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Hilfsmittel zur Überprüfung der Einhaltung der Grenzkriterien

4 Technische und akteursseitige Anforderungen

4.2 Anforderungen der Netzbetreiber an den Einbau von Wärmetauschern in Abwasserkanalisationen

4.2.1 Technische Anforderungen: Vollzug der Entwässerungsaufgabe

4.2.1.3 Aus dem Betrieb von Kläranlagen resultierende Anforderungen – Beitrag von Beat Kobel (Ryser Ingenieure

4.2.1.3.5 Hilfsmittel zur Überprüfung der Einhaltung der Grenzkriterien

Mit einer einfachen Berechnung unter Verwendung in Kapitel 4.2.1.5.2.3 und 4.2.1.5.2.5. dargestellten Formeln kann abge-schätzt werden, wie sich die Wärmeentnahme mittels Wärmetauscher in einem Kanalisationsabschnitt und der nachträgliche Zufluss von weiteren Teilströmen (gemäss Folgerungen in Kapitel 4.2.1.5.2.8 die relevanten Einflussgrössen) auf die Tempera-tur im Zulauf zur Kläranlage auswirken.

Bei den folgenden zwei Beispielen für eine mittelgroße Kläranlage wird die resultierende Temperatur im Zulauf zur Kläranla-ge für zwei unterschiedliche Wärmeentnahmen aus dem gleichen Teilstrom im Kanalisationsnetz vor der KläranlaKläranla-ge berechnet.

Geringe Wärmeentnahme bei KA mit ca. 50.000 EW Große Wärmeentnahme bei KA mit ca. 50.000 EW

Darstellung: Ryser Ingenieure AG

Das folgende Beispiel für eine große Kläranlage mit mehreren Wärmeentnahmen aus verschiedenen Teilströmen des Kanalisa-tionsnetzes, deren Auswirkungen sich bis zum Kläranlagen-Zulauf kumulieren, zeigt, dass sich auch mehrere z.T. große Wär-meentnahmen auf die Temperatur im Kläranlagen-Zulauf nicht unbedingt maßgeblich auswirken.

Mehrere Wärmeentnahmen bei KA mit ca. 150.000 EW

Darstellung: Ryser Ingenieure AG

4.2.1.3.5.2 Dynamische Modellrechnungen: Einhaltung des Ammonium-Ablaufgrenzwertes

In einem zweiten Schritt muss im Bedarfsfall (Grenzkriterium a in Kapitel 4.2.1.5.4 nicht erfüllt Kriterium b kommt zum Tragen) durch Abwasserfachleute geprüft werden, ob die im Kläranlagen-Zulauf resultierende tiefere Temperatur die Reini-gungsleistung der Kläranlage relevant vermindert, d.h. ob der NH4-Ablaufgrenzwert eingehalten werden kann.

Abnahme der Abwassertemperatur (TA) in Teilstrom durch Wärmeentnahme mittels Wärmetauscher T vor WT Q WA T T nach WT (mit WT-Leistung WA) [°C] [l/s] [kW] [K] [°C]

Teilstrom 12.00 50 100 -0.48 11.52

Abnahme der Abwassertemperatur (TA) im KA-Zulauf durch Wärmeentnahme

aus Teilstrom T Q

Teilstrom mit Wärmeentnahme 11.52 50 T im KA-Zulauf Gesamter KA-Zulauf mit

Wärmeentnahme aus Teilstrom 10.88 200 -0.12 K

Abnahme der Abwassertemperatur (TA) in Teilstrom durch Wärmeentnahme mittels Wärmetauscher T vor WT Q WA T T nach WT (mit WT-Leistung WA) [°C] [l/s] [kW] [K] [°C]

Teilstrom 12.00 50 300 -1.43 10.57

Abnahme der Abwassertemperatur (TA) im KA-Zulauf durch Wärmeentnahme

aus Teilstrom T Q

Teilstrom mit Wärmeentnahme 10.57 50 T im KA-Zulauf Gesamter KA-Zulauf mit

Wärmeentnahme aus Teilstrom 10.64 200 -0.36 K

Temperatur ohne

Teilstrom mit Wärmeentnahme 1 12.00 50 300 1.43 10.57 Teilstrom mit Wärmeentnahme 2 13.00 25 150 1.43 11.57 Teilstrom mit Wärmeentnahme 3 11.00 40 100 0.60 10.40 Teilstrom mit Wärmeentnahme 4 10.00 80 150 0.45 9.55 Teilströme ohne Wärmeentnahme

(Differenz zu Zulauf KA gesamt) 12.43 405

Zulauf KA gesamt 12.00 600 700 0.28 11.72

Eingabe Resultate

Als Ergänzung zum statischen Nomogramm wurden mittels dynamischer Simulation aufgrund von Messwerten (NH4 -Tagesgänge, einfügen der Temperatur als Variable) mit den bereits erwähnten Modellen131 und dem Simulationsprogramm ASIM durch die EAWAG der Zusammenhang zwischen Sicherheitsfaktor SF und NH4-Konzentration im Kläranlagen-Ablauf (24h-Sammelproben) für den 50%-Lasttag (NH4-Fracht, die in 50% der Tage eines Jahres unterschritten wird, aus Summen-häufigkeitskurve der NH4-Tagesfrachten) und den 85%-Lasttag (NH4-Fracht, die in 85% der Tage eines Jahres unterschritten wird, aus Summenhäufigkeitskurve der NH4-Tagesfrachten) auf der Kläranlage Werdhölzli in Zürich ermittelt und die Resulta-te in grafisch dargesResulta-tellt.132

NH4-Konzentration im Ablauf der KA Werdhölzli in Abhängigkeit von der Abwassertemperatur und dem zugehörigem Sicherheitsfaktor SF für den 50%-Lasttag

(gestrichelte Linie) und den 85%-Lasttag (ausgezogene Linie) bei SAaer = 8 d

NH4-Konzentration im Ablauf der KA Werdhölzli in Abhängigkeit vom Sicherheitsfaktor SF und der

zugehöri-gen Abwassertemperatur und dem für den 50%-Lasttag (gestrichelte Linie) und den 85%-Lasttag (ausgezogene

Linie) bei SAaer = 10 d

Darstellung: Ryser Ingenieure AG

Aus dem aeroben Schlammalter SAaer im Winter und den tiefsten Ablauftemperaturen im Betrieb kann der aktuelle Sicher-heitsfaktor SF der Nitrifikation berechnet werden (siehe oben, Kapitel 4.2.1.5.3.1). Der Einfluss einer Temperaturabsenkung auf die NH4-Ablaufkonzentration kann nun mit Hilfe der oben dargestellten Abbildungen abgeschätzt werden (Berechnung des neuen SF bei geringerer Temperatur). Im Falle einer deutlichen Überschreitung des maßgebenden Grenzwertes (je nach Regi-on und Anforderungen an den Vorfluter verschieden und für jede Kläranlage abzuklären) auch für den 50%-Lasttag, kann umgekehrt eine maximal zulässige Temperaturabsenkung und daraus die maximal mögliche Wärmeentnahmemenge abgeleitet werden.

Bei einem aeroben Schlammalter SAaer von 10 Tagen und einer Temperatur133 von 10 °C ergibt sich ein Sicherheitsfaktor SF von 2, d.h. eine zweifache Sicherheit gegen das Auswaschen der Mikroorganismen (Nitrifikanten). Damit wird gem. der

131 Vgl. Koch, G. et al. 2000 und 2001, sowie Gujer, W. et al. (1999).

132 Vgl. Wanner, O. (2004b).

133 Dimensionierungstemperatur nach ATV-DVWK (2000).

Quelle: EAWAG [1]

gen Abbildung der in der Abwasserverordnung (AbwV) vorgeschriebene NH4-Stickstoff-Ablaufgrenzwert für Kläranlagen mit mehr als 5.000 EW von 10 mg/l bei weitem eingehalten.134

Beispiel: Erhöht man die Wärmetauscherleistung im vorangehenden Beispiel gemäß der Tabelle „Große Wärmeentnahme bei KA mit ca. 50.000 EW“ auf eine sehr große Leistung von WA = 500 kW, ergibt sich durch die Wärmeentnahme vor der ARA eine Temperaturabsenkung im Kläranlagen-Zulauf von 0,6 K (> 0,5 K), d.h. das Abwasser wird von 11

°C auf 10,4 °C abgekühlt. Die betreffende Kläranlage wird mit einem aeroben Schlammalter von 11 Tagen betrie-ben. Durch die Abkühlung vermindert sich also SF von [0,2 * e(0,11 * (11-10))] * 11 = 2,5 auf [0,2 * e(0,11 * (10,4-10))] * 11

= 2,3. Auch mit der Abkühlung kann der NH4-Ablaufgrenzwert sicher in mehr als 95% der Tage eines Jahres ein-gehalten werden. Damit ist die Wärmeentnahme aus Sicht der Kläranlagen-Betriebssicherheit zulässig.

Basierend auf einer Summenhäufigkeitskurve von NH4-Ablaufmesswerten kann die Summenhäufigkeitskurve abgeschätzt werden, die nach einer Temperaturabsenkung zu erwarten ist (siehe nachfolgende Abbildung sowie das nachfolgende Kapitel).

Ausgezogene Linie: Summenhäufigkeit der NH4-Konzentration im Ablauf der KA Werdhölzli (berechnet mit 134 24h-Sammelproben 2002/2003). Gestrichelte Linie: Verschiebung der Verteilung gemäss Modellvorhersage nach

permanen-ter Abkühlung von 1.5 K im KA-Zulauf

Darstellung: Ryser Ingenieure AG

4.2.1.3.5.3 Detailliertes Vorgehen für die Überprüfung der Einhaltung des Ammonium-Ablaufgrenzwertes

Das Vorgehen, das im Forschungsprojekt der EAWAG auf die Kläranlage Werdhölzli in Zürich angewendet worden ist, kann wie folgt als allgemeines Vorgehen formuliert werden.135 Mit diesem Vorgehen können Abwasserfachleute die Nitrifikations-reserve einer in Betrieb stehenden Kläranlage und die Auswirkung einer Absenkung der Abwassertemperatur im Kläranlagen-zulauf auf die NH4-Ablauf-Konzentration bestimmen:

134 In der Schweiz sieht die Situation mit einem allgemeingültigen Grenzwert von 2 mg/l etwas problematischer aus, weshalb hier dem Effekt der Abkühlung des KA-Zulaufes rechtlich gesehen stärker Rechnung getragen werden muss als in Deutschland. Gemäß Schweizer Gesetzgebung darf der Grenzwert an höchstens 10 – 20 % der Tage eines Jahres überschritten werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass der 85%-Lastfall und eine tiefe Temperatur von 10° C nur sehr selten zusammenfallen und dass eine Grenzwertüberschreitung demnach sicher in weniger als 5 % der Tage eines Jahres vorkommen kann.

1) Basierend auf gemessenen Tagesgängen von Zufluss, Temperatur, Zulauf- und Ablaufkonzentration für Ammonium wird mit einem Simulationsprogramm, wie z.B. ASIM136, ein Belebtschlammmodell, wie z.B. ASM3137 für die be-trachtete Kläranlage kalibriert.

2) Mit im Kläranlagenzulauf gemessenen NH4-Tagesfrachten wird eine Summenhäufigkeitskurve berechnet, aus der die 50 %- und 85 %-Werte der Ammoniumfracht bestimmt werden können.

3) Diese 50 %-und 85 %-Frachtwerte und ein typischer Tagesgang der NH4-Zulaufkonzentration werden als Input für das kalibrierte Modell verwendet um für verschiedene Abwassertemperaturen mittlere Ablaufkonzentrationen von Ammonium CNH4(T) zu berechnen.

4) Mit dem Ansatz CNH4(T) = CNH4(T=10°C)* ek(10-T) werden die so berechneten Ablaufkonzentrationen von Ammonium gefittet (Nachbildung der 50%- u. 85%-Kurven gem. der Abb. in Kapitel 4.2.1.5.2.3 dadurch Bestimmung von k).

5) Mit gemessenen 24-Stunden-Sammelproben der NH4-Konzentration im Ablauf der Kläranlage wird eine Summenhäu-figkeitsverteilung berechnet.

6) Es wird geprüft, ob die betrachtete Kläranlage eine Nitrifikationsreserve aufweist, d.h. ob gegebene Grenzwerte für die NH4-Ablaufkonzentration eingehalten werden.

7) Wenn dies so ist, wird die Absenkung ∆T der Kläranlagen-Zulauftemperatur berechnet, die aufgrund der geplanten Wärmeentnahme aus dem Abwasser in der Kanalisation zu erwarten ist.

8) Mit den vorhandenen 24-Stunden-Sammelproben der NH4-Konzentration im Ablauf der Kläranlage wird eine neue Summenhäufigkeitskurve für die um ∆T reduzierte Abwassertemperatur berechnet: CNH4,neu(T) = ek∆T*CNH4,alt.

9) Wenn die NH4-Ablaufkonzentration für die neue Summenhäufigkeitskurve gegebene Grenzwerte verletzt, muss ∆T verkleinert werden und die Schritte (7) bis (9) wiederholt werden.

10) Wenn durch die NH4-Ablaufkonzentration für die neue Summenhäufigkeitskurve die gegebenen Grenzwerte eingehal-ten werden, lässt sich durch Umformung der Formel in Kapitel 4.2.1.5.2.5 die Wärmemenge pro Zeiteinheit berech-nen, die dem Abwasser in der Kanalisation theoretisch entnommen werden darf.