• Keine Ergebnisse gefunden

Helferinnen, Konkurrentinnen und Freundinnen: Plangon, Rhodogune und Stateira

A. LIEBE, SEXUALITÄT UND GESCHLECHTERROLLEN IN AUSGEWÄHLTEN

4. Zur Betrachtung ausgewählter Geschlechterrollen in den griechischen Texten

4.2 Geschlechterrollen im Roman Kallirhoe des Chariton von Aphrodisias

4.2.3 Helferinnen, Konkurrentinnen und Freundinnen: Plangon, Rhodogune und Stateira

Liebesprosa

Unter den hier ausgewählten griechischen Texten ist es nur Charitons Text, welcher Freundschaften zwischen Frauen thematisiert. Im Allgemeinen, so stellt Brigitte Egger fest,251 treten die freundschaftlichen Verbindungen zwischen Frauen in der griechischen Liebesprosa hinter der hervorstechenden heterosexuellen Bindung der Protagonisten zueinander und der Konkurrenzsituation zwischen dem Helden und den übrigen Verehrern stark zurück. Im Gegensatz zum Helden, welcher immer umgeben ist von anderen Männern,252 ist die Heldin nur während ihrer (erzwungenen) Aufenthalte in anderen Ländern von anderen Frauen als ihrer Mutter und den heimischen Sklavinnen umgeben. In Kapitel C soll aufgezeigt werden, dass sich bei Petron Frauen viel freier, auch unter Männern bewegen, was nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Auffassungen von Römern und Griechen bezüglich des schicklichen Verhaltens der Frauen zurückzuführen ist.

Der Aufenthaltsort der Heldin im griechischen Liebesroman jedenfalls ist vor ihren Reisen auf das Haus begrenzt. Als Tochter respektabler Eltern wächst sie sehr behütet, abseits der Blicke von Männern auf (Vgl. Ninos, A4. 22-26 sowie Char. Kall. 1.1.5): „If they go out, it is only for ritual purposes and religious festivals, traditionally the only opportunity for an erotic encounter, but never for meeting girl friends,”253 so Egger. Während ihrer Aufenthalte in fremden Ländern treten die Heldinnen jedoch mit den unterschiedlichsten Frauen in Kontakt, die zumeist verschiedene Rollen bekleiden. Dies soll im Folgenden anhand der drei wichtigsten Frauenfiguren in Charitons Roman deutlich gemacht werden.

251 Egger (1990), S. 94-119.

252 Dies wird von Chaireas’ Zeit im Gymnasion berichtet.

253 Egger (1990), S. 97.

Plangon: Die Sklavin des Dionysios und Kallirhoes Vertraute

Plangon ist die Frau des Verwalters des Dionysios und wird als einfühlsame, praktisch veranlagte, aber auch gerissen-manipulative Sklavin in die Handlung eingeführt und entspricht somit dem Bild einer Sklavin der Neuen Komödie (Char. Kall. 2.2.1ff.). Sie nimmt sich der verstörten Kallirhoe an, als diese als Sklavin an Dionysios verkauft wird – eine entehrende Situation für eine respektable, freie Frau. Plangon schafft es durch ihr empathisches Wesen, der jungen Frau den Schmerz über den Verlust ihrer Heimat ein wenig erträglicher zu machen, sie ist für Kallihoes mentales und physisches Wohlergehen zuständig. Schnell entwickelt sich auf diese Weise eine enge Bindung und tiefes Vertrauen zwischen den beiden Frauen, bald schon sieht Kallirhoe die Sklavin als ihre Freundin an (Char. Kall. 2.3.9) und sagt von ihr, dass Plangon sie wie eine Tochter liebe (Char. Kall. 2.7.

5).

Nichtsdestotrotz setzt sich Plangon für die Belange ihres Herrn Dionysios ein, welcher sie von seiner Liebe zu Kallirhoe unterrichtet (Char. Kall. 2.6.4ff.). Da er nicht weiß, wie er bei Kallirhoe entsprechende Gefühle hervorrufen soll, bittet er Plangon, die junge Frau zu manipulieren. Er vertraut auf die Gewissenhaftigkeit und das Pflichtbewusstsein seiner Sklavin, welche, ohne dass ihr Herr viele Worte über die Angelegenheit verliert, dank ihrer raschen Auffassungsgabe sofort versteht, was er von ihr erwartet. Plangon nutzt im Folgenden gezielt das ihr von Kallirhoe entgegengebrachte Vertrauen und erweist sich mehr als zuvor als ihre Ratgeberin und Wohltäterin. Sie versucht sogar mittels einer Lüge Kallirhoe zu einem Treffen mit Dionysios zu bewegen. Durch die Manipulation des bald folgenden Gespräches zwischen Dionysios und Kallirhoe, kann Plangon zum Zustandekommen eines ersten Kusses zwischen den beiden beitragen. Dionysios bittet Plangon im Folgenden ganz offen um weitere Mithilfe und verspricht ihr im Falle des Erfolgs sogar die Freiheit. Plangon versucht daraufhin Kallirhoe auf jede erdenkliche Art von Dionysios zu überzeugen, diese bleibt jedoch standhaft und Chaireas (zumindest vorläufig) treu ergeben (Char. Kall. 2.8.2).

Plangon, die über wesentlich mehr Lebenserfahrung als Kallirhoe verfügt, ist die erste, die bald darauf Kallirhoes Schwangerschaft254 entdeckt (Char. Kall. 2.8.5). Die kluge Sklavin realisiert schnell, dass sie das ungeborene Kind dazu benutzen kann, die Freiheit zu erlangen und ihrem Herrn zur Hochzeit mit Kallirhoe zu verhelfen (Char. Kall. 2.9.1):

εὕρηται πειθοῦς ἐνέχυρον. νικήσει σωφροσύνην γυναικὸς µητρὸς φιλοστοργία.

Ein Pfand für das Gelingen der Überredung ist gefunden. Die Liebe der Mutter wird die Sittsamkeit der Frau besiegen.

Sie agiert also keineswegs so uneigennützig wie Kallirhoe es ihr unterstellt. Indem sie gegenüber Kallirhoe als Befürworterin der Abtreibung des Kindes auftritt, erweckt sie das

254 Der Vater des ungeborenen Kindes ist freilich Chaireas.

Mitleid der jungen Frau gegenüber ihrem ungeborenen Sohn. Nachdem Kallirhoe einen Traum gehabt hat, in welchem Chaireas ihr erschienen ist und ihr das gemeinsames Kind anvertraut hat, will sie dieses doch zur Welt bringen. Plangon verrät schließlich ihren Herrn damit sie ihm seine Hochzeit mit Kallirhoe ermöglichen kann und schlägt der jungen Frau vor, Dionysios das Kind unterzuschieben und den Anschein zu erwecken, als hätte sie ein Siebenmonatskind von ihm bekommen. Kallirhoe distanziert sich empört von dem Vorhaben, muss aber letztlich realisieren, dass es keinen anderen Ausweg gibt, will sie das Kind nicht abtreiben und die Linie ihres Vaters erhalten.

Während ihrer Entscheidungsfindung wird Kallirhoe zunehmend unsicherer und sucht immer wieder den Rat ihrer Vertrauten, welche ihr durch ihre ausgeklügelten Anweisungen immer das Gefühl gibt, selbst entscheiden zu können, was nun geschieht (Char. 2.10.8). Die gutgläubige Kallirhoe ahnt nichts von Plangons ausgefeiltem Plan. Als Kallirhoe sich schließlich für die Geburt des Kindes und damit für die Heirat des Dionysios entscheidet, ermuntert Plangon sie, sich der ehrenhaften Absichten ihres Herrn zu versichern, zumal Kallirhoe befürchtet, dass Dionysios sie nur als Geliebte will. Indem Plangon sich für Kallirhoe einsetzt, gewinnt sie Kallirhoes Vertrauen und gibt ihr das Gefühl, sich nicht ohne Weiteres in ihr Schicksal fügen zu müssen.

Plangon spricht im Namen von Kallirhoe bei Dionysios vor und macht die Bedenken ihres Schützlings deutlich. Nur wenn Dionysios Kallirhoe zur rechtmäßigen Gattin nimmt und zur Mutter seiner Kinder machen will, „damit das Geschlecht des Hermokrates einen Nachfolger hat“ (ἵνα διάδοχον ἔχῃ τὸ Ἑρµοκράτους γένος; Char. Kall. 3.1.6) sei Kallirhoe für eine Eheschließung bereit (Char. Kall. 3.1.6-8). Indem Plangon auf die Tugendhaftigkeit, Sittsamkeit und die ausgezeichnete Erziehung des Dionysios, also auf die Attribute, für die er bekannt ist und die er selbst als seine Tugenden erachtet, abhebt, wird ihr Herr dazu aufgefordert, sich zu verteidigen und Kallirhoe seine ehrenhaften Absichten zu versichern.

Kallirhoe bekommt auf diese Weise das Gefühl, sich in dieser komplizierten Situation richtig entschieden zu haben. Plangon trägt wesentlich zur zweiten Eheschließung der Kallirhoe bei und schafft es letztlich durch geschickte, aber gut gemeinte Manipulation ihrer Mitmenschen für diese und für sich selbst das Beste aus der Lage zu machen: Dionysios kann endlich seine Liebe zu Kallirhoe öffentlich ausleben, indem er sie heiratet, Kallirhoe kann ihr Kind großziehen und ihm einen Vater schenken und Plangon selbst wird freigelassen (Char. Kall.

3.8.1).

Im Folgenden wird das starke Band der Vertrautheit zwischen Plangon und Kallirhoe weiter durch das gemeinsame Wissen über den wahren Vater des Kindes gestärkt. Plangon ist die einzige, der sich Kallirhoe anvertrauen kann. Sie begleitet Kallirhoe auch nach der Geburt des Kindes zum Tempel der Aphrodite, wo Kallirhoe in Wehklagen gegenüber der Göttin ausbricht. Für Kallirhoe ist Plangon zu einer engen Freundin geworden, mit der sie

über ihren ersten Ehemann reden kann und die ihr immer wieder Mut macht (z.B. Char. Kall.

5.5.6). Bis zum Schluss des Romans bleibt die enge Verbindung zwischen den ungleichen Frauen bestehen. Sogar in ihrem Abschiedsbrief an Dionysios denkt Kallirhoe in Freundschaft und Dankbarkeit an ihre treue Begleiterin zurück (Char. Kall. 8.4.6).

Stateira und Rhodoune: Die würdevolle, aber devote Königin und die schönste Frau Persiens Stateira255 ist die stolze Frau des Großkönigs Artaxerxes, die dem Gerücht, dass mit Kallirhoe eine der schönsten griechischen Frauen in Babylon einzieht, zunächst keinen Glauben schenkt (Char. Kall. 5.3.1). Überheblich hebt sie gegenüber den Boten die Schönheit der persischen Frauen hervor und ordnet an, auf Kallirhoes berühmte Anmut mit der der schönsten Frau Persiens zu antworten. Die Wahl des Volkes fällt auf Rhodogune (Char. Kall. 5.3.4):256

θυγάτηρ µὲν Zωπύρθυ, γυνὴ δὲ Μεγαβύζου, µέγα τι χρῆµα <κάλλους> καὶ περιβόητον— οἷον τῆς Ἰωνίας Καλλιρόη, τοιοῦτο τῆς Ἀσίας ἡ Ῥοδογούωη.

[...]die Tochter des Zopyros und die Frau des Megabyzos, eine große und weit berühmte Schönheit; was in Ionien Kallirhoe war, das war in Asien Rhodogune.

Rhodogune wird vom Volk in die Rolle der Konkurrentin gedrängt – die persischen Frauen nehmen sich ihrer an und schmücken sie aufwendig, selbst die Königin steuert Armreifen und Halskette bei. Nichtsdestotrotz fügt sich Rhodogune bereitwillig in die Rolle der Herausforderin Kallirhoes. Sie empfängt hochmütig den Wagen der Griechin an den Toren Babylons, während die Menge gespannt auf die Schmach für Kallirhoe wartet und die Schönheit der persischen Frauen rühmt.

Da Rhodogune die Schwester des Pharnakes ist, benutzt sie dies als Vorwand, um mit geheuchelter Freundlichkeit Kallirhoe willkommen zu heißen. Um nicht unhöflich zu erscheinen, muss Dionysios diese bitten, aus dem Wagen auszusteigen – schnell wird klar, dass Rhodogune den inszenierten Schönheitswettbewerb verloren hat, eine für sie äußerst peinliche und schmachvolle Situation (Char. Kall. 5.3.9):

ἐξέλαµψε δὲ τὸ Καλλιρόης πρόσωπον καὶ µαρµαρυγὴ κατέσχε τὰς ἁπάντων ὄψεις ὥσπερ ἐν νυκτὶ βαθείᾳ πολλοῦ φωτὸς αἰφνίδιον φανέντος. ἐκπλαγέντες δὲ οἱ βάρβαροι προσεκύνησαν καὶ οὐδεὶς ἐδόκει Ῥοδογούνην παρεῖναι. συνῆκε δὲ καὶ ἡ Ῥοδογούνη τῆς ἥττης καὶ µήτε ἀπελθεῖν δυναµένη µήτε βλέπεσθαι θέλουσα ὑπέδυ τὴν σκηνὴν µετὰ τῆς Καλλιρόης παραδοῦσα αὑτὴν τῷ κρείττονι φέρειν.

Da tauchte Kallirhoes leuchtendes Gesicht auf und ein strahlender Glanz fesselte die Blicke aller, wie wenn in tiefer Nacht plötzlich helles Licht erscheint. Überwältigt von dem Anblick fielen die Perser vor ihr nieder und niemand dachte mehr an Rhodogunes Anwesenheit. Auch Rhodogune begriff ihre Niederlage, und da sie nicht weggehen konnte, aber auch nicht mehr

255 Stateira wird von Plutarch als Frau Artaxerxes II. bezeichnet, vgl. Plut. Art. 2.2.

256 Rhodogune ist ebenso eine Figur, die aus der persischen Geschichte bekannt ist. Ihr Name bedeutet

„Rosenfarbige“, Plutarch nennt sie als eine nicht weiter bekannte Tochter des Artaxerxes II. und bezeichnet sie als Frau des Orontes, vgl. Plut. Art. 27.7.

gesehen werden wollte, schlüpfte sie mit Kallirhoe unter die Plane und überließ es dem Sieger sie wegzubringen.

Während der Prozesspause wird Kallirhoe in die Obhut Stateiras übergeben, welche selbst nicht davon unterrichtet wurde. Stateira ist zwar die Königin Babylons, verfügt jedoch faktisch kaum über Macht. Gegenüber den Befehlen ihres Mannes steht es ihr nicht zu, Widerstand zu leisten – sie kann sein Verhalten nur passiv hinnehmen.

Zunächst hält Stateira die schöne Syrakusanerin für Aphrodite selbst. Als man sie dann darüber aufklärt, dass Kallirhoe in ihre Obhut übergeben wurde, merkt sie schnell, in welch misslicher Lage die junge Frau sich befindet und nimmt sich ihrer freundlich an, jegliche weibliche Rivalität vergessend (Char. Kall. 5.9.2). Zugleich fühlt sich Stateira geehrt, eine so schöne und angesehene Frau betreuen zu dürfen. Sie macht Kallirhoe Mut und versucht ihr die Angst vor dem Ausgang des Prozesses zu nehmen, indem sie auf die Gerechtigkeit ihres Mannes insistiert. Zudem schützt sie die verunsicherte junge Frau vor den Blicken anderer Frauen und Bediensteter. Sie gewährt ihr somit Ruhe und ein Refugium, in das sich Kallirhoe zurückziehen kann. Stateira ist eine der wenigen Menschen, der auf die Bedürfnisse Kallirhoes wirklich Rücksicht nimmt. Dennoch entgehen der klugen Königin die immer öfter stattfindenden Besuche ihres Ehemannes in den Frauengemächern nicht und sie ahnt bald, dass auch dieser sich in Kallirhoe verliebt hat, was sie selbst traurig macht und was sie als unangebracht empfindet. Kallirhoes Anwesenheit im Palast wird ihr bald zur Last (Char. Kall.

6.1.6-8), weswegen sie das Ende des Prozesses herbeisehnt.

Als der Krieg gegen die Ägypter ausbricht, erkundigt sich Stateira nicht nach dem Verbleib und dem Wohlergehen von Kallirhoe (Char. Kall. 6.9.4). Artaxerxes aber entscheidet aus Liebe zu Kallirhoe, dass sie in seinem Tross mitgenommen wird. Zu ihrer eigenen Sicherheit lässt Artaxerxes einen Großteil der Kriegsbeute sowie die Frauen auf die Insel Arados bringen (Char. Kall. 7.5.1). Als Kallirhoe im dortigen Aphroditenheiligtum in Wehklagen über ihre missliche Situation ausbricht, wird sie von Rhodogune getröstet. Wie es zu diesem plötzlichen Umschwung im Verhalten der Rhodogune kommt, wird nicht erklärt, die Forschung vermutet daher eine Lücke im Text.257 Kallirhoe bezeichnet die Perserin später liebevoll als ihre „erste Freundin in Persien“ (πρώτη µοι φίλη Περσίδων; Char. Kall. 8.3.8).

Arados wird schließlich von Chaireas und seinen Soldaten eingenommen. Die sich auf der Insel befindenden Perser, auch die Frauen aus Artaxerxes Harem, machen sich große Sorgen, dass sie gefangen genommen oder gar getötet werden, zumal niemand weiß, dass ausgerechnet Chaireas der Befehlshaber der Ägypter ist. Stateira lässt sich von der Leid geprüften (Char. Kall. 7.6.5) Kallirhoe trösten, da sie sich von ihr verstanden fühlt. In der Kriegsgefangenschaft lösen sich die Vorbehalte der Königin gegenüber Kallirhoe auf – die scheinbar aussichtslose Lage schweißt die Frauen zusammen. Sicherlich wird auch die

257 Vgl. Egger (1990), Fußnote 2, S. 102. Egger vermutet, dass es eine Szene gegeben haben muss, die erklärt, wie genau Kallirhoe und Rhodogune Freundinnen wurden.

Abwesenheit des Artaxerxes einen Großteil zum Entstehen der Freundschaft beigetragen haben. Nach der Wiedervereinigung mit Kallirhoe, plant Chaireas, Stateira und Rhodogune aus Rache gegenüber dem Großkönig und aus Ehrehrbietung gegenüber Kallirhoe mit nach Syrakus als Sklavinnen für seine Frau mitzunehmen. Kallirhoe hält ihren Mann empört von der Idee ab und überzeugt Chaireas davon, die Königin ihrem Mann zurückzugeben, da Stateira sie freundlich behandelt habe und darüber hinaus die erste Frau in Babylon ist (Char. Kall. 8.3.2). Kallirhoe löst die Situation gegenüber Stateira auf und versichert ihr, dass sie mitsamt des Trosses nach Babylon zurückkehren dürfe (Char. Kall. 8.3.6-8). Kallirhoe erweist sich damit als dankbare und loyale Freundin. Stateira schenkt ihr aus Liebe und Dankbarkeit ihren königlichen Schmuck und verabschiedet sie mit den besten Wünschen (Char. Kall. 8.3.14):

θεοὶ δέ σοι παρέχοιεν εὔπλοιαν καὶ σωτηρίαν καὶ µηδέποτε διαζευχθῆναι Χαιρέου. πάντα πεποίηκας εἰς ἐµὲ δικαίως· χρηστὸν ἦθος ἐπεδείξω καὶ τοῦ κάλλους ἄξιον. Καλήν µοι βασιλεὺς ἔδωκε παραθήκην.

Die Götter mögen dir gute Fahrt gewähren, glückliche Heimkehr und dass du nie wieder von Chaireas getrennt wirst. Du hast in allem gerecht gegen mich gehandelt und einen rechtschaffenen Charakter bewiesen, der deiner Schönheit würdig ist. Ein schönes Gut hat mir der Großkönig anvertraut.

Kallirhoe, die Stateira tiefes Vertrauen entgegen bringt, überreicht dieser später heimlich ihren Abschiedsbrief an Dionysios und macht die Königin auf diese Weise zur Mittlerin zwischen ihr und ihrem zweiten Ehemann. Zudem vertraut Kallirhoe ihren Sohn der Herrscherin bis nach Babylon an, wo sie ihn Dionysios übergeben soll. Die tiefe Verbundenheit der beiden Frauen ist einzigartig für die griechische Liebesprosa:

Though the queen’s appearance and participation in the romance are brief, they do convey a sense of warmth, intimacy, genuine feeling and real devotion, especially between the queen and Callirhoe. It is difficult, if not almost impossible, to find in a Greek romance an episode that contains so much human interest.258

Resümierend kann festgehalten werden, dass die hier untersuchten Frauenfiguren nicht auf ihre Rollen festgelegt sind: Rhodogune und Stateira können zwischen den Rollen der ,Konkurrentin’ und der ,Freundin’ wechseln. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu den männlichen Nebenfiguren in Charitons Roman, die alle drei auf ihre Rollen als Verehrer festgelegt sind. Plangon wird nicht nur ihrer Rolle als Helferin gerecht, sondern avanciert ebenso zur Freundin bzw. Vertrauten, wenn nicht gar zur Mutterfigur für Kallirhoe. Plangon nimmt auf diese Weise zur gleichen Zeit mehrere Rollen ein.

258 Helms (1966), S. 139.

4.3 Das Liebespaar im Metiochos-Parthenope-Roman (M&P)