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Teil I Motive der Erwachsenenbildung

2. Gesellschaftliche Voraussetzungen der neuen Volksauf-

2.1 Aufklärung

Die Aufklärung war ein geistesgeschichtliches Phänomen des 18. Jahrhunderts in Europa. Sie versteht sich als ein geschichtlicher und sozialer Vorgang, der auf Vernunft basiert und der die Menschen durch Bildung dazu befähigen sollte, überlegt und selbsttätig zu handeln. Der Selbsttätigkeit des Menschen kam höchste Priorität zu. Der Mensch sollte sich aus der überkommenen Ordnung lösen, sich aus religiösen und herrschaftlichen Zwängen befreien und mündig handeln. Die Anerkennung, dass alle Menschen von Natur aus gleichberechtigt und frei sind, erlaubte die mögliche Einbeziehung aller Menschen in den Bereich der Bildung, zumindest in der Theorie. In der Praxis dauerte dies noch weit bis in das 19.

Jahrhundert hinein (vgl. Balser 1959: 12).

Der Begriff der Bildung gewann jedoch an Bedeutung und rückte als zielbestimmtes geistig- sittliches Werden des einzelnen Menschen in eine zentrale Stellung. Das neue Selbst- und Weltverständnis des Menschen führte zu einer Veränderung von Erziehung und Unterricht und erst von da an erlang die Bildung Erwachsener an Bedeutung. Auch die Entwicklungen im technischen Bereich erforderten eine Weiterbildung und Anpassung der Menschen. In Österreich zeigte die Aufklärung aus sozial-politischen Besonderheiten ihre Wirkung nicht in dem Maße wie zum Beispiel in Frankreich, wo sie in der Französischen Revolution mündete. Unter der Regentschaft von Maria Theresia und Joseph II. konnte sich die Aufklärung in Österreich mangels eines starken Bürgertums nicht wirklich durchsetzen. Die Schaffung eines zentralisierten Einheitsstaates, mit einem starken Staatsapparat war das politische Hauptziel der Herrscher (vgl. Filla 1996: 79). Doch auch Österreich konnte sich dem Zerfall der ständischen Ordnung und dem Entstehen einer bürgerlichen Kultur und Gesellschaft nicht völlig entziehen. Die neue Beamtenschicht übernahm die Gedanken der Aufklärung und passte sie den besonderen Gegebenheiten des Staates an. Die Menschen begannen sich freiwillig,

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über alle ständischen Grenzen hinweg, Wissen anzueignen, zu lesen, zu diskutieren und Vorträge anzuhören. Eine berufliche Weiterbildung für alle Bevölkerungsschichten war nun im Entstehen. Die Philanthropen sahen nun in der Erziehung der Bauern, der Handwerker und Bürger nicht nur die Gedanken der Aufklärung erfüllt, sondern auch die Möglichkeit zur Steigerung der Wirtschaft.

Neben der Kindererziehung gewann auch die Weiterbildung Erwachsener an Bedeutung. Im Schulbereich schuf der Staat rechtliche Grundlagen und stellte die Finanzmittel zur Verfügung um allen Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen bzw. verpflichtend vorzuschreiben. Beamte, Bürger, aufgeschlossenen Adelige und später auch Handwerker schufen in Eigenverantwortung Weiterbildungen für Erwachsene, meist in gegründeten Vereinen. Neben der Weiterbildung stand auch die Selbsterziehung der Menschen immer mehr im Mittelpunkt (vgl. Gruber 1996:

69).

Beeinflusst wurden die deutschen Pädagogen wie Basedow, Trapp, Salzmann und Campe sowohl von John Locke als auch von Rousseau. Sie stellten den neuen pädagogischen Geist der Aufklärung auf drei Säulen: Durch die Ausbildung der Kinder waren, ihrer Meinung nach, auch die Eltern erreichbar, die vorher keine Bildungsmöglichkeiten gehabt hatten. Und zwar durch ihre Rolle als aktive Erzieher und durch lebenslange Lernerfordernisse über pädagogische Enzyklopädien. Die Elternbildung lagen besonders Salzmann und Basedow am Herzen. Salzmann schrieb in seinem „Kleinen Buch für Eltern und Lehrer aller Stände“(1771), dass alle Menschen die Aufgabe und Pflicht hätten, ihre Kinder frei von staatlicher Bevormundung zu erziehen (vgl. Kanz 1975: 30). Basedow bezog die Eltern- bzw.

Erwachsenenbildung in seinem Elementarbuch ein, indem er den Müttern eine tragende Rolle in der Bildung ihrer Kinder zukommen ließ. Selbst gebildet oder im Bestreben sich selbst immer weiterzubilden, mit Hilfe der pädagogischen Enzyklopädie, könnten sie ihren Kindern als Schulersatz dienen. Die philanthropischen Sammelwerke und Wörterbücher, die die zweite Säule der deutschen Pädagogen darstellten, formten die enzyklopädische Denkfigur weiter.

Das sechzehnbändige Lexikon „Allgemeine Revision des gesamten Schul- und Erziehungswesens“, welches zwischen 1785 und 1792 von einer Gesellschaft praktischer Erzieher erarbeitet wurde, sollte die pädagogische Systematik für die

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beruflichen Erfordernisse bieten und Verhältnisse ändern und reformieren (vgl.

Kanz 1975: 30).

Die dritte Säule einer systematischen Enzyklopädie auf Universitätsebene stellte das Werk „Versuch einer Pädagogik“ (1780) des ersten deutschen Universitätsprofessors für Pädagogik, Ernst Christian Trapp dar (vgl. Kanz 1975:

30). Trapp war ein innovativer Pädagoge seiner Zeit, der sich mit Themen auseinandersetzte, die auch in der heutigen Zeit noch aktuelle Diskussionsebenen bieten. Er setzte sich für eine akademische Ausbildung der Lehrer ein und gegen die Beeinflussung der Kirche auf die Pädagogik.

Die Aufklärung setzte sowohl das gesprochene als auch das geschriebene Wort als Fundament der Volksbildung ein. Der Macht des Wortes kommt also in der Aufklärung eine primäre Bedeutung von Bildung zu, welche auf das Erkennen von sozialen und naturwissenschaftlichen Zusammenhängen zielte. Die Menschen sollten dadurch in der Lage sein, überlegt und selbstständig zu handeln und sich aus Abhängigkeiten zu lösen. Das Bildungsziel der Aufklärung war Mündigkeit und Selbstverantwortung. Die Wiener Richtung der modernen Volksbildung nahm dies als zentrales Anliegen ihres Bildungsauftrages in der Zeitschrift „Denken zu lehren“

wahr (vgl. Filla 1996: 81). Die Träger der Aufklärung waren aufsteigende soziale Schichten wie Adel, Bürgertum und die Arbeiterbewegung. Da Aufklärung Öffentlichkeit benötigte, entstand im 18. Jahrhundert die bürgerliche Öffentlichkeit, in welcher der Intellektuelle eine prägende Rolle spielte und im 19. Jahrhundert auch zum Träger der modernen Volksbildung wurde. Die Vorläufer der modernen Volksbildung waren Akademien, Salons, Lesegesellschaften, gemeinnützig-ökonomische und landwirtschaftlich -gemeinnützig-ökonomische Gesellschaften, Freimaurer-logen, Zeitschriften und Bücher (vgl. Filla 1996: 80).

Die Intentionen der Aufklärung waren Bildung, Erziehung und Vernunft. Sie richtete ihre Ziele auf die Verbesserung sozialer Verhältnisse aus. Die Aufklärung des 18.

Jahrhunderts konnte jedoch die sozialen Schranken nicht überwinden und so wurden die unteren Schichten ebenso wenig erreicht wie die Frauen (vgl. Filla 1996:

82). Erst die moderne Volksbildung zielt bewusst auf untere Schichten und bezieht Frauen in die Bildung ein, sowohl als Teilnehmerinnen als auch als Lehrende und Organisatorinnen.

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Das aufklärerische Denken, das durch Gegenaufklärung und Repression verdrängt wurde, überlebte in praktischen Volksbildungsbestrebungen. Der Theologe Bernhard Bolzano, der Dichter und Lehrer Adalbert Stifter, Erzherzog Johann als Gründer des Joanneums in Graz, der Anatom Carl Bernhard Brühl können als Vorläufer einer Richtung der modernen Volksbildung gesehen werden, nämlich in den 1895 gegründeten „Volkstümlichen Universitätsvorträgen“ und waren somit im weiteren Sinn Wegbereiter der Volkshochschulen (vgl. Filla 1996: 83).

Mit dem politischen Liberalismus 1867 begann ein neuerlicher Aufschwung der Bildung in Österreich. Die Gebildeten beanspruchten das Recht auf Kritik der bestehenden Verhältnisse, auf Mitsprache und Mitwirkung im Staatsgeschehen.

Bildung war für die gebildeten Menschen der Schlüssel zu sozialem Aufstieg und zu Selbstverwirklichung. Die Liberalen wussten jedoch, dass ihre Hauptforderungen nach Geschworenengerichten, Volksrepräsentation usw. nur über eine höhere Bildung einer breiten Schicht des Volkes möglich wäre (vgl. Engelbrecht 1986: 38).

Daher wurde die politische und soziale Bedeutung von Wissen zum Grundstein eines neuen Unterrichtswesens. Die erworbene Bildung stellte jedoch nicht nur einen sozialen Ausgleich her, sie führte auch zu einer sozialen Differenzierung. Karl Marx stellte die bürgerliche Bildung als Klassenbildung dar, die sich aus kapitalistischen Eigentumsverhältnissen ableite. Die Arbeiterbewegung bemühte sich in ihren Bildungsvereinen daher die Arbeiter ökonomisch zu schulen, ihnen ihre Stellung im Produktionsprozess bewusst zu machen und sie in der Diskussion mit den bürgerlichen Gebildeten zu unterweisen (vgl. Engelbrecht 1986: 38).

Nach dem politischen Ende des Liberalismus in Wien, Mitte der 1890er Jahre, trat die aufkommende Sozialdemokratie sein aufklärerisches Erbe an (vgl. Filla 1996:

83).