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4 Technische und akteursseitige Anforderungen

4.3 Anforderungen der Energieversorger

4.3.4 Erlöse

4.3.4.1 Produkte, Mengen, Preise

Mit dem Verkauf ihrer Produkte am Markt erzielen Unternehmen einen Erlös, der sich als Produkt aus abgesetzter Gütermenge (Mengenkomponente) und Verkaufspreis (Preiskomponente) errechnet. EVU können mittels WT in Abwasserkanalisationen zwei Produkte herstellen:

Wärme (durch Entnahme von Wärmeenergie aus dem Abwasser)

Kälte (durch Abgabe von Wärmeenergie an das Abwasser, sog. inverser Betrieb)

Die Erlöse eines EVU lassen sich folglich angeben als Summe der Produkte aus abgesetzter Wärmemenge und Wärmepreis sowie abgesetzter Kältemenge und Kältepreis.

Hinsichtlich der Erlöse aus dem Verkauf von Wärmeenergie lässt sich feststellen, dass die absetzbare Wärmemenge durch das Nachfragevolumen, das von der Art und Anzahl der Verbraucher abhängt, determiniert ist. Aufgrund der begrenzten Substitu-ierbarkeit von Wärmeenergie ist die Annahme plausibel, dass die volkswirtschaftliche Nachfrage nach Wärmeenergie zumin-dest kurzfristig konstant und preisunelastisch ist. Folglich müssen EVU zur Steigerung ihrer Erlöse auf den Aktionsparameter

„Preis“ zurückgreifen. Aber auch der Verkaufspreis für Wärmeenergie steht nur innerhalb gewisser Grenzen für eine preispoli-tische Gestaltung zur Verfügung.

Eine Grenze für die Gestaltung der Preise ist durch die Kostenseite vorgegeben: Langfristig markieren die herstellungsbeding-ten Stückkosherstellungsbeding-ten die Preisuntergrenze.178 Als Pendant besteht die Preisobergrenze in den Preisen, die von der Konkurrenz für Wärmeenergie verlangt werden. Dabei spielen insbesondere die Preise der Wärmeversorgung auf Öl- und Gasbasis eine Rolle.

178 Kurzfristig ist ein Unterschreiten dieser Preisgrenze möglich, bspw. um neues Marktpotenzial zu erschließen. Dabei findet allerdings

Gelingt eine Segmentierung des Marktes in einen regenerativen und einen konventionellen Teilmarkt, nehmen die Freiheits-grade der Preispolitik für die Wärmeenergie zu.

Der Verkauf von Kälte, d.h. von Klimatisierungsleistungen, ist gegenwärtig für die EVU interessant, weil zum einen das Wachstumspotenzial größer ist als im Wärmemarkt und die Freiheitsgrade der Preispolitik größer sind. Letzteres ist zum einen auf komparative Kostenvorteile zurückzuführen, da die Anlagen bei Wärmeableitung in Abwasser effektiver arbeiten als alternative Klimatisierungssysteme, bei denen die Wärme an die Luft abgeben wird. Zudem ist der Markt weniger transparent und erlaubt größere Gewinnmargen als der Wärmemarkt. Die Möglichkeit des Einsatzes von Abwasser-Wärmetauschern im inversen Betrieb ist für EVU von hoher Bedeutung.179 Zum einen steigt die Auslastung der Anlage, so dass sich die Fixkosten-anteile je Leistungseinheit reduzieren lassen, zum anderen besteht im Verkauf des Produktes „Klimakälte“ ein wichtiger, weil im Vergleich zur Wärmevermarktung höher bepreister Erlösträger.

Der Blick auf die ökonomischen Eckdaten der in Leverkusen betriebenen Anlage zeigt Zweierlei:

Ohne politische Förderung – das MUNLV NRW hat die Hälfte der Baukosten getragen – wäre die Maßnahme trotz günstiger Ausgangsbedingungen (Neubau von Kanal und Liegenschaft, räumliche Nähe) nicht realisiert worden.180 Darüber hinaus stellt der Verkauf von Klimakälte einen obligatorischen Bestandteil für die Rentabilität der Anlage dar. Da die Produktionskosten für in Abwasserkanalisationen gewonnene Wärme derzeit nur rd. 10 % unter dem Ver-kaufspreis liegen, ist der Verkauf von Klimakälte nicht wegzudenken.181

4.3.4.2 Contracting

Bei vorgegebenem Investitionsvolumen und Kostenumfang ist seitens der EVU zu untersuchen, ob sich die Rentabilitätsan-sprüche der EVU mit den Preisen für Wärmeenergie und Klimatisierungsleistungen innerhalb der o.g. Grenzen realisieren lassen. Sofern dieses der Fall ist, besteht die Möglichkeit, durch den flankierenden Einsatz weiterer absatzpolitische Instrumen-te, etwa durch das Angebot von Service-, Vertrags- und Finanzdienstleistungen, Maßnahmen zur Förderung des Erlöses zu ergreifen.182 Die auf diese Weise u.U. entstehenden umfassenden vertraglichen Beziehungen zwischen EVU und Energieab-nehmern werden als Contracting bezeichnet. Contractor ist das ausführende bzw. energieliefernde Unternehmen, das sich vom EVU zum Energie-Dienstleister entwickelt hat. Contracting-Nehmer ist der Eigentümer der zu beliefernden Liegenschaft.183 Mit Blick auf das Leistungsangebot lassen sich verschiedene Formen des Contracting unterscheiden.184 Die gängigste Form ist das Energieliefer-Contracting, auch Anlagen-Contracting genannt. Dieses beinhaltet die vollständige Installation und den

179 Die Ausführungen basierend auf einem Gespräch, das der Verfasser mit Herrn Dipl.-Ing.Werner Gerwert, Prokurist der HEC in Dortmund, geführt hat.

180 Ebenda.

181 Vgl. Jarke, P. (2004), S. 117.

182 Die Absatzpolitik umfasst neben der Preispolitik bspw. die Instrumente der Produkt- und Sortimentspolitik, Informationspolitik, Vertriebspolitik und Absatzfinanzierung.

183 Contractoren sind oftmals EVU oder spezialisierte Energiedienstleister, die wiederum häufig als Tochterunternehmen von EVU firmieren. Ferner treten auch innovative Handwerksbetriebe, Anlagenbauer oder Immobilienunternehmen als Contractoren auf und bieten Energieversorgungslösungen aus einer Hand an. Vgl. Energieagentur NRW (2002), S. 1 und S. 14.

184 Zu den nachfolgenden Ausführungen siehe Energieagentur NRW (2002), S. 6 ff.

Betrieb der Energieerzeugungsanlage (inkl. Planung, Bau, Betrieb, Instandhaltung und Energievermarktung). Derartige Contracting-Verträge sind bspw. zwischen Wohnungsbaugesellschaften und Contracting-Unternehmen anzutreffen. Dabei installiert und betreibt der Contractor die Energieanlage auf eigenes Risiko auf der Basis langfristiger Verträge mit seinen Kunden.

Betriebsführungs-Contracting stellt lediglich die Betriebsführung (Service und Wartung) in die Pflicht des Contractors. Wäh-rend die Energieanlagen im Eigentum des Contracting-Nehmers stehen, hat der Contractor für den störungsfreien Betrieb zu sorgen.

Einspar-Contracting bzw. Performance-Contracting stellt eine weitere Form des Contracting dar. Dabei entsteht der Vergü-tungsanspruch des Contractors in Abhängigkeit von den durch das Contracting erzielten wirtschaftlichen Vorteilen. Die Ener-gieanlagen können dabei im Eigentum des Contracting-Nehmers stehen.

Schließlich ist das Finanzierungs-Contracting anzuführen, das eine Affinität zum Leasing aufweist, d.h. der Contractor bietet Finanzdienstleistungen an, die üblicherweise von Kreditinstituten oder Leasinggesellschaften angeboten werden. Finanzie-rungs-Contracting wird häufig mit Energieliefer-Contracting oder BetriebsfühFinanzie-rungs-Contracting verbunden.

Als Fazit ist festzuhalten, dass die EVU im Rahmen des Contracting private oder öffentliche Contracting-Nehmer mit ihren Sach- und/oder Finanzdienstleistungen versorgen können. Indem Contracting-Nehmer die Kompetenz eines spezialisierten Contractors nutzen, können für diese wirtschaftliche Vorteile entstehen. Sofern überdies hohe Anfangsinvestitionen und Liqui-ditätsbedarfe der Entscheidung zur Verwendung innovativer Technologien im Wege stehen, helfen Contractoren mit dem Angebot des Finanzierungs-Contracting, diese Hürde zu überwinden und der Verbreitung kostspieliger Technologien Vor-schub zu leisten.185

Die hohen Anfangsinvestitionen und der hohe Anteil versunkener Kosten186 schlagen sich in langen Amortisations- und Ver-tragslaufzeiten nieder: Contracting-Abkommen werden über zehn, fünfzehn oder mehr Jahre geschlossen. Derart langfristige Verträge haben auf der einen Seite den Charme, dass dauerhafte Liefer- und Absatzbeziehungen187 sowie ein hohes Maß an Planungssicherheit bestehen. Auf der anderen Seite wird für die Dauer der vertraglichen Bindung der Druck des Wettbewerbs ausgeschaltet. Um daraus resultierende Nachteile für den Contracting-Nehmer zu vermeiden, kommt es bei der Gestaltung der Vergütung darauf an, den Contractor an dem wirtschaftlichen Erfolg des Engagements aus der Sicht des Contracting-Nehmers zu beteiligen. Als besondere vertrauensfördernde Maßnahme können dem Contracting-Nehmer, dem Vorbild des Einspar-Contracting entsprechend, Kostenentlastungen in Form von Einspargarantien je verbrauchter Energieeinheit angeboten wer-den.188

185 Vgl. Energieagentur NRW (2002), S. 4.

186 Die alternative Verwertung in Kanalisationen eingebauter Wärmetauscher ist unwirtschaftlich.

187 Für EVU spielt Contracting als Instrument zur langfristigen Kundenbindung insbesondere bei mittleren und großen Projekten eine Rolle. Vgl. Energieagentur NRW (2002), S. 15.

188

Nach Angabe der Energieagentur NRW, die kostenlose Beratungsleistungen zum Thema Contracting anbietet, werden in Deutschland über 400.000 Anlagen über Contracting betrieben (Tendenz steigend), wobei sich das Wärmeliefer-Contracting als Hauptgeschäftsfeld herauskristallisiert hat.189