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Die Kommunikation mit Olga

4. Analyse und Diskussion

4.1 Die Kommunikation mit den weiblichen Figuren

4.1.2 Die Kommunikation mit Olga

Olga ist die weibliche Figur des Buches, die neben Gilgi am häufigsten vorkommt. Sie ist immer eine Ratgeberin für Gilgi und hilft ihr sehr. Das kann man im folgenden Gespräch sehen.

Hier geht es um den Chef Gilgis, der sich für sie interessiert.

,Er ist mein Chef, ist verliebt. Wenn er merkt, dass ich ihn nicht mag, hab’ ich muffige Luft auf dem Büro. Du musst ihn von mir ablenken.‘ ,Na ja. Wenn er aber in dich verliebt ist, wird er sich doch von mir nicht...‘ Gilgi macht ihr weltweisestes Gesicht. ,Der ist nicht speziell in mich, der ist an und für sich verliebt in der letzten Zeit - ganz allgemein. Ich bin Zufallsobjekt, eine Einbildung…‘62

In diesem Beispiel erkennt man, dass ihre Arbeit sehr wichtig für Gilgi ist. Sie will nicht, dass das Verliebtsein ihres Chefs auf ihre Arbeit einwirkt. Deshalb fragt sie Olga durch direkte Rede, ob sie ihr mit diesem Problem helfen kann. Hier wird deutlich, dass die Freundinnen eine gleichgestellte Beziehung haben. Dieses Beispiel zeigt, dass die Beziehung eine Korrespondenzrelation ist. Die Redeanteile sind gleichmäßig verteilt. Gilgi sagt nicht direkt, dass Olga ihn verführen soll, sondern eher in einer indirekten Art und Weise. Dieses Zitat ist ein Beispiel für die These von C.E. Shannon und W. Weaver, das Sender-Empfänger-Modell.

Gilgi und Olga haben das gleiche Zeichensystem und deshalb braucht Gilgi es nicht direkt zu sagen. Gilgis Körpersprache wird durch ihren Gesichtsausdruck dargestellt. Als Olga eine Frage stellt, was für Wünsche Gilgi im Leben hat, antwortet sie:

,Ich will arbeiten, will weiter, will selbständig und unabhängig sein – ich muss das alles Schritt für Schritt erreichen. Jetzt lern’ ich meine Sprachen – ich spar’ Geld – vielleicht werd’ ich in ein paar Jahren eine eigene Wohnung haben, und vielleicht bring’ ich’s mal zu einem eigenen Geschäft.‘ ,Du armes Arbeitstierchen! Und dafür verschuftest du deine schönsten Jugendjahre!‘63

In diesem Gespräch wird deutlich, wie wichtig es für Gilgi ist, selbständig zu werden. Dass Olga nicht die gleiche Einstellung zur Arbeit wie Gilgi hat, kann man von ihrer Antwort interpretieren. Olga hat Mitleid mit Gilgi, weil sie so viel arbeitet und denkt, dass sie ihre schönsten Jugendjahre verschwendet. Die beiden tauschen Meinungen aus, auch wenn sie unterschiedliche Ansichten haben. Sie können das voreinander sagen und deshalb ist es eine

62 Keun 2002, S.24.

63 Keun 2002, S.70.

offene Kommunikation. In diesem Beispiel wird deutlich, dass die beiden auch eine Kontrastrelation haben.

Olga ist auch der Grund, warum Gilgi Martin trifft. „ ,Ich wollt’ noch arbeiten, Olga.’

,Na, komm’ schon mit, ist ein netter Kerl, der Martin Bruck.’ ,Ja, aber höchstens für ´ne knappe Stunde.’ “.64 Auch hier wird gezeigt, dass Gilgi ihre Arbeit zu priorisieren versucht. Als sie dann mit Martin zusammen ist, wird die Freundschaft an die Seite gestellt. Dass Gilgi nicht Olga priorisiert, wird durch das nächste Zitat präsentiert: „ ,Man sieht und hört ja nichts mehr von dir?’ Sie hakt Gilgi unter, schweigend gehen sie nebeneinander her. ,Hab’ höchstens eine halbe Stunde Zeit’, sagt Gilgi […].“.65 In diesem Zitat wird das Gespräch nochmal durch direkte Rede beschrieben. Hier ist die Rede nur ein Austausch von Gefühlen, weil Gilgi Olgas Frage nicht beantwortet. Olga sagt indirekt, dass sie Gilgi vermisst und Gilgi erklärt nicht, warum sie Olga nicht kontaktiert hat. Das Schweigen ist auch hier geschildert. In einem anderen Gespräch mit Olga, erklärt Gilgi, dass sie sich nur mit Martin glücklich fühlt.

,Und von neun bis fünf sitzt man auf dem Büro, rennt dann schnell mal nach Haus, tippt ab bis sieben beim alten Mahrenholz, und erst um neun ist man glücklich mit Martin zusammen. Kannst dir wohl denken, wie schnell die Zeit dann vergeht – fängt um neun ja erst an, der Tag. Ach, und von den Krons muss ich weg, es ist die höchste Zeit.’ […] Olga har nachdenklich besorgte Augen.

Gilgi und Martin! Eigentümliche Konstellation. Wenn das nur gutgeht.66

Gilgi erklärt ihre Meinung für Olga durch direkte Rede. Olgas Antwort zu dieser Äußerung findet man nicht heraus, sondern nur einen Gedankenbericht darüber was sie denkt. Der Gedankenbericht Olgas wird nicht in Anführungszeichen geschrieben, weil es kein gesprochener Dialog ist. Olga wagt es diesmal nicht, ihre Meinung direkt zu sagen. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Olga nicht sagt, was sie will, weil sie Angst hat, Gilgi zu beleidigen. Es wird deutlich, dass auch zwischen den beiden nicht immer alles klar ausgesprochen wird. Ein anderes Beispiel, wo man Olgas Reaktion herausfindet, ist das nächste:

Einmal kommt Olga für kurze Zeit. Ist bestürzt und verwundert und gar nicht einverstanden mit der Veränderung in Gilgis Leben. Und hat doch früher immer ganz anders gesprochen. – ,Alles schön und gut, Gilgichen, kleiner Tannhäuser in der Westentasche – aber was machst du für

64 Keun 2002, S.73.

65 Keun 2002, S.105.

66 Keun 2002, S.106.

Dummheiten! So ein kompaktes, konzentriertes Zusammenleben kann doch nicht gut gehn auf die Dauer. Gilgi – du – hör’ doch!’ [...] ,Mußt’ doch wissen, was du willst! Wenn du so weiter machst, hat er dich satt eines Tages – oder du ihn. Dummes Ding du [...].’ ,Und eines Tages wirst du sehn, dass der arme Mann dir unmöglich gleiches mit gleichem vergelten kann, und dann bist du’s, die ihm ihre eigenen Dummheiten nicht verzeiht. Sind immer nur die eigenen Fehler, die man anderen übelnimmt…’ ,Was – soll – ich – denn – tun?’ [...] ,Nicht dein Leben auf ihn aufbauen, nicht alles auf eine Karte setzen. Wie müde du aussiehst! Du brauchst deine Arbeit und deine Selbständigkeit, du…’67

Am Anfang dieses Zitats kann man sehen, dass Olga niemals zuvor geäußert hat, wie sie über Gilgis Verhalten denkt. Das erfährt der Leser durch einen Gedankenbericht von Olga: „Ist bestürzt [...] anders gesprochen.”. Der Gedankenbericht führt den Leser in Olgas Gefühle ein und gibt eine Erklärung, warum sie später sagt, was sie tut. Der Hörer im Text (Gilgi) erfährt diese Erklärung nicht, weil es ein Gedankenbericht ist. Der Rest des Zitats wird durch direkte Rede gezeigt. Olga macht Gilgi klar, dass ihr Gilgis Verhalten nicht gefällt. Gilgi soll nicht ihr ganzes Leben auf Martin aufbauen, sondern soll ihre Selbständigkeit nutzen und ihre Arbeit behalten. Olga will Gilgi nicht verletzen, aber gleichzeitig will sie nicht, dass Gilgi ihre Selbständigkeit verliert und deshalb äußert sie ihre Meinung.

Man muß sie lieb haben, Olga, dieses leichtsinnige Mädchen. – Gilgi lacht, rafft mit einer hübschen, leichten Bewegung den Pelz über der Schulter zusammen – am schmalen blassen Ringfinger glimmt der dunkle Amethyst –, hält mit der Linken Olgas Hand umklammert, gräbt ihr die Nägel in die weiche Handfläche. Keine Angst, meine Kleine – sagen Olgas Finger – keine Angst – wird nichts gefragt, nichts gesprochen – werd’ warten, und wenn’s drauf ankommt, bin ich da. Weißt du doch – und genügt, daß du’s weißt? Dank’ dir schön, Olga.68

In diesem Gespräch wird keine Rede benutzt, sondern Erzählerberichte „Man muß sie lieb haben, Olga, dieses leichtsinnige Mädchen.” und verschiedene Körpersprachen „Gilgi lacht […].” „[…] gräbt ihr die Nägel in die weiche Handfläche.”. Gilgi deutet Olgas Berührung als sie sagt, dass Gilgi keine Angst haben soll. In diesem Beispiel ist der Beziehungsaspekt Teil des Kontextverständnisses. Auch wenn nichts gesagt wird, kann die Berührung mit Hilfe ihrer Beziehung interpretiert werden. Nicht „Die Daten” sind hier wichtig (weil nichts gesagt wird), sondern die Beziehungsaspekte. In diesem Beispiel sind auch die Attribute von Martin dabei, in Form des Pelzes und des Rings. Martin steht zwischen den Freundinnen und stört die Kommunikation zwischen ihnen. Die Geschenke von Martin markieren Gilgis Abhängigkeit von ihm und sie verstärkt den Eindruck, dass Martin wichtiger als Olga ist und dass er immer dabei sein wird.

67 Keun 2002, S.146-147.

68 Keun 2002, S.165-166.

In einem anderen Gespräch mit Olga möchte Gilgi etwas mehr sagen, aber macht das nicht. „ ,Ach Olga…’ Gilgi will noch was sagen, erzählen – aber lieber nicht, lieber nicht – einmal Ausgesprochenes wird so unheimlich lebendig.”.69 Gilgi wählt hier schweigend zu bleiben, statt erzählen was sie eigentlich möchte. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass Gilgi das Gefühl hat, es sei einfacher zu schweigen, als tatsächlich zu sagen, was sie sagen möchte.

Von Anfang an sieht man, dass Gilgi sich um ihre Arbeit kümmert. Sie will arbeiten und selbständig werden. Nachdem sie Martin getroffen hat, konzentriert sie sich auf ihn und kümmert sich weniger um ihre Arbeit. Das kann man in dem Gespräch mit Olga sehen. Olga sieht diese Veränderung Gilgis und macht ihr klar, dass sie das nicht mag. Nach diesem Gespräch haben sie Störungen in ihrer Kommunikation und Gilgi möchte nicht so viel erzählen wie vorher. Martin hat eine Distanz zwischen den Freundinnen erstellt, die auf Gilgi negativ einwirkt. In den Gesprächen mit Olga wird deutlich, dass sich Gilgi verändert. Am Anfang priorisiert Gilgi ihre Arbeit und ihre Beziehung mit Olga, aber als sie Martin trifft, ist die Beziehung zwischen den Freundinnen und ihre Einstellung zur Arbeit beeinflusst.

Am Anfang des Romans ist sie selbständig und preist ihre Arbeit hoch. Aber sie wird mehr abhängig von Martin und verliert ihre Arbeit. Olga versucht Gilgi klarzumachen, dass sie wieder unabhängig werden muss, aber diese Versuche führen dazu, dass Gilgi Olga Informationen vorenthält. Gilgi und Olga haben sowohl eine Kontrast- als auch eine Korrespondenzrelation.