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Fazit: Beschreibung syntaktischer Phänomene gesprochener Sprache Aus den Ausführungen der letzten Unterkapitel lassen sich abschließend

Vorgehensweise und Charakterisierung der diskursiven Daten

3.2 Sprachvariation und gesprochene Sprache

3.2.3 Fazit: Beschreibung syntaktischer Phänomene gesprochener Sprache Aus den Ausführungen der letzten Unterkapitel lassen sich abschließend

mangelnde Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse aus den (sehr detaillierten) Einzelstudien geübt (vgl. Weigand 1992: 57).155 Auch Weber/Becker-Mrotzek (vgl. 2012: 5) merken an, dass die Identifikation von rekurrenten Mustern im Verlauf des sprachlichen Handelns im Rahmen einer funktional-pragmatischen Analyse eher der qualitativ orientierten Generierung von Thesen diene, die anschließend in Korpusanalysen mit umfangreicherer Datenmenge verifiziert werden könnten, und plädieren insgesamt für eine Kombination quantitativer mit (u.a. funktional-pragmatisch orientierten) qualitativen Untersuchungsme-thoden (vgl. Becker-Mrotzek 2012: 8). In diesem Sinne ist auch für die hier vor-liegende Arbeit, die eine erste Bestandsaufnahme zu möglicherweise bestehen-den Unterschiebestehen-den in Bezug auf syntaktische Phänomenbereiche im Sprachgebrauch der jugendlichen im Vergleich zu den erwachsenen Osttiroler/-innen zum Ziel hat, die durchgängige Orientierung an der Funktionalen Prag-matik nicht umsetzbar. Grundlegende Prinzipien der FP wie die am Sprachma-terial ausgerichtete kritische Reflexion verwendeter Kategorien werden jedoch in den Arbeitsprozess eingebunden.

3.2.3 Fazit: Beschreibung syntaktischer Phänomene gesprochener Sprache Aus den Ausführungen der letzten Unterkapitel lassen sich abschließend fol-gende zentrale Prämissen für die hier vorliefol-gende Auseinandersetzung mit syntaktischen Phänomenen gesprochener Sprache in Osttiroler Jugendkommu-nikation zusammenfassen: Das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit wird nicht als binär-gegensätzlich, sondern in einem transmedial-interaktionalen Verständnis von Sprache-in-Interaktion aufgefasst. Damit soll einerseits der Heterogenität medial mündlicher Kommunikation, andererseits aber auch dem Vorkommen konzeptionell mündlicher Phänomene in geschrie-bener Sprache, v.a. in der computervermittelten Kommunikation, Rechnung getragen werden. Eine (ansonsten implizit eingenommene) Defizitperspektive auf computervermittelte Kommunikation als der Mündlichkeit nachgeordnete verbale Interaktion in Form von „Quasi-Gesprächen“ kann damit entgegenge-wirkt werden.

Hinsichtlich der Kommunikationsbedingungen, in denen gesprochene Face-to-Face-Kommunikation stattfindet, sind folgende Faktoren als zentral anzusehen:

|| 155 Zu weiteren Kritikpunkten auch aus der Unterrichtsforschung bzw. aus didaktischer

Perspektive vgl. Weber/Becker-Mrotzek (2012: 5).

Reflexivität: verbale, para- und nonverbale Elemente sind in der sprachli-chen Interaktion laufend aufeinander bezogen.

Sequenzialität: Sprache-in-Interaktion wird im zeitlichen Verlauf geäußert.

Äußerungen beziehen sich auf Elemente, die zeitlich vorher geäußert wur-den und sind selbst auch wieder Ausgangspunkt für weitere Äußerungen.

Syntaktische Phänomene müssen daher im Sinne einer „On line-Syntax“

(Auer 2000) erfasst werden.

Joint Construction: Sowohl Bedeutung als auch Form von sprachlichen Äu-ßerungen werden in der verbalen Interaktion im Sinne einer Ko-Autorschaft von den Gesprächsteilnehmer/-innen gemeinsam gestaltet und koordiniert.

Durch die reflexive Bezugnahme und das gemeinsame Hervorbringen von Sprache durch die Gesprächsteilnehmer/-innen kann es zur Emergenz (und in weiterer Folge zur Verfestigung156) neuer Konstruktionen kommen.

Kontextgebundenheit: Sprache-in-Interaktion ist situations- und kontextge-bunden. Sprachliche Elemente dienen der Durchführung kommunikativer Aktivitäten und sind ohne Berücksichtigung des (sprachlichen und außer-sprachlichen) Kontexts nicht identifizier- bzw. erklärbar.

In der Frage nach den Grundeinheiten mündlicher Sprache-in-Interaktion ist eine große Bandbreite an Vorschlägen aus sprachwissenschaftlicher Perspekti-ve festzustellen. Diese Vorschläge eint die Annahme, dass syntaktische Be-schreibungen gesprochener Sprache sich nicht ausschließlich an der Kategorie Satz orientieren können – eine Auffassung, die auch in der vorliegenden Unter-suchung verfolgt wird. Als besonders fruchtbar für die grammatiktheoretische Auseinandersetzung mit gesprochener Sprache-in-Interaktion sind Ansätze der Interaktionalen Linguistik, der Konstruktionsgrammatik, aber auch der Funkti-onalen Pragmatik anzusehen. Interaktional-linguistisch orientiert ist die vorlie-gende Arbeit insofern, als versucht wird, in Bezug auf den Faktor Alter relevante grammatische Strukturen zu identifizieren und ihre spezifischen Funktionen innerhalb der verbalen Interaktion zu erfassen. Die Tatsache, dass diese gram-matischen Strukturen auch ko-konstruiert werden können und auf der

Sequen-|| 156 Grammatik wird dementsprechend nicht als festes Set von Regeln und daraus ableitbaren

grammatischen Strukturen verstanden. Vielmehr muss berücksichtigt werden, dass sprachli-che Neuerungen, die in der gesprosprachli-chenen Sprasprachli-che-in-Interaktion in Form von Normabwei-chungen auftreten, selbst zur Norm werden können. Diesen Vorgang bringt Haspelmath (2002:

270) pointiert zum Ausdruck: „Metaphorisch könnte man also sagen: Grammatik ist geronnener Diskurs.“ In diesem Sinne ist auch mit Fokus auf die Standardvarietät(en) der Status von Grammatik zwischen Norm und Usus und die damit verbundene Frage nach Kritierien für die Bewertung sprachlicher „Richtigkeit“ zu beleuchten (vgl. Edler 2009; Ziegler 2010).

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zialität und Reflexivität dialogischer Face-to-Face-Kommunikation basieren, wird dabei berücksichtigt. In der Frage nach den Grundeinheiten mündlicher Kommunikation wird zunächst vom konversationsanalytischen Konzept des Turns (Gesprächsbeitrags) ausgegangen. Er wird als fundamentale Einheit im Gespräch angenommen – anhand welcher Kriterien ein Turn in weitere Einhei-ten unterteilt werden kann, wird in Kapitel 3.3. näher zu beleuchEinhei-ten sein. Der aus interaktional-linguistisch orientierten Ansätzen hervorgegangenen Beto-nung der zentralen Rolle von Projektionen im Rahmen der Gestaltschließung (vgl. Auer 2010) wird dabei besonderes Augenmerk gelten.

Dass bei der Beschreibung der grammatischen Strukturen im Rahmen der empirischen Analysen in Kapitel 4 nicht-satzförmige Äußerungen nicht als defizitär oder weniger relevant für die Kommunikation erachtet werden, stellt einen Bezugspunkt zu konstruktions-grammatischen Ansätzen dar, die eben-falls für die Abkehr von der Aufteilung in eine Kern- und eine Randgrammatik plädieren. Der Terminus Konstruktion wird in der Beschreibung der grammati-schen Phänomene in vorliegender Untersuchung v.a. verwendet, um sich von der skriptizistisch vorbelasteten Kategorie Satz lösen zu können. Nicht-satzförmige Äußerungen wie z.B. Diskursmarker oder elliptische Strukturen werden als interaktiv eigenständige, ganzheitliche Elemente aufgefasst. Diese grammatiktheoretische Annäherung an die spezifischen Bedingungen mündli-cher Kommunikation deckt sich im Grunde auch mit dem oben beschriebenen Konzept der sprachlichen Prozeduren der Funktionalen Pragmatik. Reizvoll ist der funktional-pragmatische Ansatz auch insofern, als er verbale (und auch para- bzw. nonverbale) Elemente konsequent als Teil sprachlichen Handelns betrachtet. Sätze werden als Kombinationen sprachlicher Prozeduren beschrie-ben und somit nur als eine Möglichkeit sprachlicher Interaktion unter vielen.

Auch – aus normgrammatischer Perspektive – „kleinere“ Elemente wie Dis-kursmarker, Interjektionen oder Ein-Wort-Äußerungen gelten als eigenständige Einheiten im sprachlichen Handeln. Mit dem Konzept der Möglichkeit von Feld-transpositionen wird die Polyfunktionalität sprachlicher Elemente fassbar, Grammatikalisierungsprozesse können erklärt werden. Auch wenn im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine detaillierten funktional-pragmatischen Analysen geleistet werden können, so sollte doch gezeigt werden, dass in der Kategorie der sprachlichen Prozedur als elementares Element verbaler Interaktion daher ein interessanter Ansatz besteht, der im Rahmen grammatiktheoretischer Aus-einandersetzungen mit gesprochener Sprache-in-Interaktion noch stärker ak-zentuiert werden könnte.

Mit der Frage nach den Grundeinheiten gesprochener Sprache geht die Fra-ge nach der Segmentierung diskursiver Daten und ihrer Annotation und – damit

zusammenhängend – der Rolle der Prosodie in der Herausbildung kommunika-tiver Einheiten in der verbalen Interaktion einher. Diesen Aspekten der Analyse gesprochener Sprache widmet sich das folgende Kapitel.