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2.3 Verbreitung

2.3.4 Jungtieraufzucht und Entwicklung

Nach 24-26 Tagen Tragzeit wirft das Weibchen 1-12 Neugeborene, welche in einem Nest untergebracht werden. Die Tragzeit verlängert sich, wenn die Paarung im postpartialen Östrus stattfindet. Dann kommt es zur Verzögerung der Implantation der Blastozyste (ALLANSON 1970). Nach NORRIS und ADAMS (1972) erhöht sich die Tragzeit um 1,9 Tage pro Neugeborenem, wenn drei oder mehr Junge gesäugt werden.

Sowohl die Männchen, als auch die Weibchen beteiligen sich an der Aufzucht der Nachkommen, welches zu einer deutlich schnelleren Entwicklung des Nachwuchses führt, als bei Jungtieren, welche allein vom Muttertier aufgezogen werden (BEYNON u. COOPER 1992). Die Anwesenheit des Männchens beeinflusst z. B. den Zeitpunkt des Öffnens der Augen, welcher früher stattfindet (ELWOOD u. BROOM 1978). Dies liegt in erster Linie an der zusätzlichen Wärme, die das Männchen mit in das Nest bringt (MCMANUS, 1971).

Im Nest verbringen sie ihre ersten 5 Lebenstage, wo sie schlafen oder gesäugt werden (EHRAT et al. 1974). Die Saugaktivität ist unregelmäßig über den Tag verteilt, währenddessen werden von den Jungtieren Zirplaute ausgestoßen. Ab dem 5. Lebenstag finden kleinere Exkursionen statt, zudem können Kratzaktivitäten mit den Hinterextremitäten beobachtet werden. Die Tiere sind vor allem tagsüber bewegungsaktiv (LERWILL 1974).

Zwischen dem 6. und 10. Lebenstag können erste Putzaktivitäten beobachtet werden. Ab dem 16. Lebenstag nehmen die Tiere zusätzlich feste Nahrung auf (NORRIS u. ADAMS 1972), zudem beginnen die Tiere mit ersten Grabaktivitäten. Etwa ab dem 18. Lebenstag werden die Augen geöffnet und die Bewegungsaktivität steigt deutlich an. Ab dem 21. Lebenstag sind die Tiere selbstständig lebensfähig, werden aber noch oft bis zum 28. Lebenstag gesäugt (EHRAT et al. 1974).

Tabelle 2: Jungtierentwicklung

Entwicklungsstadien Tage

Öffnen der Ohren 3-7

Erscheinen der ersten Haare 5-7 Durchbruch der Incisivi 10-16

Öffnen der Augenlider 16-20

Abstieg der Hoden 30-40

Öffnen der Vagina 40-60

(EHRAT et al. 1974) 2.4 Haltung von Meriones unguiculatus als Versuchstiere

2.4.1 Domestikation

Der größte Teil der Mongolischen Wüstenrennmäuse in Europa und den USA entstammt aus den 1935 gefangenen 20 Zuchtpaaren. Diese langjährige isolierte Laborzucht hat durch Langzeitselektion zu Domestikationseffekten geführt. Die Effekte betreffen in erster Linie Reproduktion, Hirngewicht, Verhalten und Fellfärbung. So haben männliche Labortiere höhere Hodengewichte und eine höhere Spermienproduktion als Wildfänge (BLOTTNER et al. 2000). Die Testosteronproduktion ist geringer. Die durchschnittliche Wurfgröße ist von 4 - 4,5 Jungtieren pro Wurf auf eine Wurfgröße von 5,6 Tieren angestiegen (STUERMER 1998).

Die Wildtiere dagegen zeigen eine schnellere Entwicklung als die Labortiere, so öffnen sich beispielsweise die Augen einen Tag eher. Das Gehirngewicht ist bei Labortieren um 18%

niedriger als bei Wildtieren, was als wichtiges Domestikationskriterium gilt (STUERMER 1998). Die Labortiere sind insgesamt deutlich ruhiger als die Wildtiere. Die Organgewichte, vor allem Herz, Lunge, Niere und Leber, sind gegenüber den Wildtieren deutlich im Gewicht reduziert (ZINKE et al. 1997). Der Verdauungstrakt ist zudem verkürzt und das Magengewicht ist ebenfalls reduziert, was auf eine Adaptation an die menschliche Futterversorgung schließen lässt. Tiere, die unter natürlichen Lichtbedingungen in der Wildbahn aufgewachsen sind, sind im Gegensatz zu den im Labor gehaltenen Tieren eher geschlechtsreif (HOFMANN 1999). Mongolische Wüstenrennmäuse, welche im Labor gehalten werden, zeigen im Gegensatz zu den Wildtieren häufig epileptische Krämpfe,

Albinismus und Melanismus (STUERMER et al. 1996). Nach WAIBLINGER (2002) sind die meisten Verhaltenseigenschaften und Regulationsmechanismen trotz der Domestikation erhalten geblieben.

2.4.2 Haltung im Labor

Die Haltung von Versuchstieren beruht vor allem auf praktischen Erfahrungen und berücksichtigt in erster Linie die Interessen des Experimentators (SCHARMANN 1994). Von allen Rennmausarten werden in der Forschung vornehmlich Mongolische Wüstenrennmäuse verwendet. Von allen Versuchstieren sind Nagetiere die am häufigsten eingesetzten, sie machen etwa 80 % aller Wirbeltiere im Tierversuch aus. Diese Tiergruppe stellt die größte Ordnung unter den Säugetieren dar und besteht aus 1800 Arten (VAN ZUTPHEN et al.

1995). Die Haltung von Versuchstieren ist in hohem Maße standardisiert (BUCHENAUER 1998). Die Standardisierung dient dazu, die Versuche reproduzierbar zu machen, um so eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu erzielen (VAN ZUTPHEN et al. 1995). Meriones unguiculatus werden meist als monogames Paar zu zweit in Makrolonkäfigen gehalten, die auch für die Haltung von Mäusen und Ratten verwendet werden, mit einer soliden Bodenwanne aus durchsichtigem Polycarbonat und einer Gitterabdeckung aus rostfreiem Stahl. Diese eignen sich, da sie Beobachtungen der Tiere zulassen und leicht zu reinigen sind (HEINE 1998; POOLE 1999). Eine einfache Versorgung muss gewährleistet sein und der Käfig soll nicht viel Platz in Anspruch nehmen. Zudem soll er leicht kontrollierbar sein. Als Einstreumaterialien werden Weichholzgranulate oder Sägespäne verwendet, da die Materialien sterilisierbar und weitgehend staubfrei sind (HEINECKE 1989).

Gefüttert werden die Tiere mit standardisiertem Pellet-Futter. Im Versuch besteht das Futter aus gereinigten Materialien, welches der Standardisierbarkeit dient. Trinkwasser wird in durchsichtigen Flaschen angeboten, welche außen am Käfig bzw. in der Raufe befestigt sind.

Somit ist ihre Bewegungsfreiheit im Vergleich zur Wildnis stark eingeschränkt und sie können eine große Zahl ihrer natürlichen Verhaltensweisen nicht ausführen (STAMP DAWKINS 1982; STAUFFACHER 1994; HOLLMANN 1987).

2.4.3 Käfigarten

Für die Haltung von Mongolischen Wüstenrennmäusen werden die Käfiggrößen Makrolon Typ III und IV verwendet. Die Grundfläche des Typs III liegt bei 820 cm2, die Höhe beträgt 15 cm, bzw. bei der Ausführung „hoch“ 18 cm. Die Grundfläche bei Typ IV liegt bei 1800 cm2, die Höhe beträgt 20 cm (STUERMER 2002). STUERMER (2002) empfiehlt für Paare mit oder ohne Jungtiere den Käfigtyp IV und für Einzeltiere den Typ III. Grundsätzlich wird aber in der Literatur dringend von der Einzelhaltung abgeraten (SAMBRAUS u. A. STEIGER 1997).

2.4.4 Gesetzliche Vorschriften

Beim Europäischen Parlament liegt derzeitig eine in Überarbeitung befindliche Richtlinie zur Haltung von Mongolischen Wüstenrennmäusen vor. Sie fordert eine Mindesthöhe von 18 cm und eine Bodenfläche von 150 cm2 pro Tier bis zu einem Körpergewicht von 40 g und 250 cm2 pro Tier für Tiere mit einem Körpergewicht von mehr als 40 g. Monogame Zuchtpaare mit Nachkommen sollen eine Grundfläche von 1200 cm2 erhalten. Zur Laborhaltung existieren mit Ausnahme der Raumtemperatur keine spezifisch gesetzlichen Vorschriften.

Aktuellen Anforderungen werden diese Richtwerte nach SALOMON et al. (2001) in keiner Weise gerecht. NOWAK (1995) hält Verbesserungen der Versuchstierhaltungen für unbedingt nötig, da die in internationalen Rechtsvorschriften vorgegebenen Minimalstandards eine tiergerechte Haltung nicht oder nicht ausreichend ermöglichen. Dem arttypischen Verhalten der verschiedenen Spezies, v. a. der Nager und Kaninchen, werden die Richtlinien kaum gerecht. Mit einer Neufassung der Haltungsnormen, die auf ethologischen Erkenntnissen basieren, wird erst in einigen Jahren zu rechnen sein (SCHARMANN 1994).

Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis des Menschen zum Tier grundlegend geändert. Käfiggröße, Struktur und Ausstattung, sowie Belegdichte und Gruppengröße wurden in den letzten Jahrzehnten verändert, da die Tiere häufig Probleme hatten. Moderne Haltungssysteme für Nutztiere und Versuchstiere führen oft zu Störungen des Verhaltens und der Physiologie, weil diese Haltungssysteme oft nicht die Minimalstandards der Tiere erfüllen. Der Mensch ist moralisch verpflichtet, Tiere in einem Zustand optimalen Wohlbefindens zu halten. Die Umwelt eines Tieres ist nicht vergleichbar mit unserer Umwelt

und deshalb können scheinbar kleine Veränderungen der Haltung, wie Belüftung, Hygiene und Pflege, oft dramatische Auswirkungen auf die Tiere haben (VAN ZUTPHEN et al. 1995).

Bei der Einführung neuer Haltungsmethoden ist zu bedenken, dass in der Laborhaltung eine hohe Tierzahl betroffen ist, und dass die Wiederholbarkeit und Vergleichbarkeit der Versuche durch Standardisierung gewährleistet sein muss. Sie dient dazu Risiken der Fehlinterpretation von Versuchsergebnissen zu minimieren (MILITZER 1986).

Nach MEIER (2001) und SUNDRUM (1994) würden bei standardisierter Haltung die Bedürfnisse der Tiere vernachlässigt. Zudem würden exakt identische Bedingungen die Aussagekraft von Forschungsresultaten in der Relevanz beschränken. Nach HOLLMANN und BEUERBERG (1990) ist es unbedingt notwendig, dass Tiere ihrer Art und ihren Bedürfnissen entsprechen angemessen gehalten werden, da es sonst zu Verhaltensstörungen kommen kann. Nach BURKE (1992) entstehen viele Krankheitsbilder bei Nagern durch fehlerhafte Haltung.

2.4.5 Einsatz der Mongolischen Wüstenrennmaus in der Forschung

Die Tiere werden für Forschungen im Bereich der Human-Akustik verwendet. Die Hörsensitivitätskurve ist der des Menschen sehr ähnlich. Zudem leiden die Tiere praktisch nie an einer Otitis media und machen sie somit zu einem geeigneten Modell (DANIEL u.

LOESCHE 1975).

Auf dem Gebiet der Parasitologie werden die Tiere vielfältig eingesetzt. Sie sind anfällig für Toxoplasmose, Echinococcose, Babesiose und Leishmaniose (ROBINSON 1975).

Bakterielle Erkrankungen mit Yersinia enterocolitica, Listeria monocytogenes, Bacillus anthracis, Staphylococcus aureus und zahlreichen anderen Bakterienarten und deren Therapie werden ebenfalls an Meriones unguiculatus erforscht. Außerdem sind die Tiere sehr empfänglich für Viren, insbesondere für respiratorische Viruserkrankungen (ROBINSON 1976).

Da die Tiere sich als relativ resistent gegen Röntgenstrahlung erweisen, werden sie ebenfalls in der Krebsforschung eingesetzt.

Im Vergleich zu Mäusen und Hamstern zeigen Mongolische Wüstenrennmäuse eine langsamere spät-pränatale Entwicklung. Diesen Umstand nutzt man in der Forschung aus, um pharmakologische Versuche bei trächtigen Tieren durchzuführen, wenn ein exaktes Timing der Medikamentenapplikation und die Erholung des Embryos wichtig sind (ROBINSON 1978).

Da 20 % der Tiere zu epileptischen und kataleptischen Anfällen bei Stress neigen, sind sie ein beliebtes Tier in der neuronalen Forschung, sowie in der Epilepsieforschung. Hier dienen sie als Modell für die ideopathische Epilepsie des Menschen (RICHARDSON 1997; VAN ZUTPHEN et al. 1995; LÖSCHER 1986).

Mongolische Wüstenrennmäuse zeigen einen hohen Serum- und Leber-Cholesterinspiegel, sogar unter einer relativ fettarmen Diät. Sie werden deshalb für Untersuchungen des Cholesterinstoffwechsels und der experimentellen Atherosklerose benutzt (VAN ZUTPHEN et al. 1995).

2.5 Zucht der Mongolischen Wüstenrennmaus

2.5.1 Management

Sowohl ALLANSON (1970) als auch HARTMANN et al. (1994) raten in der Laborhaltung zu monogamer Haltung. Die Paarbildung der Mongolischen Wüstenrennmäuse sollte vor der 8. Lebenswoche stattfinden, da dann Aggressionen und die daraus entstehenden Kämpfe und Verletzungen weitgehend ausgeschlossen sind. Die Weibchen sind polyöstrisch. Bei einem Lichtregime von 12:12 Stunden kann man mit ihnen das gesamte Jahr über züchten (VAN ZUTPHEN et al. 1995).

Bereits am Tag der Geburt deckt das Männchen das Weibchen erneut. Diese wirft dann aber nicht nach 24-26 Tagen. Die Geburt verzögert sich, wenn das Tier in der Hochlaktation ist, um 1,9 Tage pro Nachkomme (AGREN 1984).

In der Literatur wird relativ früh -bereits in den 60er Jahren- geraten, den Tieren eine Nestbox zur Verfügung zu stellen, um darin die Jungtiere aufzuziehen und um eine Rückzugsmöglichkeit vor störenden Umwelteinflüssen zu bieten, ohne dass dabei genau auf

Größe und Aussehen so einer Box eingegangen wird (SAMBRAUS 1981; BROOM u.

JOHNSON 1983; BEAVER1989; BRAIN 1992).

2.5.2 Absetzen

Die empfohlene Säugedauer schwankt zwischen drei und fünf Wochen. Während SCHWENDTKER (1963) die Tiere mit 21 Tagen absetzt, empfehlen die meisten Autoren das Absetzen mit 28 Lebenstagen (KORNERUP HANSEN 1990; FIELD u. SIBOLD 1999).

Nach dem Absetzen können die Jungtiere in gleichgeschlechtlichen Gruppen gehalten werden (ALLANSON 1970) oder schon als monogame Paare vergesellschaftet werden.

Die Geschlechtsdifferenzierung gelingt bereits nach der Geburt. Bei den unbehaarten Neugeborenen sind beim weiblichen Tier Zitzenanlagen erkennbar. Beim Männchen ist die Genitalpapille prominenter und besitzt eine runde Öffnung. Beim adulten Tier ist der Anogenitalbstand des Männchens doppelt so groß wie beim Weibchen, bei Geschlechtsreife sind das dunkelpigmentierte Scrotum und die Vergrößerung der Ventraldrüse erkennbar.

Insgesamt sind die Männchen etwas kräftiger als die Weibchen und ihr Schädel ist breiter (METTLER 1999).

2.6 Wohlbefinden

2.6.1 Definition

Gesundheit, Zufriedenheit, die Erfüllung sozialer und ethologischer Bedürfnisse und normales Verhalten sind kennzeichnend für Wohlbefinden (TSCHANZ et al. 2001; VAN PUTTEN 1982). Das Tier muss frei von negativen Empfindungen sein. Anknüpfungspunkt für diesen Zustand sind die gesamten Lebensumstände eines Tieres. Laut VAN PUTTEN (1982) ist Wohlbefinden ein Zustand physischer und psychischer Harmonie. Jedes Tier strebt zu jeder Zeit danach, seine körperlichen Bedürfnisse, sowie seine Bedürfnisse hinsichtlich des Verhaltens optimal zu befriedigen.

Die Unterordnung des Zustandes eines Tieres unter den Begriff des Wohlbefindens unterliegt subjektiven Eindrücken. Im Zusammenhang mit veterinämedizinisch allgemein anerkannten Grundsätzen ist aber eine genaue Bestimmung dieses Merkmals durchaus gewährleistet. In

der Regel wird man das Wohlbefinden eines Tieres bejahen können, wenn bei seiner Haltung und Unterbringung die gesetzlichen Vorschriften, die im Einklang mit dem §1 des Tierschutzgesetz stehen müssen, hinreichend beachtet worden sind (HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002). TSCHANTZ (1986) hat das Bedarfsdeckungs– und Schadensvermeidungskonzept entwickelt zur wissenschaftlichen Beurteilung von Befindlichkeiten bei Tieren. Sie sind die Grundvoraussetzung für Wohlbefinden. Durch seine Sinnesorgane ist das Tier in der Lage, die in seiner Umwelt befindlichen bedarfsdeckenden Objekte oder Situationen zu erkennen und mittels spezifischer Verhaltensleistungen zu nutzen. Das Tier erreicht damit Bedarfsdeckung und Schadensvermeidung, vorausgesetzt, die Umgebung enthält die tierspezifischen Bedingungen und das Tier ist durch seine Erbanlagen und/oder Anpassungsfähigkeit zu entsprechend spezifischem Verhalten fähig. Erst wenn sowohl die Bedürfnisse und das Verhaltensmuster von Tieren, sowie ihre Adaptationsfähigkeit genau bekannt sind, können die Umgebungsbedingungen für die Tiere optimiert werden. Eine solche Haltungssituation wäre dann als tiergerecht zu bezeichnen.

Ein gutes Wohlbefinden ist dadurch gekennzeichnet, dass das Tier eine große Vielfalt an normalen Verhaltensweisen zeigt und in der Lage ist sich fortzupflanzen (BROOM u.

JOHNSON 1993; TSCHANZ 1997). Laut MILITZER und BÜTTNER (1994) ist Spielverhalten ebenfalls ein Anzeichen eines guten Wohlbefindens. Die Kontrolle über die Umwelt ist weiterhin sehr wichtig für das Wohlbefinden eines Tieres. So ist der ständige Zugang zu Trinkwasser essentiell (WÜNNEMANN 2002). Ebenso ist es notwendig, Tieren die Möglichkeit zu bieten, sich innerhalb ihrer Umwelt zurückzuziehen. So ist das Anbieten einer Nestbox ebenfalls eine Möglichkeit, das Wohlbefinden zu steigern (BROOM u.

JOHNSON 1983).

Ein mangelndes Wohlbefinden ist dagegen gekennzeichnet durch eine geringere Lebenserwartung, vermindertes Wachstum, reduzierte Fortpflanzung, Krankheiten und Immunsuppressionen. Normales Verhalten wird immer weniger gezeigt und es kommt zu Stereotypien.

2.6.2 Definition: „artgemäß“

Die in §2 des Tierschutzgesetzes verwendeten Begriffe wie „artgemäß“ und

„verhaltensgerecht“ lassen nicht erkennen, an welche gesetzlichen Richtlinien man sich zu halten hat (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002). Erst die auf Grund von §2 a des Tierschutzgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen regeln konkret, wie das Tier gehalten werden muss. Allerdings ist nicht für jede Tierhaltung eine Rechtsverordnung erlassen worden. Nach HOLLMANN (1993) und LOEFFLER (1984) ist die Haltung dann artgemäß, wenn sich nach den Regeln der tierärztlichen Kunst oder nach anderen naturwissenschaftlichen Kenntnissen keine gestörten körperlichen Funktionen, die auf Mängel oder Fehler in der Ernährung und Pflege zurückgeführt werden können, feststellen lassen.

2.6.3 Definition: „verhaltensgerecht“

Wer ein Tier hält, muss es laut §2 des Tierschutzgesetzes nach seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Nach HOLLMANN (1993) ist eine Haltung dann verhaltensgerecht, wenn das angeborene, arteigene und essentielle Verhaltensmuster des Tieres durch sie nicht so eingeschränkt oder verändert worden ist, dass dadurch Schmerzen, Leiden oder Schäden am Tier selbst oder durch ein so gehaltenes Tier an anderen entstehen.

2.6.4 Schmerzen, Leiden und Schäden

Schmerzen: 1979 wurde von der International Association for the Study of Pain (IASP) Schmerz wie folgt definiert: „Schmerz ist ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das in Zusammenhang mit tatsächlicher oder potentieller Schädigung steht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird. ZIMMERMANN (1984) ergänzt die Definition des IASP mit folgendem Wortlaut: „Schmerzen bei Tieren ist eine aversive Empfindungserfahrung, verursacht durch aktuelle oder potentielle Verletzung (Schädigung), die ihrerseits schützende motorische und vegetative Reaktionen auslöst, sowie erlerntes Meideverhalten bewirkt und das spezifische Artverhalten - einschließlich des Sozialverhaltens - modifizieren kann.“ Zu unterscheiden ist zwischen dem körperlichen und dem psychischen

Schmerz. Rein begrifflich erfordert der Schmerz keine unmittelbare Einwirkung auf das Tier.

Maßgebend ist auch die Fähigkeit des Schmerzempfindens. Liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse für die Schmerzempfindlichkeit einer Tierart vor, so muss von der gleichen Schmerzempfindung, wie beim Menschen ausgegangen werden (HACKBARTH u.

LÜCKERT 2002).

Aus den Definitionen ist zu entnehmen, dass es sich bei Schmerz um ein subjektives Phänomen handelt, d.h. Schmerzen sind einerseits unerfreuliche Erfahrungen, denen eher aus dem Weg gegangen wird. Andererseits sind Schmerzen physiologische Warnfunktionen, um Tiere von Verletzungsquellen und tödlichen Gefahren fernzuhalten (MOYAL 1999).

Die Nervensysteme von Wirbeltieren sind mit Nervenzellen ausgestattet, die bei Einwirkung noxischer, d.h. gewebsschädigender oder potentiell gewebsschädigender, Reize auf den Organismus aktiviert werden. Die Aufnahme, Weiterleitung und Verarbeitung dieser noxischen Informationen durch das periphere und zentrale Nervensystem wird als Nozizeption bezeichnet. Diese Reize aktivieren diejenigen Neurone des ZNS, die für die Steuerung des Verhaltens und der vegetativen Reaktionen verantwortlich sind.

Da es für jedes Individuum biologisch sinnvoll erscheint, physische Bedrohungen für das eigene Leben zu vermeiden, dürfen ebenso niedere Wirbeltierarten neuronale Systeme zur Erkennung und Vermeidung von Gewebsschädigungen besitzen. Inwieweit die nozizeptiven Prozesse mit erlebter Schmerzempfindung einhergehen, kann aber letztendlich nicht abschließend beantwortet werden.

Leiden: Heutzutage wird selbstverständlich von der Leidensfähigkeit von Tieren, v. a. bei den höher entwickelten Tierarten, ausgegangen. Gesetzlich ist diese Auffassung im Europäischen Übereinkommen vom 18. März 1986 zum Schutz der für Versuche und andere wissenschaftliche Zwecke verwendeten Wirbeltiere verankert. Hier wir auf die ethische Verpflichtung des Menschen hingewiesen, „alle Tiere zu achten und ihre Leidensfähigkeit und ihr Erinnerungsvermögen angemessen zu berücksichtigen.“

Leiden sind alle vom Begriff des Schmerzes nicht erfassten Beeinträchtigungen des Wohlbefindens, die über Unbehagen hinausgehen und eine gewisse Zeitspanne fortdauern.

Maßgebend hierfür ist die Leidensfähigkeit eines Tieres, welche an die Höhe seiner

Organisationsstufe innerhalb des Tierreiches gebunden ist. Eindeutig unter diesen Begriff fallen seelische und psychische Ängste und Qualen. Der Ausdruck der Empfindungen erfolgt beim Tier weniger komplex, als beim Menschen, sie stellen sie offener und unverstellter zur Schau. Leiden kann als Konsequenz von Schmerzen entstehen und immer dann auftreten, wenn das Tier längerfristig einer belastenden Situation ausgesetzt ist, welches seine Anpassungsvermögen übersteigt (HACKBARTH u. LÜCKERT 2002).

HARTMANN (1986) hat fünf Grundformen des Leidens bei kranken Menschen definiert. Sie umfassen Niedergeschlagenheit – Schmerz – Angst – Scham – Sterblichkeitsbewusstsein.

Während die ersten drei Formen auch bei leidenden Tieren zu beobachten sind, haben Scham und Sterblichkeitsbewusstsein bei ihnen keine Bedeutung. So vernachlässigen leidende Tiere z. B. ihre Körperpflege. Im Gegensatz zum Menschen setzen sie sie nicht aufgrund eines Schamgefühls fort. Weiterhin sehen Tiere sich nicht genötigt, aus dem Sterblichkeitsbewusstsein heraus mit der Nahrungsaufnahme fortzufahren.

LOEFFLER (1993) bezeichnet Leid als Unlustgefühl. Nach SAMBRAUS (1982) muss man materielle von immateriellen Leiden unterscheiden. Sie treten auf, wenn ein Tier ein Verhalten ausüben möchte und durch bestimmte Haltungsbedingungen daran gehindert wird.

SALOMON et al. (2001) beschreibt, dass eine vom Menschen geschaffene und an Umwelteindrücken begrenzte Umwelt tierisches Verhalten in der Weise einschränkt, dass Situationen der Unsicherheit und des Kontrollverlustes entstehen können, welche er als eine Form des Leidens beschreibt.

Wie beim Schmerz handelt es sich also auch beim Leiden um eine rein individuelle, nicht vollständig nachvollziehbare Empfindung, die mit wissenschaftlich messbaren Methoden nur sehr schwer zugänglich ist (WOLFF 1993). Wiederum sind eine genaue Beobachtungsgabe und biologische als auch ethologische Kenntnisse der einzelnen Tierarten erforderlich, um Leiden bei Tieren zu diagnostizieren. Eine belastende Situation kann sich beispielsweise aus Unwohlsein entwickeln, je nachdem, wie lange und mit welcher Intensität dieser Zustand anhält. Eine erhebliche Rolle spielen dabei Einwirkungen, die der Wesensart des Tieres, seinen Instinkten, seinem Selbst- und Arterhaltungstrieb zuwiderlaufen und deshalb als lebensfeindlich empfunden werden.

Unwohlsein stellt sich dabei als Mißverhältnis zwischen der aktuellen Umgebungssituation und dem inneren Normwert dar. Das Tier wird versuchen, diese Diskrepanz mit motivationellen Verhaltensweisen zu überbrücken, um so den Normwert wieder zu erreichen.

Gelingt dies dem Tier nicht, so kann der Zustand des Leidens eintreten. Folgereaktionen wären z. B. Verhaltensstörungen und –anomalien, wie zum Beispiel Stereotypien. Folglich sind leidende Tiere daran zu erkennen, dass sie starke Abweichungen vom Normalverhalten zeigen und nicht in gewohnter Weise auf Umgebungsreize reagieren (MOYAL 1999).

Schäden: Schaden an einem Tier liegt dann vor, wenn der Zustand eines Tieres, indem es sich befindet, sich zum Schlechteren verändert. Dazu ist keine Dauerwirkung notwendig, eine

Schäden: Schaden an einem Tier liegt dann vor, wenn der Zustand eines Tieres, indem es sich befindet, sich zum Schlechteren verändert. Dazu ist keine Dauerwirkung notwendig, eine