• Keine Ergebnisse gefunden

Holger Politt

Im Dokument rls Die Linke in Europa (Seite 104-110)

Lange Zeit unangefochtener Primus – die SLD

Von 2001 bis 2005 regierte das sozialdemokratische Flaggschiff Polens, die SLD(Sojusz Lewicy Demokratycznej; Demokratische Linksallianz), die allerdings in diesen vier Jahren drei Viertel ihrer Wähler verlor und von knapp 40 Prozent der Wählerstimmen im Jahre 2001 auf lediglich 11 Prozent der Wählerstimmen im Herbst 2005 fiel. Bereits diese wenigen Zahlen machend den tiefen Absturz deutlich, den diese Partei vor wenigen Jahren durchlebte. Von diesem Sturz hat sich die Partei auch drei Jahre danach nicht wieder erholt. Alle bisherigen Versuche, aus der entstandenen Lage herauszukommen, scheiterten. Dazu zählen ein drastischer Verjüngungspro-zess in der Parteiführung oder der Versuch, mit einem breiteren Mitte-Links-Bündnis neue Wäh-lerschichten vor allem in der Großstadt und unter jüngeren Menschen zu gewinnen.

Zu Beginn des Jahres 2009 sieht sich die SLD nach Wählerumfragen mit Werten um die 10 Prozent konfrontiert, was sie augenblicklich weit abgeschlagen hinter der rechtsliberalen und nationalkonservativen Konkurrenz zurück lässt. Auch wenn die Tendenz leicht nach oben zeigt, sind die Warnzeichen nicht zu übersehen. Den stärksten Rückhalt hat die Partei in der Alters-gruppe der Rentner, bei Menschen also, die auf ein aktives Arbeits- und Berufsleben in der Zeit der Volksrepublik (bis 1989) zurückblicken können. Insofern teilt auch die SLD das Schicksal vieler so genannter Nachfolgeparteien der einstigen Staatsparteien, selbst wenn sich die pro-grammatischen Ausrichtungen teils beträchtlich unterscheiden sollten.

Der hohe Zuspruch, den diese sich als sozialdemokratisch verstehende Formation noch in den späten 1990er Jahren besonders unter jüngeren Menschen besaß, ist verloren gegangen. Im Wettrennen um diese Wählerschichten hat die SLD den Kampf gegen die strikt wirtschaftslibe-ral ausgerichtete PO(Platforma Obywatelska; Bürgerplattform) verloren. Die Mobilisierung der jüngeren, gut ausgebildeten jüngeren Wählerschichten gegen die nationalkonservativen Zumu-tungen der Kaczyński-Brüder kommt bislang fast ausschließlich der PO zugute.

Damit hat die SLD auch ihren Trumpf verloren, weithin als die EU-freundlichste und -kom-petenteste Partei in Polens Parteienlandschaft angesehen zu werden. Das Mitte der 1990er Jahre geborene Konzept „Wir wählen die Zukunft, wir lassen die Gräben der Vergangenheit hinter uns, wir orientieren uns auf den Beitritt zur EU und die Einbindung in die transatlantischen Strukturen, wir sprechen uns klar für die Entwicklung einer `modernen Gesellschaft´ aus“ hat sein Potential aufgebraucht. Nunmehr steht die Partei vor der Wahl, sich entweder als klar er-kennbare linke Kraft mit starker Betonung der sozialen Frage zu profilieren oder mittelfristig einen Platz in der politischen Mitte anzustreben, wahlweise als möglicher parlamentarischer

Partner der jetzt regierenden Rechtsliberalen bzw. als deren größter Konkurrent mit liberalen Ansprüchen.

In den Umfragen hat die SLD bei der Frage nach einer weiteren Partei, die eventuell gewählt werden könnte, seit einiger Zeit die Nase vorn. Sie ist hier beliebteste Partei und erzielt deutlich höhere Werte als bei den Umfragen nach der Partei, die bei angenommenen Parlamentswahlen gewählt werden soll. Sie ist vor allem bei vielen heutigen PO-Anhängern durchaus eine zweite Wahl. Einflussreiche Parteistrategen liebäugeln deshalb immer wieder mit dieser Ausrichtung, rechnen hier mit dem größten Potential für die Partei. Nicht zu übersehen ist, dass bei dieser Op-tion der Anspruch, eine Partei der sozialen Gerechtigkeit zu sein, eher als nicht einlösbar aufge-geben wird. Mitunter wird sogar betont, dass die sozial ausgerichteten Wählerstimmen fest bei den Nationalkonservativen um die Kaczyński-Brüder gebunden seien.

Für eine andere Ausrichtung, stärker gestützt auf die sozialen Fragen des Landes und auf die Gewerkschaften, steht der seit Sommer 2008 amtierende junge Parteivorsitzende Grzegorz Na-pieralski, der sich in dem durch die PES (Party of European Socialists) setzten Rahmen für ei-nen möglichst erkennbaren Linkstrend ausspricht. Vorbild sind ihm dabei die spanischen Sozia-listen und insbesondere deren Vorsitzender Zapatero. Bei wichtigen Entscheidungen der letzten Monate bezogen Napieralski und seine Anhänger aber innerparteiliche Niederlagen, so bei-spielsweise in der Frage der Haltung zu den von der Regierungsseite vorgenommenen drasti-schen Einschnitten bei den Vorruhestandsregelungen. Für die bevorstehenden Wahlen zum EP optiert die Parteiführung der SLD für die Bildung einer einheitlichen sozialdemokratischen Lis-te, in die auch andere sozialdemokratische Parteien einbezogen werden.

Auch wenn die SLD bemüht ist, der Geschlechterfrage angemessenen Raum zu geben, wird diese in der politischen Praxis und im Alltag der harten Auseinandersetzungen mit den beiden großen Rechtsparteien doch gerne schnell wieder geopfert. Zwar gibt es in der SLD und in deren Umfeld bekannte Politikerinnen, doch bei wirklichen Machtentscheidungen wurden sie bisher oft ausgegrenzt. Hier hatten immer Männer das eindeutige Sagen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass seit einigen Jahren der Männeranteil bei den Wählern der SLD überwiegt.

Obwohl die SLD sich programmatisch als eine sehr moderne und zeitgemäße linke politische Kraft versteht, sind die Defizite beim Zuspruch in zwei wichtigen Wählergruppen – bei den jün-geren Wählern und bei den Frauen – nicht zu übersehen. Bei den großen Wahlerfolgen 1993, 1995 und 2001 war das einmal anders. Es gibt folglich Beobachter, die der SLD ein Schicksal voraussagen, wie es Parteien mit bevorzugt starken biographischen Bindungen auch anderswo traf und trifft.

Doch auch wenn die Glanzzeiten bereits mehrere Jahre zurückliegen, ist die SLD unter den linken und linksgerichteten Kräften Polens auch weiterhin ein dominierender Faktor. Keiner an-deren Kraft ist es bisher gelungen, sich dauerhaft als starke Kraft neben der SLD zu etablieren.

Alle anderen Gruppierungen haben zu tun, überhaupt aus dem Schatten der großen SLD heraus-zukommen. In fast jeder Hinsicht ist sie den anderen überlegen – das betrifft die versammelte Erfahrung im parlamentarischen Betrieb, die vielen Jahre in der Regierung, die Anzahl politisch erfahrener Köpfe, die finanzielle Ausstattung, die Verankerung im Territorium, die Erfahrungen in den Wahlkämpfen, die Weltgewandtheit, die Einbindung in die europäischen politischen Strukturen und das intellektuelle Umfeld. Dass die Partei in den zurückliegenden Jahren diese vielen Facetten nicht gleichermaßen einbinden konnte, steht auf einem anderen Blatt. Unter dem Strich bleibt jedenfalls die aus der Gesamtsicht linker Kräfte bittere Rechnung, dass es keiner

anderen linksgerichteten Kraft bisher gelungen ist, aus dem Absturz der SLD dauerhafte und zählbare Erfolge zu erzielen. Der häufig zu hörende Schluss, dass erst der vollständige Unter-gang der SLD den Boden für einen wirklichen Neuanfang der Linken in Polen bereiten würde, könnte sich folglich schnell als leichtsinniger Irrtum erweisen.

Andere sozialdemokratische Optionen

Die treueste Gruppierung an der Seite der SLD ist die UP(Unia Pracy; Union der Arbeit), die einst als linke Abspaltung aus der Solidarność hervorgegangen ist und mittlerweile politisch recht turbulente Zeiten über sich hinweggehen sah. Mehrere Parteivorsitzende (darunter auch eine Parteivorsitzende!) haben zwar zwischendurch das Parteibuch immer mal wieder hingewor-fen, aber die Partei gibt es noch. Zwar liegen die großen Zeiten mit Regierungsbeteiligung, Mi-nistern und Einfluss im Lande unerreichbar zurück, doch immerhin kommt die Partei derzeit in den Genuss staatlicher Parteienfinanzierung, da man als Teil des einstigen Mitte-Links-Blocks an der Ausschüttung beteiligt wird, auch wenn kein einziger Abgeordneter der Partei mehr im Sejmsitzt. Die Partei versteht sich als sozialdemokratisch, betont den Unterschied zur SLD im Grunde von der biographischen Herkunft aus. Da mag es verwundern, dass die UP in den zu-rückliegenden Jahren immer ein verlässlicher Verbündeter der SLD war. Aber auf diese Weise wurde ein gutes Stück politischer Kultur demonstriert, wichtig für Strukturen, in denen persönli-che Ambitionen häufig das nüchterne politispersönli-che Kalkül ersetzen. Obwohl die Partei in den letz-ten Jahren auf keine Wahlerfolge mehr verweisen konnte, gibt es augenblicklich wenige Optio-nen, die Partei mit anderen Strukturen verschmelzen zu lassen. Es wird eher auf breitere linke Wahlbündnisse orientiert, in denen die eigenen Chancen steigen würden. Die UP versteht sich gewissermaßen als eine „ökumenische“ Kraft unter den Linken in Polen, die sich auch ein Zu-sammengehen mit Kräften links von der Sozialdemokratie vorstellen könnte.

Die Partei ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und hat derzeit einen Abgeordneten im EP, der in der sozialistischen Fraktion sitzt. Sie versteht sich ähnlich wie die SLD als eine

„pro-europäische Kraft“, die sich für ein weiteres Fortschreiten der EU-Integration einsetzt. Im Unterschied zur SLD wird die Bedeutung der sozialen Gerechtigkeit für die Stabilität des Ge-meinwesens und die Entwicklung der Gesellschaft traditionell stärker betont. Allerdings hat die Partei trotz ihrer Herkunft aus den SolidarnośćStrukturen und trotz ihres programmatischen Namens aktuell nur wenige enge Kontakte zur Gewerkschaftslandschaft in Polen. Sie ist aber populär im linksliberalen Spektrum und hat emanzipatorische Fragen wie die des Schutzes ver-schiedenster Minderheiten immer stärker und entschiedener als die SLD betont.

Eine Abspaltung der SLD ist die SdPl (Socjaldemokracja Polska; Polnische Sozialdemokra-tie), die 2004 durch ehemals führende und prominente SLD-Mitglieder gegründet wurde. Par-teigründer Marek Borowski begründete den damaligen Austritt mit der Kritik, dass die bisheri-gen Parteien, insbesondere aber die SLD, sich ungerechtfertigt des Staates bedienten. Vor die Wähler trat die SdPl erstmals zu den EP-Wahlen im Juni 2004, als durchaus überraschend meh-rere Mandate gewonnen werden konnten. Im EP sitzen die SdPl-Abgeordneten wie die der SLD und der UP in der sozialistischen Fraktion. Zum größten Wahlerfolg kam es im Herbst 2007, als die SdPl im Rahmen eines Mitte-Links-Blocks 10 Sitze erhielt. Im Unterschied zur SLD-Spitze, die bereits Anfang 2008 diesen Mitte-Links-Block aufkündigte und alleine weiter zog, versucht die SdPl, einen solchen Block zu erhalten. Darin sieht sie die Chancen der SdPl auf Wiederein-zug in die Parlamente am besten gewahrt. Allerdings ist dieser Kurs in der Partei heftig

umstrit-ten, was im Laufe des Jahres 2008 zu einer tiefen innerparteilichen Krise führte. Die Partei stand vor einer Zerreißprobe, aus der sie sehr geschwächt hervorgegangen ist. Ähnlich wie die UP darf die SdPl sich über staatliche Parteienfinanzierung freuen, die der Partei gegenwärtig die Exis-tenz sichert. Die SdPl begreift sich als sozialdemokratisch, obwohl sie aus Gründen der Bei-trittsregelungen nicht der Sozialistischen Internationale beitreten konnte. Die Partei agiert als entschieden „pro-europäische“ Kraft.

Die kleine Partei PL(Polska Lewica; Polnische Linke) wurde im September 2007 gegründet, als der ehemalige SLD-Vorsitzende und Ministerpräsident Leszek Miller aus der SLD austrat. Er wollte damit gegen die Bildung des Mitte-Links-Blocks protestieren. In einigen Landesteilen gelang es ihm, arbeitsfähige Strukturen aufzubauen. Bisher ist es der Partei aber nicht gelungen, einen festen Platz im linken Parteienspektrum zu finden. Von der SLD kam jüngst das Angebot, Leszek Miller im Rahmen einer einheitlichen sozialdemokratischen Liste bei den Wahlen zum EP im Juni 2009 antreten zu lassen.

Optionen links von der Sozialdemokratie

Hier wäre zunächst die PPS (Polska Partia Socjalistyczna; Polnische Sozialistische Partei) zu nennen, eine Partei mit 115jähriger Tradition, einer der ältesten sozialistischen und überhaupt linken Parteien auf unserem Kontinent. Der heutige Zustand indes sieht die Partei in einer schweren innerparteilichen Krise. Die Zahl aktiver Mitglieder ist im Laufe der letzten Jahre kon-tinuierlich gesunken, auf Wahlerfolge kann seit 1997 kaum mehr verwiesen werden. Selbst auf der Ebene der Selbstverwaltungsorgane gibt es für die PPS nur wenige Hoffnungskeime. Zudem wird die Partei durch heftige innere Auseinandersetzungen geschüttelt, die letztlich dazu führ-ten, dass die Entscheidungen der letzten beiden Parteitage gerichtlich angefochten wurden. Auch dadurch wird die Tendenz verstärkt, sich mit sich selber zu beschäftigen. Der Partei ist in den zurückliegenden Jahren immer mehr die Fähigkeit abhanden gekommen, sich nach außen hin als wählbare Alternative darzustellen.

Und doch trägt die PPS das vielleicht attraktivste Parteischild unter Polens Linken. Stolz be-zeichnet man sich als polnische Sozialisten, worin die gesamte Geschichte der Partei einbezogen ist. Stets sei man konsequent für soziale Gerechtigkeit, für ein demokratisches Verständnis von Sozialismus und für die polnische Unabhängigkeit eingetreten, habe dafür zu unterschiedlichen Zeiten gekämpft und zahlreiche Opfer gebracht. Schmerzlich folglich, wie wenig diese Dinge im heutigen politische Geschäft zu zählen scheinen. Und so gibt es mehrere Vorschläge in der Partei, wie aus der misslichen Lage herauszukommen sei. Ganz oben steht die Forderung, sich mit anderen zusammenzuschließen, ohne aber die eigene Identität oder gar die eigene Organisa-tion aufzugeben. Eine weitere verbreitete Ansicht sucht nach Möglichkeiten, andere kleinere Gruppierungen unter dem Schild PPS zu einen. In der Minderheit befinden sich Überlegungen, aus der Not eine Tugend zu machen, sich also vor allem als außerparlamentarische Kraft zu stehen und die Aktivitäten ausschließlich darauf zu konzentrieren. In den 1990er Jahren ver-suchte die PPS Mitglied der Sozialistischen Internationale zu werden, konnte aber ähnlich wie später die SdPl nicht aufgenommen werden, da aus Polen bereits zwei Parteien Mitglieder wa-ren. Die PPS ist EU-kritischer als die sozialdemokratischen Parteien.

Eine typische polnische Partei könnte man die Partei Racjanennen (Partia „Racja“ Polskej Lewicy; Partei „Racja“ der Polnischen Linken), die in den 1990er Jahren gegründet wurde. Das Wort racja bedeutet „richtiger Standpunkt“, also etwa richtiger Standpunkt in weltanschaulichen

Fragen. Und so reiben sich die meisten Mitgliedern der Partei vor allem an der Nichteinhaltung der durch die Verfassung gebotenen Trennung von Staat und Kirche. Anders als für andere linke und linksgerichtete Parteien Polens hat dieses Thema zentrale Bedeutung für die Aktivitäten und die Identität der Partei. Während beispielsweise weder SLD noch PPS einen „Krieg gegen Gott“

anzetteln möchten – das heißt, dass sie sich mit der nach dem Konkordat zwischen dem Vatikan und Polen entstandenen Lage mehr oder weniger stillschweigend abzufinden – verweist Racja auf die faktische Monopolstellung, die die katholische Kirche im öffentlichen Raum in unter-schiedlichen moralischen oder weltanschaulichen Fragen inne hat.

Seit 2007 ist Maria Szyszkowska Parteivorsitzende, die zu den bekanntesten weiblichen Per-sönlichkeiten im linken Spektrum gehört. Maria Szyszkowska hat sich in Polen einen Namen als aufrechte Streiterin für Minderheitenrechte und für den Frieden gemacht. Ihr ist es gelungen, den Fragen von Bürgerrechten und Teilhabe am demokratischen Prozess in der Arbeit der Partei breiteren Raum zu geben. Insofern ist die Racja so etwas wie die eigentliche Bürgerrechtspartei unter Polens Linken. Die Partei setzt sich zugleich konsequent für die Einhaltung und den Aus-bau sozialer Rechte und für soziale Gerechtigkeit ein. Sie sieht in dem Prozess der EU-Integra-tion Chancen für die weitere Entwicklung der polnischen Gesellschaft.

Da man sich wenige Chancen ausrechnet, die Prozenthürden bei Parlamentswahlen allein zu überwinden, sucht man konsequent nach Bündnispartnern. Mit anderen Gruppierungen wurde im Sommer 2007 die Initiative „Kongress der Verständigung der Linken“ (Kongres Porozumie-nia Lewicy) gegründet, an der unter anderem auch die PPS führend beteiligt ist.

Sonstige Optionen

Eine Partei, die sich seit einiger Zeit dem linken Spektrum zuzählt, ist die PPP(Polska Partia Pracy; Polnische Partei der Arbeit), die sich auf die kleine, sich radikal gebende Gewerkschaft Sierpień 80 (August 80) stützt. Da die Gewerkschaft ihre Mitgliedszahlen nicht veröffentlicht, ist nach Schätzungen von unter 10.000 Mitgliedern auszugehen, die in der Mehrzahl im polni-schen Steinkohlebergbau beschäftigt sind. Außerhalb des Kohlereviers ist die Gewerkschaft deutlich schwächer vertreten. Die PPP selbst hat nach Schätzungen weit unter 1.000 Mitglieder.

Fast alle Mitglieder der Partei sind zugleich Mitglieder der Gewerkschaft Sierpień 80. Mitglie-der anMitglie-derer Gewerkschaften gibt es unter den ParteimitglieMitglie-dern nicht.

Vorsitzender beider Organisationen ist in Personalunion Bogusław Ziętek, der im Frühjahr 2008 zur Genese der Partei und der Struktur öffentlich äußerte, man habe bis zum Beitritt Polens zur EU seine Proteste nationalistisch färben müssen, da Polen durch fremdes Kapital geknebelt worden sei, seitdem habe man das linke Projekt „Soziales Europa“ entdeckt, bei dem man nun mitwirken möchte. Das sei alles zwangsläufig und die PPP nunmehr die eigentliche authentische linke Kraft in Polen, da sie den Mitgliedern nach die einzige richtige Arbeiterpartei sei, die engsten Gewerkschaftsbindungen habe und am konsequentesten gegen Privatisierung auftrete.

Da fast alle Parteimitglieder Männer sind, dürfte die PPP unter Polens politischen Parteien die-jenige mit dem geringsten Frauenanteil sein.

Dem geltenden Statut nach ist die PPP eine Partei, die nach autoritären Prinzipien strukturiert ist. Nahezu allgewaltig ist der Vorsitzende, der keiner demokratischen oder öffentlichen Kon-trolle unterlieg. Laut Statut besteht der Zweck der PPP in der strikten Verteidigung der Staatsrä-son des unabhängigen Polens. Demzufolge versteht sich die Partei als strikt EU- und NATO-feindlich. Während die NATO als terroristische Organisation gebrandmarkt wird, wird Polens

Mitgliedschaft in der EU als Schieflage gesehen, aus der dem Land kaum Nutzen zufließen. Die Partei gibt sich strikt „antikapitalistisch“, was immer darunter auch verstanden werden mag. Da passt das Abenteuer mit Le Pen, den man in seinem Kampf um den französischen Präsidenten-stuhl bei der Stichwahl im Jahr 2002 ganz offen unterstützte, ebenso hinein wie etwa Kampag-nen gegen den „verbrecherischen NATO-Krieg“ im Irak. Im Mittelpunkt dieser antikapitalisti-schen Ausrichtung steht der Kampf gegen Privatisierung.

Aktuell gibt es keine Zusammenarbeit mit linken oder linksgerichteten Parteien in Polen. Po-litischer Hauptgegner ist die SLD, die erst jüngst in einem PPP-Dokument als eine „Anti-Arbei-ter-Partei“ bezeichnet wurde. In diesem Dokument wurde Maria Szyskowska, Parteivorsitzende der Racja, als „politisch käuflich“ disqualifiziert. Auch Aktivisten anderer Gewerkschaften als

„Sierpień 80“ werden regelmäßig der politischen Korruption verdächtigt gemacht.

Bei den zurückliegenden Wahlen blieb die PPP unter 1 Prozent der abgegebenen Wähler-stimmen. Sie zeigte sich nicht in der Lage, glaubhaft ihren behaupteten linken Anspruch im Rahmen von Wahlkampagnen darzustellen. Parteivorsitzender Ziętek hatte 2006 kurz nach An-tritt seiner Doppelfunktion erklärt, er wolle das verwaiste Wählerpotential der SLD der PPP zu-zuführen. Zwei Drittel der PPP-Wähler zählen sich dem konservativen Lager zu. Auch aus die-sem Grund dürfte sich Ziętek um seine guten Kontakte zum nationalkonservativen, katholischen Radiosender Radio Maryja sorgen, um den Vertreter linker und linksgerichteter Parteien in Po-len aus gutem Grund einen weiten Bogen machen.

Im Dokument rls Die Linke in Europa (Seite 104-110)