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5.4 Wirkungen der Klinofeed ® -Zulage

5.4.2 Kohlenhydratstoffwechsel

In allen Fermentern wurde die zugelegte Glucose bis zum Ende des ersten Inkubationsintervalls weitgehend abgebaut (s. Kapitel 4.3). Aus diesem Substrat und den bereits in der Pansenflüssigkeit enthaltenen und aus dem Tier stammenden Kohlenhydraten produzierten die Mikroorganismen bis zu 8,99 mmol flüchtiger Fettsäuren. In den Zulagefermentern des zweiten Versuchs wurden 8,8 % mehr flüchtige Fettsäuren produziert als in den Kontrollfermentern (s. Kapitel 4.4.8). Den weitaus größten Anteil der im Pansen produzierten flüchtigen Fettsäuren bilden – in absteigender Reihenfolge – Essig-, Propion- und n-Buttersäure. Für diese drei Säuren konnte im zweiten Versuch jeweils eine gegenüber der Kontrolle merklich gesteigerte Produktion belegt werden (s. Kapitel 4.4.1, 4.4.2, 4.4.3). Theoretisch kann die als Fermentationssubstrat zugelegte Glucose in vitro zu den folgenden entsprechenden Produktmengen umgesetzt werden (CZERKAWSKI 1986, S. 102):

1 mol Glucose => 1,18 mol Essigsäure + 0,45 mol Propionsäure + 0,18 mol Buttersäure + 0,98 mol CO2

+ 0,56 mol CH4

+ 0,43 mol H2O

Vergleicht man diese Mengen mit den aus 11,5 mmol (Kontrolle) bzw. 11,4 mmol (Zulage) Glucose tatsächlich gebildeten Säuremengen, zeigt sich eine zum Teil erhebliche Minderproduktion:

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Tab. 5.1: Vergleich der theoretisch möglichen und der tatsächlich gebildeten flüchtigen Fettsäuren

Kontrolle Zulage

Theoretisch Tatsächlich Theoretisch Tatsächlich Essigsäure 13,6 mmol 3,67 mmol

≙ 27,0 %

13,5 mmol 4,38 mmol

≙ 32,4 % Propionsäure 5,18 mmol 2,68 mmol

≙ 51,7 %

5,13 mmol 2,91 mmol

≙ 56,7 % Buttersäure 2,07 mmol 1,62 mmol

≙ 78,3 %

2,05 mmol 1,78 mmol

≙ 86,8 %

Ein beträchtlicher Anteil der fermentierten Glucose ist demnach nicht in Form flüchtiger Fettsäuren wieder auffindbar. Eine Lactatbestimmung konnte in den eigenen Versuchen nicht vorgenommen werden. Da sich unter den typischen Bakterien des Kompartiments 1, die mit Glucose als Substrat sehr gut wachsen, mit Streptococcus bovis und Selenomonas ruminantium zwei der wichtigsten Lactatbildner des Pansens befinden und da Lactat vor allem bei hohem Glucoseangebot deren Hauptfermentationsprodukt darstellt (STEWART et al. 1997), ist die Annahme gerechtfertigt, dass ein nicht unerheblicher Teil der Glucose zu Lactat umgewandelt wurde. Außerdem benötigen die Pansenbakterien Kohlenhydrate zum Aufbau der eigenen Zellsubstanz (Zellwandbestandteile und Exopolysaccharide, Kohlenstoffgerüst für die Aminosäuresynthese), und einige Bakterien wie beispielsweise Prevotella spp., Butyrivibrio fibrisolvens oder S.

ruminantium sowie Protozoen lagern in Phasen hoher Kohlenhydratverfügbarkeit Speicherpolysaccharide in ihren Zellen ein, die sie bei sich anschließender Unterversorgung zur Fermentation heranziehen (HOBSON et al. 1982). Die gesteigerte Produktion flüchtiger Fettsäuren in den Zulagefermentern mit doppelter Klinofeed®-Dosis ist somit nicht durch einen erhöhten Substratabbau sondern vielmehr durch Fermentationsverschiebungen bzw. eine geänderte Substratnutzung zu erklären. Denkbar wäre, dass weniger Lactat und stattdessen mehr flüchtige Fettsäuren entstanden sind. Lactat kann aber auch von einigen Bakterien wie S.

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ruminantium, Megasphaera elsdenii oder Veilonella parvula als Substrat verwendet werden und als Fermentationsprodukte entstehen wiederum flüchtige Fettsäuren (STEWART et al. 1997). Ob die Klinoptilolithzulage zu ungünstigeren Bedingungen für die Lactatbildner oder zu einer relativen Verbesserung der Wachstumsbedingungen für die übrigen Mikroorganismen geführt hat, kann anhand der eigenen Ergebnisse nicht beantwortet werden. Prinzipiell konnte in Studien sowohl gezeigt werden, dass sich Zeolithe negativ auf die Häufigkeit verschiedener Bakterien auswirken (WU et al. 2013; PRASAI et al. 2017), aber auch, dass auf Zeolithen immobilisierte Mikroorganismen eine höhere metabolische Aktivität und Dichte aufweisen (WANG et al. 2011). STOTZKY und REM (1966) vermuten hinter der gesteigerten Atmung aerober Bakterien unter Montmorillonitzulage (Schichtsilicat) neben der hauptsächlichen Wirkung der pH-Stabilisierung, dass die Bereitstellung von Nährstoffen z. B. durch Ionenaustausch deren Wachstum positiv beeinflusst. Eine derartige Wirkung der Klinofeed®-Zulage ist sicherlich vorstellbar, aber muss aufgrund der eigenen Daten als Spekulation angesehen werden. Die Erkenntnisse über die Fermentationsprodukte der einzelnen Bakteriengattungen oder -spezies haben bis vor kurzem allein auf den Ergebnissen kultureller Untersuchungsmethoden beruht. Aber bereits zu Beginn dieser Forschung machten die Wissenschaftler die Feststellung, dass nur ein geringer Anteil aller Pansenbakterien kultivierbar ist (BRYANT u. BURKEY 1953), ein Problem, das bis heute nicht überwunden wurde. Neuere Untersuchungen mittels 16S rRNA-Analyse zeigen, dass die Cellulolyten Ruminococcus albus und flavefaciens sowie Fibrobacter succinogenes zum sogenannten Kernmikrobiom des Rindes gehören und auch im Kompartiment 1, das in der vorliegenden Arbeit als Inokulum diente, etwa den gleichen Anteil ausmachen können wie in der partikelassoziierten Phase (HENDERSON et al. 2015; DEUSCH et al. 2017). Der Anstieg des molaren Anteils der Essigsäure bei rohfaserreicher Fütterung im Vergleich zu einer Ration mit leichtfermentierbaren Kohlenhydraten wird als Beweis dafür gesehen, dass Essigsäure in erheblichem Umfang von den Cellulolyten produziert wird. Die Studien von HENDERSON et al. (2015) und DEUSCH et al. (2017) belegen aber auch, dass Prevotellaceae und andere Bacteriodetes-Arten die zahlenmäßig mit Abstand größte

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Gruppe der Pansenbakterien darstellen. Sie sind keine Cellulolyten, doch bauen sie andere strukturelle Polysaccharide wie Pektine oder Xylane ab. Eines der wichtigsten Fermentationsprodukte dieser Bakterien, soweit ihr Fermentationsprofil schon charakterisiert wurde, ist ebenfalls Essigsäure. Prevotella spp. und F. succinogenes nutzen Glucose als Substrat. Da F. succinogenes nur mit einer geringen Häufigkeit im Pansen vorkommt und die Fähigkeit zur Verwertung dieses Monosaccharids bei R. albus und R. flavefaciens stammabhängig ist (STEWART et al. 1997; WOLIN et al. 1997), waren es möglicherweise in erster Linie Prevotella spp., die unter Klinofeed®-Zulage im zweiten Versuch mehr Essigsäure produzierten. Für die bekannten Prevotella-Arten P. ruminicola, P. albensis, P. brevis und P. bryantii sind Hämin, Ammoniak, Cystein, Methionin und hohe CO2-Gehalte als Wachstumsfaktoren beschrieben (PITTMAN u. BRYANT 1964; WALLACE u.

McKAIN 1991; McKAIN et al. 1992; GARDNER et al. 1995; AVGUŠTIN et al. 1997).

Inwieweit der zugelegte Klinoptilolith diese für die Bakterien besser oder schlechter verfügbar macht, indem die Stoffe an die Zeolithoberfläche adsorbieren, kann mit Ausnahme von Ammoniak nicht beantwortet werden, da keine Daten über eine mögliche Adsorption vorliegen. Theoretisch ist es denkbar, dass nicht nur Ammoniumionen von Klinofeed® gebunden werden, sondern, abhängig von den pKa-Werten der funktionellen Gruppen der genannten Wachstumsfaktoren, diese an aktive Zentren auf der Zeolithoberfläche binden. Ein Eindringen in die Kanäle des Zeoliths kann allerdings aufgrund der Größe der Moleküle ausgeschlossen werden.

Neben Essigsäure produzieren Prevotella spp. auch Propionsäure, deren Molmenge im zweiten Versuch mit Klinofeed® gegenüber der Kontrolle ebenfalls zunahm. Ein weiterer wichtiger Propionsäureproduzent ist Selenomonas ruminantium. Die Bedeutung dieser Spezies bei getreidereicher Fütterung konnte mit 22–51 % der Anzahl lebender Bakterien schon früh gezeigt werden (CALDWELL u. BRYANT 1966). Von den lactatverwertenden Stämmen dieser Art ist bekannt, dass sie mit Glucose als Substrat anfallendes Lactat zu Essig- und Propionsäure weiter verstoffwechseln können (STEWART et al. 1997).

Butyrivibrio fibrisolvens zählt ebenfalls zum Kernmikrobiom (HENDERSON et al.

2015) der Rinder und gilt als der wichtigste Butyratbildner (BRYANT 1970;

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STEWART et al. 1997). n-Buttersäure wurde in beiden Versuchen der vorliegenden Arbeit vermehrt gebildet. Ob in beiden Versuchen dieselben Stämme gewachsen sind, kann nicht beantwortet werden, dennoch sei darauf hingewiesen, dass VAN DER TOORN und VAN GYSLWYK (1985) drei Biotypen unterscheiden, von denen sie einen als Acetatnutzer charakterisieren. In Versuch 1 wurden über die gesamte Inkubationsdauer mit Klinofeed® 0,25 mmol weniger Essigsäure (nicht signifikant;

signifikante Minderproduktion von −12,9 % nur innerhalb der ersten drei Inkubationsstunden) und 0,12 mmol mehr n-Buttersäure produziert als in den Kontrollfermentern. Stöchiometrisch würde das ziemlich genau der kompletten Umwandlung der „fehlenden“ Essigsäure in n-Buttersäure entsprechen, da aus zwei Mol Essig- ein Mol Buttersäure wird. Stämme von B. fibrisolvens gelten als Generalisten, da sie ein weites Spektrum an Substraten hydrolysieren (STEWART et al. 1997), wobei sich die Stämme in den bevorzugt verstoffwechselten Substraten unterscheiden. In der Arbeit von MRÁZEK et al. (2006) zeigte sich, dass die Anzahl von B. fibrisolvens bei einer Veränderung der Rationszusammensetzung zugunsten leichtfermentierbarer Kohlenhydrate zurückgeht, vermutlich, so die Autoren, weil andere Bakterien mit diesem Substrat eine höhere Vermehrungsrate aufweisen und B. fibrisolvens verdrängen. Dies scheint der vermehrten Aktivität dieses Bakteriums in dem eigenen Versuch mit Glucose als zugesetztem Substrat entgegenzustehen, allerdings war das Spendertier rohfaserreich gefüttert worden und die Inkubationsdauer mit sechs Stunden relativ kurz, so dass eine beginnende derartige Veränderung der Bakterienpopulation noch nicht ausgeprägt zum Tragen käme. In den hier vorgestellten Versuchen kam es nicht zu einer Änderung der Protozoenanzahl durch Klinofeed®, allerdings konnte eine leicht erhöhte Protozoenmotilität festgestellt werden (s. Kapitel 4.10.5). EADIE und MANN (1970) haben gezeigt, dass bei einer getreidebetonten Fütterung faunierte Tiere mehr n-Buttersäure produzieren als defaunierte, deren Fermentationsmuster zugunsten der Propionsäure verschoben ist. Sowohl für entodiniomorphe als auch für holotriche Pansenprotozoen stellen neben Buttersäure Essigsäure und die bei deren Entstehung anfallenden Wasserstoff- und Kohlenstoffdioxidmoleküle die wichtigsten Produkte ihres Stoffwechsels dar. In keinem der Versuche, in denen der Einfluss von

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Zeolithen auf die Pansenfermentation untersucht wurde und deren Ergebnisse in Kapitel 2 bzw. Tabelle 9.5 wiedergegeben sind, kam es zu einem Rückgang der Essigsäurekonzentration bzw. des molaren Anteils dieser Säure. In der Mehrheit der Fälle wurde kein Einfluss festgestellt. Einige Untersucher, die einen Essigsäureanstieg bzw. einen Propionsäurerückgang und in der Folge ein gestiegenes Acetat:Propionat-Verhältnis feststellten, haben das Fettsäuremuster mit der Faserverdaulichkeit und dem Milchfettgehalt in Relation gesetzt, mit unterschiedlichen Resultaten: Während SWEENEY et al. (1984) eine verbesserte Faserverdaulichkeit verzeichneten und dies auf die Aufrechterhaltung von für das mikrobielle Wachstum geeigneten Ammoniakkonzentrationen zurückführen, blieben die ADF- und NDF-Verdaulichkeiten bei DSCHAAK et al. (2010) unverändert, obschon die Konzentration aller flüchtiger Fettsäuren in Summe mit dem zugelegten Klinoptilolith tendenziell abnahm. JOHNSON et al. (1988), die einen synthetischen Zeolith A verfütterten, registrierten eine Tendenz zu verringerter Verdaulichkeit der organischen Substanz, des Rohproteins und der ADF. Der Milchfettgehalt war unverändert. Die ruminale Verdaulichkeit der organischen Substanz ging bei GRABHERR et al. (2009) zurück, ohne dass NDF- oder ADF-Verdaulichkeit sich mit Zeolith-A-Zulage veränderten. Die Wissenschaftler vermuten, dass eine verminderte Phosphorverfügbarkeit die mikrobielle Aktivität negativ beeinflusst haben könnte.

KARATZIA et al. (2011) konstatieren, dass der Wirkmechanismus, der die Verschiebungen im Fettsäuremuster erklären könnte, nicht bekannt ist.

In beiden Versuchen kam es zu einer gesteigerten Methanbildung (s. Kapitel 4.6), die allerdings in Versuch 2 nur im ersten Inkubationsintervall signifikant war. Bei der Fermentation der Kohlenhydrate zu Essigsäure entsteht Reduktionskraft in Form der reduzierten Cofaktoren (CZERKAWSKI 1986, S. 173ff.). Diese reduzierende Kraft nutzen die Methanogenen zur Energiebereitstellung, indem sie den intermediären Wasserstoff auf CO2 übertragen und dieses dabei zu CH4 reduzieren (DANIELS et al. 1984; RUSSEL u. WALLACE 1997). Durch diesen Interspezies-Wasserstoff-Transfer wird der Wasserstoffpartialdruck im Pansen niedrig gehalten und die Reduktionsäquivalente werden regeneriert. Methanogene im Pansen sind auch in der Lage aus Ameisensäure, über die Hydrolyse zu CO2 und H2, Wasserstoff für die

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Methanbildung bereitzustellen. Da die zuvor genannten Bakterien Kohlenhydrate außer zu Essigsäure unter anderem auch zu Ameisensäure abbauen können, ist es möglicherweise aufgrund einer Verschiebung des Fermentationsmusters zugunsten der Ameisensäure zu der gesteigerten Methanproduktion gekommen. Im zweiten Versuch lässt sie sich auch durch die insgesamt gesteigerte Produktion flüchtiger Fettsäuren (genauer Essigsäure) erklären.