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2.2 Das Arbeitsbündnis

2.2.2 Im Arbeitsbündnis: Im-Gespräch-Sein

In der Sozialen Arbeit geht es immer um ein Handeln, das auf das Verhalten anderer be-zogen ist (soziales Handeln), wobei die kommunikative Verständigung als der Austausch von Informationen und Gedanken durch sprachliche und/oder nicht sprachliche Mittel (z. B. Körpersprache, Gestik) die Grundlage bildet. Paul Watzlawick, Janet Beavin und Don Jackson nennen diesen Prozess „Manifestationen menschlicher Beziehungen“ (sie verwenden die Begriffe Kommunikation und Verhalten nahezu gleichbedeutend): Da-nach ist jedes Verhalten Kommunikation, was umgekehrt (reziprok) bedeutet, dass jede Kommunikation das Verhalten beeinflusst. Damit fokussieren sie ihre weitergehenden Betrachtungen auf die „zwischenmenschliche Sender-Empfänger-Beziehung auf der Ba-sis der Kommunikation“ (Watzlawick; Beavin; Jackson, 1974, S. 22 f., Herv. i. O.). Dieser

„wechselseitige Ablauf von Mitteilungen zwischen zwei oder mehreren Personen wird als Interaktion bezeichnet“ (Watzlawick; Beavin; Jackson, 1974, S. 50 f.).

Kommunikation ist an Wahrnehmen (z. B. von Körpersprache, Gestik und Mimik), Deu-ten (unter Berücksichtigung von Erfahrungen, Einstellungen und Vorstellungen), Bewer-ten (Annahme oder Ablehnung aufgrund eigenen Wissens oder Wertvorstellungen) und digitales bzw. analoges Rückmelden (als Prozess der Verständigung) gebunden. Damit ist zugleich immer auch eine Möglichkeit für Störungen in der Kommunikation (Rauschen) gegeben. Quellen des „Rauschens“ sind z. B. Filter (bzw. ein Tabu), wenn bestimmte The-men (etwa Gewalterfahrungen, Sexualität) nicht zur Sprache gebracht werden, oder Asymmetrie bzw. Expertokratie, d. h. Belehrungen, Besserwissen und Ratschläge, die ge-geben werden und den Gesprächspartner wissen lassen, dass er etwas noch nicht oder nicht so gut weiß.

Für das Gelingen von Handeln und Kooperation ist der Grad störungsarmer Kommuni-kation relevant. Gesprächsführung stellt damit den Versuch dar, KommuniKommuni-kation so zu gestalten, dass die Anlässe erhellt, Sichtweisen ergänzt und Handlungsmöglichkeiten in der Bewältigung des Alltags erschlossen werden können. Die (anlassgerechte) Ge-sprächsführung stellt sozusagen ein Universalverfahren für die Soziale Arbeit dar. Sie ist mit fünf Bedingungen verbunden, damit im Dialog Vertrauen zwischen Adressaten und Fachkräften aufgebaut und Verstehen ermöglicht werden kann (vgl. dazu insg. Bang, 1968, S. 122–127; Rogers, 1972a, S. 34–70):

Kongruenz (Echtheit bzw. Authentizität) bedeutet, dass Fachkräfte mit ihren Gefüh-len, Stärken und Schwächen im Gespräch erkennbar sind und sich nicht hinter einer professionellen Fassade verstecken. Es zählt, dass das, was sie Adressaten gegenüber fühlen, nicht im Widerspruch zu dem steht, was sie zu ihnen sagen; d. h., es wird im Gespräch kein Theaterspiel aufgeführt (das Interesse und Verständnis nur vor-täuscht), und es regiert keine „Gesprächstaktik“ (es sind keine steuernden „Hinterge-danken“ im Spiel). Durch die Art und Weise, wie sie eigene Empfindungen zeigen und aussprechen, wird die Basis für eine tragfähige Beziehung zwischen ihnen und den Adressaten geschaffen.

Wertschätzung (bedingungsfreie, vollständige Akzeptanz und Aufmerksamkeit) be-deutet, dass Fachkräfte die Adressaten in ihrem „So-Sein“ akzeptieren und ihnen po-sitiv zugewandt sind. Dazu gehören das Interesse an der Meinung des anderen und die Bereitschaft, sich um die Anliegen und Notlagen des anderen zu kümmern, d. h., ihn unabhängig von eigenen Bewertungen zu schätzen.

Empathie (präzises, einfühlendes Verstehen) bedeutet, dass die Fachkräfte die Situa-tion und die Gefühle der Adressaten nachfühlen und mitteilen können, ohne zu ver-Zur Ausgestaltung jeder Sender-Empfänger-Beziehung formulieren Paul Watzla-wick, Janet Beavin und Don Jackson fünf Grundsätze, sog. Axiome: Lesen Sie bitte im Lehrbuch „Methoden der Sozialen Arbeit“ auf S. 80 ff., um welche Grundsätze es sich handelt.

Zu einzelnen Aspekten des Rauschens lesen Sie bitte im Lehrbuch „Methoden der So-zialen Arbeit“ S. 83–85.

Akzeptanz und Empathie meinen keineswegs, alles hinzunehmen oder nachgiebig zu sein; es handelt sich um ein Angebot, sich auf den anderen einzulassen, dessen Sichtweisen zunächst zu respektieren, ohne damit übereinzustimmen oder gutzuhei-ßen, was gesagt wird, aber doch zu versuchen, die Darstellung als eine denkbare an-zusehen. Verstehen heißt dann, sich hineindenken und den Standpunkt des Adressa-ten gedanklich nachvollziehen zu können.

• Das Verstehen wird durch Aktives Zuhören unterstützt (vgl. Weinberger; Lindner, 2011, S. 43 ff.), z. B. durch gezieltes Nachfragen. Die Frage, was genau geschehen ist, regt einerseits die Schilderung der Adressaten an und hilft andererseits zu verstehen, was geschehen ist und wie das Geschehene erlebt wurde. Fachkräfte müssen alle Kommunikationskanäle nutzen, d. h., sie müssen auch auf die Körpersprache, Gestik und Mimik bzw. den Tonfall bei sich selbst und bei den Adressaten (und nicht nur das Gesagte) achten, Blickkontakt halten und das Gespräch (z. B. durch Kopfnicken, kurze bestätigende Äußerungen) aktiv unterstützen. Intensives Zuhören ist eine zen-trale Voraussetzung, um überhaupt verstehen zu können, worum es den Adressaten geht. Erfahrene Fachkräfte sprechen sogar von einer „therapeutischen Wirkung des Zuhörens“, machen doch Adressaten der Sozialen Arbeit nicht selten die Erfahrung, dass ihnen bisher kaum jemand zugehört hat (vgl. auch Weisbach; Eber-Görtz; Eh-resmann, 1979). Anweisungen oder Verhaltensratschläge (auch Aufforderungen, zü-gig zu antworten oder zum Punkt zu kommen) unterbleiben. Fachkräfte müssen Ge-duld entwickeln, die Adressaten aussprechen lassen, sich vergewissern, sie inhaltlich und emotional verstanden zu haben, Unklarheiten durch Nachfragen klären, auch gestisch, mimisch oder in der Körperhaltung ausgedrückte Gefühle wahrnehmen und sowohl durch eigene verbale Rückmeldungen als auch durch die eigene Gestik, Mimik und Körperhaltung zu verstehen geben, dass das Erleben nachgefühlt wird.

Dabei kommt dem ersten (persönlichen) Kontakt zwischen einem Adressaten und der Fachkraft eine ganz wesentliche Bedeutung zu. Dieser erste Kontakt wird den weiteren Arbeitsprozess nicht vorwegnehmen, aber doch maßgeblich mitbestimmen, ob über-haupt und wie sich die Arbeitsbeziehung bzw. das Arbeitsbündnis zwischen beiden ent-wickeln wird und ob es zu einem „guten menschlichen Kontakt“ zwischen Adressaten und Fachkräften kommt. Die Adressaten müssen sich sicher und akzeptiert fühlen, um gesprächsweise Gefühle ausdrücken und in den erlebten Gefühlen ihr spontanes Selbst erkennen und akzeptieren zu können (vgl. Groddeck, 2006, S. 79). Dabei hat sich das für therapeutische Zwecke entwickelte Grundverständnis von personzentrierter Beratung durchgesetzt: sich als Berater zurückzunehmen, auf Anweisungen zu verzichten und frei von Diskussion, Bewertung, Mitleid und Moral zu sein.

Spätere (begünstigende wie behindernde) Veränderungen in der Qualität der Arbeitsbe-ziehung sind damit zwar nicht ausgeschlossen, doch beeinflusst der Grad des im ersten Kontakt entwickelten Vertrauens das Gelingen oder Misslingen von Beratung, Hilfe oder Förderung ganz nachhaltig (vgl. Kähler; Gregusch, 2015).

Daneben gelten bestimmte Gesprächsrahmungen als beziehungs-, vertrauens- und ver-stehensfördernd, z. B. die Vorbereitung eines Gesprächs, die besonderen Bedingungen eines ersten Gesprächs, der Rahmen des Gesprächs (z. B. die Gestaltung des Bespre-chungsraums), die innere Phasierung eines Gesprächs (bestehend aus der Kontaktauf-nahme, der Klärung und der Bilanzierung). Dazu gehören auch die Möglichkeiten einer zur Äußerung ermutigenden und Verstehen ermöglichenden Gesprächsstrukturierung, z. B. Gedanken oder Gefühle in Worte fassen zu lassen, ohne diese zu interpretieren (Ver-balisierung), zu paraphrasieren (d. h. zentrale Punkte des Gehörten zu wiederholen)

oder zu spiegeln (d. h. Körperhaltung, Atmung, Stimme und Gestik der Gesprächspart-ner zu „kopieren“, um so neue Erkenntnisse über sich selbst zu vermitteln). Auch geeig-nete Fragetechniken gehören hierzu.