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Jugendsprachen als Register

Vorgehensweise und Charakterisierung der diskursiven Daten

3.1 Sprachvariation und Alter

3.1.2 Beschreibung altersbedingter Sprachvariation ‒ verschiedene Konzeptionen

3.1.2.3 Jugendsprachen als Register

aufgegriffen und insgesamt in einer pragmatischen Orientierung etabliert. Diese Ansätze eint dabei die Auffassung von Stil als emisch definiertes Konzept, das die Perspektive der sozial Handelnden, kleinerer „communities of practice“

(Wenger 1998) in den Blick nimmt, deren gemeinsame sprachliche Merkmale als

„Form der sozialen Praxis verstanden und analysiert werden“ (Auer 2013a: 20).

Ein weiteres Konzept, das zur Beschreibung von Jugendsprache(n) heran-gezogen wird, ist jener des Registers. Wie sich der Begriff Register terminolo-gisch zu Varietät und Stil verhält, soll daher im folgenden Unterkapitel geklärt werden.

3.1.2.3 Jugendsprachen als Register

Das Registerkonzept erfasst die situationsbedingte sprachliche Variation des Individuums. „In contrast to functional stylistics, which proceeds from a small number of domains of communication […], registers are determined by the pa-rameters of the communication situation.” (Spillner 1987: 281) Wie im Stil- so wird auch im Registerkonzept das temporäre Sprachverhalten berücksichtigt, allerdings wird nicht das Verhältnis des Sprachgebrauchs zu den Sprecher-gruppen, sondern sein Verhältnis zur jeweiligen Kommunikationssituation in den Blick genommen. Während Stile Sprecherinformationen bezüglich des wechselnden Sprachverhaltens liefern, geben Register sprachgebrauchsbezoge-ne Informatiosprachgebrauchsbezoge-nen (vgl. Dittmar 1997: 212). Die enge Verschränkung der beiden Konzepte wurde oben bereits angedeutet: In dem Maße, in dem Stile situations-adäquat eingesetzt werden, kann die Anwendung verschiedener Register als kommunikativ erfolgreich gelten. „Stil ist jedoch Register (qua Tätigkeit) nach-geordnet“ (Dittmar 1997: 212), wie Dittmar das hierarchisch zu verstehende Verhältnis der beiden Begriffe zueinander beschreibt.

Die Unterscheidung zwischen Varietät und Register geht auf Michael Halli-day (1978) zurück, und betrifft – ähnlich wie in seiner Abgrenzung zum Stilbe-griff – den Perspektivenwechsel von der Sprecher- zur Handlungs- und Situa-tionsorientierung. Halliday definiert Varietäten als das, „what a person speaks, determined by who he is“, Register dagegen als „what a person is speaking, determined by what he is doing at the time“ (Halliday 1978: 110). Varietätenbe-stimmungen beschreiben demnach den sprachlichen Habitus des Sprechers, das Registerkonzept umfasst dagegen den temporären Sprachgebrauch in einer bestimmten Situation/Aktivität (vgl. auch Veith 2002: 14).

Wenn auch Halliday in der Konzeption des Registerbegriffs den Einfluss der Situation und des ganzen Handlungszusammenhangs bei der Wahl der sprach-lichen Mittel betont, so bleibt der Registerbegriff ebenso wie das Konzept der

Varietät „grundsätzlich sprach-strukturell geprägt“90 (Linke 2010: 258) und hat zum Ziel „die mit bestimmten Situationen korrelierenden sprachlichen Charak-teristika in Form einer von konkreten Situationen ablösbaren Variationssystema-tik zu beschreiben.“ (Linke 2010: 258, Hervorhebung im Original) Die Ord-nungsdimensionen sind im Registerkonzept jedoch viel enger und konkreter gefasst als im Varietätenbegriff. Während die Form von Varietäten nicht nur situativ beeinflusst wird, sondern in ihrer Konstituierung andere soziale Fakto-ren wie regionale Herkunft, soziale Rolle, soziale Schicht u.a. bedeutsam sind, sieht Halliday Register durch die Parameter „field“ (diskursives Sprachge-brauchsfeld – was die Interaktanten tun), „tenor“ (Diskursstil – wie die Interak-tanten zueinander stehen) und „mode“ (Diskursmodus – Rolle der Sprache in der Interaktion) begründet (Halliday 1978: 33). Die Register entstehen durch das Zusammenspiel der verschiedenen Parameter des sprachlichen Handelns, wie der Gegebenheiten der Kommunikationssituation oder der verhandelten The-men, in Kombination mit nonverbaler Kommunikation (vgl. Halliday 1978: 33;

Veith 2002: 14).

Bei gleichbleibenden Parametern können Register anhand von Merkmallis-ten konturiert werden, sind dabei jedoch nicht als stabile, abgrenzbare sprach-liche Subsysteme zu verstehen, sondern haben transitorischen Charakter (vgl.

Veith 2002: 14 und 215). Das Registerkonzept ist damit auf das Sprachverhalten des Individuums und seine situationsbedingte Varianz bezogen (vgl. Fiehler 2004: 149). Bernd Spillner fasst zusammen:

Obviously, the speaker of a language has at his disposal different registers within his lan-guage with which he is able to adapt himself – largely unconsciously – to the respective conditions of a situation precisely by the selection of the suitable register. (Spillner 1987:

281)

Besonders in lexikographischen und grammatisch orientierten Arbeiten der Jugendsprach-forschung wird das Registerkonzept herangezogen und mit der Annahme jugendtypischer Sprachstile kombiniert. Dies zeigt sich etwa in fol-gender Formulierung von Schlobinski/Heins (1998: 15): „Das Phänomen

‚Ju-|| 90 Die Orientierung an Lexik und Grammatik findet sich bereits in den Ausführungen

Halli-days (1978: 111): „[T]he register is recognizable as a particular selction of words and struc-tures“, wobei Halliday allerdings die semantische Ebene mitbetont, indem er schreibt: “A register can be defined as the configuration of semantic resources that the member of a culture typically associates with a situation type. It is the meaning potential that is accessible in a given social context.” (Halliday 1978: 111) Folgende Zusammenfassung findet sich bei Dittmar (2004: 217): „Register sind nach Halliday semantisch und grammatisch definierte Varietäten differenziert nach situativen Kontexten.“

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gendsprache‘ wird seit Ende der achtziger Jahre als Ensemble jugendlicher Sprachregister und -stile begriffen, das sozial, kulturell und situativ verortet ist“. In der Beschreibung jugendlichen Sprachgebrauchs unter Einbezug der dialektalen Komponente, wie dies etwa Erika Werlen in ihrem Projekt zum Sprachgebrauch Schweizer Jugendlicher91 vornimmt, scheint sich das Register-konzept als besonders fruchtbar zu erweisen. Werlen sieht in ihrer Definition Jugendsprache als komplexes sprachliches Register, „das sich durch spezifische Züge von anderen Registern oder Sprechstilen unterscheidet“. (Werlen 2002: 78) Mit dem Argument der soziokulturellen Dimension der Kategorie Alter lehnt sie die Einstufung von Jugendsprachen als eigenständige Varietät ab, ist aber auch mit der Verwendung des Stilbegriffs für die Beschreibung altersbedingter Sprachvariation unzufrieden. Sie führe zu

unterschiedlichen Beschreibungsansätzen, die vielfach auf die Lexik der Jugendsprache abheben und darin das Spezifische der Jugendsprache sehen […]. Das Spezifische besteht jedoch in mehr als der ‚jugendsprachlichen‘ Lexik, in Wörtern wie etwa dem berühmten

‚affengeil‘, sondern in der spezifischen Art der Form-Funktions-Beziehung, in der spezifi-schen Art, wie ausgewählte Einheiten des Sprachsstems – der Lexik und der Grammatik – und ausgewählte Regularitäten – wie Syntax und Wortbildung – behandelt werden. (Wer-len 2002: 78)

Ist das Konzept des Registers geprägt durch die Handlungs- und Situationsori-entierung und das Verhältnis der Sprecher/-innen zueinander, so ist in der wis-senschaftlichen Beschreibung von Sprechergruppen mit gleichbleibendem situationalem Kontext und Vertrautheitsgrad der Sprecher/-innen zueinander, wie sie hier vorgenommen wird, durchaus die Annahme eines zugrundeliegen-den (dialektgeprägten) Registers gerechtfertigt, das durch gruppenspezifische Stilmerkmale der einzelnen Peergroups angereichert wird.

Aufbauend auf die eben vorgenommene Darlegung der grundlegenden Be-griffe der Jugend-sprachforschung im Allgemeinen stellt sich daher die Frage, wie spontane Freizeit-kommunikation der Jugendlichen in Osttirol im Speziel-len theoretisch gefasst werden kann. Dafür werden im folgenden Abschnitt (Kapitel 3.1.3) Spezifika des Variationsspektrums in Osttirol zusammengefasst und die den jugendlichen Proband/-innen zur Verfügung stehenden kommuni-kativen Ressourcen beleuchtet. Im Fazit (Kapitel 3.1.4.) werden die

Überlegun-|| 91 Nähere Informationen zu diesem durch den SNF geförderten, bereits abgeschlossenen

Forschungsprojekt finden sich online unter:

http://www.zhaw.ch/fileadmin/php_includes/popup/projekt-detail.php?projektnr=346 (19.09.2010).

gen zu einer Definition der zugrundeliegenden Begrifflichkeiten zusammenge-führt.