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Teil II Institutionalisierung der Erwachsenenbildung

6. Die Kärntner Volkshochschule in ihren Anfängen

Die Entwicklung der Kärntner Volkshochschulen lässt sich laut Filla in sechs Phasen unterteilen:

„1. Die Frühgeschichte der Volks- und Erwachsenenbildung in Kärnten im Sinn einer Konstitutionsphase von der zweiten Hälfte des !9. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg.

2. Die institutionelle Ausdifferenzierung der Kärntner Erwachsenenbildung in der demokratischen Periode der Zwischenkriegszeit und das temporäre

„Auftauchen“ von Volkshochschulen.

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3. Die Gründung von Volkshochschulen im Austrofaschismus und ihr Ende im Nationalsozialismus.

4. Die (Wieder-) Aufbau-, Pionier- und Konsolidierungsphase von 1945 bis 1970.

5. Die bildungspolitisch beeinflusste und gesteuerte Ausweitungs-, Differenzierungs- und Integrationsphase der Erwachsenenbildung seit 1970.

6. Die vom Landesverband initiierte Institutionell- strukturelle, inhaltliche und personelle Reformphase der Kärntner Volkshochschulen seit 1996“ (Filla 2015:

11,12).

In der Phase eins der Erwachsenenbildung in Kärnten zu Beginn des 19.

Jahrhunderts wurden mit der Volksbildung Besonderheiten geschaffen, die es in Schule und Universität nicht gab. Wie bereits mehrfach erwähnt ist die Erwachsenenbildung nicht durch den Staat entstanden, sondern durch die Gesellschaft. Daraus entstanden Besonderheiten in der Erwachsenenbildung, die auch in Kärnten von Bedeutung waren. Volksbildung hat sich regional und nicht auf staatlicher Ebene aus vorrangig privaten Mitteln finanziert konstituiert. Ihre Rechtsform war der Verein, der nicht von staatlicher Ebene gesteuert wurde. Die Teilnehmer zahlten einen Kursbeitrag, wobei man in Kärnten die Arbeiterkammer berücksichtigen muss. Die Erwachsenenbildung wurde in mehreren großen Institutionen gelehrt mit einer großen Vielfalt an Themen und Schwerpunkten. Die Teilnahme an den Kursen, Seminare, Vorträge und anderen Angeboten war freiwillig und es gab keine Beschränkungen an der Teilnahme bezüglich Geschlecht, Alter, Beruf, sozialer und ethnischer Herkunft und konfessioneller Zugehörigkeit. Auch die Funktionen innerhalb der Volksbildungsinstitutionen waren beiderlei Geschlecht und allen anderen Unterschieden frei zugänglich (vgl. Filla 2015: 14).

Die freie Erwachsenenbildung hat sich aus einigen historischen Begebenheiten heraus entwickelt, wie ich bereits in den vorangegangenen Kapiteln hingewiesen habe. Ich möchte dies nochmals mit Wilhelm Filla in politisch weltanschaulicher Richtung zusammenfassen:

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„Die bürgerlich- liberale und sozialreformerische Volksbildung, die in den Volkshochschulen ihre wichtigste institutionelle Ausformung fand, wobei sich für Kärnten historisch die kaum zu bejahende Frage stellt, ob diese „Richtung“ liberal war“ (Filla 2015: 15). Das Hauptziel der Volkshochschule war es jedoch, allen Teilen der Bevölkerung gleichermaßen Bildung unter neutralen Gesichtspunkten zu vermitteln.

Die Arbeiterbildung, die eine Bildung nur für Arbeiter sein sollte, in Österreich sozialdemokratisch ausgerichtet war und die hauptsächlich der Berufs- und Weiterbildung der Arbeiterschicht diente. Die ländliche Bildungstätigkeit war an den Interessen der bäuerlichen Bevölkerung orientiert. Sie war dementsprechend keine Bildung für alle und politisch konservativ. Die konfessionelle, vor allem die katholische Bildungstätigkeit war mit der ländlichen eng verwoben, gehörte keiner dieser Richtungen wirklich an. Und schließlich die Bildungstätigkeit, die auf Qualifizierung und den Ansprüchen der Wirtschaft und Gesellschaft beruhte (vgl.

Filla 2015: 15).

Die Volks- und Erwachsenenbildung war von Beginn an sehr vielfältig, was auch in Kärnten der Fall war. Publizierte Schriften, die auf eine frühe Kärntner Volksbildung hinweisen sind in der Zeitschrift „Zentralblatt für Volksbildungswesen“ seit 1900 dokumentiert. Darin gibt es einen Artikel über „Die Volksbücherei der Südmark- Ortsgruppe Klagenfurt im Jahre 1901“, der den Bücherbestand mit 7000 Büchern beschrieb. Über zweitausend Leser und Leserinnen hatten in einem Jahr 51.204 Bücher entliehen, was eine sehr hohe Entlehn- und Leserate aufwies. Die Einnahmen wurden mit 6012 Kronen und die Ausgaben mit 5286 Kronen beziffert.

Ein anderer Artikel beschreibt die „Lehrerferialkurse in Villach“ im Jahre 1904. Diese Lehrerferialkurse wurden bereits vom Ministerium für Kultus und Unterricht mit 600 Kronen subventioniert (vgl. Filla 2015: 17).

Eine genaue Dokumentation über die ersten Volksbildungstätigkeiten in Kärnten gibt es derzeit leider nicht. Hauptsächlich im ländlichen Raum und im Bereich der Berufsbildung gab es Bildungsaktivitäten in Kärnten. Im benachbarten Slowenien waren volksbildnerische Tätigkeiten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts punktuell durchaus vorhanden. Der erste Hinweis auf eine klassische volksbildnerische Unterrichtsaktivität stammt aus dem Jahr 1921. Helmut Krainer

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beschreibt in seiner Dissertation einen „Ländlichen Volksbildungskurs in Klagenfurt“. Auch in dieser Zeit, gründete der Kärntner Volksbildungsverein zusammen mit dem Stadttheater Klagenfurt, das schon seit 1737 bestand, eine

„Kärntner Wanderbühne“, die sich der kulturellen Bildung annahm (vgl. Filla 2015:

17).

Die Zeitschrift „Volksbildung“ vermittelt ein buntes Bild über die Kärntner Volksbildung nach dem Ersten Weltkrieg. Der Begriff „Volkshochschule“ taucht in Kärnten bereits nach dem ersten Weltkrieg auf und er wies auch bereits eine institutionelle Struktur auf, wenn gleich diese dann wieder aus der Bildungslandschaft verschwand. Somit ist die Volkshochschule in Kärnten älter als ursprünglich gedacht. Dass die Geschichte der Volkshochschulen in Österreich bereits auf 1885 mit dem Vorläufer „Allgemeiner niederösterreichischer Volksbildungsverein“ zurückzuführen ist, habe ich in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich beschrieben (vgl. Filla 2015: 18)

Die Kärntner Volkshochschulgründung hat, wie bereits erwähnt, auf die Zeit nach dem ersten Weltkrieg eingesetzt. Der Kärntner Volksbildungsverein wurde 1919 gegründet und er erweiterte seine volksbildnerischen Tätigkeiten noch um die

„Bezirksgruppe Klagenfurt“. In der Zeitung „Volksbildung“ wurde dazu berichtet:

„Der Kärntner Volksbildungsverein hält im Winterhalbjahr 1919/20 eine Reihe von Volksbildungskursen ab, in denen neben Einführungen in moderne Sprachen auch solche in die Bürgerkunde, Philosophie, Mathematik, Biologie, Geschichte der Revolution, Elektrotechnik, Literaturgeschichte, Volkswirtschaftskunde, Heimatkunde und Musikgeschichte geboten wird. Die Veranstaltungen finden im Klagenfurter Gymnasium statt. Die Eröffnung dieser Volksbildungsinstitution fand, verbunden mit einer Theateraufführung, am Sonntag, den 2. November, statt“ (Filla 2015: 19).

Wenige Monate später wurde in Villach eine Volkshochschule gegründet, was wiederum in der „Volksbildung“ zu lesen stand: Der Kärntner Volksbildungsverein hat- schon wie vorher in Klagenfurt, St. Veit und Feldkirchen- auch in Villach eine Bezirksgruppe gegründet und selbst eine „Volkshochschule“ eröffnet. Es werden Lehrgänge über die Verschiedensten Wissensgebiete, Einzelvorträge,

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Lichtbilderabende u. a. abgehalten, die in den Lehrsälen des Realgymnasiums in den Abendstunden der Wochentage, mit Ausnahme des Samstags, der für allfällige Einzelvorträge freigehalten ist, stattfinden, und die allgemein zugänglich sind.

Ausgeschlossen sind Vorträge parteipolitischen Inhalts; dementsprechend ist auch der Ausschuß aus Männern und Frauen verschiedener Gesinnung zusammengesetzt. Obmann der Bezirksgruppe ist Gymnasialdirektor Dr. Eugen Giannoni“ (Filla 2015: 19).

Aufgrund des Bildungsprogramms von längerdauernden Kursen, wurde das Merkmal der Volkshochschule realisiert und es kann zu Recht von einer Volkshochschulgründung gesprochen werden. Es wurden auch schon verschiedenartige Technologien, wie Lichtbilder als Vortragsmedium eingesetzt (vgl. Filla 2015: 20).

Neben den Volkshochschulen in den Städten Kärntens entwickelte sich im ländlichen Bereich ein „Bund für ländliche Volkshochschulen“, der sich an den Traditionen der Nordeuropäischen Heimvolkhochschulen orientierte und ähnliche Bildungseinrichtungen schaffen wollte. Volkliche Erziehung und Wesens- und Charakterbildung sollten die Ziel der Ländlichen Volkshochschulen in Kärnten sein, die zunächst jedoch keine geeigneten Räumlichkeiten fanden (vgl. Filla 2015: 20).

Die bäuerlichen Fortbildungen weisen eine Tradition bis in das 18. Jahrhundert auf.

Die Landwirtschaftsgesellschaft wurde 1765 gegründet und von ihr ausgehend wurden ab 1865 Wanderlehrer in die abgelegenen Landesteile gesandt, um den Bauern die neuesten Erkenntnisse auf den Gebieten der Bodenbearbeitung und der Viehzucht nahezubringen. 1895 beschloss der Kärntner Landtag die Errichtung von landwirtschaftlichen Fortbildungskursen. Diese wurden in Volksschulen abgehalten, um die Jugend mit landwirtschaftlichem Grundwissen bekannt zu machen. Nach dem Ersten Weltkrieg gründete Franz Türk zusammen mit Emil Lorenz eine Heimvolkshochschule, nach der Ideologie von Grundtvig, in Tanzenberg. Von 1923 bis 1933 besuchte die bäuerliche Jugend Kärntens die zwischen vier und zwanzig Wochen dauernden Kurse, die das Ziel hatten das Selbstbewusstsein der ländlichen Bevölkerung zu heben und ihre Interesse in der Politik zu vertreten (vgl.

Filla 2015: 37).

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Der Kärntner Volksbildungsverein übernahm auch die volkstümliche Kunstpflege und das ländliche Vortragswesen. Im Jahr 1920 führte er zudem im Humanistischen Gymnasium in Klagenfurt eine Reihe von Vortragsveranstaltungen für ein allgemeines Publikum um 30 Kronen für ein Halbjahr ein. Schulpflichtige Kinder waren davon ausgenommen. Voraussetzung für den Besuch der Volksbildungsaktivitäten war die Mitgliedschaft um 5 Kronen jährlich. Genannt wurde die Veranstaltungsreihe Volkshochschule, was allerdings eher einer Methode entsprach und nicht der Institution der Volkshochschule. Des Weiteren wurden Kurse in Musikkunde, Rhetorik, Rechtschreibung und Fremdsprachen angeboten.

Da es kaum Nachfrage nach den Kursen gab, wurden sie ab 1922 durch Lichtbildervorträge unter dem Titel „Uraniavorträge“ ersetzt. Der Kärntner Volksbildungsverein bestand ungefähr bis zum Zweiten Weltkrieg (vgl. Filla 2015:

21).

Unter dem Titel „Urania“ wurden in Kärnten und darüber hinaus in ganz Österreich zahlreiche Veranstaltungen und Kurse abgehalten. Die Urania dehnte sich nach 1919, im Gegensatz zu den anderen Volksbildungsvereinen in Wien über ganz Österreich aus. Ihre Ausdehnung erfolgte über Urania- Vereine und den Kulturfilm der Urania. In den Schriften der Wiener Urania wird Kärnten erstmal im Oktober 1924 erwähnt, im Zusammenhang mit dem Erlass oder der Vergünstigung der

„Lustbarkeitssteuer“ für die in Kärnten gezeigten Urania Veranstaltungen (vgl. Filla 2015: 22).

Als erste Ortsgruppe der Wiener Urania wird 1923 die Urania in Villach erwähnt. Sie hatte am 31. März 1925 636 Mitglieder. Die Aufnahme des sogenannten

„Arierparagraphen“ in die Statuten der Villacher Urania wurde nach scharfen Protesten der Wiener Urania und der Zeitschrift „Arbeiterwille“ schließlich fallengelassen. Obmann der Urania in Villach wurde der Jurist Franz Feldner (vgl.

Filla 2015: 23). Ein Urania Verein in Klagenfurt bestand zu diesem Zeitpunkt noch nicht, aber das Stadttheater Klagenfurt nahm Urania- Filme auf Wunsch des Stadtschulrates in ihr Programm auf.

In Kärnten wurden die Urania- Vereine später als in den anderen Bundesländern Österreichs gegründet. Viktor Winkler-Hermaden, der damalige Volksbildungs-referent des Landes Kärnten führte diesen Umstand auf den vorwiegend

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bäuerlichen Charakter des Landes zurück und auf die Not der Abwehrkämpfe und die jugoslawische Besetzung nach dem Ersten Weltkrieg.

Im Jahr 1926 entstanden dann die Urania Feldkirchen und die Urania Wolfsberg.

Die Urania Feldkirchen stellte ein bemerkenswertes Novum dar, da sie von der pensionierten Schuldirektorin Anna Franzisci geleitet wurde. Am 27. März 1926 wurde dann auch in Klagenfurt eine Urania ins Leben gerufen. Zum Obmann wurde der Ministerialrat Friedrich Kleinwächter berufen, zu seinem Schriftführer Emil Lorenz. Emil Lorenz wurde auch der erste „Landesreferent“ in Kärnten. Mit der Position eines Landesreferenten wurde von staatlicher Seite her ein neues Strukturelement ins Leben gerufen. Der damalige Unterrichtsminister Otto Glöckel schuf als Koordinationseinrichtung in den Ländern die „Landesreferenten für das Volksbildungswesen“. Emil Lorenz studierte an der Universität Wien Philosophie, Psychologie und klassische Philologie (vgl. Filla 2015: 25). Nach dem Ersten Weltkrieg schlug er eine politisch- wissenschaftliche Entwicklung ein und schloss sich an die Großdeutsche Volkspartei an, die ihr Ziel im Anschluss an das Deutschland sah und gegen Materialismus und Klerikalismus eintrat. 1920 wurde er Landesreferent für das Volksbildungswesen in Kärnten und er blieb bis 1928 in dieser Funktion tätig. Als Landesreferent betätigte er sich für den Kärntner Volksbildungsverein und die, vom nun konservativ dominierten Unterrichtsministerium herausgegebene Zeitschrift „Volksbildung“ nutzte er für seine Beiträge seiner „Rassentheorien“. 1933 trat er in die NSDAP ein und wurde 1939 Leiter der „Reichsschrifttumskammer“ in Kärnten. Nach dem Krieg wurde er aus dem Schuldienst entlassen und bekam Schreibverbot (vgl. Filla 2015: 26).

Im Gegensatz zu den rationalistischen Wiener Volkshochschulen hielt Lorenz 1926 in der Zeitschrift „Volksbildung“ fest: „ Die Befreiung wird nur von der geistigen Seite und durch die überlegene Politik, nicht aber von der wirtschaftlichen Seite erfolgen“…. „So ist die geistige Kultur zugleich die der Freiheit, der die politische Freiheit nachfolgen wird. Nichts ist uns aber nötiger als Führernaturen, die diese Gedanken in allen Verzweigungen des Volkslebens hineinleiten. Ihre Pflanzstätte sei die Volkshochschule in ihrem ursprünglichen, nicht verflachten Sinne als Lebensgemeinschaft“ (Filla 2015: 26). Emil Lorenz hatte ein rassistisch- organizistisches Weltbild, das er in späteren Jahren auch offen vertrat. Daher kann

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von bürgerlich- liberaler Volksbildung, wie ich bereits angesprochen habe, nicht die Rede sein (vgl. Filla 2015: 27).

Im Oktober1930 schließlich folgten die Gründung der Urania in St. Veit und 1933 die Urania in Pörtschach. Alle Urania Gründungen, auch die in Lienz aus dem Jahr 1925 wurden 1938 aufgelöst (vgl. Filla 2015: 23).

Die zahlreichen Uranias der Zwischenkriegszeit in Kärnten waren nicht mehr liberal und dem Geist der Aufklärung verbunden, sondern eher national und kleinbürgerlich. Ihr Bildungsprogramm war auch mehr auf Vorträgen, denn auf Kursen aufgebaut und daher lassen sich die Volksbildungseinrichtungen der Zwischenkriegszeit in Kärnten, auch nicht als Volkhochschulen im eigentlichen Sinn zu bezeichnen (vgl. Filla 2015: 24).

Ein wichtiger Punkt der Volksbildung in Kärnten kam der Arbeiterkammer zu, die sich zu einer neuen und wichtigen Institution in Abgrenzung zu Lorenz Anschauungen entwickelte.

Vor allem die Bibliotheksarbeit, unter dem Wiener Bruno Pittermann galt als Grundlager der Volks- und Erwachsenenbildung. Die Arbeiterkammer stellte somit ein neues Strukturelement in der Erwachsenenbildung da, das bis in die heutige Zeit eine große Rolle spielt. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte, die 1924 in Klagenfurt gegründet wurde, sah in der Bildungstätigkeit eine ihrer Hauptanliegen.

Bereits zwei Jahre nach der Gründung wurde in Klagenfurt ein weiteres Haus eröffnet, dass das erste in Österreich mit diesem Aufgabenbereich war. Das zweite Haus stellte ein Bildungshaus mit einem Beratungs- und Versammlungszentrum dar (vgl. Filla 2015: 33). Die Arbeiterkammer errichte eine Zentralbibliothek, indem sie mehrere Gewerkschaftsbibliotheken zusammenfasste. Als Männer der ersten Stunde wäre dabei sowohl Karl-Ernst Newole, Kammeramtsdirektor, als auch Bruno Pittermann hervor. Unterstützt wurde Pittermann von Apollonia Sablatnig, die es bis zur Bibliotheksleiterin der Arbeiterkammer brachte. Da sie überzeugte Sozialdemokratin war, musste sie 1934 die Arbeiterkammer verlassen. Sie arbeitete bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges in der Gebietskrankenkasse und war einiger Willkür ausgesetzt.

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Wie bereits erwähnt, wurden mit den Wanderbüchereien ein breit angelegtes Bildungsnetz ausgebaut (vgl. Filla 2015: 34). In den Wanderbüchereien wurden 100 bis 120 Bände zusammengefasst. Am Jahresende von 1931 gab es 33 Wanderbüchereien mit 44 Ausgabestellen. Damit stieg die Zahl der Entlehnungen von 14.000 Büchern im Jahr 1926 auf 125.000 im Jahr 1931. Die Kärntner Wanderbüchereien der Arbeiterkammer war ein Vorbild für ganz Österreich (vgl.

Filla 2015: 35).

Die Arbeiterkammer baute ein breitaufgestelltes Bildungsangebot in Kärnten auf.

Sie bot Kurse, Vorträge, künstlerische Veranstaltungen, eine Betriebsräteschule, und eine Wirtschaftsschule auf. Für den regen Zuspruch auf die Bildungsangebote war auch die wachsende Zahl der Arbeitslosen verantwortlich. Der „Arbeiterwille“

setzte sich bereits 1926 in einem Artikel mit der Arbeiterkammer auseinander. Ihr Anliegen war der Arbeiterschaft all das Wissen in Kunst, Kultur, Wissenschaft zugänglich zu machen, damit diese dann ihr Wissen der Arbeiterbewegung zur Verfügung stellen könnten. Das Buch sollte der Weg der Arbeiterschaft im Kampf um Verbesserungen ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse sein (vgl. Filla 2015: 35).

Die Arbeiterbildung in Kärnten begann bereits 1869 mit den ersten politischen Betätigungen. Am 27. Oktober 1869 meldeten die beiden Buchdruckergehilfen Johann Toniutti und Ignaz Rannacher beim Stadtmagistrat Klagenfurt eine Arbeiterversammlung an. Diese Versammlung sollte beim Gasthof „Sandwirt“

stattfinden zum Zwecke der Gründung eines Arbeiterbildungsvereines (vgl. Filla 2015: 30). Das Ziel dieses Arbeiterbildungsvereines sollte die Wahrung und Förderung der geistigen und materiellen Interessen des Arbeiterstandes sein.

Erreicht sollten die Ziele werden über Vorträge, Unterricht, die Schaffung einer Bibliothek und gesellige Veranstaltungen. Mitglied konnte jeder unbescholtene Arbeiter und jede Arbeiterin werden. Die Organisatoren mussten bestätigen, dass sie keine sozialdemokratischen Bestrebungen hätten und so wurde „Der erste Kärntner Arbeiterbildungsverein“ am 28. November 1869 ins Leben gerufen Das umfangreiche Bildungsprogramm umfasste das gesprochene und das geschriebene Wort, durch Vorträge und Unterricht, Bibliotheksarbeit und Geselligkeit. Die Verbindung zur Konsumgenossenschaft wird herausgestrichen,

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wobei der älteste Arbeiterverein Kärntens der „Bleiberger Consumverein“ aus dem Jahr 1866 war (vgl. Filla 2015: 31).

In Villach bildete sich Mitte 1870 ebenfalls ein arbeiterbildungsverein, dem neben Arbeiterinnen und Arbeiter auch Bürgerliche angehörte, was in dieser Zeit noch durchaus üblich war.

In Hüttenberg wurde ebenfalls 1870 ein Arbeiterbildungsverein gegründet. In Unterferlach entstand 1873 ein Verein und in Wolfsberg erst 1889. Nachdem im Klagenfurter Arbeiterbildungsverein sozialdemokratische Betätigungen nach-gewiesen wurden, wurde der Verein 1879 aufgelöst. Eine Neubildung scheiterte (vgl. Filla 2015: 32).

In Kärnten konnte die Bildung der ArbeiterInnen, nach jetzigem Wissensstand auf eine längere Geschichte zurückblicken als die Bildung der Bürgerlichen. Aber für eine ArbeiterInnenbildung, wie es im marxistischen Wien mit der Gründung der Arbeiterhochschule seinen Höhepunkt fand, fehlten in Kärnten leider die Voraussetzungen (vgl. Filla 2015: 32).