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W e n n und sofern sich soziale Schichten und Gruppen voneinander segregieren, m u ß dies auch an ihrer intergenerationellen Reproduktion erkennbar sein. W e n n und sofern die oben g e w ä h l t e Schichtungsvariable sinnvoll ist, m u ß sie auch ein Muster für die intergenerationelle Reproduktion sozialer Gruppen sein.

A u f Basis der „ S D 8 7 " sind Aussagen ü b e r die soziale Schichtung der Elterngeneration allerdings nicht m ö g l i c h . E s fehlt die Frage nach der beruflichen Stellung der Eltern. A b e r es wurde nach dem Ausbildungsabschluß der Eltern gefragt (und zwar mit der gleichen Skalierung wie die Frage nach dem A u s b i l d u n g s a b s c h l u ß der Probanden). Zusätzliche Informationen liefert die Frage, ob Vater oder Mutter M i t g l i e d der gleichen Partei waren, den gleichen Beruf hatten etc. A l s o sind doch Aussagen zur intergenerationellen Reproduktion sozialer Gruppen m ö g l i c h . W e i l die berufliche Stellung der Eltern nicht bekannt ist, beziehen, sich die folgenden Analysen aber nicht nur auf Berufstätige, sondern auf alle Probanden der „ S D 8 7 " .

Wesentliche Untersuchungsergebnisse aus der „ S D 8 7 " werden in den Tabellen 14 und 15 vorgestellt. In historische Z u s a m m e n h ä n g e eingeordnet folgt daraus: V o r allem i n der Nachkriegs-zeit sowie in den 50er und 60er Jahren war die Sozialstruktur der S B Z b z w . der D D R durch gravierende B r ü c h e und tiefgehende Wandlungen geprägt. D e n veränderten Macht und E i g e n -t u m s v e r h ä l -t n i s s e n en-tsprechend wurden die Schlüsselposi-tionen in S-taa-t und Wir-tschaf-t neu besetzt. D i e soziale und r ä u m l i c h e Mobilität der B e v ö l k e r u n g war damals - g e g e n ü b e r den 70er und 80er Jahren - vergleichsweise hoch. A b e r selbst 1987 - kurz vor dem Ende der D D R - reproduzierte sich die Gruppe der H o c h - und Fachschulabsolventen mehrheitlich nicht aus den eigenen Reihen.

Derartig i m m o b i l , wie manchmal angenommen wird, war die DDR-Gesellschaft also nicht.

E i n e wichtige R o l l e spielten vor allem in den 50er und 60er Jahren der Erwerb einer positions-g e m ä ß e n fachlichen Qualifikation sowie die Heranbildunpositions-g einer neuen, wie es hieß, „sozialisti-schen" Intelligenz. D i e „ R e p r o d u k t i o n der Intelligenz aus allen Klassen und Schichten des w e r k t ä t i g e n V o l k e s " war ein erklärtes Z i e l der Sozial- und Bildungspolitik. Diese Zielsetzung diente nicht allein der ideologischen Legitimation, sondern auch und wohl vor allem der Erhaltung und Festigung der „sozialistischen Macht- und E i g e n t u m s v e r h ä l t n i s s e " .

D i e Hochschulabsolventen (künftig auch als „Intelligenz" bezeichnet) hatten sich bis zum Ende der 80er Jahre tatsächlich aus allen B e v ö l k e r u n g s s c h i c h t e n reproduziert. Ihre Eltern hatten mehrheitlich eine Facharbeiter- oder niedrigere Qualifikation. 54,2 Prozent der Hochschulabsol-venten gaben 1987 an, einen Vater zu haben, der Facharbeiter war oder eine niedrigere Qualifikation b e s a ß (der entsprechende Mütteranteil betrug 89,9 Prozent). D e m g e g e n ü b e r hatten nur 15,0 Prozent der Hochschulabsolventen einen Vater mit gleicher Qualifikationsstufe (in bezug auf die M ü t t e r : 2,8 Prozent) - bei einem A n t e i l von 7,6 Prozent am Sample der Untersuchung. 23,1 Prozent der befragten Fachschulabsolventen - bei einem A n t e i l von 15,5 Prozent am Sample der Untersuchung - hatten einen Vater mit H o c h - oder F a c h s c h u l a b s c h l u ß (in bezug auf die Mütter: 8,3 Prozent).

D a ß die Differenz zum Qualifikationsniveau der M ü t t e r so groß gewesen ist, erklärt sich weniger aus einer geringen Mütter-Orientiertheit als vielmehr aus dem niedrigen Qualifikationsniveau der M ü t t e r und der Frauen-Rolle in früherer Zeit. U m so wichtiger ist, d a ß auch in bezug auf die V ä t e r weitgehend eine Fremdreproduktion der Intelligenz stattgefunden hat.

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Tabelle 14: Intergenerationelle Mobilität und berufliche Bildung

Berufliche Bildung des/der Befragten Berufliche Bildung der Mutter

Hoch- Fach- Meister Fach- Teilfach- Ohne schule schule arbeiter arbeiter

Aus-bildung in Zeilenprozent

Hochschule 3 7 1 46 4 40

Fachschule •1 7 1 46 4 42

Meister 1 0 1 39 5 54

Facharbeiter 1 2 1 47 4 45

Teilfacharbeiter 0 1 1 34 11 53

Ohne Ausbildung 1 1 0 14 1 82

Berufliche Bildung des/der Befragten Berufliche Bildung des Vaters

Hoch- Fach- Meister Fach- Teilfach- Ohne schule schule arbeiter arbeiter

Aus-bildung in Zeilenprozent

Hochschule 15 13 18 44 1 9

Fachschule 10 13 20 44 1 11

Meister 1 5 19 50 3 21

Facharbeiter 2 7 14 58 2 17

Teilfacharbeiter 1 4 8 58 8 21

Ohne Ausbildung 2 1 12 31 2 53

Datenbasis: SD 87

Mindestens ebenso bedeutsam ist jedoch, daß sich die Intelligenz am Ende der 80er Jahre ü b e r p r o p o r t i o n a l aus den eigenen Reihen reproduzierte. E s handelt sich dabei einerseits u m eine Beibehaltung früherer Reproduktionsmechanismen, andererseits u m deren a l l m ä h l i c h e Wieder-kehr. K i n d e r von A n g e h ö r i g e n der Intelligenz hatten in allen Phasen der D D R - G e s c h i c h t e g ü n s t i g e r e Voraussetzungen zur Herausbildung entsprechender W ü n s c h e und Werte als Arbeiter-und Bauernkinder. A u f der anderen Seite bestand die Oberschicht der D D R zunehmend aus sozial Aufgestiegenen, deren Interessenlage sich sukzessive veränderte: das Studium der eigenen K i n d e r wurde nun zur N o r m .

W i e i n den Jahresringen eines Baumes w i r d in den Altersgruppen die Geschichte der D D R abgebildet. D i e vor 1922 geborenen H o c h - und Fachschulabsolventen mit einem S t u d i e n a b s c h l u ß stammten ü b e r p r o p o r t i o n a l häufig aus der „alten" Intelligenz. Der frühere Reproduktionsmechanis-mus war noch weithin wirksam. M i t dem gesellschaftlichen Umbruch auf dem Boden der D D R und dem nun propagierten und auch praktizierten Studium von Arbeiter- und Bauernkindern sowie von Frauen wurde dieser Mechanismus zwar nicht ganz, aber teilweise a u ß e r Kraft gesetzt. M i t Herausbildung einer „ n e u e n " Intelligenz jedoch reproduzierte sich diese in wachsendem M a ß e aus den eigenen Reihen. In überdurchschnittlich starkem M a ß e wuchs dabei der A n t e i l der Mütter mit einem abgeschlossenen H o c h - oder Fachschulstudium.

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Tabelle 15: Intergenerationelle Mobilität und berufliche Bildung von Fach- und Hochschulabsolventen nach Altersgruppen

Alte rsqruppen Hoch-oder Fachschulabs chluß

Befragte mit Hoch-/ Fachschulabschluß der Mutter des Vaters

in Zeilenprozent

> 65 Jahre 2 13

6 0 - 6 4 Jahre 3 25

55-59 Jahre 7 18

5 0 - 5 4 Jahre 5 11

4 5 - 4 9 Jahre 5 20

4 0 - 4 4 Jahre 8 32

35-39 Jahre 9 29

3 0 - 3 4 Jahre 11 31

25-29 Jahre 14 36

18-24 Jahre 24 39

Datenbasis: S D 8 7

D a ß sich die Qualifikationsgruppen überproportional häufig aus sich selbst reproduzierten, gilt insgesamt als auch bei bemerkenswerten Differenzierungen für a u s g e w ä h l t e B e v ö l k e r u n g s g r u p -pen. D i e Wahrscheinlichkeit, die gleiche Qualifikation wie der Vater erworben zu haben, war i m Falle der Frauen noch h ö h e r als i m Falle der M ä n n e r . Entgegen plausibel erscheinenden Annahmen war die Tendenz zur „ E i g e n r e p r o d u k t i o n der Intelligenz" bei N i c h t - S E D - M i t g l i e d e r n stärker a u s g e p r ä g t als bei S E D - M i t g l i e d e r n . Vergleichsweise hoch war die Eigenreproduktion der Intelli-genz auch i m tertiären Sektor der Wirtschaft, darunter besonders i m Gesundheitswesen (allerdings bei kleiner F a l l - Z a h l in der „ S D 8 7 " ) - also in den traditionellen Tätigkeitsbereichen der Intelligenz.

E s gibt auch einen deutlichen Zusammenhang zwischen dem T y p des Geburtsortes3 2 und der Eigen-Reproduktionsquote der Intelligenz. W ä h r e n d sich die in den Großstädten geborenen Hochschul-absolventen zu 22,2 Prozent aus den eigenen Reihen reproduzierten (39,9 Prozent bei H o c h - und Fachschulabsolventen), betrug die Reproduktionsquote bei den in Dörfern Geborenen nur 6,2 Prozent (bzw. 17,3 Prozent). Damit w i r d abermals bestätigt, d a ß die früheren Reproduktionsmecha-nismen der Intelligenz Ende der 80er noch bzw. wieder am stärksten bei den traditionellen Gruppen der Intelligenz wirksam waren.

D i e naheliegende Vermutung, d a ß die Tendenz zur Eigenreproduktion der Intelligenz zugenom-men hatte, bestätigt sich aber nicht. Im Gegenteil. W e n n wir annehzugenom-men, d a ß die Eltern der 18- bis unter 2 5 j ä h r i g e n inzwischen in die Altersgruppe der 45- unter 50jährigen aufgerückt waren und die Eltern der 40- bis unter 4 5 j ä h r i g e n in die Gruppe der ü b e r 65 jährigen, hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Eigenreproduktion der Intelligenz eher a b g e s c h w ä c h t als verstärkt (Tabelle 16). Es war zwar der A n t e i l der Hochschulabsoventen gewachsen, deren Vater bzw. Mutter ebenfalls ein Hochschul-studium absolviert hatten, noch schneller hatte sich jedoch der A n t e i l der Hochschulabsolventen an der jeweiligen Altersgruppe vergrößert; demzufolge hatte sich die Tendenz zur ü b e r p r o p o r t i o n a l e n Reproduktion der Intelligenz leicht a b g e s c h w ä c h t . W e i l die gezielte Gewinnung von „Arbeiter- und

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Tabelle 16: Intergeneratloneller Vergleich der beruflichen Bildung von Fach- und Hochschulabsolven-ten nach Altersgruppen

Fiktive Kindergeneration Fiktive Elternqeneration

Altersgruppen Hoch-oder Fachschul- Alters- Anteil Hoch-und

abschluß gruppen Fachschulabsolventen

Befragte mit Hoch-/ der Mutter des Vaters Insgesamt Männlich

Fachschulabschluß

in Prozent in Prozent

> 65 Jahre 2 13

6 0 - 6 4 Jahre 3 25

55-59 Jahre 7 18

50-54 Jahre 5 11

45-49 Jahre 5 20

4 0 - 4 4 Jahre 8 32 > 65 Jahre 22 32

35-39 Jahre 9 29 60-64 Jahre 19 28

30-34Jahre 11 31 55-59 Jahre 27 36

25-29 Jahre 14 36 50-54 Jahre 33 38

18-24 Jahre 24 39 45-49 Jahre 34 31

Datenbasis: SD 87

Bauernkindern" für ein H o c h - oder Fachschulstudium in den 70er und 80er Jahren so gut wie keine R o l l e spielte, ist anzunehmen, d a ß die Attraktivität eines H o c h - oder Fachschulstudiums eher i m Sinken als i m Steigen begriffen war.

U m so wichtiger ist die Frage, ob ein enger Zusammenhang zwischen Le/Yerposition und intergenerationeller Reproduktion hergestellt werden kann. Hilfreich ist dabei insbesondere die Frage nach der Beziehung zwischen Leiterposition bzw. Parteimitgliedschaft von Probanden und deren Eltern.

D i e Analyseergebnisse scheinen die formulierte Annahme nicht nur zu bestätigen; die Eigenre-produktion der Leitergruppe scheint vielmehr noch stärker als die der Intelligenz a u s g e p r ä g t gewesen zu sein.

W ä h r e n d der A n t e i l der Nicht-Rentner mit Mitgliedschaft i n einer Partei 29 Prozent (23,8 Prozent S E D , 5 Prozent andere Partei) ausmachte, waren 64 Prozent der Leiter M i t g l i e d einer Partei (53,3 Prozent S E D , 10,7 Prozent andere Partei) (Tabelle 17). 9 Prozent aller Probanden (Nicht-Rentner) waren 1987 i n der gleichen Partei wie der Vater, dagegen 20 Prozent aller Leiter. 11 Prozent aller Probanden unter 35 Jahren waren in der gleichen Partei wie der Vater, dagegen 34 Prozent aller Leiter.

W ä h r e n d die Eigenreproduktion der Intelligenz in den 80er Jahren eher zu gering a u s g e p r ä g t war, war die Tendenz zur Eigenreproduktion der F ü h r u n g s s c h i c h t also u m so stärker. B e d e n k l i c h ist daran insbesondere, d a ß es sich hierbei u m eine Weitergabe von Machtpositionen handelte.

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Tabelle 17: Intergenerationeller Vergleich der Mitgliedschaft von Personen in Leitungsfunktionen

Altersgruppen Mitgliedschaft in derselben Partei wie der Vater

BenagtjMjiit Hoch-/ Fachschulabschluß in Prozent

55-64 Jahre 10

45 - 54 Jahre 13

3 5 - 4 4 Jahre 26

< 35 Jahre 34

Insgesamt 20

Datenbasis: S D 8 7

N o c h a u s g e p r ä g t e r als die Tendenz zur Eigenreproduktion der Intelligenz war die Tendenz zur Eigenreproduktion der Ungelernten (bei einem zwar nicht in der offiziellen Statistik, w o h l aber i n zahlreichen soziologischen Untersuchungen ermittelten A n t e i l von etwa 10 Prozent an der erwach-senen B e v ö l k e r u n g und einem etwa 6-Prozent-Anteil an der berufstätigen B e v ö l k e r u n g3 3) . Das ist einerseits ein Produkt der geringen intergenerationellen Aufstiegsmobilität der Ungelernten und andererseits der geringen Wahrscheinlichkeit des intergenerationellen Abstiegs der Höherqualifi-zierten i n die Gruppe der Ungelernten.

Insofern waren die Ungelernten die „stabilste", w e i l am meisten immobile „Qualifikationsgrup-pe" in der D D R . Das gilt vor allem für M ä n n e r ohne erworbenen A u s b i l d u n g s a b s c h l u ß . Demgegen-ü b e r war die A u f s t i e g s m o b i l i t ä t aus der Population der Frauen ohne erworbenen Ausbildungsab-s c h l u ß noch v e r h ä l t n i Ausbildungsab-s m ä ß i g hoch. W ä h r e n d der A n t e i l der Ungelernten an der V ä t e r g e n e r a t i o n 19,1 Prozent betrug, hatte sich der A n t e i l der ungelernten M ä n n e r an der Gesamtzahl der M ä n n e r in der Generation der K i n d e r (der SD87-Probanden) auf 4,1 Prozent verringert; die entsprechenden Prozentwerte für Frauen lauten: 48,1 und 14,3 Prozent.

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