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Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) handelt es sich um rezidivierende oder kontinuierlich auftretende inflammatorische Erkrankungen des Gastrointestinaltrakts. CED treten weltweit mit einer erhöhten Häufigkeit in Nordamerika, Großbritannien und Skandinavien auf. Die Anzahl der Neuerkrankten (Inzidenz) liegt bei 4-10/100.000 Einwohnern pro Jahr. Die Anzahl der Erkrankten (Prävalenz) liegt bei 40-100/100.000 Einwohnern (Hendrickson et al. 2002). Meist manifestiert sich die Krankheit zwischen dem 15. und 30. Lebensjahr (Xavier &

Podolsky 2007). Die Hauptformen sind hierbei der Morbus Crohn (MC) und die Colitis ulcerosa (CU). MC stellt eine Entzündung dar, welche jeden Abschnitt des Gastrointestinaltrakts befallen kann. Am häufigsten sind die Ileocaecal-Region und das terminale Ileum allein betroffen. Histologisch sind granulomatöse Läsionen und transmurale leukozytäre Infiltrationen zu erkennen. Bei der CU beschränkt sich die Entzündung auf das Colon, wobei lediglich die Tunica mucosa betroffen ist. Es sind oberflächliche Ulzerationen und Kryptenabszesse auffindbar. Zudem kann es zu einem Verlust der Becherzellen kommen (Xavier & Podolsky 2007). Beides sind multifaktoriell bedingte Erkrankungen mit noch nicht vollständig geklärter Ätiologie.

Es wird davon ausgegangen, dass die Entstehung einer CED durch genetische Prädisposition begünstigt wird. Die am häufigsten beschriebene genetische Ursache für MC ist eine Mutation im NOD2/CARD15 Gen (engl. caspase recruitment domain family member 15) (Strober et al. 2007). Wie bereits oben erwähnt, erkennt NOD2 bakterielle Zellwandpolymere und aktiviert über NF-κB (engl. nuclear factor ‚kappa-light-chain-enhancer‘ of activated B-cells) weitere zahlreiche proinflammatorische Gene. Des Weiteren ist NOD2/CARD15 für die Sekretion antimikrobiell wirksamer α-Defensine verantwortlich (Kucharzik et al. 2006). Mutationen könnten somit zu einer gestörten Immunreaktion und einer verminderten Fähigkeit des Darmepithels, Bakterien zu eliminieren, führen (Strober et al. 2007). Für CU sind Mutationen sowohl im Gen für IFN-γ als auch im MDR1 Gen (engl. multidrug resistance gene) beschrieben (Abraham & Cho 2009; Annese et al. 2006). Des Weiteren wurden auch genetische Veränderungen von IL-12 und des IL-23 Rezeptors in Zusammenhang mit der Entstehung von CED gebracht (Duerr et al. 2006).

Einen weiteren Einfluss auf die Entstehung von CED nehmen Umweltfaktoren.

Stress, die Einnahme nichtsteroidaler Antiphlogistika, welche die Epithelbarriere schädigen, und Rauchen werden als Auslöser für CED diskutiert (Mawdsley &

Rampton 2005; Podolsky 2002). Rauchen wirkt sich dabei positiv auf CU aus, wobei es MC eher verschlimmert.

Auch die kommensale Mikroflora kann einen Einfluss auf die Entwicklung von Darmerkrankungen nehmen. Eine Dysregulation zwischen Mikroflora und der epithelialen Barriere kann zu einer intestinalen Entzündung führen. Es wurde gezeigt, dass Patienten mit MC und CU zum einen eine erhöhte Permeabilität des Darmepithels und zum anderen eine veränderte Zusammensetzung der intestinalen Mikroflora aufweisen (Welcker et al. 2004; Sartor 2008). Des Weiteren hat eine Therapie mit Antibiotika, wie Metronidazol, bei CED Patienten einen positiven Effekt, was für eine Beteiligung der Darmflora spricht. Einzelne Erreger, welche die Erkrankung auslösen, konnten bislang nicht identifiziert werden. Viele Studien beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen MC und dem Erreger Mycobacterium avium subspecies paratuberculosis (MAP). MAP löst die Paratuberkulose, eine chronische Enteritis, in Wiederkäuern aus, welche auch Johne´sche Krankheit genannt wird. Die Paratuberkulose ist eine in Deutschland meldepflichtige Tierseuche, welche sich in unstillbaren, wässrigen Durchfällen und starker Abmagerung äußert und zum Tod führen kann (Baumgärtner 2012).

Histologisch ähnelt das Erscheinungsbild dem MC des Menschen. Es ist gekennzeichnet durch eine granulomatöse Enteritis, die vor allem im Ileum und Caecum auftritt. Auf Grund dessen wurde eine Beteiligung MAPs an MC diskutiert (Chiodini et al. 1984). MAP wird über kontaminierte Milch- und Fleischprodukte übertragen, da es als intrazellulärer Erreger auch starke Erhitzung übersteht (Lund et al. 2002). Tatsächlich wurde MAP in Patienten mit MC identifiziert (Olsen et al. 2009;

Naser et al. 2004). Allerdings wurde MAP auch zu einem geringeren Anteil in Patienten mit CU und in gesunden Patienten gefunden (Autschbach et al. 2005;

Davis & Madsen-Bouterse 2012). Es wird somit vermutet, dass MAP nicht als Auslöser des MC gilt, sondern dass eine persistierende MAP Infektion den Ausbruch der Krankheit in genetisch prädisponierten Menschen fördert (Sartor 2006).

Des Weiteren kann die Entstehung einer CED durch Defekte in der Immunfunktion begünstigt werden. Patienten mit MC weisen eine überschießende Th1-Immunreaktion mit erhöhter IFN-γ und IL-12 Produktion auf (Strober et al. 2002;

Sartor 2006). Zusätzlich wurde gezeigt, dass auch Th17-Zellen einen großen Einfluss auf das Fortschreiten der Erkrankung haben (Elson et al. 2007). Das von APCs produzierte Zytokin IL-23 stimuliert die Differenzierung von naiven T-Zellen zu Th17-Zellen. Es beinhaltet die gleiche Untereinheit p40 wie das von Th1-Zellen sezernierte IL-12. Die Behandlung mit einem IFN-γ Antikörper in Studien zeigte nur geringen Effekt, wohingegen ein p40 Antikörper, welcher sowohl IL-12 als auch IL-23 blockiert, einen deutlich positiven Effekt bei Patienten mit MC aufwies, was für eine Beteiligung der Th17-Zellen spricht (Mannon et al. 2004). Bei der CU hingegen wird davon ausgegangen, dass es sich um eine atypische, Th2 vermittelte Entzündung handelt. CU Patienten weisen eine erhöhte Produktion von IL-5 und IL-13 auf, nicht jedoch von IL-4. Es wird davon ausgegangen, dass natürliche Killer T-Zellen durch APCs, welche einen atypischen MHC-Rezeptor tragen, aktiviert werden. Dadurch kommt es zu einer gesteigerten Produktion von IL-13, welches das Epithel schädigt und die Entstehung von Ulzerationen fördert (Fuss et al. 2004). Insgesamt kann allerdings kein Faktor isoliert betrachtet werden. Meist handelt es sich um ein Zusammenspiel der Faktoren, welche in Kombination zu schwerwiegenden entzündlichen Veränderungen im Darm führen können.

Abb. 1.5: Auslösende Faktoren einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung.

Genetische Prädispositionen und fehlgeleitete Immunreaktionen sind an der Entstehung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen (CED) beteiligt, ebenso wie die kommensale Darmflora und begünstigende Umweltfaktoren. Meist wirken alle Faktoren synergistisch (modifiziert nach Sartor 2006).