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Teil I Motive der Erwachsenenbildung

3. Die ersten praktischen Ansätze der Erwachsenenbildung

3.4 Das Katholische Volksbildungswesen

Die katholische Volksbildung hat ihren Ursprung in Deutschland, als aufgrund der französischen Revolution die bis dahin bestehende Ordnung von „Staat, Volk, Kultur

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und Kirche“ zerbrach. Als Gegenaktion zur Aufklärung müsste das Volk eine Volksaufklärung erhalten, die gegen den glaubensfeindlichen Rationalismus vorgehen sollte. Durch die Säkularisierung waren ganze Teile der Gesellschaft aus der Macht religiöser Institutionen und Symbole ausgebrochen (vgl. Zangerle 1975:

337). Johann Michael Sailer, ein katholischer Theologe und Bischof von Regensburg, und Ignaz Heinrich von Wessenberg versuchten das aufklärerische Bildungsverständnis christlich zu interpretieren. Daraufhin entwickelte sich in Prag, Wien, Regensburg und Konstanz eine Volksbildung im Sinne der gemäßigten Aufklärung mit durchaus christlichem Hintergrund, die jedoch bald durch die vor allem aus Österreich kommenden Gegenbestrebungen, behindert wurde.

Der christlichen Bewältigung der Aufklärung war eine katholische Volksbücherei- und Schrifttumsbewegung vorausgegangen, die von Heinrich Santier, Andreas Raeß und Nikolaus Weis unterstützt wurden. 1844 gründeten August Reichensperger und Albert von Thimus den Borromäus- Verein, dessen erklärtes Ziel es war, die Verbreitung von schlechter Literatur zu unterbinden, die einen verderblichen Einfluss auf alle Klassen der bürgerlichen Gesellschaft ausübe.

Daher müsse mit der Verbreitung von guten Schriften dagegengesetzt werden.

Franz Josef von Buß schlägt 1851 die Gründung von Lesevereinen, Volks-, Wander- und Vereinsbibliotheken vor (vgl. Zangerle 1975: 337).

Durch den Zerfall der geschichtlich gewachsenen Gesellschaftsordnung aufgrund der wachsenden Industrie, der kapitalistischen Wirtschaft, der entstehenden Demokratie und einer auf Besitz- und Bildungsbürgertum ausgerichteten Masse, wollten die oben genannten Katholiken dem durch die Errichtung dieser Bildungsvereine begegnen. Das Ziel des 1848 gegründeten „Katholischen Vereins“

war eine Bildung in sozialpolitischer und sozialethischer Richtung, ein allgemein christlicher Unterricht in Schulen für Erwachsene (vgl. Zangerle 1975: 338).

Adolf Kolping geht in seinem Ansatz der Betrachtung der Erwachsenenbildung einen Schritt weiter. Er gründet 1846 den „Katholischen Gesellenverein“, in Anlehnung an die Gedanken von Johann Gregor Breuer, Johann Michael Sailer und Nikolai Frederik Severin Grundtvig. Kolping fordert wie Grundtvig eine Bildungsstätte angepasst an die Bedürfnisse des Volkes und die auf alle Lebens-umstände einzugehen vermag. Im Gegensatz zu Grundtvig will er keine politische

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Bildung im Sinne der Selbstbestimmung und auch keine demokratischen Lehren in seinem Bildungskonzept (vgl. Röhrig 1975: 252).

Kolping schildert den Alltag im Elberfelder Vereinshaus mit Lesen, Geselligkeit, Gesang, belehrenden Vorträgen und Gesprächen. Sonntags käme ein Geistlicher, der über das Christentum in der Kirche und im eigenen Heim spräche. Der Rest der Woche gehöre dann der Arbeit (vgl. Röhrig 1975: 251). Er sah in seinem Gesellenverein eine reine Standesorganisation. Die darin erworbene Bildung solle den Einzelnen tüchtig für seinen Stand machen und zufrieden damit was man innerhalb dieses Standes erreichen könne. Sein Gesellenverein unterscheidet sich von den Arbeitervereinen dadurch, dass dieser ausschließlich für Handwerker sein sollte und nicht wie in den Arbeitervereinen für Handwerker und Arbeiter. Kolping sieht die Lösung aller „Sozialen Fragen“ in der Familie und in der Berufsbildung. Mit

„Sozialen Fragen“ meinte er die Bildung des Arbeiters zu sozialem Wirken, zur genossenschaftlichen Selbsthilfe und die Bildung zur geistlich- gefestigten Persönlichkeit (vgl. Zangerle 1975: 338).

1871 wurde aufgrund der veränderten Bildungssituation die liberale „Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung“ gegründet. Auch die Sozialisten verstärkten ihre Bildungsbestrebungen und ihre Schulungsarbeit. Den Katholiken wurde ihre gefährdete Stellung als religiöse und kulturelle Minderheit und die Erkenntnis bewusst, dass vielen katholischen Arbeitern die geistigen Voraussetzungen für die Lösung der sozialen Probleme fehlten. So gründeten Franz Brandts, Karl Trimborn und Franz Hitze 1890 in Köln einen sozial orientierten Massenverein, der in den folgenden zwei Jahrzehnten zu einer apologetisch- extensiv orientierten Massen-organisation heranwuchs. In dieser Organisation wurde auch politische Bildung gelehrt, jedoch sehr einseitig auf eine „katholische Partei“ die Zentrumspartei und die Bayrische Volkspartei ausgerichtet (vgl. Zangerle 1975: 338).

In Österreich reichen die Anfänge einer katholischen Erwachsenenbildung auch bis in die Aufklärung zurück. Dabei lassen sich drei Schritte der Entwicklung der kirchlichen Erwachsenenbildung nachzeichnen.

Der Schweizer Joseph Albert von Diesbach, der spätere Gründer des Vereins

„Christliche Freundschaft“ gab 1771 seinen Plan bekannt, eine katholische

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Leihbücherei zu gründen. Der erste Schritt einer katholischen Bildungsbewegung verlief in Österreich ähnlich wie in Deutschland als Abwehr auf die Antikirchliche Aufklärung. Sie versuchte den, durch die Volksaufklärung entstandenen Gegensatz zwischen Wissen und Glauben, zu verringern. Ausgegangen waren diese Bestrebungen von Bernard Bolzano, einem aus Böhmen stammenden Professor für

„philosophische Religionslehre“ (vgl. Zangerle 1975: 346).

Die zweite Ausgangsbasis für die katholische Erwachsenenbildung bildete die römisch- katholische Restauration unter der geistigen Führung von Klemens Maria Hofbauer. Er strebte die Befreiung der Kirche von der Josefinischen Form des Staatskirchenwesens an. Die Anfänge der Wiener Volksbüchereien gehen auf sein Wirken zurück. Der „Österreichische Volksschriftverein“ und der „Katholische Leseverein für alle Stände“ wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet.

Nachdem sich der Liberalismus, ähnlich wie in Deutschland auch in Österreich durchgesetzt hatte, entwickelte sich das katholische Vereinswesen, als Träger einer spezifischen katholischen Erwachsenenbildung. Man orientierte sich dabei stark am deutschen Vereinswesen, erreichte aber nie die Durchorganisation der deutschen Verbände. Das lag daran, dass die katholische Kirche in Österreich noch immer eine Vormachtstellung innehatte und die weltanschaulichen Fronten anders verliefen als in Deutschland. Der „Volksbund der Katholiken Österreichs“, eine kirchliche Organisation der christlich- sozialen Partei, besaß bereits vor den Ersten Weltkrieg ein eigenes Volksbildungsreferat (vgl. Zangerle 1975: 347).

Der dritte geschichtlich bedeutende Schritt einer katholischen Erwachsenenbildung verlief als die „Neue Richtung“ von St. Martin in der Steiermark aus, begründet durch Josef Steinberger und Leopold Teufelsbauer. Die Forderung von Robert von Erdberg „Durch Volksbildung zur Volkbildung“ inspirierte auch die Neue Richtung der österreichischen Volksbildungsarbeit. Steinberger und Teufelsbauer erstrebten eine Bildung mit religiösem Fundament und einer Erneuerung des Bauerntums als Quelle des Volkes. Sie wollten das Bauerntum vor der technischen Zivilisation bewahren, dieses aber gleichzeitig aus seiner bildungs- und fortschrittsfeindlichen Rückständigkeit befreien. Die Restriktion zwischen bäuerlicher und nicht bäuerlicher Gesellschaft sollte durch Erwachsenenbildung überwunden werden.

Erst 1945 erkannten große Teile des Klerus den geschichtlichen Prozess der

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endgültigen Loslösung von Kirche und Staat und hielten nach neuen Formen Ausschau. Großen Anteil an der Neuorientierung hatten die Katholischen Bildungswerke (vgl. Zangerle 1975: 347).