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2 Der Kündigungsverzicht im Arbeitsvertrag

2.2 Kündigungsverzicht des Arbeitnehmers

2.2.1 Kündigungsregeln für Angestellte

Für Angestellte die unter den Anwendungsbereich des AngG fallen sind die Kündigungsregeln in § 20 Abs 4 AngG maßgeblich. Demnach stehen einem Angestellten grundsätzlich Kündigungsmöglichkeiten jeweils unter Einhaltung einer einmonatigen Frist zum letzten Tag eines Kalendermonats offen.

Das Gesetz ermöglicht es aber zu Lasten des Angestellten, die Kündigungsfrist durch Vereinbarung bis zu einem halben Jahr auszudehnen. Das allerdings nur unter der Voraussetzung, dass auch der AG eine gleich lange oder längere Kündigungsfrist einzuhalten hat (§ 20 Abs 4 letzter Satz AngG). Es ist zu beachten, dass es sich hierbei um eine Ausnahmeregelung handelt. Das bedeutet, dass diese im Zweifel eng auszulegen ist. Es wäre daher verfehlt, § 20 Abs 4 letzter Satz AngG so zu interpretieren, dass jede Kündigungsvereinbarung, die das Arbeitsverhältnis innerhalb der Sechs-Monats-Grenze enden lässt, zulässig sei. Von dieser Bestimmung ist bspw die vertragliche Regelung, dass die Kündigungsfrist vier Wochen beträgt und als Kündigungstermin aber nur mehr das Ende jedes Jahresquartals in Frage kommt, auch wenn damit ein Arbeitsverhältnis jedenfalls vor Ablauf eines halben Jahres endet, nicht gedeckt. Der Gesetzgeber hat den Freiraum in § 20 Abs 4 AngG gerade nur für Kündigungsfristen vorgesehen.24 Der Kündigungstermin des Angestellten zum Monatsende stellt hingegen einen Mindeststandard dar.25

Umgekehrt ist jede vertragliche Besserstellung eines Angestellten zulässig. Es darf ohne Weiteres die Kündigungsfrist verkürzt oder die Anzahl an Kündigungsterminen erhöht werden.

Das ergibt sich schon aus der Wortfolge „Mangels einer für ihn günstigeren Vereinbarung…“

in § 20 Abs 4 AngG. Verstärkt wird diese einseitig zwingende Wirkung der Kündigungsregeln

23 Resch, Grenzen privatautonomer Dispositionen über das Auflösungsrecht des Arbeitnehmers, ZAS 1991, 4 (4).

24 Trost in Löschnigg (Hrsg), Angestelltengesetz: Band 210 (2016) § 20 Rz 103.

25 Reissner/Heinz-Ofner in Reissner (Hrsg), Angestelltengesetz3 (2019) § 20 Rz 42.

durch die Aufzählung in § 40 AngG. Ob eine Regelung tatsächlich günstiger für den AN ist, entscheidet nach Rsp und Lehre der sogenannte Gruppenvergleich.26 Dabei werden rechtlich und sachlich zusammenhängende Normen, also jene Bestimmungen, die den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, einander gegenübergestellt (vgl § 3 Abs 2 ArbVG). In concreto bedeutet das, dass Kündigungsfristen und -termine als Einheit zu betrachten sind.27 Dagegen dürfen völlig andersartige Gegenleistungen im Günstigkeitsvergleich nicht berücksichtigt werden. So kann bspw ein zusätzliches Weihnachtsgeld die Erschwerung der Kündigungsmöglichkeiten nicht kompensieren.28 Voneinander getrennt zu betrachten sind auch die Lösung von Seiten des AG und die Lösung von Seiten des AN.29 Bei der Beurteilung der Begünstigung oder Benachteiligung ist eine ex-ante-Prüfung durchzuführen. Es ist jener Zeitpunkt maßgeblich, zu dem sich die in den Gruppenvergleich einzubeziehenden Bestimmungen erstmals gegenüberstanden.30

Aus § 20 Abs 4 AngG und § 1159c ABGB wird neben dem Kündigungsfristengleichheitsgebot bzw dem allgemeinen Günstigkeitsprinzip darüber hinaus der Grundsatz der Kündigungsgleichheit abgeleitet. Nach anerkannter Rsp darf ein AN in Bezug auf die Lösbarkeit vom Arbeitsverhältnis besser oder gleich, niemals aber schlechter, als sein AG gestellt werden.31 In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof entschieden, dass bei gleich langen Kündigungsfristen für AN und AG der gesetzliche Rahmen von maximal 24 Kündigungsterminen auf Seiten des AG (vgl § 20 Abs 3 AngG sowie Punkt 2.3) nur dann ausgeschöpft werden darf, wenn diese 24 Kündigungstermine auch einem AN eingeräumt werden.32

Dieser Grundsatz soll auch nicht dadurch umgangen werden, dass dem AN sein Kündigungsrecht auf sonstige Weise vertraglich erschwert wird. Eine Vereinbarung ist unzulässig, wenn zwar für AN und AG gleiche Kündigungsfristen und -termine festlegt sind, aber durch sonstige Nachteile tatsächlich die Kündigungsfreiheit des AN im Vergleich zum AG erheblich eingeschränkt ist. Es handelt sich hierbei oft um Abreden, die eine Kündigung des

26 Reissner/Heinz-Ofner in Reissner, AngG3 § 20 Rz 38 ff.

27 Drs in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018) § 40 AngG Rz 2.

28 OGH 14.9.1998, 9 ObA 178/88, Arb 10.729 = wbl 1989, 123; vgl auch OGH 8.6.1994, 9 ObA 104/94, Arb 11.206 = ARD 4575/26/94.

29 Reissner/Heinz-Ofner in Reissner, AngG3 § 20 Rz 38.

30 Drs in ZellKomm3 § 40 AngG Rz 2; RIS-Justiz RS0051060.

31 Reissner in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018) § 20 AngG Rz 55; RIS-Justiz RS0028854, RS0114302.

32 OGH 28.11.2007, 9 ObA 116/07k, Arb 12.717 = RdW 2008/433, 472; RIS-Justiz RS0114302.

AN an finanzielle Opfer von größerem Ausmaß knüpfen, bspw an den Verfall von Kautionen, Vertragsstrafen, den Wegfall von Erfolgsbeteiligungen oder das Zurückerstatten bereits empfangener Leistungen.33

Dieses dargestellte Kündigungsgleichheitsprinzip ist von nicht unbeachtlicher Bedeutung und muss stets auch bei Vereinbarung eines Kündigungsausschlusses berücksichtigt werden. Mit dieser Problematik sah sich auch jüngst der Oberste Gerichtshof34 konfrontiert.

Den Kern der Diskussion bildete ein vereinbarter beidseitiger Kündigungsausschluss über drei Jahre, allerdings mit Sonderkündigungsrecht des AG für den Fall, dass die wirtschaftlichen Ziele der Gesellschaft in ihrem Businessplan nicht erreicht werden würden. Das Höchstgericht hat festgehalten, dass es sich hierbei um eine unzulässige Besserstellung des AG handle. Nicht zielführend war das Argument, dass eine Lösungsmöglichkeit aus demselben Grund für den AN sinnlos wäre. Es ändert nämlich nichts an dem Umstand, dass dem AN keine gleichwertige Kündigungsmöglichkeit aus für ihn relevanten Gründen eingeräumt wurde. Diese Klausel stellt somit einen Verstoß gegen das Kündigungsgleichheitsgebot – in der Entscheidung als Symmetriegebot bezeichnet – dar.

An dieser Stelle muss vollständigkeitshalber noch darauf hingewiesen werden, dass auch dem KollV nach § 2 Abs 2 Z 2 ArbVG und der BV nach § 97 Abs 2 Z 22 ArbVG die Kompetenz zusteht, die gesetzlichen Kündigungsregeln abzuändern. Dabei ist zu beachten, dass im Verhältnis dieser Rechtsgrundlagen zueinander das Günstigkeitsprinzip gilt. Der AN darf im KollV, in der BV und vor allem auch im nachgeordneten Arbeitsvertrag immer nur bessergestellt werden. Normiert daher der KollV eine Kündigungsfrist des AN von nur einer Woche, kann einzelvertraglich nicht mehr auf die gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist von vier Wochen zurückgegriffen werden. Man ist auch hier angehalten, einen Günstigkeitsvergleich iSd Gruppenvergleichs durchzuführen.35

Das herrschende Günstigkeitsprinzip führt letztlich auch dazu, dass nicht nur im Arbeitsvertrag, sondern genauso im KollV oder in der BV ein umfangreicher Kündigungsausschluss des AN nicht möglich ist. Die gesetzlichen Schutzvorschriften des AN zur Kündigung sind genauso für diese Rechtsquellen beachtlich.36

33 OGH 8.7.1992, 9 ObA 142/92, Arb 11.043 = ZAS 1994, 5; RIS-Justiz RS0028260; Karl in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 20 Rz 67 ff.

34 OGH 25.6.2019, 9 ObA 53/18m, Arb 13.594 = ZAS 2020/55, 333.

35 Tinhofer in Reissner/Neumayr (Hrsg), Zeller Handbuch Arbeitsvertrags-Klauseln2 (2019) Rz 10.15.

36 Drs in ZellKomm3 § 40 AngG Rz 1.

Werden im Arbeitsvertrag die Kündigungsregeln übergeordneter Rechtsquellen (BV, KollV und Gesetz) nicht beachtet und kommt es dadurch zu einer nachteiligen Regelung zu Lasten des AN, ist diese teilnichtig. Der betreffende Teil ist durch zwingendes Recht zu ersetzen.37 So wäre für den Angestellten auch ein unzulässig vereinbarter Kündigungsverzicht nicht beachtlich. Er hat das Recht, das Arbeitsverhältnis nach den gesetzlichen Vorschriften jederzeit zu beenden.