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Bestandteile von Anlagen zur Nutzung von Abwasserwärme

3 Wärmerückgewinnung in Abwasserkanälen

3.1 Technologie der Wärmerückgewinnung in Abwasserkanälen

3.1.3 Bestandteile von Anlagen zur Nutzung von Abwasserwärme

Anlagen zur Nutzung der Abwasserwärme, die zur Beheizung, Warmwasseraufbereitung und Klimatisierung eingesetzt wer-den, verfügen im Wesentlichen über drei Bestandteile: WT-Elemente, Wärmepumpen und Transportleitungen.

Innerhalb der Kette von Gewinnung, Transport, Temperaturanhebung und Nutzung der Wärme stellen die WT den Ausgangs-punkt dar. WT sind diejenige Verbindung der AWN-Anlage zur Umwelt, in der sich die Wärmeübertragung vom Abwasser auf das im WT zirkulierende Medium ereignet.

Die Wärmeübertragungsleistung WA des Wärmetauschers ist abhängig von der nutzbaren Wärmetauscher-Oberfläche AWT

[m²], der mittleren Temperaturdifferenz ∆T [K] zwischen Wärmetauscher-Medium und Abwasser sowie dem Wärmedurch-gangskoeffizienten k [W/(m²*K)]36 des Wärmetauschers. Der mathematische Zusammenhang ist durch die folgende Formel gegeben:

WA = k ∗ AWT ∗ ∆T

Der Wärmedurchgangskoeffizient k ist als ein Maß für den Widerstand, den die Wärmetauscher-Oberfläche dem Wärmestrom entgegensetzt, vom Wärmetauscher-Typ und den Strömungsverhältnissen der am Wärmeaustausch beteiligten Medien abhän-gig.

In der nachfolgenden Abbildung ist der Ablauf der Wärmerückgewinnung aus Abwasserkanälen schematisch dargestellt. Über die rot im Kanal markierte Fläche wird die Wärme des Abwasser auf das Wärmemedium, hier ein Wasser-Glykol-Gemisch, übertragen. Es handelt sich dabei meistens um eine in der Kanalsohle angebrachte Edelstahlkonstruktion, die wegen ihrer hohen Wärmeleitfähigkeit die Wärme des Abwasser dem Wärmemedium zuführt.

36 Der Wärmedurchgangskoeffizient k beschreibt die Fähigkeit eines Materials, Wärme zwischen zwei flüssigen oder gasförmgen Medien zu übertragen. Je höher der Koeffizient k ist, desto geringer ist der Widerstand, den ein Material der Wärmeübertragung entgegensetzt.

Umgekehrt weist ein Material mit einem geringen Wärmedurchgangskoeffizient hohen Wärmedämm-Eigenschaften auf. Vgl.

www.energieinfo.de/glossar/node186.html, 03.12.04 sowie www.oekoplus.de/fp/archiv/bauglossar/Waermedurchgangskoeffizient.php,

Schema Abwasser-Wärmetauscher

Modifiziert entnommen aus Wärmeversorgung Binningen AG (2002), S. 3

Wie die obigen Darstellungen zeigen, ist die Wirksamkeit von AWN-Anlagen auf der Ebene der WT-Elemente beeinflusst durch

die Temperaturdifferenz zwischen Abwasser und WT-Medium sowie den Wärmedurchgangskoeffizienten k des verwendeten WT-Materials.

Je größer die Temperaturdifferenz zwischen Abwasser und Wärmemedium bzw. je höher der Wärmedurchgangskoeffizient k des WT ist, desto mehr Wärmeenergie kann unter ansonsten gleichen Bedingungen in der Abwasserkanalisation gewonnen werden. Eine effektivere und damit vergleichsweise wirtschaftlichere Ausnutzung der vorhandenen Wärmeenergie wäre die Folge.

Bei der Beurteilung der Effektivität der Wärmeübertragung muss jedoch zugleich berücksichtigt werden, dass in Kanälen infolge von Biofilmbildung eine Behinderung der Wärmeübertragung stattfindet. Folglich muss die Minderung des durch den materialspezifischen Wärmeübertragungskoeffizient k definierten Wärmeübertrags durch einen weiteren Faktor berücksichtigt werden. Dieses geschieht mittels des sog. „Fouling-Factor“ f [W/(m2*K)], bzw. dessen Kehrwert 1/f [m2K/W], der den zusätz-lichen Wärmeübertragungs-Widerstand des Biofilms repräsentiert. Untersuchungen haben ergeben, dass sich – bezogen auf die Leistung des sauberen Wärmetauschers – die Wärmeübertragungsleistung durch Biolfilmbildung um bis zu 60 % verringern kann.37

37 Zur Quantifizierung des Zusammenhangs zwischen Verschmutzung und Leistung des Wärmetauschers siehe Wanner, O. et al. (2003 b), S. 3 ff.

Wärmeübertragungsleistung in Abhängigkeit von der Biofilmbildung

Vgl. Wanner, O. et al. (2003b), S.4.

Zudem hat auch das Kanalgefälle einen Einfluss auf die Wärmeübertragungsleistung WA, da eine höhere Fließgeschwindigkeit des Abwassers, eine geringere Kontaktzeit mit der Wärmetauscheroberfläche zur Folge hat. Bei der Bemessung der Wärmetau-scheroberfläche AWT können nun die biofilmbedingte Minderung der Effektivität des WT ebenso wie Variationen der Fließge-schwindigkeit38 berücksichtigt und durch Verwendung einer entsprechend höheren Anzahl von WT-Elementen kompensiert werden. Insgesamt erlaubt die modulare Bauweise der Wärmetauscherelemente, je nach Wärmebedarf Elemente hinzuzufügen und somit die Wärmetauscheroberfläche AWT auf das erforderliche Maß zu erhöhen.39

Über die Lebensdauer von Abwasser-Wärmetauschern liegen zur Zeit noch keine umfassenden Langzeiterfahrungen vor. Eine einzelne Erfahrung mit einer Abwasserwärmepumpenanlage in Basel, Schweiz, zeigt, dass sich der Wärmetauscher seit 20 Jahren in einem störungsfreien Betrieb befindet. Bei gutem Unterhalt (periodische Kontrolle, Reinigung, Wartung) wird die mittlere Lebensdauer auf 30 bis 50 Jahre eingeschätzt. Sie liegt damit doppelt so hoch wie die Lebensdauer der zugehörigen Wärmepumpe.40

38 Vom Kanalgefälle und damit von der Fließgeschwindigkeit des Abwassers geht ein Einfluss auf die Wärmeübertragungsleistung WA

aus, da eine höhere Fließgeschwindigkeit des Abwassers eine geringere Kontaktzeit mit der Wärmetauscheroberfläche zur Folge hat.

39 Üblicherweise werden WT-Elemente mit einer Länge von ca. 3 m verwendet. In Kapitel 3.2. sind einige der heute üblichen Wärmetauschersysteme dargestellt.

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3.1.3.2 Wärmepumpen

Eine Wärmepumpe ist ein Aggregat, das Wärme von einem (Gewinnungs-)Medium mit einem relativ niedrigen Temperaturni-veau unter Zufügung von Antriebsenergie auf ein (Nutzungs-)Medium überträgt und dieses auf ein vergleichsweise hohes Temperaturniveau hebt. Damit eignet sich eine Wärmepumpe grundsätzlich für die Nutzbarmachung der in Abwasserkanalisa-tionen gewonnenen Wärme zu Heizzwecken. Die Wärme wird aus dem Abwasser bei Temperaturen von etwa 10 – 15 °C (Jahresmittel) gewonnen und – je nach Art der Wärmepumpe – mit bis zu 65 °C an die Heizung abgegeben.41

Die Aufgabe der Wärmepumpe besteht in dem Anheben der Temperatur auf ein nutzbares Niveau. Dieser Temperaturhub findet unter Zuführung von Antriebsenergie statt. Je höher der zur Nutzung der Wärmeenergie geforderte Temperaturhub ist,42 desto höher ist c.p. der erforderliche Einsatz von Antriebsenergie.

Hinsichtlich der Funktionsweise lassen sich zwei Arten von Wärmepumpen unterscheiden: Kompressions- und Sorptionswär-mepumpen.

In Kompressions-Wärmepumpen zirkuliert ein Medium mit einem niedrigen Siedepunkt. Dieses verdampft infolge der Wär-mezufuhr durch das in der Kanalisation erwärmte Gewinnungsmedium. Das entstehende Gas wird dann mittels eines Kom-pressors verdichtet. Dieser Vorgang geht mit einer weiteren Temperaturerhöhung einher. Sodann erfolgt der Wärmetransfer an das Nutzungsmedium, wobei das Übertragungsmedium abkühlt und nach Passieren eines Expansionsventils wiederum im flüssigen Aggregatszustand für die erneute Wärmeaufnahme im Kreislauf zur Verfügung steht. Das Funktionsweise einer Kompressions-Wärmepumpe ist schematisch nochmals in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Für den Antrieb von Wärmepumpenkompressoren werden überwiegend Elektromotoren eingesetzt. Bei größeren Einheiten (>100 kW Heizleistung) können Wärmepumpen auch durch Dieselmotor angetrieben werden. Dabei lässt sich die Abwärme der Motorkühlung und der Abgase energetisch nutzen.43

41 Vgl. Sanner, B. (o.J.) , S. 1 f.

42 Dieser hängt bspw. ab von der Vorlauftemperatur des Gewinnungsmediums, vom verwendeten Heizungssystem und von der Wärmedämmung der zu versorgenden Liegenschaft.

43 Vgl. Sanner, B. (o.J.) , S. 2.

Schematische Darstellung einer Kompressions-Wärmepumpe

Sanner, B. (o.J.) , S. 2.

Bei Sorptionswärmepumpen findet die Wärmeübertragung mittels reversibler physkalisch-chemischer Prozesse statt. Der Prozess der Wärmeübertragung und –hebung ist insgesamt komplexer als bei Kompressionswärmepumpen. Die grundlegende Technologie besteht darin, dass die Wärmezufuhr durch das Gewinnungsmedium zunächst zur Trennung des Übertragungsme-diums in zwei Stoffe führt. Die Stoffe geben bei der Wiederzusammenführung (Rekombination) Wärme frei.44

Interessant gestalten sich die Möglichkeiten zur Einbindung von Wärmepumpen in das Heizsystem von Liegenschaften. Ver-schiedene Strategien des Betriebs sind möglich:

monovalenter Betrieb

In dieser Betriebsform versorgt die Wärmepumpe zu jeder Zeit alleine die Heizung und ggf. auch die Warmwasser-bereitung.45

bivalenter Betrieb

Beim bivalenten Betrieb versorgt neben der Wärmepumpe ein weiterer Wärmeerzeuger, meist ein Öl- oder Gaskessel, die Heizung. Bivalenter Betrieb ist auch bei der Wärmerückgewinnung aus Abwasser sinnvoll, da eine

44 Verwendung findet oftmals eine Kombination aus einem Lösungsmittel (z.B. Wasser) und einem Arbeitsmittel (z.B. Ammoniak). Vgl.

Sanner, B. (o.J.) , S. 3 f.

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lastversorgung durch eine Wärmepumpe nicht wirtschaftlich ist. Zudem sprechen Gründe der Versorgungssicherheit für den Einsatz eines bivalenten Systems.

Im bivalenten Betrieb sind zwei Varianten der Zuschaltung des zusätzlichen Heizungssystems möglich:

o Im bivalent-additiven bzw. bivalent-parallelen Betrieb wird der zusätzliche Wärmeerzeuger zur Wärmepum-pe hinzugeschaltet, wenn diese den Wärmebedarf nicht mehr alleine decken kann.46 Folglich muss die Kapa-zität des zusätzlichen Heizungssystem mindestens so ausgelegt sind, dass die Differenz zwischen Spitzen- und Grundlastbedarf (wird durch WP versorgt) gedeckt wird. Aus Sicherheitsgründen wird die Kapazität des ergänzenden Heizungssystem oftmals auf die gesamte Spitzenlast ausgelegt.

o Im bivalent-alternativen Betrieb übernimmt der zusätzliche Wärmeerzeuger bei Unterschreitung einer be-stimmten Außentemperatur komplett die gesamte Wärmeversorgung,47 d.h. die Kapazität des alternativen Heizungssystems muss an der Spitzenlast ausgerichtet werden.

3.1.3.3 Wärmetransportleitungen

Die Wärmetransportleitungen stellen das Bindeglied zwischen den WT-Elementen und den Wärmepumpen dar: Durch die Wärmetransportleitungen zirkuliert das Gewinnungsmedium zwischen Wärmetauscher und Wärmepumpe.

Sofern Teile der Transportleitungen durch Kanalisationsabschnitte und Schächte verlaufen, sind diese so einzubauen, dass sie den Abfluss im Kanal nicht behindern.

Um die Kosten, Druck- und Wärmeverluste möglichst gering zu halten, sollten Leitungswege kurz gehalten werden. Mit Hilfe des Tichelmann-Systems (siehe nachfolgende Abbildung) können Druck- und Wärmeverluste im Übertragungskreislauf mini-miert werden.48 Bei der Rohrführung nach Tichelmann ist die Summe der Längen der Vor- und Rücklaufleitungen an jeder Stelle im Rohrsystem annähernd gleich groß. Im Prinzip hat jedes Wasserteilchen die gleiche Wegstrecke zurückzulegen, gleichgültig welchen Weg es im Rohrsystem nimmt. Bei entsprechender Dimensionierung der einzelnen Teilstrecken zeichnet sich das Tichelmann-System dadurch aus, dass ein hydraulischer Abgleich stark vereinfacht wird oder so gut wie gar nicht nötig ist. Wurde die Rohrführung nach Tichelmann früher in erster Linie bei Heizungsanlagen mit ausgedehnten Verteilsyste-men angewandt, so werden heutzutage zumeist Apparate oder Heiz- und Kühlflächen, wie z.B. Kollektoren, Wand- und De-ckenheizungen bzw. –kühlflächen sowie Boileranlagen (wie Speichersysteme für erwärmtes Trinkwasser) im Tichelmann-System verschaltet, um längere Aufenthaltszeiten in den Leitungen zu vermeiden.49

46 Dies ist nach Sanner nur möglich, wenn die höhere Heizleistung bei Vor- und Rücklauftemperaturen geliefert werden kann, die für die Wärmepumpe noch verträglich sind. Vgl. Sanner, B. (o.J)., S. 10.

47 Vgl. Sanner, B. (o.J), S. 10.

48 Das Tichelmann-System ist kein eigenes WT-System, sondern eine Art des Anschlusses der Vor- und Rücklaufleitungen. Es wird nicht jedes WT-Modul einzeln an den Wärmetransportkreislauf angeschlossen, sondern die Module werden in Gruppen parallel mit den Leitungen verbunden. Derartige Systeme werden bspw. angewendet in Binningen, Zwingen und Wipkingen. Vgl. Kapitel 3.1.5.2, S. 37 ff.

49 www.baunetz.de, BauNetz Online-Dienst GmbH & Co. KG; Schlüterstraße 42; 10707 Berlin.

Die Wärmetransportleitungen werden dann über den Zugangsschacht der Haltung aus der Kanalisation geführt und zur Wär-mepumpe der Heizzentrale des zu beheizenden Gebäudes weiter geleitet. Zumeist bestehen die Wärmetransportleitungen aus PE.

Schematische Darstellung des Tichelmann-Systems

IKT – eigene Darstellung