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Definitionen und Vorgehensweisen bei der Ermittlung des theoretischen Potenzials

5 Potenzial der Abwasserwärmenutzung in NRW

5.1 Definitionen und Vorgehensweisen bei der Ermittlung des theoretischen Potenzials

Abwasser hat ein Wärmepotenzial, das entweder im Kanal oder in bzw. nach Kläranlagen genutzt werden kann. In diesem Abschnitt wird zunächst die Vorgehensweise bei der Ermittlung des theoretischen Potenzials anhand der Wärmeentnahmen im Kanal dargestellt.

Wie die Ausführungen des vorangegangenen Kapitels verdeutlicht haben, sind bei der Nutzung der Abwasserwärme zahlreiche Restriktionen zu beachten. Zur Nutzung der Abwasserwärme sind zunächst WT-Elemente einzubringen. Sofern die Gewin-nung der Abwasserwärme im Kanal vorgenommen werden soll, sind die „kanalisationsseitigen“ Restriktionen zu berücksichti-gen, welche auf Anforderungen zur Erfüllung der Entwässerungsaufgabe basieren. Zudem sind „wärmetauscherbezogene“

Restriktionen zu beachten, die auf den Anforderungen hinsichtlich der Eignung von Kanalabschnitten für den Einbau von Wärmetauscher-Elementen beruhen. Diese Restriktionen lassen sich zu Gewinnungsrestriktionen zusammenfassen. Unter Berücksichtigung der Gewinnungsrestriktionen lassen sich die für die Wärmegewinnung geeigneten Kanalisationsabschnitte, und darauf basierend das (Wärme-)Gewinnungspotenzial ermitteln.

Weitere Restriktionen treten beim Absatz der Wärme auf. Derartige Vermarktungsrestriktionen sind sowohl auf Seiten der Anbieter der Wärmeenergie, i.e. EVU, als auch auf Seiten der Nachfrager festzustellen. Da die Gewinnungs- und Vermark-tungsrestriktionen, die zugleich erfüllt sein müssen, voneinander unabhängige Ereignisse darstellen, sind nicht alle für die Gewinnung der Abwasserwärme geeigneten Kanalisationsabschnitte zugleich auch für die Vermarktung geeignet.

Schließlich schlagen sich auch divergierende Interessen, Präferenzen und Bereitschaften der involvierten Akteure zur Realisie-rung eines AWN-Projektes in noch zusätzlich zu berücksichtigenden RealisieRealisie-rungsrestriktionen nieder.

Insgesamt ist deutlich herauszustellen, dass es für die potenzielle Realisierung erforderlich ist, dass zugleich sowohl sämtliche technischen Anforderungen als auch sämtliche ökonomischen Anforderungen aller involvierten Akteure erfüllt sein müssen.

Um einen Eindruck von dem Potenzial der Wärmenutzung aus Abwasserkanälen zu gewinnen, erfolgt nunmehr eine differen-zierte Betrachtung der unterschiedlichen Potenzialstufen. Erst darauf aufbauend kann eine aussagekräftige und belastbare Abschätzung des Marktpotenzials sowie der energiewirtschaftlichen und umweltpolitischen Effekte der Wärmerückgewinnung in Abwasserkanalisationen vorgenommen werden. Um also ein Bild von dem Potenzial der Abwasserwärmenutzung in NRW zu erhalten, sind auf der Grundlage der Gewinnungs-, Vermarktungs- und Realisierungsrestriktionen die jeweils zugehörigen Gewinnungs-, Vermarktungs- und Realisierungspotenziale zu ermitteln. Sodann kann eine Aussage zum Marktpotenzial ge-troffen werden.

Bei der differenzierten Ableitung der verschiedenen Potenzialstufen der Abwasserwärme im Kanal finden die nachfolgenden Begriffe und Definitionen Anwendung.

Theoretisches Abwasserwärmepotenzial

Trägermedium des Wärmepotenzials ist das Abwasser. Als Abwasserwärmepotenzial ist auf einer ersten Stufe das Produkt aus der innerhalb einer bestimmten Periode anfallenden Abwassermenge und der maximal entnehmbaren Wärmeenergie (Tempe-raturdifferenz) zu verstehen.

(Wärme-)Gewinnungspotenzial

Die Gewinnung der Wärmeenergie aus Abwasser findet in Kanalisationen statt. Nicht alle Kanalisationsabschnitte sind glei-chermaßen für den Einbau und Betrieb von Wärmetauschern geeignet. Unter Berücksichtigung der entwässerungs- und wärme-tauscherbezogenen Restriktionen lassen sich für die Wärmerückgewinnung geeignete Kanalisationsabschnitte ermitteln. Das Gewinnungspotenzial, das ebenfalls als theoretischer Wert zu interpretieren ist, lässt sich überschlägig als Produkt aus Länge der geeigneten Kanäle und mittlerer Wärmeentnahme je Kanalmeter ermitteln.

Vermarktungspotenzial

Auf der dritten Stufe bestehen Anforderungen an die Vermarktung der Wärmeenergie, bspw. hinsichtlich des Volumens und der Struktur des Wärmebedarfs und der Distanz zwischen den Orten der Wärmegewinnung und –nutzung. Insgesamt lassen sich derartige Restriktionen in einer Vermarktungswahrscheinlichkeit bündeln. Diese Wahrscheinlichkeit ist ein Maß für die simultane Erfüllung aller hinsichtlich der Vermarktung bestehenden Anforderungen sämtliche Akteure. Mit anderen Worten gibt die Vermarktungswahrscheinlichkeit Auskunft darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit auf der Grundlage des Gewin-nungspotenzials das Vermarktungspotenzial zu ermitteln ist: Das Vermarktungspotenzial lässt sich als Produkt aus dem Ge-winnungspotenzial und der Vermarktungswahrscheinlichkeit berechnen.

Realisierungspotenzial

Auf der vierten Stufe schließlich kommt das Realisierungspotenzial unter Berücksichtigung weiterer Restriktionen seitens der Netzbetreiber, der EVU und der Nachfrager zustande. Zunächst lassen sich unter Berücksichtigung der Präferenzen, dem Grad der Risikoaversion und der freien Kapazitäten der involvierten Akteure die prinzipiell realisierungsfähigen Kanalabschnitte abschätzen. Dabei trifft die NB insbesondere das Risiko, dass Vorleistungen möglicherweise nicht kompensiert werden. In diesem Zusammenhang spielt die Risikopräferenz der Netzbetreiber insofern eine Rolle als unter risikoscheuen NB eine ableh-nende Haltung gegenüber einem AWN-Engagement tendenziell häufiger vorzufinden sein wird. Darüber hinaus ist zu berück-sichtigen, dass die prinzipiell realisierungsfähigen Kanalisationsabschnitte nicht vollständig mit WT-Elementen ausgestattet werden können, da die maximale Länge von WT-Anlagen mit 200 m angegeben wird. Somit ist bei der Abschätzung des Realisierungspotenzials noch ein"technischer Verschnitt" zu berücksichtigen. Erst auf dieser Grundlage kann eine Aussage zum theoretisch realisierungsfähigen Potenzial der Wärmerückgewinnung in NRW getroffen werden. Insgesamt münden die o.g. Realisierungsrestriktionen in den Faktor „Realisierungswahrscheinlichkeit“. Da die Gewinnungs-, Vermarktungs- und Realisierungsrestriktionen zugleich einzuhalten sind, ergibt sich das Realisierungspotenzial als Produkt aus der Realisierungs-wahrscheinlichkeit und dem Vermarktungspotenzial. Das Realisierungspotenzial stellt diejenige theoretische Größe dar, bis zu der sich das Wärmeangebot unter den gegebenen Restriktionen maximal entwickeln kann. Das Realisierungspotenzial eignet sich zudem zur Abschätzung der potenziellen energiewirtschaftlichen und umweltpolitischen Effekte der

Wärmeangebot

Das Wärmeangebot ist losgelöst von dem Begriff des Abwasserwärmepotenzials (1. Stufe) zu verstehen. Von einem Wärme-angebot kann letztlich nur insofern und in dem Umfang gesprochen werden, wie Wärmeproduktion tatsächlich stattfindet und diese Wärmeenergie den Verbrauchern auch angeboten wird. Somit kommt ein Wärmeangebot auf der Grundlage einer fall-spezifischen Wirtschaftlichkeitsberechnung erst infolge der Gewinnung und Vermarktung von Wärme mittels Wärmetauscher im Abwasserkanal zustande. Unter dem Wärmeangebot ist somit nichts anderes zu verstehen als derjenige Teil des maximal realisierbaren Potenzials, der tatsächlich mittels WT in Kanälen produziert und vermarktet wird.

Zur Potenzialermittlung können unterschiedliche methodische Wege beschritten werden. Im Rahmen dieser Forschungsarbeit werden zwei alternative Wege vorgestellt, die unterschiedlichen Sichtweisen und Methoden folgen. Im einzelnen sind dieses eine energetisch orientierte Globalabschätzung des Büros eam sowie eine evolutorische Potenzialabschätzung unter Berück-sichtigung zeitlicher und akteursbezogener Restriktionen. Letztere bezieht sich allerdings ausschließlich auf den Bereich der Wärmerückgewinnung in Abwasserkanalisationen.

5.2 Gesamtheitliche Betrachtung des theoretischen Wärmepotenzials