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6 DIE ORGANISATION DER IK

6.3 Die Organisation der (Medien-)Kommunikation

6.3.1 Die Koordinationsmechanismen der (Medien-)Kommunikation

Wie bereits die Darlegung der Kernthesen von Fischer, Giddens und Hahne offenbart haben, bieten sich eine ganze Reihe von Koordinationsweisen an, das Geschehen in Unternehmen zu organisieren.

Aus traditioneller Sicht sind vor allem drei Grundformen der Koordination des Verhaltens in Unternehmen zu nennen, die von Zündorf und Grunt mit den folgenden Punkten skizziert werden:369

Generalisierte normative Regelungen, wie Betriebsvorschriften und -anweisungen

Anweisungen („Befehle“), die fallweise und persönlich von Vorgesetzten vermittelt werden

369 vgl. Zündorf, L./Grunt, M. 1980, S. 165.

Technologische Vorgaben, wie auf bestimmte Geschwindigkeiten und Rhythmen eingestellte Maschinen(-systeme)

Der letzte von Zündorf/Grunt angeführte Punkt verweist auf von Maschinen vorgegebene Arbeitsabläufe, die vor allem für die Bereiche Produktion und Fertigung von Belang sind und deshalb im Hinblick auf zwischenmenschliche Prozesse weitgehend ohne Bedeutung bleiben.

Mintzberg unterscheidet einige Jahre später insgesamt sechs wesentliche Mechanismen, die das erfolgreiche Zusammenwirken der Organisationsmitglieder gewährleisten können:370

1. Koordination durch gegenseitige Abstimmung (hier steht der persönliche Kontakt im Vordergrund, wobei auf formale Hilfsmittel der Organisation verzichtet wird und durch informelle Absprachen zwischen den Betroffenen Koordination erfolgt (vgl. Kapitel 8.2))

2. Koordination durch direkte Anweisung (diese Form ist stark hierarchisch geprägt und degradiert Mitarbeiter zu ausführenden Organen ohne die Möglichkeit zur Einflussnahme, da die Koordination durch eine dritte Instanz geregelt wird)

3. Koordination durch Standardisierung der Arbeitsprozesse (Arbeitsabläufe werden hier anhand von Zeittakten bzw. Bewegungsabläufen festgelegt, die sich meist aus der eingesetzten Produktionstechnologie ergeben, wie es z.B. bei der Fließbandfertigung zu beobachten ist)

4. Koordination durch Standardisierung der Arbeitsergebnisse (in diesem Fall erfolgt die Abstimmung durch die Vorgabe oder Vereinbarung bestimmter Zielgrößen, die sich auf die Produktqualität bzw. den Leistungsumfang beziehen) 5. Koordination durch Standardisierung der Mitarbeiterqualifikation (im Zentrum

der Betrachtung steht die Frage, über welche Fähigkeiten der Einzelne verfügen muss, um eine bestimmte Leistung zu erbringen. Das gelungene Zusammenspiel einzelner Arbeitsprozesse wird durch die Koordination zuvor ausformulierter und als gegeben vorausgesetzter Kompetenzen gewährleistet (vgl. Kapitel 7))

6. Koordination durch Standardisierung von Normen (Leitlinien, Grundsätze sowie nicht explizit ausformulierte geteilte Überzeugungen tragen dazu bei, dass Mitarbeiter sich leichter im Unternehmen orientieren können, um gleichzeitig ihr Verhalten zu lenken)

370 vgl. Mintzberg, H. 1989, S. 101ff.

Die hier vorgestellten Ansichten bezüglich der im Unternehmen wirkenden Koordinationsweisen machen den sich seit einigen Jahrzehnten vollziehenden Fokuswandel in der Organisationswissenschaft deutlich, da sich in der jüngeren Vergangenheit vor allem zwei zusätzliche Koordinationsweisen etablieren konnten, die verstärkt diskutiert werden und auch für den Kommunikationsbereich von überragender Bedeutung sind:

Kultur im Sinne von Gemeinsamkeiten

Vertrauen im Sinne einer Einstellung bzw. Erwartungshaltung

Alle der hier aufgegriffenen Koordinationsweisen sind potentiell dazu in der Lage, Kommunikation zu steuern, indem sie Informationsprozesse in gewisser Weise

„vorstrukturieren“. Sie dienen den Mitgliedern sozialer Systeme als Orientierungsgrößen, die Aufschluss darüber liefern, wie das eigene Handeln im Sinne des Systems ausgestaltet werden sollte und bieten spezifische Vor- und Nachteile, die zeigen, welche Koordinationsform in bestimmten Kontexten als besonders Erfolg versprechend anzusehen ist. In Abhängigkeit der für sie typischen Merkmale lassen sich die genannten Koordinationsarten auf sinnvolle Weise folgendermaßen in zwei Gruppen unterteilen:

Anweisungen/Regeln können auch als die Gruppe der hierarchiegestützten, autoritätsbasierten Koordinationsmechanismen bezeichnet werden. Sie sind meist auf konkrete Zusammenhänge bzw. Situationen bezogen und damit von eher geringer Allgemeingültigkeit. Da Kommunikationsprozesse stets von einer Vielzahl situationsabhängiger Begleitumstände mitbestimmt werden, ist der Einsatz von Anweisungen und Regeln in diesem Bereich nur bedingt effektiv. Anweisungen und Regeln der Kommunikation (d.h. die Festlegung bestimmter Kommunikationswege, der Benutzung bestimmter Kommunikationsmittel oder – formen und der Gültigkeit von Kommunikation in Abhängigkeit vom Kommunikator)371 stützen sich auf die Autorität ihrer Herausgeber, da bei Zuwiderhandlungen Sanktionen drohen. Diese Sanktionsmöglichkeiten erlauben es, auch unpopuläre Entscheidungen durchzusetzen, wodurch ein hohes Maß an Verbindlichkeit erreicht wird. Hinsichtlich der Verbindlichkeit von Kommunikationsregeln lassen sich mit Kahle argumentiert drei unterschiedliche Gruppen voneinander abgrenzen: Bei der ersten führen gelegentliche, begründete Verletzungen zu keinerlei Sanktionen, während Zuwiderhandlungen bei der

371 vgl. Kahle, E. 1999a, S. 12.

zweiten Klasse sofort mit Sanktionen belegt werden; die dritte Gruppe von Kommunikationsregeln gilt nur in Ausnahmefällen, wenn die normalerweise ablaufende Kommunikation nicht funktioniert, wie z.B. Beschwerdemöglichkeiten oder Schlichtungsinstanzen.372

Kultur und Vertrauen lassen sich auch als Gruppe der beziehungsgestützten Koordinationsweisen betiteln, die sich insbesondere durch ihre breit angelegte Wirkungsweise auszeichnet. Denn vertrauensvolle Beziehungen und kulturelle Normen und Werte vermögen es, allgemein anerkannte Verfahrensweisen zu etablieren, ohne dass eine fortlaufende Abstimmung und Neuausrichtung der Koordinationsinstrumente nötig wäre.

Bei der Standardisierung von Werten und Normen wird nicht so sehr der einzelne Akt oder eine einzelne Verhaltensweise erfasst, sondern Situations- und Verhaltensdefinition geleistet, die in komplexen Verhältnissen wichtiger sind als die Koordination einzelner Situationselemente, die sich sowieso dauernd ändern.373 Da Vertrauen und Kultur auf Freiwilligkeit beruhen, sind sie jedoch nicht propagierbar und entstehen vergleichsweise langsam auf der Basis von Erfahrungen.

„Die Standardisierung von Werten und Normen im Sinne einer starken Unternehmenskultur führt zu einem starken Vertrauen innerhalb der Unternehmung, weil geteilte Sinnzusammenhänge, Grundannahmen und Wertvorstellungen die Übereinstimmung wechselseitiger Erwartungen signalisieren und garantieren.“374

Kahle weist mit diesem Zitat darauf hin, dass sich die hier zusammengeführten Koordinationsweisen gegenseitig beeinflussen und fördern.

Es ist festzuhalten, dass Vertrauen in allen Koordinationsformen sichtbar und benötigt wird, jedoch in ganz unterschiedlichen Ausprägungen.375 Damit wird deutlich, dass Vertrauen einen Doppelcharakter hat, da es zum einen als eigenständige Koordinationsform fungiert, gleichzeitig aber auch in allen anderen Koordinationsformen präsent ist. Zudem existieren zwischen den autoritäts- und beziehungsgestützten Beherrschungsstrukturen Schnittstellen, da die Übergänge zwischen ihnen häufig fließend

372 vgl. Kahle, E. 2001, S. 168.

373 vgl. Kahle, E. 1991, S. 29f.

374 Kahle, E. 1999, S. 12.

375 vgl. Kahle, E. 2000, S. 4.

verlaufen. So können allgemeine Vorschriften und Grundsätze, die zunächst in Form von Anweisungen oder Regeln niedergelegt wurden, bei entsprechender Akzeptanz durch Mitarbeiter zu Standards werden. Diese wiederum finden dann Zugang zur Unternehmenskultur, wenn zunehmende Erfahrungen mit den Standards zur Verinnerlichung dieser führen, sodass sie nicht mehr explizit betont werden müssen.

Wie diese grobe Skizzierung der Koordinationsweisen der Kommunikation zeigt, werden die verschiedenen Formen aufgrund ihrer spezifischen Stärken und Schwächen nur im kombinierten Einsatz zum Erfolg führen. Folgend sollen die wichtigsten Vor- und Nachteile der Koordinationsvarianten einander direkt gegenübergestellt werden, um im Anschluss ihre Bedeutung in der Medienkommunikation diskutieren zu können.