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1Katalog des „historischen Graefe-Museums“

Im Dokument Visus und Vision 150 Jahre DOG (Seite 143-147)

Westdeutschland von 1 – 10

1Katalog des „historischen Graefe-Museums“

Auf einer wissenschaftlichen Ausstellung (Poster) wurde erstmalig ein Katalog und eine Neuordnung der Schriften und Objekte präsentiert, die für ein Graefe-Museum seit 1888 gesammelt worden waren und in wohl-verschlossenen und geschützten Schränken in der Universitätsaugenklinik Heidelberg verwahrt wurden. Diese Sammlung hat einen unschätzbaren historischen Wert, nicht nur für deutsche Augenärzte, sondern für die Ophthalmologie weltweit. [50]

Die Gegenstände und Autographen des Graefe-Museums gelangten schließlich 2002 in das Medizinhistorische Museum der Chari-té und wurden dort endlich museumswissen-schaftlich aufgearbeitet und der Öffentlich-keit zugänglich gemacht (S. S. 117, 123).

Im Übrigen brachte das wissenschaftliche Programm 1960 viele auch heute noch lesens-werte Vorträge aus der gesamten Augeheil-kunde. Auch die in den Kongressberichten abgedruckten Diskussionsbemerkungen zeigen, wie groß das Interesse an den Vorträ-gen war und wie lebhaft und intelliVorträ-gent die Gesellschaft ihre Gedanken austauschte.

Bemerkenswerte Vorträge bei der . Zusammenkunft der DOG vom .-..11 in Heidelberg.

Wie alle Tagungen seit der Wiedergründung der DOG fand auch diese noch in der schönen

„Neuen Aula“ der Universität in der Altstadt von Heidelberg statt. Der Präsident, Prof. Rohr-schneider, München äußerte seine Sorge über die Verschärfung des so genannten kalten Krieges, der sich im geteilten Deutschland be-drohlich manifestierte. Er bedauerte, dass mit dem Bau der Berliner Mauer am 13.8.1961 und der Abriegelung der innerdeutschen Grenze die DOG-Mitglieder aus der DDR nicht an der Tagung in Heidelberg teilnehmen konnten.

Rohrschneider gedachte der verstorbenen Mitglieder und würdigte ausführlich die drei im Vorjahr gestorbenen Professoren Karl Lind-ner (79), Wien; Paul Jaensch (69), Essen und Werner Kyrieleis (62), Marburg. Lindner war 1956 Präsident der DOG. Er war ein vielseitiger Ophthalmologe, der u.a. die Skleraresektion zur operativen Behandlung der Netzhautab-lösung einführte. Paul Jaensch war viele Jahre Chefarzt der städtischen Augenklinik in Essen.

Sein Buch „Augenärztliches Gutachten“ war für manche Kollegen ein sicherer Leitfaden in der ärztlichen und klinischen Praxis. Werner Kyrieleis gehörte zu den wissenschaftlich be-deutenden Ophthalmoneurologen und wurde dafür 1961 mit dem Karl-Liebrecht-Gedächt-nis-Preis ausgezeichnet.

In Referaten zum Hauptthema wurden die Grundlagen biologischer Regelungen, vege-tative Regulationen, vaskuläre Regulationen, sowie zentrale und okuläre Regulationsme-chanismen dargestellt. W. Matthäus, Dresden, berichtete über sehr genaue Temperatur-messungen der Hornhaut und Bindehaut und fand bei pathologischen Prozessen und pharmakologischer Beeinflussung charakte-ristische und reproduzierbare Änderungen.

Niesel, Bonn, und Rodenhäuser, Marburg, haben mit gleichartigen, aber technisch und

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experimentell unterschiedlich eingesetzten Wärmeleitsonden die Durchblutung der Ader-haut gemessen und Beziehungen zwischen dem Volumenstrom in der Aderhaut und dem Augeninnendruck gezeigt. H. K. Müller, Bonn, und G. Günther, Greifswald – zwei große Operateure – haben in ihren Kliniken die Langzeitergebnisse von Keratoplastik-Opera-tionen vielseitig ausgewertet und praktisch alle Probleme bei diesen Eingriffen an großen Fallzahlen dargestellt. Hruby, Direktor der Augenklinik der Universität Graz, berichtete umfassend über die Ergebnisse der Katarakt-operationen – damals alle intrakapsulär – und stellte damit den Status quo dieser damals als Methode der Wahl angesehenen Operation dar. Aus dieser Arbeit kann man alle interes-sierenden Daten, statistisch aufgearbeitet, entnehmen, wenn man etwas über diese heute fast unbekannte Operation erfahren will. Es gab auch technische Neuheiten: Das Panfunduskop von H. J. Schlegel, dem Direktor der Universitätsaugenklinik in Homburg/Saar.

Er konstruierte ein Haftglas mit einer starken Konvexlinse, mit dem man durch das Spalt-lampenmikroskop den Fundus bis zum Äqua-tor überblicken kann. Es ist seit den 1990er Jahren nicht mehr gebräuchlich, nachdem die VOLK-Linsen mit 60, 78 und 90 dpt es er-möglichten, den Augenhintergrund mit dem Spaltlampenmikroskop berührungslos zu untersuchen. G. Kirsten und U. Dardenne aus Bonn präsentierten zum ersten Mal verglei-chende säulenchromatographische Analy-sen aller Aminosäurekonzentrationen im Kammerwasser und Blutserum bei Rindern und Kälbern. C. D. Binkhorst aus Terneuzen, Niederlande berichtete über die von ihm 1958 entwickelte, bis dahin in Deutschland noch weitgehend unbekannte Iris-Cliplinse zum Ausgleich der Aphakie nach intrakapsulärer Staroperation. Dieser Linsentyp wurde später, bis etwa 1980, auch in Deutschland oft einge-setzt. Erstaunlich waren die guten sinnesphy-siologischen Vorträge, die offensichtlich noch immer von großen deutschen Schulen der

Neurophysiologie geprägt wurden. Unter den inhaltlich und rhetorisch sehr guten Vorträ-gen seien noch diejeniVorträ-gen von E. Schreck, Er-langen, und H. Remky, München, erwähnt, die zu der damals noch kontrovers diskutierten Ätiologie der Retinochorioiditis disseminata und juxtapapillaris überzeugend darlegen konnten, dass die Toxoplasmose wohl eine der häufigen Ursachen ist. Remky belegte diese These mit Antikörperbestimmungen im Kam-merwasser, Liquor und Blutserum. Schreck analysierte das klinische Bild und formulierte dazu die treffenden Begriffe. Die beiden in Parallelsitzungen veranstalteten Symposien mit Harms, Tübingen, über ophthalmolo-gisch-verkehrsmedizinische Fragen und von Cüppers, Gießen, über die Schielbehandlung zeigten mit ausgezeichneten Beiträgen die beginnende Spezialisierung und zugleich die Formierung hervorragender Nachwuchswis-senschaftler, wie z. B. Elfriede Aulhorn, Meyner, Heinz, Tiburtius, Gramberg-Danielsen und Schober, sowie Jonkers, Mackensen, Görtz und Hamburger, die sich in den folgenden Jahr-zehnten mit wichtigen wissenschaftlichen und klinischen Publikationen zu bedeutenden Ophthalmologen entwickelten und die DOG Tagungen bereicherten.

1 Bemerkenswerte Vorträge bei der

. Zusammenkunft der DOG vom .-..1 in Heidelberg.

Der Präsident, Prof. Dr. H. K. Müller, Bonn, be-grüßte die in- und ausländischen Teilnehmer der Tagung und bedauerte, dass die Ehren-mitglieder verhindert waren, nach Heidelberg zu kommen. Dann teilte er mit, dass drei prominente und der Gesellschaft immer sehr verbundene Mitglieder der DOG im abgelau-fenen Jahr verstorben waren und würdigte ihre Verdienste: Prof. Weve, Utrecht, hat als einer der ersten ausländischen Kollegen nach dem Krieg 1945 wieder die Verbindung nach Deutschland aufgenommen. In seiner klinischen Tätigkeit führte er die Transillumi-nation zur Lokalisation von Netzhautlöchern bei der Behandlung von Netzhautablösungen ein und wurde damit weltweit bekannt. Er nahm auch als erster die Eindellungsopera-tionen der Sklera vor und ging neue Wege in der Therapie intraokularer Tumoren mit Diathermie. Müller erinnerte auch an die glänzende Festrede Weves beim Bankett zur 100. Jahresfeier der DOG 1957. Auch mit Prof.

Grüter, der mit 81 Jahren in Marburg verstor-ben und seit 1908 Mitglied der DOG gewesen war, verlor die DOG ein bedeutendes Mitglied.

Der Präsident erinnerte an Grüters Entde-ckung, dass die Keratitis dendritica durch eine Infektion mit dem Herpesvirus hervorgerufen wurde. Mit seinen in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts durchgeführten zyto-logischen Untersuchungen herpesinfizierter Hornhäute hat er die Veränderungen in den Corneaepithel- und Stromazellen durch das Herpesvirus seiner Zeit weit voraus eindrück-lich beschrieben. Müller erwähnte auch die von Grüter angegebene retrobulbäre Injekti-on vInjekti-on 70-prozentigem Alkohol, mit der viele Patienten von ihren Schmerzen in den Augen befreit wurden, die bereits aus anderen Grün-den erblindet waren. Der dritte prominente Augenarzt, dessen Todes gedacht wurde,

war Dr. Krauthausen aus Frankenthal, der als Präsident der Ärztekammer Rheinland-Pfalz und als ein führendes Mitglied im Berufsver-band der Augenärzte (BVA) über viele Jahre die Berufspolitik und die Beschlüsse der DOG segensreich beeinflusst hatte.

Müller kündigte eine weitere Neuerung im Programm der DOG an, die bis heute zum festen Bestandteil der DOG-Tagungen werden sollte: Das Consilium diagnosticum, bei dem mit internationaler Besetzung über Fälle mit ungeklärten Diagnosen öffentlich beraten wurde. Bei der Ankündigung des Tagungs-schwerpunktes „Vererbung von Augen-krankheiten“ erinnerte Müller an die großen Entdeckungen deutscher Ophthalmologen auf diesem Gebiet. Aber er erinnerte auch an das von den Nationalsozialisten geschaffene

„Gesetz zur Verhütung erbkranken Nach-wuchses“ [55], das sich als ein verhängnis-volles Instrument erwiesen und tiefes Leid in viele Familien gebracht hatte. Mit verständ-nisvollen Worten rief er die Augenärzte nun auf, sich dem wichtigen Thema der heredi-tären Krankheiten wieder zuzuwenden, zumal sich abzeichnete, dass die Fortschritte in der Biochemie der Erbforschung neue Impulse verleihen werden.

Der von Graefe-Preis des Jahres wurde Herrn Prof. Dr. Günther Badtke, Direktor der Augen-klinik der Universität Halle/Saale, für sein großes Werk „Missbildungen des mensch-lichen Auges“ verliehen [56], das als IV. Band des Handbuches „Der Augenarzt“ 1961 her-ausgekommen war. In der Laudatio würdigte die Jury das Werk Badtkes „als eine erschöp-fende Arbeit, die im deutschen Schrifttum einmalig ist. Die klare und übersichtliche Darstellung ermöglicht jedem Augenarzt gründliche und zuverlässige Orientierung“.

Die Bedeutung dieses Buches wurde noch dadurch gesteigert, dass 1985 eine zweite Auf-lage [57] herauskam, die von Prof. Dr. Manfred Tost, dem Schüler und Nachfolger Badtkes, posthum verfasst wurde.

In der Eröffnungsrede von H. K. Müller gab es

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weitere, gut vorgetragene Besonderheiten, die das geistige Leben der DOG bereicherten:

Der neu gestiftete Karl-Liebrecht-Gedächt-nis-Preis (s. Stiftungen im Abschnitt Kassen-berichte und Vermögen der DOG, S. 218 ff.) wurde an Frau Privatdozentin Dr. med. Elfriede Aulhorn, Tübingen vergeben für ihre Habilita-tionsschrift „Über die Beziehungen zwischen Lichtsinn und Sehschärfe“.

Bei den geschäftlichen Mitteilungen in der Eröffnungssitzung wurden wieder Briefe und Kartengrüße von Ostmitgliedern verlesen, denen die Ausreise nach Westdeutschland nicht erlaubt wurde. Auch die ostdeutschen Mitglieder der Kommission zur Vorbereitung des Internationalen Ophthalmologie-Kon-gresses, der 1966 in München stattfinden soll-te, durften nicht nach Heidelberg kommen.

Es wurden zahlreiche Grußkarten von Heidel-berg zurück nach Ostdeutschland verschickt.

Bemerkenswert im geselligen Programm war eine Aufführung der Mozartoper „Die Ent-führung aus dem Serail“ im Residenztheater im Schloss Schwetzingen. Es war ein zauber-hafter Abend mit den jungen Stimmen und dem Orchester der Musikhochschule Kaisers-lautern.

In den wissenschaftlichen Sitzungen refe-rierte Prof. Schade aus Münster über „Ergeb-nisse der neueren Chromosomenforschung“.

Vogel aus Heidelberg trug die Grundlagen der molekularen Genetik vor und gab einige Beispiele von damals schon bekannten Krank-heiten mit genetischen Defekten. Es folgten u. a. freie Vorträge über die Erblichkeit von Ge-fäßmustern am Augenhintergrund von Neu-bauer, Marburg, sowie über Mikrophthalmus bei Trisomien 13 bis 15 von Klaus Heimann, Marburg, über Augenveränderungen bei Down-Syndrom von Robert Siebeck, Erlangen, und über erbliche Fehlbildungen am Schädel und im Gesicht von Otto E. Lund, Essen, und K.

Ullerich, Dortmund.

Mit einem Vortrag über die Vererbung des Glaucoma simplex lösten Bernard Becker, der Direktor der Augenklinik der

Washing-ton University St. Louis, und sein Mitautor K.

Hahn eine Diskussion über das damals neu entdeckte Kortikosteroidglaukom aus. Sie hatten mit Betamethason-Augentropfen bei Nachkommen von Glaukompatienten zu 100 Prozent und bei klinisch gesunden freiwilligen Personen zu 30 Prozent eine Steigerung des Augeninnendrucks auslösen können. Dann traten weitere Nachwuchs-Ophthalmol-gen auf, die später leitende Ärzte in großen Augenkliniken wurden: Grützner, Heidelberg, zeigte bei 24 Fällen von dominant erblicher Optikusatrophie aus vier Familien nicht nur die reduzierte Dunkeladaptation, sondern auch am Spekralfarben-Mischapparat über-zeugend die typische Blaustörung bei dieser Erkrankung. Wollensak, Erlangen, referierte mit seinem biochemischen Lehrer Buddeke, Tübingen, über Störungen im Stoffwechsel der Proteoglykane bei Ektopia lentis. Reim beschrieb eine Familie mit einer seltenen Form der kongenitalen Katarakt in drei Gene-rationen. Hoffmann stellte die ersten beiden Fälle eines Refsum-Syndroms in Deutschland vor und Unger Netzhautveränderungen beim Alport-Syndrom im Sinne eines Fundus albipunctatus. Höpping aus der Augenklinik Essen berichtete über ein familiäres Auftreten von ischämischen Optikusprozessen und gab dabei die klassische Beschreibung der AION (anteriore ischämische Optikusneuropathie) mit den typischen horizontal begrenzten Gesichtsfelddefekten.

Zum ersten Mal erschien in einer eigenen Sitzung das Institut für experimentelle Oph-thalmologie der Universität Bonn unter der Leitung von Otto Hockwin mit Vorträgen über den Sorbitweg im Stoffwechsel der Augen-linse, über ihren Glykogen- und Cholesterin-gehalt, die Aktivitäten von glykolytischen Fer-menten und über Wirkungen des Tageslichts auf den Stoffwechsel der Linse. Die Bonner Nachwuchsforscher Borgmann, Schmack und Dardenne hatten zum ersten Mal gesehen wie man einen erhöhten Augeninnendruck durch die osmotische Wirkung von enteral

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