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I . DER BEFREIUNGSKRIEG

Im Dokument Der Rif-Krieg 1921 - 1926 (Seite 59-74)

Bis 1919 hielten die Spanier lediglich die alten presidios - Melilla (seit

1497 ) , die Insel Nukur(seit 1673) ,Bädis(seit1564) und Ceuta (seit1415 ) -sowie jeweils das Hinterland von Melilla (die Qal'iya-Halbinsel seit 1912) und Ceuta (seit1913 ) ,die Lukus -Ebene ( 'Asilä /Larache/ al -Qasr al -Kabir seit

1911) und einen Korridor , der Tetouan mit der Lukus -Ebene verband (seit

1916 ) , besetzt. Die spanischenBemühungen ,den entscheidenden Schritt zur Okkupationdes zentralenRif vom Meeraus über dieal -Husayma-Bucht und westlichvonMelillaüber die Überquerungdes FlussesKert zu unternehmen , waren bishergescheitert .

Die einseitige Konzentration auf eine geringe Anzahl von Einflußreichen bei gleichzeitiger Vernachlässigung des Volkes mit all dessen Bedürfnissen und die nicht eingelösten Protektoratsbedingungen, das Land wirtschaftlich und infrastrukturell zuerneuern , mußten zwangsläufig zum Widerstand der Bevölkerungführen.Folglichwar es derDruckder Bevölkerung ,der letztlich die Kollaborateure zur Aufgabe ihres Einsatzes für die spanischen Belange zwang.

Mit der Abkehr der Hattäbis war im Osten die Kooperation nahezu stag¬

niert; zudem kündigte Raysüni im Westen den Spaniern seine Zusammen¬

arbeit auf,nachdemer alsGouverneurder Gibäla abgesetztund durch seinen Widersacher Idris ar -Rifi ersetztwurde.144

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verlangten die Franzosen von Spanien, daßes seine Zone endlich befriedensollte , worauf sich die Spanier gezwungensahen , militärisch in die Offensivezu gehen .Mitder Ernennung Berenguers zum Oberkommandierenden des Protektorats und der erneuten

144 Die Hattäbisstellten ihren Dienstfür die Spanier offiziell am21 .Februar 1919 ein

und Raysüni zogsich am 22 .Februar 1919 zurück .EinZusammenhang zwischen den

beiden Rückzügen besteht zwar nichtdirekt ,zumalsich die wichtigsten Persönlich¬

keitendes Ostensund des Westens geradezu ignorierten;siebeugten sich aber

schließlich beide dem zunehmenden Druckdes Volkes . Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O .,

S . 48 ;Daoud,Abdelkrim, a .a .O . , S . 90 ;Penneil ,Country , a .a .O ., S . 63.

Ernennung Silvestres zum Kommandierenden der Melilla-Region übernah¬

men zwei Militärs die Verantwortung , die Verfechter einer ausschließlich militärischen Okkupationwaren.145

1. Organisierter Widerstand 1920/21

Von Anfang 1919 bis Mitte 1921 unternahmen die Spanier mehrere mili¬

tärische Aktionen im Westen und konnten einige Erfolge verbuchen , zu denen dieEinnahme Chaouensgehörte.

Raysüni war angesichts des großen Truppenaufgebots nicht imstande, wirksamen Widerstandzu leisten , und riefdie Rifisum Hilfe . Dort bemühte sich Sidi Hamidü vom Wazzäniyya -Orden aus Snäda mehrmals , Hilfstrup¬

penfür Raysüni zu organisieren ,die aber mangels Einigkeitunter den Stäm¬

men und wegen fehlender finanzieller Mittel selten zum Einsatz ka¬

men. Raysüni wurde mehr und mehrin das hohe Gebirgeverdrängt , bis er sich schließlich in sein Hauptquartier Tazrut zurückziehen mußte. Im Juli 1921 drohte der spanische Vormarsch , ihn dort zu isolieren und zu unter¬

werfen. 146 Bevor dies jedoch geschah , zeichnete sich im Osten eine unge¬

ahnte Niederlage für die spanischen Truppen unter Silvestre ab . Während Berenguer im Westen zugange war, operierte Silvestre entschlossen im Osten, obwohl er von dem Oberkommandierenden angehaltenwurde, keine riskanten Unternehmungenzu tätigen.147

Im östlichen Rif war durch den Seitenwechsel der Hattäbis noch keine entscheidende Wende im Widerstand gegen Spanieneingetreten , zumal sie sich mehrere Monate in Neutralität übten , bevor sie den Schauplatz betra¬

ten . 148Aber Widerstandhat es nach wie vor gegeben ;insbesonderedie deso¬

latewirtschaftlicheLage infolge schlechterErnten schürteden Haß gegen die

145 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., S . 50 ;Chandler ,Spain, a .a .O . , S . 310 ;Daoud ,

Abdelkrim, a .a .O . , S . 91 ;Penneil ,Responsibility, a .a .O . , S . 80.

146Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., S . 51 ;Chandler ,Spain, a .a .O . , S . 311 ;Penneil ,Country ,

a .a .O ., S . 64 ;Pröbster ,Marokkofrage, a .a .O ., S . 51.

147Vgl .Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 92 ;Pröbster ,Marokkofrage, a .a .O ., S . 51. 148Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S . 56 - 58 ;die Hattäbis waren während dieser Phaseder

Neutralität entschlossen,im Falle einer spanischen Unterwerfung des Rif eher Zu¬

flucht inFranzösisch-Marokkozu suchenalsunter den Spaniernzu leben ; vgl.

Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O . , S .71f.undS . 84.

unbarmherzigeKolonialmacht .'9 Es gab Anfang 1919 die ersten Versuche der Stämme, ihre Opposition zu koordinieren , indem sie beispielsweise die

Aa *^ Strafenwieder erhobenund sie - abgesehenvon Kriminellen - auch auf Kollaborateure und andere Gegner des Widerstandesanwandten .Die haqq-Strafen waren zuvorunter dem Einflußder Spanierund ihrer Kollaborateure abgeschafftworden, um Konfliktein der Gesellschaft hervorzurufenund von Aktionen gegen die Spanier abzulenken . Ihre Wiedereinführung war vor allem in der zunehmenden Einheitbegründet ;aber auch die Bereitstellung der auf diese Weise eingenommenen Strafgelder für den Kampf gegen die Spanier mag ausschlaggebend gewesensein .150

Im Zuge dieses sich in zunehmendem Umfang organisierenden Wider¬

standes sahen sich die Spaniergenötigt , zu handeln .Silvestres militärisches Ziel war die Überquerungdes Kert von der Melilla-Zone her , um in dasHerz des Rif einzudringen , die Stämmeum die al -Husayma -Bucht zu unterwerfen und einen Vormarschin größeren Dimensionenvom Meer aus zu realisieren . Erwurdevon einerTruppe, die sich aus mehrerender zentralenStämme for¬

mierte und den Kertverteidigte , an diesem Vorhaben gehindert . '51Schlie߬

lich umginger die haraka(Truppe), indemer südlichdes Kert aus dem Süd¬

westen derbesetztenMelilla-Region vorrückte .152

Die Erfolge Silvestres versetzten die Rifis in erhöhteAlarmbereitschaft . Die spanischen Truppen schienen nicht weit von der Erschließung des Zu¬

gangs zur Küste entferntzusein .Folglich ergriff'Abd al -Karim , der dieBe¬

drohungfür die Ait Waryigel nunmehr eheraus dem gebirgigen Süden denn von der Küste nahensah ,die Initiative und leitete eine Mobilisierungskam¬

pagne ein . Trotz seiner ersten gescheiterten Versuche, den Widerstand auf breiter Basis zuorganisieren , stieß er nach und nach aufGehör . Seine bis¬

herige Kooperationmit dem Feind schienihm verziehenzusein ,da dieRifis ihm sein früheres Engagement fürden gihäd gegen die Christen unter'Abd

al -Malik wohlwollendanrechneten .153

Währender sich Ende Juni unter den Anfuhrerneiner haraka aus Männern derTemsaman ,der Ait Ulisek ,der Ait Tuzin und der Ait Waryigelbefand,

149SieheKap . II :Das spanische Protektorat; vgl .auchAyache ,Guerre , a .a .O ., S . 53;

Penneil ,Country , a .a .O ., S . 65.

150Vgl .hierzu Pennell ,Responsibilily, a .a .O ., S .76f.

151Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S .53

152Vgl .ders.,Guerre , a .a .O ., S .54f. ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O . , S . 92 ;Pennell ,

Country , a .a .O ., S . 69.

153Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., S .58f. ;Penneil ,Country , a .a .O ., S . 71.

die von Tafarsit aus agieren sollte , waren seine Söhne in Agdir verblieben , um mit einflußreichen Personen der Ait Waryigel und der benachbarten Temsaman über ein Bündnis gegen die Spanier zu verhandeln . 154Während¬

dessen versuchten die Spanier , die Hattäbis zu überreden , die Okkupation zuzulassen und im Gegenzug mit spanischen Mitteln die französische Zone anzugreifen . 155Mitte Juli wurde 'Abd al -Karim plötzlich krank und zog sich in seine Heimatstadt Agdir zurück,wo er Anfang August verstarb .156

Infolge der Abwesenheit 'Abd al -Karims war die haraka - offenbar ihres wichtigsten Anführers beraubt - zusammengebrochen , so daß Silvestre in Ta¬

farsit einmarschieren konnte , ohne auf Widerstand zu stoßen. 157Die Spanier wähnten den rifischen Widerstand mit dem Tode des qädi gebrochen ;158 hierin unterlagen sie dem Trugschluß , daß er die entscheidende Führungs¬

person des bisherigen Widerstandes gewesen sei.

Bis Mitte Januar 1921 hatten die spanischen Truppen die Ait Sa'id und die

'Anwäl-Ebene besetzt ; die Temsaman , die Ait Ulisek und die Ait Tuzin hatten resigniert und sich unterworfen . 159Offensichtlich kam kein größeres Kriegsbündnis der Stämme zustande , weil jeder Stamm seinerseits bemüht war, das eigene Territorium zu verteidigen . Ein Zusammengehörigkeits¬

gefühl,das einem stämmeübergreifenden Widerstand zugrunde liegen mußte , war in der den tribalen Segmenten verhafteten Bevölkerung noch nicht ein¬

getreten .

154 Besonders die Temsaman galtes zuüberzeugen,denndie hattenauf Druck derNota -beln den Spaniern ihre Unterstützung imFalle eines Vormarsches zugesichert; vgl. Ayache,Origines, a .a .O ., S . 301 ;ders.,Guerre , a .a .O . , S . 59 ;Daoud,Abdelkrim,

a .a .O ., S . 93 ;Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O . , S . 81.

155 Vgl .Daoud ,Abdelkrim, a .a .O . , S . 93 ;Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O . , S . 92; Woolman,Rebeis , a .a .O . , S . 87.

156 Die Todesursache isteinigen Quellen zufolge eine Vergiftung durch einenvon den Spaniern bestochenen Rifiaus Tafarsit ;Muhammadwar zwar überzeugt,daßsein Vater vergiftet worden sei ,wollte aber nichtauf die Rachebestehen ,daderMord nicht eindeutig nachzuweisen sei ; vgl .Hart,Aith Waryaghar, a .a .O ., S . 381 ;Roger

-Mathieu ,Memoires, a .a .O ., S . 83 ; vgl .fernerAyache ,Origines, a .a .O ., S . 303;

Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 94 ;Pennell ,Country , a .a .O ., S . 71 ;Woolman,Rebeis ,

a .a .O ., S .79

157 Vgl.Ayache ,Origines, a .a .O . , S . 302 ;ders. ,Guerre , a .a .O ., S . 60 ;Daoud ,Abdelkrim,

a .a .O ., S . 94.

158 Vgl .Pennell ,Country , a .a .O . , S . 71. 159 Vgl .Ayache ,Origines, a .a .O ., S . 310.

Unter den Ait Waryigel machte sich Unmut bemerkbar , da die Spanier gleichsam vor ihrer Tür lauerten . Die Hattäbi-Brüder übernahmen die Füh¬

rung160und organisierten weiterhin die bewaffnete Opposition ,die mit jedem Sieg der Spanier mehr Anhänger gewann . Zudem verbreitete sich die anti¬

spanische Propaganda zusehends , und durch die Verfügung , daß, wer einen Kollaborateur tötete, nicht bestraft würde,wurden diese für vogelfrei erklärt . Gleichzeitig wurden den Rekruten der rifischen Truppe für die Verweigerung des Dienstes Geldstrafen auferlegt .Die Wirksamkeit der Geldstrafen und die Verwundbarkeit der Kollaborateure war entscheidend , denn mehrere pro¬

spanische Parteien wechselten die Fronten. 16'

Bis Mai 1921 war es Ibn 'Abd al -Karim gelungen , eine bedeutende Armee zu formieren ,die für die bescheidenen Verhältnisse im Rif relativ gut organisiert und diszipliniert war;am 10 .Mai schworen ihm mehrere Vertreter der Ait Waryigel und der Buqquya die Treue und bestimmten ihn zum Befehlshaber der Armee der rifischen Kämpfer .162

2. 'Anwäl - Desaster und Triumph

Im Frühsommer 1921 hatten die Rifis eine erstmals seit Jahren gute Ernte eingefahren , die zu einigermaßen normalen wirtschaftlichen Verhältnissen führte und folglich eine Mobilisierung für den Widerstand begünstigte .

Anfang Juni gingen die Truppen Ibn 'Abd al -Karims in die Offensive .Sie führten am 2. Juni 1921 einen überraschenden Angriff auf Dhar Ubarran , einem Hügel bei 'Anwäl durch,der am Tag zuvor von den Spaniern besetzt worden war.Die Spanier erlitten eine schwere Niederlage ,bei der die Mehr¬

heit der spanischen Kräfte getötet wurde. 163Am selben Tag unterlagen Silve -stres Truppen bei Sidi Tdris . Nach diesen ersten Siegen für die Rifis setzte eine enorme Mobilisierung ein ;zahlreiche Männer schlössen sich den einhei

-160 Ibn'Abdal -Karim waralsAnführer akzeptiert und sein gediegener Einflußwird durchdieTatsache deutlich ,daßeranläßlich des Besuchs desOberkommandierenden Berenguer auf Nukur den Rifisverbot ,diesen aufzusuchen und denjenigen eineGeld¬

strafe auferlegte,diesich dieser Anordnung widersetzten; vgl .Pennell ,Country ,

a .a .O . , S .73f. ; Hart ,Aith Waryaghar, a .a .O ., s . 373. 161 Vgl .Pennell ,Country , a .a .O ., S .72f.undS . 74.

162 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S .65undS . 67 ;ders. ,Origines, a .a .O ., S . 322 ;Daoud , Abdelkrim, a .a .O . , S . 97 ;Tahtah ,Pragmatisme, a .a .O . , S . 85.

163 Vgl .Ayache,Guerre , a .a .O . , S . 87 ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O .,Hart,Aith Waryaghar,

a .a .O . , S . 374 ;Pennell ,Country , a .a .O ., S . 81 ; S . 100 .Woolman,Rebeis, a .a .O ., S . 88.

mischen Truppen an und die Sarifen Sidl Hamidü al -Hamlisi und Sidi Mu¬

hammad al -Hamlisi suchten durch die Bereitstellung mehrerer hundert Parti¬

sanen den Anschluß an Ibn 'Abd al -Karims Armee.164

Der rifische Sieg von Dhar Ubarran markierte die Eröffnung des Rif -Krieges und die Akzeptanz Ibn 'Abd al -Karims als dessen Anführer . Die Bevölkerung hatte unter ihm zum ersten Mal durch den Triumph genährt -den Willen und die Kraft,die Spanier aus dem Rif zu verdrängen .

Den Höhepunkt der rifischen Erfolge bildete ein fünf Tage währender Kampf bei 'Anwäl.Am 17 . Juli griffen die Rifis schließlich Igriben nahe der spanisch besetzten Ebene von 'Anwäl an und brachten den Spaniern aber¬

mals eine heftige Niederlage bei . Das Drama fing mit dem Fall von Igriben erst an und endete in'Anwäl;bis zum 22.Juli lieferten sich Rifis und Spanier gewaltige Schlachten . Es standen sich mehrere zehntausend spanische und mehrere tausend rifische Soldaten gegenüber . 165Die Verluste aufspanischer Seite waren verheerend ;es kamen mindestens 10 .000 Spanier ums Leben.166 Als Silvestre am 22. Juli den vollständigen Rückzug aus 'Anwäl anordnete , gerieten die spanischen Soldaten in Panik und verließen fluchtartig das Schlachtfeld in Richtung Melilla.167Der verantwortliche Kommandant Sil

-164 Vgl.Ayache,Guerre , a .a .O ., S . 88 ; S .91undS . 98 ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O .,

S . 100 ;Woolman,Rebeis , a .a .O ., S . 88.

165 Vgl .Ayache,Guerre , a .a .O ., S . 113f;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 102 ; vgl.

Monteil ,Vincent :Laguerrerevolutionnaire . In :Colloque, a .a .O . , S . 149 - 152 ,der von einer Konfrontation von60 .000 Spanier gegen3 .000 Rifisspricht ;Penneil , Country, a .a .O ., S . 85 ;Woolman,Rebeis , a .a .O ., S . 97 .Die Erwähnung der relativ geringen Zahlder rifischen Soldaten mag daranliegen ,daß lediglich diereguläre Armee berücksichtigt wurde .Dieharakät,die aus den einzelnen Stämmen rekrutiert wurden,haben vermutlich eine mindestens ebenso große Zahl ausgemacht.Zuder Armeevgl . Kap . B .II .4 :Die Armee .

166 Vgl .Pennell ,Responsibility, a .a .O . , S . 67 ;Hart geht von einem spanischen Kontin¬

gent von25 .000 - 30 .000 Spaniern und 13 .000 - 19 .000 Toten und Gefangenen aus ; vgl.

Hart,Aith Waryaghar, a .a .O ., S .374;Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O . , S . 103 ; vgl. auch Woolman,Rebeis, a .a .O ., S . 96 .Die Zahlder rifischen Verlusteist für den ge¬

samten Rif-Krieg nicht einmal annäherndbekannt ; vgl .hierzu Boutbouqalt,Tayeb :

La Guerre du Rif etla reaction del 'opinion internationale 1921 -1926.Tanger 1992 ,

S . 142 .Laut Pennell sollIbn 'Abd al -Karim verboten haben ,die eigenenVerluste bekannt zu geben,um die Moral der Kämpfer nicht zu schwächen;Penneil ,Country ,

a .a .O ., S . 168.

167 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S . 124 ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 104.

vestre,der bis zum letzten Moment 'Anwäl verteidigen wollte,kam ebenfalls ums Leben.168

Ibn 'Abd al -Karim hatte nach 'Anwäl große Mühe , die enorme Kriegs¬

beute zu konfiszieren und die Gefangenen zusammenzulegen sowie die Lynchjustiz an Überlebenden zu vermeiden ; er drohte bei Mißhandlungen sogar mit der Todesstrafe .169

Für die Spanier ging die gewaltsame Schlacht als das Desaster von 'Anwäl in die Geschichte ein,für die Rifis war es der erste Höhepunkt ihrer Erfolge gegen die Kolonialmacht . Spanien schwor für die vernichtende Niederlage Rache und entsandte massive Verstärkung ,um den Kampf von neuem aufzu¬

nehmen und die verlorenen Gebiete - nahezu der gesamte Osten außer der Melilla-Region - wieder zu erobern . Die rifischen Truppen hatten Anfang August Melilla umzingelt , nachdem die spanische Garnison die Qal 'iya -Region geräumt hatte .'Abd al -Karim entschied sich jedoch gegen die Ein¬

nahme Melillas . Diese Entscheidung hat er später als seinen größten strate¬

gischen Fehler bezeichnet . Er begründete den Verzicht mit der Vermeidung eines internationalen Konfliktes , und laut Hart wollte er keinen Krieg gegen Frauen und Kinder führen. 170Aber auch die Mobilisierung mehrerer tausend spanischer Soldaten in Melilla für die Gegenoffensive dürfte mangels Aus¬

sicht auf Erfolg Grund dieses Verzichts gewesen sein. 171Die Großoffensive setzte bald ein . Bis November 1921 waren die Spanier erneut bis zum Kert vorgedrungen , wo wiederum verlustreiche Kämpfe stattfanden . Während

-168 Ober umgebracht wurde oder Selbstmordbeging ,istunklar geblieben.Ibn 'Abd

al -Karim versicherte Roger-Mathicu ,daß der Leichnam Silvestres nichtgefunden wordensei ( vgl .Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O . , S . 102 ) ,während er ineinemvon Ayache zitierten Briefandie Spanier die Übergabe von Silvestres Leichnam be¬

stätigte ;darüber hinaus bestätigte Azerqan,der spätere Außenminister der Rif-Republik,daß Silvestre getötetwurde ; vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S . 125 .Mir versicherte SiAhmad indemo .a .Interview,daß Silvestre zwar der Rachsucht von Rifis zum Opfer gefallen sei ,eraber nichtalsder Kommandant erkanntwurde ;wäre

ererkanntworden ,hätte manihn alswertvolle Geisel gefangengenommen ;persön¬

liches Interview, a .a .O . Vgl .fernerDaoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 105 ;Penneil ,

Country , a .a .O . , S . 84.

169 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., S.147 ;Daoud,Abdelkrim, a .a .O . , S . 107 ;Penneil,

Country , a .a .O . , S .81f. ;Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O ., S.101.

170 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S . 189 ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 111 ;Hart,Aith Waryaghar, a .a .O ., S . 374 ;Roger-Mathieu ,Memoires, a .a .O ., S .105f.

171 Vgl . al - Bü 'ayyäsi, 'Ahmad'Abd as -Saläm : Harbar -Rifat -tahririyyawa - ma -rähilan -nidäl. 2Bde.Tanger 1974 / 1975 , Bd . II , S . 109 ;Pennell ,Country, a .a .O .,

S . 85.

dessen rief Raysünidie Rifis aus derGibäla,wo er von den Spaniernindie Enge getriebenwurde, um Hilfe .Als Ibn 'Abd al -Karimihm seinen Bruder an der Spitze einer Truppe schickte , sah Raysüni seine Macht endgültig schwinden und zog sich von gemeinsamen Aktionen zurück .Darauf nahm Mhammad die Unterwerfung der Gumära in Angriff. 172 Im Mai 1922 war das Quartier Raysünis Tazrutvon den Spaniern erobertworden .Er hatte nun¬

mehr die Wahl zwischendem AnschlußanIbn'Abd al -Karimoder die Kol¬

laborationmit denSpaniern;er entschiedsich für letzteresund erhieltfürdie Kapitulation und die Bereitschaft , die Gibäla zu unterwerfen , seinen vor¬

maligenStatus wieder.173

Im Osten hatten die spanischen Truppen bis Mitte 1923 unter einem enormen Aufgebot von Soldaten und Waffen die nach 'Anwäl verlorenen Gebiete wiedererobert , die Rifis verharrten aber weiterhin und konnten im Osten am Kert undim Westenam Wädi Law die Frontenfestigen.174

Derweil hatteIbn 'Abd al -Karimeine Rif-Republikausgerufen , mitderen Gründunger die Unabhängigkeitfür die eroberten Gebietebeanspruchte ,und Anfang 1923 hatte er mehrere Treueide von Stammesvertretern erhalten.175 Nun verhandelte er mit Spanien um die Anerkennung der vollständigen UnabhängigkeitdesRif.

Die rifischen Siege über eine militärisch weit überlegene Armee lösten eine euphorische Stimmungin der Bevölkerung ausund warendie entschei¬

dende Kraftfür die Fortsetzung desWiderstandes . Außerdem manifestierten sie durchdie effektive Mobilisierungein erstmals gemeinsames Zielund die ersten Ansätzeeiner transtribalenGeschlossenheit .

3. Krieg an mehreren Fronten

Eine weitere Front hattesich bereits Mitte 1922 im Südenan der Grenze zur französischen Zoneaufgebaut ,alsdie Bevölkerung des nördlichen Teils der Band Zarwäl,der zur spanischen Zonegehörte,an die Rifis appellierte ,sie 172 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., s .230ff. ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O . , S . 125 ;Penneil ,

Country , a .a .O ., S . 90.

173 Vgl .Woolman,Rebeis , a .a .O ., S .105f. ; vgl .fernerKoerner ,Francis :La guerre du

Rif espagnol vue parla Directum desAffaires indigenes francaise (1921 -1924) . In:

Revue Historiques 287 ( 1992 ) , S . 148.

174 Vgl .Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S . 141 ; Hart ,Aith Waryaghar, a .a .O ., S . 376;

Pröbster ,Marokkofrage, a .a .O ., S . 51. 175 Siehe dazuKap . B . II :Die Rif-Republik .

vor dem französischen Zugriff zu bewahren . Ibn 'Abd al -Karim nutzte die Gelegenheit , um den Ordensführer der Darqäwiyya , Sidi 'Abd ar-Rahmän zu konfrontieren , der sich wie einige andere Sarifen seinem Einfluß entzog und den Franzosen Avancen machte,die Band Zarwäl zu besetzen ,und kam dem Stamm zu Hilfe. 176Die Franzosen erhoben seit der Gründung des ma¬

rokkanischen Protektorats insgeheim Ansprüche auf die im spanischen Teil gelegenen Werga-Gebiete177und näherten sich seitdem den einheimischen Autoritäten dieser Gebiete . Ibn 'Abd al -Karim , der den Konflikt mit Frank¬

reich um jeden Preis vermeiden wollte , da er einem Krieg an drei Fronten nicht gewachsen war, versuchte das französische Parlament und Marschall Lyautey sowie den Sultan Mitte 1923 wiederholt zur Anerkennung seiner Republik zu bewegen .178

Im Westen schlössen sich trotz vereinzelter Aufstände gegen 'Abd al -Karim mehrere Stämme den Rifis an, so daß durch das große Kriegsbündnis bis September 1924 nahezu die gesamte Sanhäga - und Gumära-Region unter Kontrolle war.Die spanisch besetzten Gebiete an der Atlantik - und Gibraltar¬

küste und am Wädi Law waren durch die von Mhammad angeführte Armee isoliert. 179Primo de Rivera , ein Verfechter der abandonista , m )sah nach er¬

heblichen Verlusten ,daß eine Verteidigung des Westens aussichtslos war und ordnete im Oktober den Rückzug aus einigen Teilen der Gibäla , darunter Chaouen , an.Der Rückzug nach Tetouan kam, wie der nach der Niederlage von 'Anwäl,einer Flucht gleich.181

176 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O ., S .252;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S. 182f.

177 Vgl .Ayache ,Guerre , a .a .O . , S . 56 ;Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S.181.

178 Vgl .Daoud ,Abdelkrim, a .a .O ., S. 108f. ;Penneil , a .a . O ., S.182 ;Roger-Mathieu , Memoires, a .a .O ., S .128f.

179 Vgl .Penneil ,Country , a .a .O ., S .161f.

180 Siehe hierzuKap . A .II .2 :Das spanische Protektorat.

181 Vgl.Penneil ,Country , a .a .O ., S . 166 - 169 .Zu der Zahl der spanischen Gefallenen vgl.

ders.,Country , a .a .O ., S . 176 , Fn . 74 ,wonach laut spanischen ( !)Angaben minde¬

ders.,Country , a .a .O ., S . 176 , Fn . 74 ,wonach laut spanischen ( !)Angaben minde¬

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