übertragungsverfahren verwendet wird.192

Welche Phänomene sich genau hinter den in dieser Definition enthaltenen Begriffen verbergen, wird Thema des nächsten Abschnitts sein, da sich bisher keine einheitliche Wortverwendung durchsetzen konnte und deshalb ein den Leser verwirrender Gebrauch ausgeschlossen werden soll.

192 vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 1997, CD-Rom.