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4 Ausgewählte Probleme aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs

4.1 Kündigungsverzicht als Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr

4.1.3 Der Kündigungsverzicht als vermögenswerte Leistung im Sinne des

Der Tatbestand des Verbotes der Einlagenrückgewähr setzt voraus, dass es zu einem Vermögenstransfer kommt.159 Es muss dem Gesellschafter zumindest indirekt ein Vorteil gewährt werden, der gleichzeitig für die Gesellschaft ein Nachteil ist.160 Dieser Vorteil ist iSd

§ 82 GmbHG allerdings nicht schon als jede Besserstellung eines Gesellschafters auszulegen, es muss ihm vielmehr eine vermögenswerte Leistung zukommen. Was wiederrum unter eine vermögenswerte Leistung fällt, entscheidet eine wirtschaftliche Betrachtungsweise.161 So folgt bspw die Einräumung von besonderen Stimmrechten – als nichts Vermögenswertes – ganz anderen gesellschaftsrechtlichen Regeln und wäre iSd § 82 GmbHG völlig unbeachtlich. Auch der Kündigungsverzicht in einem Arbeitsvertrag oder freien Dienstvertrag zugunsten des AN bzw freien DN könnte auf den ersten Blick den Eindruck erwecken, dass hier nur immaterielle Vorteile gewährt werden.162 In den folgenden Ausführungen soll daher genau analysiert werden, worin bei einem Kündigungsverzicht die vermögenswerte Leistung zugunsten des Gesellschafters und die Vermögenseinbuße der Gesellschaft liegt. Es wird durchwegs davon ausgegangen, dass diese Vertragsklausel in einem Arbeitsvertrag oder freien Dienstvertrag zugunsten eines Gesellschafters in einer GmbH vereinbart wurde. Auch wenn die weiteren Ausführungen nur mehr auf den echten AN ausdrücklich Bezug nehmen, gilt das Gesagte auch gleichermaßen für den freien DN.

Die Unkündbarkeit des Arbeitsvertrages bedeutet für den AN ein relativ sicheres, regelmäßiges Einkommen. Sein Arbeitsplatz wird ihm garantiert, solange keine besonderen Gründe eine Entlassung rechtfertigen. Der Kündigungsverzicht bietet daher zum einen den Vorteil, dass die Entscheidung über die Beendigung des Vertragsverhältnisses einzig beim AN liegt. Er kann sich in seiner Lebensplanung auf den Arbeitsplatz verlassen. Zum anderen ist an ein garantiertes Arbeitsverhältnis ein sicheres Einkommen von gewisser Höhe gekoppelt, weshalb hier auch der Tatbestand einer „vermögenswerten“ Leistung vorliegt.

159 RIS-Justiz RS0105532 [T8]; Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 59.

160 RIS-Justiz RS0105532 [T21].

161 RIS-Justiz RS0105532.

162 Vgl OGH 24.5.2019, 8 ObA 53/18d, Arb 13.590 = GES 2019, 236.

Für den AG bedeutet hingegen ein Kündigungsverzicht die Einschränkung seiner zukünftigen unternehmerischen Dispositionsfreiheit. Es liegt nicht mehr in seinem Ermessen, je nach wirtschaftlicher Lage oder sonstigen Umständen das Arbeitsverhältnis zu beenden. Das bedeutet, dass auch wenn der AN in einem Betrieb nicht mehr gebraucht wird bzw nicht mehr vernünftig eingesetzt werden kann, der AG dennoch weiterhin zur Zahlung des Entgeltes verpflichtet ist. Vor allem diese Fallkonstellation birgt die Gefahr eines Vermögensnachteiles für die GmbH.

Es fällt auf, dass die Gesellschaft damit nicht unmittelbar bei Vertragsabschluss einen Nachteil erleidet. Zu Beginn liegt in den meisten Fällen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vor. Es besteht aber sehr wohl die Gefahr, dass in der Zukunft Lohnkosten ohne entsprechenden Vorteil für das Unternehmen produziert werden. Das Vermögen der GmbH wird daher nicht unmittelbar zugunsten eines Gesellschafters geschmälert. In anderen Worten, es kommt nicht unmittelbar zu einem nachteiligen Vermögenstransfer.

Mit dieser Problemstellung war der Oberste Gerichtshof bereits in verschiedenen anderen Entscheidungen163 aus der Vergangenheit konfrontiert. Solche potentiellen Vermögenseinbußen ergeben sich bspw auch bei der Gewährung von Darlehen oder der Bestellung von Sicherheiten. Es kann sein, dass ein Darlehen wieder vollständig rückbezahlt oder eine Sicherheit nie eingezogen wird und trotzdem bejahen Rsp und hM im Falle eines solchen unentgeltlichen Rechtsgeschäfts einen Verstoß gegen § 82 GmbHG. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise führt zum Ergebnis, dass schon allein die Übernahme des Insolvenzrisikos eine vermögenswerte Leistung darstellt. Einem beliebigen Dritten würde man genauso wenig unentgeltlich Geld leihen und damit freiwillig das Risiko eingehen, es nicht mehr zurückzubekommen. Dasselbe gilt für die Bestellung von Sicherheiten. Es kommt nicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme an. Solche Rechtsgeschäfte dürfen daher zwischen GmbH und Gesellschafter nur unter Bedingungen abgeschlossen werden, wie es für vergleichbare Bankgeschäfte üblich ist.164 Es ist auch darauf zu achten, ob bei einem Fremdvergleich überhaupt das Rechtsgeschäft abgeschlossen worden wäre. Bei sehr schlechter

163 Ua OGH 29.9.2010, 7 Ob 35/10p, GES 2010, 217 = RdW 2011/145, 147; 22.12.2016, 6 Ob 232/16k, RdW 2017/191, 245 = GES 2017, 23; 29.8.2017, 6 Ob 114/17h, Zak 2018/40, 24 (Bollenberger) = GES 2019, 59 (Fellner/Rüffler).

164 Koppensteiner in Koppenteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz3 § 82 GmbHG Rz 17a f; Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 110 ff.

Bonität bzw ohne jegliche Sicherheiten würde keine Bank einem Gesellschafter ein Darlehen gewähren und genauso ist es für die GmbH unzulässig.165

Ähnlich argumentiert wurde in einer Entscheidung166 aus dem Jahr 2016. In diesem Fall wurde von einer Gesellschaft A* ein Mietvertrag unter zehn-jährigem Kündigungsverzicht, später ein Leasingvertrag, über eine Liegenschaft mit einem Dritten B* geschlossen. Dies hatte allein den Zweck, ihrer Gesellschafterin C* die Nutzung dieser Liegenschaft zu ermöglichen.

Aufgrund der schlechten Bonität der C* wollte der Eigentümer der Liegenschaft nicht mit C*

selbst eine Vereinbarung schließen. Zwischen C* und A* wurde der Ersatz der Mietkosten und eine Schad- und Klagloshaltung vereinbart. Der Oberste Gerichtshof qualifizierte diese Konstellation als Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr. Er erblickte den Nachteil der Gesellschaft darin, dass im Falle der Insolvenz ihrer Gesellschafterin, sie aufgrund des Kündigungsverzichts weiterhin Mietkosten zu tragen habe, diese aber nicht mehr von der Gesellschafterin erstattet bekomme. Ein solches Rechtsgeschäft wäre nur zulässig gewesen, wenn neben dem Mietkostenersatz ein adäquates Entgelt für die Übernahme des Insolvenzrisikos vereinbart worden wäre.

Im Zusammenhang mit diesen Fällen potentieller Vermögenseinbußen als Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr kommt die Frage auf, zu welchem Zeitpunkt der Verstoß als verwirklicht gilt. Einer Ansicht nach liegt schon mit der Gewährung eines unzulässigen Darlehens ein Verstoß gegen § 82 GmbHG vor. Der Austausch liquider Mittel gegen eine zeitlich hinausgeschobene schuldrechtliche Forderung bedeutet eine Verschlechterung der Vermögenslage der GmbH. Die Gegenauffassung orientiert sich dagegen an der Bilanz. Erst bei bilanzieller Auswirkung, wenn die Darlehensforderung endgültig ausfällt, gilt der Verstoß als verwirklicht. Dieselbe Idee kann auch auf andere Fälle, wie der Bestellung einer Hypothek, etc. umgelegt werden können. Der Oberste Gerichtshof folgt klar ersterer Ansicht.167 Es ist nach ständiger Rsp völlig unbeachtlich, wann bzw ob überhaupt eine Vermögensverschiebung in der Bilanz ersichtlich wird. Nur so kann erklärt werden, warum auch bspw die unentgeltliche Überlassung von vollständig abgeschriebenen Vermögensgütern der GmbH gegen das Verbot der Eilagenrückgewähr verstößt.168

165 RIS-Justiz RS0105540 [T8]; Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 103.

166 OGH 22.12.2016, 6 Ob 232/16k, RdW 2017/191, 245 = GES 2017, 23.

167 Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 119 ff.

168 Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 82 Rz 63.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass ein Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr keinen unmittelbaren nachteiligen Vermögenstransfer voraussetzt. Es genügt eine Risikoübernahme und damit eine potentielle Vermögenseinbuße. Auch ein Kündigungsverzicht in einem Arbeitsvertrag kann unter gewissen Umständen dem AN einen vermögenswerten Vorteil zu Lasten der GmbH einräumen. Die Gesellschaft übernimmt dabei die Gefahr, über die Dauer des Kündigungsverzichts ein Entgelt entrichten zu müssen, obwohl sie möglicherweise den AN gar nicht mehr braucht. Nichtsdestotrotz bleibt es letztlich eine Einzelfallentscheidung. Nicht jeder Arbeitsvertrag mit vereinbartem Kündigungsverzicht widerspricht automatisch § 82 GmbHG. Zur Beurteilung müssen alle Vertragsbedingungen sowie mögliche betriebliche Rechtfertigungen berücksichtigt werden. Eine vereinbarte Unkündbarkeit verbunden mit einem sehr hohen Gehalt deutet besonders auf einen Verstoß hin.

Genauso muss aber überprüft werden, ob der Gesellschaft ein besonderes, objektives Interesse an einer langfristigen Bindung des AN liegt. Für die Zulässigkeit eines Arbeitsvertrages zwischen GmbH und Gesellschafter iSd § 82 GmbHG muss auch hier auf das Institut des Drittvergleichs zurückzugriffen werden.