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Überschreitet der Bedarf an Sauerstoff das Angebot, so entsteht ein Sauerstoffmangel, die sogenannte Hypoxie (Fandrey 2007). Geringe Sauerstoffkonzentrationen sind kennzeichnend für entzündetes Gewebe. Dies wird zum einen durch mangelhafte Durchblutung bei gleichzeitig erhöhtem Sauerstoffverbrauch durch rekrutierte Immunzellen bedingt (Karhausen et al. 2005;

Eltzschig & Carmeliet 2011). Im Falle des Darmes liegen noch weitere Ursachen vor.

Die Epithelzellen des Darms nehmen eine besondere Stellung ein. Sie trennen das fast anoxische Darmlumen von den reich durchbluteten Zellen der Lamina propria mucosae und sind somit großen Sauerstoffschwankungen ausgesetzt. Im gesunden Darm weisen die Epithelzellen daher schon eine „physiologische Hypoxie“ auf. Wird das Epithel nun durch eine Darmentzündung geschädigt, so tritt die Anoxie des Darmlumens tiefer in das Gewebe ein (Karhausen et al. 2004). Auch die Zellen der Lamina propria mucosae und der Tela submucosa sind nun hypoxischen Bedingungen ausgesetzt. Der Transkriptionsfaktor Hypoxie-induzierbarer Faktor (HIF) nimmt für die Anpassung des Zellstoffwechsels an hypoxische Bedingungen eine zentrale Rolle ein (Semenza et al. 1997). HIF reguliert die Sauerstoffhomöostase und induziert die transkriptionelle Genexpression, welche unter anderem für die Angiogenese, Erythropoiese und anaerobe Glykolyse benötigt wird.

1.6.1 Aufbau und Funktion von HIF

HIF ist ein heterodimerer Proteinkomplex aus einer sauerstoffabhängig regulierten α- und einer konstitutiv exprimierten β-Untereinheit, welche auch als ARNT (engl. aryl hydrocarbon receptor nuclear translocator) bezeichnet wird (Wang et al. 1995). Bei Mensch und Maus sind bislang drei Isoformen der α-Untereinheit (HIF-1α, -2α, -3α) sowie drei Isoformen des HIF-β Proteins identifiziert. Die HIF-1α Untereinheit weist eine extrem kurze Halbwertszeit auf und wird unter normoxischen Bedingungen kontinuierlich abgebaut und neugebildet. Unter Hypoxie erfolgen die Stabilisierung des Proteins und die Translokation in den Nukleus. Dort folgt die Dimerisierung mit der β-Untereinheit. Beide Untereinheiten gehören zur Familie der

basischen-Helix-Loop-Helix (bHLH) und PER-ARNT-Sim (PAS) Transkriptionsfaktoren. Die bHLH Domänen am N-terminalen Ende ermöglichen die Bindung der Untereinheiten an die Hypoxie-responsiven Elemente (HRE) des jeweiligen Zielgens. Die nachfolgenden PAS Domänen vermitteln die Dimerisierung zwischen der α- und β-Untereinheit des HIF-Komplexes. Die Transaktivierungsdomäne (TAD), welche sich im Falle der HIF-1α Untereinheit in eine N-terminale (NAD) und C-terminale (CAD) Aktivierungsdomäne aufgliedert, dient der Aktivierung von Zielgenen. Die sauerstoffabhängigen Abbaudomänen (ODDD, engl. oxygen-dependent degradation domain) der α-Untereinheit bedingen die posttranslationale, sauerstoffabhängige Regulation der Aktivität des Transkriptionsfaktors (Wenger et al. 2005; Fandrey et al.

2006).

Abb. 1.6: Struktur des Hypoxie-induzierbaren Faktors HIF-1.

Die basischen Helix-Loop-Helix (bHLH) Domänen dienen der Bindung der Untereinheiten an DNA. Die PAS Domänen ermöglichen die Dimerisierung der Untereinheiten. Die N- und C-terminalen sauerstoffabhängigen Abbaudomänen (engl. oxygen-depending degradation domain, NODDD bzw.

CODDD) sowie die transaktivierenden Domänen (NAD bzw. CAD) der α-Untereinheit dienen der sauerstoffabhängigen Regulation und der Aktivierung von Zielgenen (modifiziert nach Schofield &

Ratcliffe 2004).

Hydroxylierung

1.6.2 Sauerstoffabhängige Regulation und Aktivierung von HIF-1

Unter normoxischen Bedingungen vermitteln spezielle Prolylhydroxylasen (PHDs) die Hydroxylierung von spezifischen Prolinresten innerhalb der ODDDs der α-Untereinheit. Diese werden von dem von Hippel-Lindau (VHL) Tumorsuppressorproteinkomplex, welcher zur Familie der E3-Ubiquitin-Ligase Komplexe gehört, erkannt. Nach vermittelter Ubiquitinierung wird das HIF-1α Protein daraufhin dem proteasomalen Abbau zugeführt (Ivan et al. 2001). Des Weiteren hydroxyliert die Asparaginhydroxylase HIF-1-inhibierender Faktor (FIH-1, engl. factor inhibiting HIF-1) sauerstoffabhängig den Asparaginrest in der C-terminalen Transaktivierungsdomäne (CAD) der α-Untereinheit. Dies verhindert die Interaktion der CAD mit dem Koaktivator p300/Creb-bindenden Protein (CPB), wodurch die transkriptionelle Steuerung von Genen durch den HIF-Komplex inhibiert wird (Mahon et al. 2001).

Unter hypoxischen Bedingungen kommt es zu einer Hemmung der PHD und der FIH-1 Aktivität. Eine Veränderung des Eisenhaushaltes der Zelle sowie eine Inhibition mit NO kann zudem eine Hemmung der PHDs unter Normoxie induzieren (Zhou et al. 2003; Metzen et al. 2003). Die Hydroxylierung der HIF-1α Untereinheit unterbleibt, wodurch diese in den Kern translozieren und Koaktivatoren rekrutieren kann. Die Dimerisierung mit der β-Untereinheit führt schließlich zur transkriptionellen Aktivität.

Abb. 1.7: Sauerstoffabhängige Regulation der HIF-α Aktivität.

Unter normoxischen Bedingungen hydroxylieren die sauerstoffabhängigen Prolylhydroxylasen (PHDs) und der HIF-1-inhibierende Faktor (engl. factor inhibiting HIF, FIH-1) die Prolin- und Asparaginreste des HIF-α. Dadurch erfolgen die durch das von Hippel-Lindau Tummorsuppressorprotein vermittelte Ubiquitinierung und der proteasomale Abbau von HIF-α. Zudem wird die Interaktion der C-terminalen Transaktivierungsdomäne mit dem Koaktivator p300/CPB verhindert. Unter hypoxischen Bedingungen werden PHDs und FIH-1 gehemmt. HIF-α wird stabilisiert und transloziert in den Nukleus. Dort dimerisiert es mit der β-Untereinheit, rekrutiert Koaktivatoren, und bildet somit das transkriptionell aktive HIF Heterodimer (modifiziert nach Schofield & Ratcliffe 2004).

1.6.3 Sauerstoffunabhängige Regulation und Aktivierung von HIF-1

In verschiedenen Forschungen konnte gezeigt werden, dass eine HIF Aktivierung nicht nur durch Hypoxie ausgelöst werden kann, sondern auch durch inflammatorische Stimuli. So induziert LPS durch Aktivierung des Transkriptionsfaktors NF-κB die HIF-1α mRNA Expression (Frede et al. 2006).

Jantsch et al. konnten zeigen, dass dieser Effekt außerdem von TLR4 und dem Adaptorprotein MyD88 (engl. myeloid differentiation primary resonse gene 88) abhängig ist. DCs von MyD88 Knock-out Mäusen zeigten nach LPS Stimulation keine Induktion von HIF-1α (Jantsch et al. 2011). Weitere Studien beschrieben eine

HIF-1α mRNA Induktion durch reaktive Sauerstoffspezies (ROS) und inflammatorische Zytokine, wie IL-1β und TNF-α (Acker et al. 2006; Westra et al.

2007). In humanen Hepatomzellen konnte ebenfalls eine HIF-1 Aktivierung durch entzündliche Prozesse gezeigt werden (Hellwig-Bürgel et al. 1999). Des Weiteren kann die HIF-1α Transkription auch durch IFN-α über den JAK-ISGF3 (Janus Kinase – IFN-γ-stimulierter Genfaktor-3) Signalweg in humanen Endothelzellen induziert werden (Gerber & Pober 2008).

Abb. 1.8: Sauerstoffunabhängige Regulation der HIF-1α Aktivität.

Unter normoxischen Bedingungen wird HIF-1α sauerstoffabhängig von den PHDs hydroxyliert, ubiquitiniert und proteasomal abgebaut. Unter hypoxischen Bedingungen oder durch NO Einwirkung wird die Aktivität der PHDs gehemmt, was zu einer HIF-1α Proteinstabilisierung führt.

Inflammatorische Zytokine und Lipopolysaccharide (LPS) führen über die Aktivierung von Signalkaskaden zu einer vermehrter Expression und Translation von HIF-1α mRNA und durch die zusätzliche Rekrutierung von Koaktivatoren zu einer gesteigerten Transkription von HIF-1 Zielgenen (modifiziert nach Frede et al. 2007).

1.6.4 Bedeutung von HIF-1 im Rahmen von Infektionen und Entzündungen Verschiedene Studien konnten verdeutlichen, dass der Transkriptionsfaktor HIF-1 eine wichtige Rolle im Entzündungsgeschehen spielt. So konnte gezeigt werden, dass Mäuse mit einem HIF-1α Knock-out in myeloischen Zellen eine deutliche Beeinträchtigung in ihrer Immunfunktion aufweisen. HIF-1α defiziente Makrophagen besitzen eine verminderte Fähigkeit zur Phagozytose und sind in ihrer Motilität und Zellaggregation beeinträchtigt (Cramer et al. 2003). Zudem induziert HIF-1α die Expression des β2-Integrins, ein Rezeptor, welcher für die Rekrutierung von Leukozyten eine wichtige Rolle spielt (Kong et al. 2004). Auch Peyssonnaux et al.

konnten zeigen, dass die bakterizide Aktivität und die Produktion von TNF-α in Makrophagen nach Infektion mit Streptokokken HIF-1α abhängig ist (Peyssonnaux et al. 2005). Des Weiteren besteht ein Zusammenhang zwischen HIF-1 und der Induktion von bestimmten TLRs. Kuhlicke et al. konnten eine hypoxische, HIF-1α abhängige Induktion von TLR2 und TLR9 in verschiedenen Zellen nachweisen (Kuhlicke et al. 2007).

Weitere Studien beschäftigten sich intensiv mit der Bedeutung von HIF-1 in intestinalen Epithelzellen im Rahmen entzündlicher Darmveränderungen. Ein Verlust von HIF-1α in Epithelzellen führte dabei zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptome, wohingegen die Stabilisierung von epithelialem HIF-1 einen protektiven Effekt aufweist (Karhausen et al. 2004). Die Behandlung mit dem Hydroxylase Inhibitor Dimethyloxalylglycin (DMOG), welcher den Abbau von HIF-1α verhindert, führte zudem zu einer reduzierten Apoptoserate der Epithelzellen im DSS Colitismodell (Cummins et al. 2008). Des Weiteren resultierte eine gesteigerte HIF Expression durch die genetische Deletion der Prolylhydroxylase 1 (PHD1) in einer gemilderten Ausprägungsform der Colitis mit reduzierter epithelialer Apoptose und somit gesteigerter Barrierefunktion (Tambuwala et al. 2010).

Der Einfluss von HIF-1 auf die Funktion von DCs wurde in einigen Studien beschrieben. Jantsch et al. zeigten, dass Hypoxie die LPS vermittelte Aktivierung von DCs erhöht. Die Stimulation von murinen DCs mit LPS unter hypoxischen Bedingungen führte zu einer erhöhten Expression der Aktivierungsmarker CD80 und CD86, sowie des MHC-II-Oberflächenmoleküls. Ein Knock-down von HIF-1α

resultierte hingegen in einer verminderten Expression der Aktivierungsmarker und einer eingeschränkten Fähigkeit der DCs allogene T-Zellen zu stimulieren (Jantsch et al. 2008). Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu Befunden von Mancino et al., welche besagen, dass LPS stimulierte DCs unter Hypoxie eine geringere Expression der Aktivierungsmarker CD40, CD80, CD83 und CD86 aufweisen, wohingegen die Produktion von TNF-α und IL-1β erhöht ist (Mancino et al. 2008). Auch Bosseto et al.

stellten eine reduzierte Expression von CD80 und CD86 in DCs unter Hypoxie fest.

Die Produktion des proinflammatorischen Zytokins IL-12p70 durch DCs hingegen war unter Hypoxie erhöht. Eine zusätzliche Infektion der Zellen mit Leishmania führte wiederum zu einer erhöhten IL-12p70 Produktion unter Normoxie (Bosseto et al.

2010). Des Weiteren konnte ein direkter Zusammenhang zwischen HIF-1α in DCs und der Produktion von Typ I Interferonen nachgewiesen werden. Ein Knock-out von HIF-1α in DCs führte zu einer verringerten Produktion von Typ I Interferonen nach LPS Stimulus, wodurch die Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen beeinträchtigt wurde (Wobben et al. 2013).