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3 Der Kündigungsverzicht im freien Dienstvertrag von GmbH-Geschäftsführern

3.1 Die Rechtsbeziehungen des Geschäftsführers zur GmbH

3.1.2 Anstellung

Die Anstellung soll vertraglich die schuld- bzw arbeitsrechtliche Beziehung zwischen dem Geschäftsführer und der GmbH regeln. Auch wenn Anstellung und Bestellung grundsätzlich strikt getrennt werden, sind Rechte und Pflichten im Anstellungsvertrag weitgehend durch die Organstellung vorgezeichnet.85 Das Organschaftsverhältnis verpflichtet

82 Ratka/Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 Rz 56 ff.

83 Laimer/Wieser, Der GmbH-Geschäftsführer als Angestellter 4.

84 Laimer/Wieser, Der GmbH-Geschäftsführer als Angestellter 5 f.

85 Laimer/Wieser, Der GmbH-Geschäftsführer als Angestellter 27.

den Geschäftsführer zur Dienstleistung iSd Geschäftsführung und zur Geschäftsbesorgung iSd Vertretung der GmbH. Der Anstellungsvertrag muss folglich das Erbringen von Dienstleistungen und die Geschäftsbesorgung zum Inhalt haben. Als Vertragstypen kommen ein klassischer Arbeitsvertrag oder ein freier Dienstvertrag sowie unter Umständen auch ein Auftrag oder Werkvertrag in Frage.86

In den meisten Fällen wird das Anstellungsverhältnis als Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag einzuordnen sein. Ein Auftragsverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn eine Person für eine ganz bestimmte Geschäftsbesorgung und lediglich vorübergehend bestellt wird.

Das wäre bspw der Fall, wenn ein Geschäftsführer zur Liquidierung der Gesellschaft beauftragt wird. Der Werkvertrag kommt idR nicht in Betracht. Ein Geschäftsführer schuldet gattungsmäßig umschriebene Leistungen, es handelt sich daher selten um eine konkrete Erfolgsverbindlichkeit. Die Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag erfolgt nach allgemeinen Regeln. Ausschlaggebend für die Einordnung ist das Kriterium der persönlichen Abhängigkeit.Liegt diese vor, handelt es sich um einen echten AN, ansonsten um einen freien DN.87

Der AN ist dann persönlich abhängig, wenn er der funktionellen Autorität des AG unterworfen ist. Das äußert sich vor allem durch die Eingliederung in fremde unternehmerische Strukturen. Es sind typischerweise die Arbeitszeiten, der Arbeitsort und die Arbeitsabfolge vorgegeben.88 Der AN ist bei seiner Arbeit fremdbestimmt und unterliegt daher den Weisungen seines AG.89 Weiters ist ein AN idR zur persönlichen Arbeitsleistung verpflichtet und kann sich daher ohne Zustimmung des AG nicht vertreten lassen. Üblicherweise werden dem AN auch die Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt, das Ergebnis der Arbeit kommt aber folglich dem AG zu. Es ist der AG, der das unternehmerische Risiko trägt, aber daher auch den Gewinn lukriert.

Kennzeichnend für ein Arbeitsverhältnis sind auch die sogenannten Treuepflichten des AN und die Fürsorgepflicht auf Seiten des AG.90 So weist ein vertragliches Konkurrenzverbot besonders auf ein Arbeitsverhältnis hin.91 Ein weiteres, aber eher schwächeres Indiz kann auch

86 Völkl in Straube/Ratka/Rauter (Hrsg), Wiener Kommentar zum GmbHG § 15 Rz 83 (Stand 1.8.2020, rdb.at).

87 Schrammel, Bestellung und Abberufung von GmbH-Geschäftsführern aus arbeitsrechtlicher Sicht, ecolex 1990, 697 (697).

88 RIS-Justiz RS0021306; RS0021354; RS0021284.

89 Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 4/004.

90 Reissner, Lern- und Übungsbuch Arbeitsrecht6 (2020) 3 f; RIS-Justiz RS0021284.

91 Vgl ua OGH 29.5.2013, 9 ObA 53/13d, infas 2013, A 73 = ARD 6358/4/2013; 26.3.1997, 9 ObA 88/97z, Arb 11.590 = SZ 70/56.

die Anmeldung zur Sozialversicherung der Unselbständigen sein.92 Entscheidend für das Vorliegen eines echten Arbeitsvertrages ist ein qualitatives Überwiegen der dargestellten Elemente.93 Ansonsten ist von einem freien Dienstvertrag auszugehen.

Für die Aktiengesellschaft verneint in diesem Zusammenhang der Oberste Gerichtshof in seiner ständigen Rsp die Arbeitnehmereigenschaft von Vorstandsmitgliedern.94 Begründet wird dies mit den gesetzlich vorgegebenen Wesenszügen des Vorstandes, wie dessen Weisungsfreiheit. Es fehlt an einer Ein- oder Unterordnung gegenüber dem AG. Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit ist nicht erfüllt, das Rechtsverhältnis wird daher idR dem freien Dienstvertrag zugeordnet.95

Der Geschäftsführer einer GmbH ist hingegen sehr wohl an Weisungen der Generalversammlung gebunden. Es kann daher zu einer arbeitnehmer-typischen persönlichen Abhängigkeit kommen. Vor allem Fremdgeschäftsführer stehen üblicherweise in einem klassischen Arbeitsverhältnis zur Gesellschaft.96

Für Gesellschafter-Geschäftsführer findet sich dort die Grenze der Arbeitnehmereigenschaft, wo diese einen beherrschenden Einfluss auf die GmbH haben. Ein Geschäftsführer, der selbst zu 100% an der Gesellschaft beteiligt ist, kann jedenfalls kein AN sein. Ein solcher Geschäftsführer hat völlige Entscheidungsfreiheit und ist damit auch nicht persönlich abhängig.97 Es reicht aber auch schon, wenn der Geschäftsführer in der Lage ist, Weisungen der Generalversammlung zumindest zu verhindern. Man spricht hier von dem Verfügen einer Sperrminorität. Entscheidend ist dafür die Stimmrechtsverteilung innerhalb der GmbH, nicht hingegen die Anteile am Gesellschaftskapital. Auch wenn Stimmen und Stammeinlage meist korrelieren, erlaubt § 39 Abs 2 GmbHG abweichende Regelungen davon, die entsprechend beachtet werden müssen. Die notwendige Anzahl der Stimmen, um eine Sperrminorität zu erreichen, ergibt sich aus den Mehrheitserfordernissen für einen konkreten Beschluss. Gesetzlich gefordert wird, bis auf ein paar Ausnahmen, eine einfache Mehrheit. Das bedeutet, dass bei Verfügen von 50% der Stimmen (meist daher einer 50%-Beteiligung am Stammkapital) ein Geschäftsführer eine Sperrminorität hält und damit nicht AN der GmbH ist.

92 Rebhahn in Kletečka/Schauer (Hrsg), ABGB-ON1.03 § 1151 Rz 95 (Stand 1.3.2017, rdb.at).

93 RIS-Justiz RS0021284 [T11, T20]; RS0021306 [T10].

94 RIS-Justiz RS0027993; OGH 5.2.1984, 4 Ob 5/85, SZ 58/20; 13.11.2008, 8 Ob S 16/08y, Arb 12.777 = SSV-NF 22/76.

95 Runggaldier/Schima, Manager-Dienstverträge4 (2014) 1 f.

96 Rebhahn in Neumayr/Reissner (Hrsg), Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 (2018) § 1151 ABGB Rz 144/1.

97 Rebhahn in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 1151 Rz 119.

Sollte hingegen eine höhere Mehrheit für Beschlüsse gefordert sein, verringern sich die notwendigen Stimmen entsprechend (meist daher auch die notwendige Beteiligung am Stammkapital).98

Ein beherrschender Einfluss eines Geschäftsführers auf die GmbH kann aber auch auf indirektem Wege erlangt werden. Zu denken ist dabei an Syndikatsverträge oder wenn ein Dritter treuhändig für den Geschäftsführer Anteile hält. Es ist daher immer im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände die Arbeitnehmereigenschaft zu prüfen.99

Grundsätzlich ist der Abschluss eines Anstellungsvertrages nicht zwingend notwendig, die Tätigkeit als Geschäftsführer kann auch ehrenamtlich ausgeübt werden. Ehrenamtlichkeit liegt aber nur dann vor, wenn das Entgelt in nicht mehr als einer Aufwandsentschädigung besteht. Für den Vertragsabschluss werden allerdings keine bestimmten Formerfordernisse verlangt. In den meisten Fällen wird daher von zumindest einem konkludent geschlossenen Anstellungsvertrag auszugehen sein.100

Gerade durch diese Möglichkeit, den Anstellungsvertrag konkludent zu schließen, fällt es in der Praxis oft schwer, den Bestellungsbeschluss vom Anbotsbeschluss zur Anstellung des Geschäftsführers zu trennen. Die Rsp hat teilweise sogar angenommen, dass die Gesellschaft mit dem Bestellungsbeschluss dem bestellten Geschäftsführer stillschweigend ein Anbot auf Abschluss eines Anstellungsvertrages mache. Es kann daher passieren, dass ein Beschluss der Generalversammlung sowohl als Bestellung, als auch als Anstellung zu deuten ist und damit in der Praxis zusammenfällt. In der Theorie bleiben aber natürlich beide Verhältnisse weiterhin voneinander unabhängig und es müssen die jeweils selbstständigen Rechtsfolgen beachtet werden.101

Der Regelungsspielraum im Anstellungsvertrag ist durch den Gesellschaftsvertrag und das Gesetz begrenzt. Diese drei Rechtsquellen stehen in einer Über- bzw Unterordnung zueinander, wobei an oberster Stelle das Gesetz steht. Jegliche Regelungen im Gesellschafts- oder Anstellungsvertrag, welche dem Gesetz widersprechen, sind daher gem § 879 Abs 1 ABGB nichtig. An zweiter Stelle steht der Gesellschaftsvertrag. Satzungswidrige

98 Runggaldier/Schima, Manager-Dienstverträge4 5 ff.

99 Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 Rz 89.

100 Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 Rz 67 f.

101 Völkl in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 15 Rz 69.

Vereinbarungen im Anstellungsvertrag sind zwar nicht per se unwirksam, allerdings haben organisationsrechtliche Pflichten in solchen Fällen Vorrang. Das bedeutet konkret, dass die GmbH bei Verletzung des Anstellungsvertrages aufgrund des Befolgens der Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag keine Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend machen kann.

Unberührt bleibt die Möglichkeit des Geschäftsführers, eine Vertragsverletzung gegenüber der Gesellschaft vorzubringen. Als Grundregel kann daher festgehalten werden, dass nur soweit Gesetz oder Satzung der GmbH einen Spielraum offenlassen, der Anstellungsvertrag maßgeblich ist.102

Nach hM und Rsp ist für den Abschluss des Anstellungsvertrages die Generalversammlung zuständig.103 § 39 Abs 5 GmbHG muss konsequenterweise so ausgelegt werden, dass nicht nur bei der Bestellung, sondern auch bei der Anstellung dem Gesellschafter-Geschäftsführer die Mitwirkung erlaubt ist. Es handelt sich in diesem Fall um kein verbotenes In-Sich-Geschäft.104

Im Gegensatz zur Bestellung kann die Kompetenz zur Anstellung sehr wohl auch einem anderen Organ der GmbH oder auch einem Dritten (vgl dazu Punkt 3.1.3) übertragen werden.

Dazu braucht es eine Ermächtigung als Grundlage, die durch einen Gesellschafterbeschluss oder im Gesellschaftsvertrag geschaffen werden kann.105