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HS – eine Begriffsbestimmung

Im Dokument Zurich Open Repository and Archive (Seite 36-39)

5. Die Hilfesuche (HS)

5.1. HS – eine Begriffsbestimmung

In der Literatur sind unterschiedliche Definitionen der Hilfesuche anzutreffen. Allgemein wird sie definiert als «important self-regulated learning strategy» (Karabenick & Newman, 2006, S.

30 1). Aus dieser sehr generellen Definition wird bereits die Zuordnung der Hilfesuche zu den Selbstregulationsstrategien deutlich. Werden etwas detailliertere Definitionen betrachtet, zeigt sich, dass teils die soziale Hilfesuche bei anderen Personen, mitunter aber auch die nicht per-sonelle Hilfesuche in diese Beschreibungen einfliessen. Während beispielsweise Karabenick und Berger (2013) die Hilfesuche als einen Prozess beschreiben, bei dem die Hilfe anderer Personen oder auch anderer Quellen in Anspruch genommen wird, die das Erreichen des ge-wünschten Ziels erleichtert, definieren Zimmerman und Moylan (2009) die Hilfesuche als «a method of self-control that involves soliciting assistance when learning or performing. […]

From this perspective, help seeking can be viewed as a social form of information seeking» (S.

303). Die Hilfesuche bei anderen Personen lässt sich entlang dieser Definition der Handlungs-phase des Selbstregulationsprozesses nach Zimmerman und Moylan (2009) und dabei den ex-ternen Ressourcenstrategien (vgl. Kapitel 3.2) zuordnen (Karabenick & Newman, 2006). Zu-dem wird der soziale Aspekt der Hilfesuche hervorgehoben, was diese Strategie von der Infor-mationssuche abgrenzt. Diese Abgrenzung der Hilfesuche von der InforInfor-mationssuche (Notizen, Bücher, Internet etc.) wird auch durch folgende Definition verdeutlicht: «Help seeking is an important strategy that helps students succeed when tasks become difficult or when students are unable to complete them on their own» (Schenke et al., 2015, S. 133). Die Hilfesuchstrategie kommt folglich dann zum Einsatz, wenn eine Aufgabe nicht allein bewältigt werden kann, was auch Nelson-Le Gall (1985) in ihrer Erläuterung der Hilfesuche als «adaptive alternative to individual problem solving» (S. 66) vermittelt.

Einige Autoren (u. a. Renkl, 2002; Schworm & Fischer, 2006) untersuchen die Hilfesuche im Kontext computerunterstützter, interaktiver Lernumgebungen und integrieren damit in ihre De-finition auch computerbasierte Hilfestellungen. In diesen Lernumgebungen werden On-de-mand-Hilfen angeboten wie beispielsweise Online-Glossare (Grasel, Fischer & Mandl, 2001), verlinkte Lehrbücher (Hofer, Niegemann, Eckert & Rinn, 1996) oder weiteres verlinktes Hin-tergrundmaterial (Slotta & Linn, 2000). Deutlich wird, dass auch dieser Aspekt der Hilfesuche, wie bereits die Informationssuche, nicht zwingend ein reales soziales Gegenüber beinhaltet.

Die in dieser Arbeit im Zentrum stehende Hilfesuche bei anderen Personen, weshalb sie auch soziale Hilfesuche genannt wird, unterscheidet sich von anderen Strategien des selbstregulier-ten Lernens. Während z. B. kognitive oder metakognitive Strategien selbstständig (SRL) oder gemeinsam (vgl. CoRL, SSRL Kapitel 3.2) ausgeführt werden können, verlangt die Hilfesuche nach einer Interaktion mit anderen Menschen, wie beispielsweise Lehrpersonen, Gleichaltrigen oder Eltern (Newman, 2000). Diese soziale Hilfesuche erweist sich durch diese Angewiesenheit

31 auf andere unterstützende Personen im Vergleich zu weiteren Lernstrategien (vgl. Kapitel 3.2) als einzigartig, wobei auch die technologievermittelte Hilfesuche sozial sein kann, wenn die Anwesenheit der anderen Person real ist (Karabenick & Newman, 2010). Der Fall ist dies zum Beispiel bei einem Telefonat, einer E-Mail oder auch Nachrichten über das Mobiltelefon. Eine Konsequenz des sozial-interaktiven Charakters der beschriebenen Hilfesuche ist, dass er den Prozess (vgl. Kapitel 5.2) für eine Vielzahl von Einflüssen anfällig macht (vgl. Kapitel 6.2), denen gegenüber andere Strategien des selbstgesteuerten Lernens verhältnismässig immun sein können (Karabenick & Berger, 2013).

Nicht bloss im Vergleich zu anderen Lernstrategien, sondern auch innerhalb der Strategie der sozialen Hilfesuche lassen sich qualitative Unterschiede ausmachen. Nicht jede Hilfesuchstra-tegie wird als gleichermassen lernförderlich betrachtet (funktionale Unterscheidung). Bereits eingangs des Kapitels erfolgte ein Verweis drauf, dass im Laufe der Zeit, in der die Hilfesuche untersucht wurde, eine Differenzierung unterschiedlicher Formen der Hilfesuche stattfand und damit nicht bloss die negativen (Abhängigkeit), sondern zunehmend auch die positiven Aspekte dieser Strategie in den Fokus rückten. Insgesamt lassen sich drei Formen der sozialen Hilfesu-che untersHilfesu-cheiden: die instrumentelle und die exekutive HilfesuHilfesu-che sowie die Vermeidung der Hilfesuche (Karabenick & Newman, 2010; Nelson-Le Gall, 1981). Die instrumentelle Hilfesu-che ist auf die Verbesserung des eigenen Verständnisses ausgerichtet, indem nicht direkt nach der Lösung, sondern nach Erklärungen oder Tipps gefragt wird. Damit kann die Suche nach instrumenteller Hilfe dazu dienen, das Lernen und Verstehen zu verbessern und den Bedarf an Hilfe und damit die Abhängigkeit von anderen zu verringern (Nelson-Le Gall, 1981, 1985;

Nelson Le Gall, Gumerman & Scott-Jones, 1983). Ziel ist es somit, die angeforderte Hilfe auf ein Mass zu beschränken, das es der lernenden Person erlaubt, die Herausforderung oder Schwierigkeit selbst zu überwinden (Nelson-Le Gall, 1981; Roussel, Elliot & Feltman, 2011).

Als Folge ihrer Proaktivität und allgemeinen Dienlichkeit für den Lernprozess wird die instru-mentelle Hilfesuche zudem als adaptiv, strategisch, angemessen oder autonom bezeichnet (Butler, 1998; Karabenick, 1998a; Karabenick & Berger, 2013; Karabenick & Newman, 2010;

Nelson-Le Gall, 1981; Newman, 2008; Ryan et al., 2005). Die exekutive Hilfesuche ist demge-genüber darauf ausgelegt, fertige Lösungen zu erhalten resp. besteht in der Absicht, dass jemand anderes das Problem löst. Sie gilt als unnötig und Anstrengung vermeidend (Nelson-Le Gall, 1981, 1987) und wird auch als übermässig («excessive» (Karabenick & Newman, 2010, S.

653)) oder zweckmässig/zweckdienlich («expedient» (Karabenick & Newman, 2010, S. 653)) bezeichnet. Eine solche exekutive Hilfesuche kann negative Langzeitfolgen mit sich bringen

32 (Nelson-Le Gall, 1981), da die Schwierigkeit nicht durch die/den Lernenden selbst überwunden wurde und somit bei der nächsten ähnlichen Herausforderung erneut Hilfe benötigt wird (Ab-hängigkeit). Eine weitere Form bildet neben der instrumentellen und der exekutiven Hilfesuche die Vermeidung der Hilfesuche. Vermeidung bedeutet in diesem Falle das Nichtaufsuchen von Hilfe, obwohl diese benötigt würde (Ryan, Pintrich & Midgley, 2001).

Insgesamt lässt sich festhalten, dass die soziale Hilfesuche eine einzigartige Strategie des selbst-gesteuerten Lernens darstellt. Diverse Strategien können durch die Lernenden selbstständig durchführen werden. Die Hilfesuche ist hingegen eine Strategie, die soziale Interaktionen mit anderen erfordert. Selbstreguliert Lernende regulieren ihr eigenes Lernen, indem sie Unterstüt-zung von anderen Personen erhalten, was dazu führt, dass die Selbstregulation sowie die Regu-lation durch andere («other reguRegu-lation» (Hadwin et al., 2018, S. 92)) eng miteinander verfloch-ten sind (Newman, 2002). Andere Personen spielen folglich eine zentrale Rolle bei der sozialen Hilfesuchstrategie.

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