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A. LIEBE, SEXUALITÄT UND GESCHLECHTERROLLEN IN AUSGEWÄHLTEN

4. Zur Betrachtung ausgewählter Geschlechterrollen in den griechischen Texten

4.3 Das Liebespaar im Metiochos-Parthenope-Roman (M&P)

4.3 Das Liebespaar im Metiochos-Parthenope-Roman (M&P)

und berühmten Familie wie etwa Kallirhoe. Die erhaltenen Textbruchstücke des griechischen Romans liefern jedoch kaum weitere Informationen über die Kindheit der Heldin. Im Gegensatz dazu betont der persische Versroman des 'Unsurî bereits zu Beginn die außergewöhnliche Schönheit der Heldin Άdhrā, die im Folgenden als Parthenopes persisches Äquivalent aufgefasst wird (PF, 23-25):264

When some time had passed after this event, Nānī bore a daughter like a moon.

Whenever scent and colour rose from her, the world became narrow for rose and musk.

When that moon rose from its couch, it adorned the world with its face.

Im Folgenden ist die Beschreibung der jungen Aristokratin von ihrem ungewöhnlichen Charakter, welcher sowohl männliche als auch weibliche Tugenden miteinander vereint, geprägt. Das Mädchen wächst schneller als alle anderen Kinder, lernt vor allen anderen laufen und sprechen und wird dadurch als besonders einzigartiges Kind charakterisiert (PF, 26-31; PT, 101). Die kleine Άdhrā erweist sich als äußerst wissbegierig und intelligent, mit nur zwei Jahren fängt sie an zu lesen, mit sieben Jahren besitzt sie ein fundiertes Wissen über Astronomie und ist eine geübte Schreiberin (PF, 28-29). Sie ist in der Lage, das ihr beigebrachte Wissen sofort anzuwenden. Das Mädchen spielt Polo und Ball, bald übt sie sich im Bogenschießen. Auch den Umgang mit dem Speer beherrscht sie exzellent (PF, 31-32). Als einziges Kind ihres Vaters lässt dieser ihr eine Erziehung zuteil werden, in deren Genuss sonst nur Jungen bzw. junge Männer kamen, wobei er sie sogar selbst unterrichtet.

Dem Mädchen gebühren der ganze Stolz und die Liebe des klugen und freidenkerischen Fuluqrāt, der als persisches Gegenstück zu Polykrates auftritt. Er lässt sie frei und ungezwungen aufwachsen, versteckt sie nicht vor den Blicken anderer (PF, 37). Das Vertrauen und die Liebe zu seiner Tochter ist so groß, dass er ihr sogar die Führung seiner Armee überantwortet (PF, 39).

Es stellt sich die Frage, ob diese für ein Mädchen bzw. junge Frau eher ungewöhnliche Beschreibung der Άdhrā auf den persischen Poeten selbst zurückgeht, oder bereits im griechischen Original in Bezug auf Parthenope vorhanden war. Hägg und Utas merken zu den Protagonisten des griechischen Liebesromans richtig an, dass

[…] the hero and the heroine are normally introduced as teenagers, preeminent in beauty and charm, sometimes also in chastity, but with no special emphasis on education. For a heroine, Parthenope would be quite unique if Άdhrā’s education in both martial and bookish arts were also hers.265

Die Erziehung Άdhrā’s – sofern sie auch auf Parthenope zutrifft – erinnert eher an die umfassende Ausbildung des Helden im Ninos- und Sesonchosis-Roman, als an eine der hier

264 Da die Verfasserin nicht der persischen Sprache mächtig ist, wird im Folgenden nur die deutsche Übersetzung des persischen Textes wiedergegeben. Die Abkürzungen für die einzelnen Quellen und deren Versangaben sind ebenfalls der Monographie von Hägg und Utas entnommen.

265 Hägg/Utas (2003), S. 218.

besprochenen Heldinnen, die in der Mehrzahl eher behütet, fernab der Blicke von Männern, aufwachsen. In der Geschichte vom Märtyrertum der Heiligen Parthenope (MSP) wird ebenfalls auf die außergewöhnliche Schönheit und den tugendhaften Charakter der Jungfrau insistiert (MSP, 1.4), was jedoch eher an die konventionelle Darstellung der Heldin im griechischen Liebesroman erinnert:

She was perfect in all virtues, and everybody who saw her wondered at the beauty of her figure and stature and her calm, chastity and education, so that the superior of the nuns and all the sisters loved her because of her modesty and beauty.

Hägg und Utas weisen darauf hin, dass auch die namenlose Tochter des Polykrates bei dem Historiker Herodot ein eher unfemininer Charakter war, stand sie doch in Opposition zu den politischen Plänen ihres Vaters und machte sich wenig aus einer Heirat (vgl. Hdt. Hist. 3.

124-125).266

In den griechischen Fragmenten zum M&P-Roman wie auch in den persischen Quellen nehmen die Parthenope wie auch ihr persisches Ich Άdhrā später an einem Symposium, welches zu Ehren des Eros abgehalten wird, teil. Die Teilnahme am Symposium galt im griechischen Kulturraum für ehrbare, aristokratische Frauen als undenkbar, Männer und Frauen speisten und tranken in der Regel getrennt (vgl. Hdt. Hist. 1. 172.1). Frauen sollten möglichst wenig Kontakt zu anderen Männern, die außerhalb der Familie standen, haben (vgl. Is. 3.14).267 In Persien dagegen war es üblich, dass Männer und Frauen zusammen tafelten, was die Griechen als äußerst befremdlich empfanden.268 In 'Unsurî’s Versroman ist somit die Teilnahme von Άdhrā am Symposium keineswegs als ungewöhnlich zu werten, die von Parthenope im griechischen Roman hingegen schon. Es erscheint nicht abwegig anzunehmen, dass der Autor von M&P Parthenope noch mit weiteren für Frauen ungewöhnlichen Charakterzügen ausstattete, die der Tendenz der Darstellung der Heldin im griechischen Liebesroman zuwiderliefen. Eine Schilderung der Erziehung der Heldin ist somit gut denkbar. Später nimmt Parthenope sogar engagiert an der Diskussion über die Natur des Eros während des Gelages teil (GFI 1, Kolumne 2) und tritt als Antagonistin zu Metiochos auf. Ähnlich verhält sich auch Άdhrā (PF, 168-178), wobei sie jedoch nicht auf das Bild des Eros bei Dichtern und Künstlern eingeht. Insgesamt gesehen erscheint Parthenope bereits zu Beginn des Romans als eine selbstbewusste junge Frau, die eine ungewöhnliche Erziehung genoss und keineswegs nur als potenzielle Ehefrau von ihrem Vater angesehen wurde, wie etwa Chione, sondern zur zukünftigen Feldherrin und Herrscherin erzogen wird.

266 Ebd., S. 219.

267 Vgl. Hartmann (2002), S. 141ff. So dokumentieren die athenischen Gerichtsreden nach Lesart der neueren Forschung (siehe zum Beispiel: Hartmann, Elke: Geschlechterdefinitionen im attischen Recht. Bemerkungen zur sogenannten kyreia, in: Dies./Hartmann/Pietzner (Hrsg.) (2007), S. 37-53, ein ausgeprägtes Schutzbedürfnis der athenischen Männer gegenüber ihren Frauen, angefangen beim Schutz vor den Blicken fremder Männer bis hin zu Anweisungen, wie des Nachts Haus und Hof gesichert werden sollten. Diese Reden offenbaren weniger die Unterdrückung der athenischen Frauen, als vielmehr, dass die Athener ihre Familie wie auch Haus und Hof in Sicherheit vor gewaltsamen Übergriffen wissen wollten. Besonders die weiblichen Familienmitglieder wurden als schwach und schützenswert betrachtet.

268 Hdt. Hist. 5.18.1 und ebenso Herakleides bei Athen. deipn. 4.145 d.

Metiochos bzw. Vāmiq: Der rational denkende Tugendheld

Nach der Einführung der Figur der Parthenope im griechischen Roman und der Άdhrā in der persischen Version der Erzählung, wird sich eine Darstellung des Metiochos bzw. Vāmiqs, seines persischen Gegenstücks, angeschlossen haben. Parthenopes späterer Ehemann ist der Sohn des Miltiades von Khersonesos und kann sich damit auf eine ebenso vornehme Herkunft wie Parthenope berufen (siehe dazu GF1, Kolumne 1.1-3 sowie PT, 127 und 144).

Sein Äußeres jedoch wird im griechischen Roman nicht im Mindesten so ausführlich wie das der Parthenope beschrieben. Im persischen Versroman wird lediglich angemerkt, dass Vāmiq wegen seiner Schönheit alle Blicke auf sich zieht (PF, 42). Ebenso wird nicht auf die Erziehung oder Ausbildung geschweige denn auf die frühe Kindheit des jungen Mannes eingegangen – dies betrifft beide Versionen des Romans. Auf diese Weise wird der Charakter der Protagonistin stärker betont als der der männlichen Hauptfigur.

Bald erfährt der Leser, dass Metiochos nach Samos aufbricht, wo er bei Polykrates, mit dem er verwandt zu sein scheint, Zuflucht sucht. Die persischen Quellen erwähnen ebenso eine Flucht des Vāmiq, der sich auf Drängen seines treuen Freundes Tūfān nach Samos aufmacht (PF, 70).269 Der Grund der Flucht des Helden sind die Mordabsichten, die seine Stiefmutter Hegesipyle (bzw. Highsifūlī in den persischen Quellen, GF1, Kolumne 1.10-24 sowie PF, 43-75) gegen ihn hegt, da sie darauf bedacht ist, den eigenen Kindern den Weg zum Thron zu ebnen. Auf Samos angekommen, trifft Vāmiq Άdhrā zufällig270 im Tempel der Hera (PF, 77-97) und beide verlieben sich sofort ineinander – sicherlich wird die Szene ganz ähnlich im griechischen Roman gestaltet gewesen sein. Bei dieser ersten Begegnung werden die Schönheit der Protagonisten sowie ihr edler Charakter betont. Ähnlich wie in Kallirhoe werden ihre tiefen Gefühle füreinander beschrieben, denen sie aber noch nicht nachgeben dürfen (PF, 103-120).

Im Folgenden erzählen sowohl die griechischen als auch die persischen Quellen von dem herzlichen Empfang des Metiochos/Vāmiq am Hofe des Königs von Samos (GF1, Kolumne 1 und PF, 133). Metiochos muss im griechischen Roman seine Lage darlegen. Aufgrund seines Stolzes und seiner ausgefeilten Rhetorik wird der junge Mann gelobt (GF1, Kolumne 1.24-27). Metiochos ähnelt auf diese Weise dem Tugend- und Kriegshelden Chaireas, welcher im siebten und achten Buch von Kallirhoe seine Gedanken ebenso bestimmt und selbstsicher vortragen kann. Dem jungen Mann zu Ehren – und im Falle des griechischen Romans um ihn als geeigneten Ehemann für Parthenope zu identifizieren – lässt der Herrscher das oben bereits erwähnte Symposion ausrichten, an dem auch Parthenope/Άdhrā teilnimmt (vgl. GF1, Kolumne 2). In diesem Rahmen fordert der Philosoph Anaximenes, bzw. Nakhminūs in den persischen Quellen, zur Debatte über das Wesen und

269 Auf historischen Tatsachen beruht die hier angeführte verwandtschaftliche Beziehung nicht: Im Roman scheint Polykrates, der Sohn des Aiakes (Hdt. Hist. 3.39.1), mit Miltiades verwandt zu sein, welcher seinen Stammbaum auf Aiakos, den Sohn des Zeus zurückführt (Hdt. Hist. 6.35.1); vgl. auch Hägg (1985), S. 95.

270 Im persischen Dokument ist keine Rede von der Intervention einer Gottheit.

die Gestalt des Eros auf. Das griechische Fragment GF1 schildert in der zweiten Kolumne den Disput zwischen Metiochos und Parthenope über das Thema. Metiochos argumentiert sachlich und nüchtern und negiert, sich je verliebt zu haben. Er nimmt Abstand vom Bild des Gottes aus Kunst und Dichtung und definiert Eros als „an agitation of the mind occasioned by [beauty] and increasing with familiarity“ (Ἔρως [δ᾽ ἔςτ]ιν κίνηµα διανοίας ὑπὸ [κ]άλλους γινόµε[νον] καὶ ὑπὸ συωηθείας αὐξόµενον; GF1, Kolumne 2.60-62). Parthenope ist aufgrund dessen erzürnt, da sie sich von Metiochos verleugnet fühlt. Sie greift die Darstellungen des Eros in Kunst und Dichtung auf und postuliert, dass es den Gott geben muss, andererseits hätten die Künstler nicht dieses Motiv verarbeitet. Sie geht sogar so weit, die Rede des Metiochos als Unsinn zu bezeichnen (GF1, Kolumne 2.69), was sie abermals als selbstbewusste junge Frau und starke Persönlichkeit auszeichnet.

Metiochos wird als kluger, rational denkender und agierender Mensch präsentiert, der selbstsicher vor anderen seine Meinung äußern kann. Parthenope hingegen wird als verletzte, aber selbstbewusste Romantikerin gezeichnet. Ihr persisches Äquivalent Άdhrā hingegen legt ihre Gegenposition mit mehr Höflichkeit gegenüber ihrem Gast dar und beruft sich, wie bereits erwähnt, nicht auf die künstlerische oder poetische Zeichnung des Eros, sondern auf die verjüngende Wirkung der Liebe (PF, 171-179). Sie erweist sich damit als gebildete und gesittete Frau. Nach der Diskussion über Eros schloss sich, dies belegen ausführlicher als die griechischen (GF4) die persischen Quellen (PF, 182-235), der Auftritt eines Minnesängers und das Harfenspiel des Metiochos/Vāmiq sowie dessen Erzählung über die Erfindung der Harfe durch Hermes an. Die Rede und das Spiel des tugendhaften jungen Mannes entzücken das Publikum. Die von Metiochos/Vāmiq dargelegte unübliche Version der Legende passt zu seiner unorthodoxen Sicht des Eros.271 Metiochos bzw. Vāmiq wird auf diese Weise als ebenso gebildet und eigensinnig wie Partenope bzw. Άdhrā skizziert.

Die Protagonistin als wehrhafte, keusche Prinzessin und der Protagonist als Kriegsheld Im schwierig zu rekonstruierendem Verlauf der Handlung scheinen die Liebenden nach einigen Verwirrungen zueinander zu finden.272 Die Handlung des Romans folgt dabei dem stereotypen Schema des griechischen Liebesromans, welches das Verlieben der Helden, ihre Trennung sowie ihre Widervereinigung beinhaltet. Der Fokus wird dabei offensichtlich auf den Charakter der Parthenope bzw. den der Άdhrā gelegt. Die charakterliche Entwicklung des Methiochos bzw. Vāmiq wird als zweitrangig angesehen und verläuft wohl ähnlich der des Chaireas bei Chariton.

271 Vgl. auch Hägg, Tomas: Hermes and the Invention of the Lyre. An unorthodox version, in: SymbOslo Vol 64, No. 1 (1989), S. 36-73.

272 Vgl. Hägg/Utas (2003), S. 234-238, nach PF, 346 ist die Handlung im Detail nicht mehr exakt zu rekonstruieren.

Die Heldin wird durch einen Krieg von ihrem Liebsten getrennt, verliert ihren Vater, der vom Feind ermordet wird273 und gerät in die Sklaverei. Wie im Falle Kallirhoes wechselt der gesellschaftliche Status der Heldin: Sie wird eine zeitlang nicht als unangreifbare Prinzessin, sondern als junge, allein gelassene und damit schutzlose Frau gezeichnet. Bereits während des Krieges ist sie sexueller Aggression ausgesetzt: Ein nicht näher benannter Fremder, der sich den Thron ihres Vaters einverleibt, versucht, die junge Prinzessin zu vergewaltigen.274 Άdhrā, dies geht aus dem Lexikoneintrag PT, 48275 hervor, wehrt sich mit großer Verzweiflung und Gewalttätigkeit gegen den Mann und versucht ihm die Augen auszukratzen. Dieser, wenn auch aus Verzweiflung entstandener, Hang zur Gewaltbereitschaft rückt Άdhrā in die Nähe zu der wehrhaften Kalligone.

Später gelangt Άdhrā bzw. Parthenope als Sklavin an den Hof des Königs von Persien (vgl. Luc. Salt. 54, ebenso Char. Kall. sowie das Märtyrertum der Heiligen Parthenope, 7-11):

Der König von Persien könnte sich, ähnlich wie im Roman des Chariton, in Άdhrā bzw.

Parthenope wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit verliebt haben. Es findet sich der Hinweis, dass er ihr Reichtümer und eine Heirat, also Sicherheit anbietet (PT, 33). Die junge Frau bleibt unbeeindruckt, lehnt ab und sehnt sich nach Metiochos (MSP, 8.3-6). Sie zeigt damit abermals ein Verhalten, das sie in Parallele zu Kallirhoe erscheinen lässt und sie in Opposition zum Ideal einer griechischen Frau setzt, die keinesfalls eine Ehe mit einem Monarchen hätten ausschlagen können. Die Protagonistin weist damit ihren eigenen Gefühlen die höchste Priorität zu und handelt ihnen entsprechend.

Mit einer List gelingt es ihr, vom Hof zu fliehen und sich schließlich auf die Suche nach Metiochos zu begeben (MSP, 9.5-10.1). Sie hebt sich in dieser Hinsicht von Kallirhoe ab, die passiv ihre Trennung von Chaireas hinnimmt: Parthenope zeigt mit ihrem Willen, ihren Liebsten zu finden, ein Verhalten, das eher den männlichen Protagonisten der griechischen Liebesprosa zugeschrieben wird (vgl. Charitons Chaireas oder Xenophons Abrocomes). Sie schneidet sich während ihrer Odyssee die Haare ab, da sie nicht als hübsche Frau erkannt werden und sich möglicher Verehrer oder Vergewaltiger erwehren will (MSP, 1.3). Während ihrer Suche nach Metiochos muss sich die Protagonistin dennoch mehrmals gegen gewaltsame sexuelle Übergriffe wehren (PT, 45 und 79), immer wieder muss sie aus der Sklaverei276 flüchten (GF2/POxy 435).

273 Dies passt gut zu der Erzählung Herodots, in welcher er den Tod des Polykrates, auf den Roman bezogen also Fuluqrāts griechischem Gegenstück, beschreibt (Hdt. Hist. 3.124-125). Polykrates ignorierte die Warnung seiner Tochter und lief direkt seinem Feind Oroites in Magnesia in die Arme, welcher ihn kreuzigen ließ. Es ist gut denkbar, dass sich ähnliche Szenen in M&P und im persischen Versroman abgespielt haben.

274 Bei Herodot wird der unrechtmäßige Thronfolger des Polykrates Maiandrios genannt, welcher ein Vertrauter des Polykrates war und dessen Amtsgeschäfte während seines Kriegszuges nach Magnesia übernahm (Hdt.

Hist. 3.123 und 142).

275 Vgl. Hägg/Utas (2003), S. 161.

276 Vgl. auch Scholion on Dionysios Periegetes, v. 358 in: Müller, Karl (Ed.): Geographi graeci minores. Volumen secundum / e codicibus recognovit, prolegomenis, annotatione, indicibus instruxit, tabulis aeri incisis illustravit, Paris: A. Firmin Didot 1861, S. 445. Die Übersetzung des Abschnittes findet sich bei Hägg/Utas (2003), S. 47.

Vermutlich gelangt die wehrhafte und keusche Prinzessin irgendwann wieder nach Samos und erkämpft sich den Thron zurück, dies deutet zu Beginn des persischen Versromans der Traum Fuluqrāts an (PF, 16-20). Schließlich begegnet sie Metiochos bzw. Vāmiq wieder.277

Hägg und Utas nehmen an, dass Vāmiq, wie auch sein griechisches Gegenstück Metiochos, Άdhrā bzw. Parthenope schließlich half, den Thron zurückzuerobern: Das Mosaik aus Antiochia (MOS1) bildet den Helden in militärischer Tracht ab. Falls dem so war, bekam Metiochos, ähnlich wie Chaireas bei Chariton, die Gelegenheit, seinen Mut, seine Tapferkeit und Männlichkeit zu beweisen. Er bekleidete nicht nur die Rolle des eigensinnigen Tugendhelden, sondern wurde offenbar auch als gefeierter Feldherr skizziert. Dennoch dominierte wohl Parthenope bzw. Άdhrā die Handlung des griechischen und persischen Romans: Als einzige der hier analysierten Heldinnen der griechischen Liebesromane kommt ihr eine umfassende Erziehung zu, die üblicherweise Jungen durchliefen. Systematisch wird sie auf ihre spätere Rolle als Herrscherin vorbereitet, die sie sicherlich mit Metiochos an ihrer Seite ausgeführt haben wird. Parthenope verbleibt damit keineswegs auf dem Niveau der übrigen griechischen Protagonistinnen, nämlich dem einer treuen und sittsamen Partnerin und Ehefrau, sondern zeigt durchaus männliche Eigenschaften wie Wagemut, Kampfgeist und sogar Gewaltbereitschaft. Sie steht zumindest in dieser Hinsicht der von Diodor gezeichneten Semiramis sehr nahe.

Letztlich ist nicht klar, ob Parthenope und Metiochos vor ihrer Trennung die Gelegenheit hatten, zu heiraten oder ob sie überhaupt miteinander vermählt waren. Denn eigentlich bedeutet der Name Parthenope bzw. Άdhrā „Jungfrau“, was auf eine ewige Jungfräulichkeit der Heldin verweisen könnte.278 Zudem deuten weder die griechischen noch die persischen Quellen explizit auf ein glückliches Ende der Geschichte hin. Ein Happy End aber, das auch die Heirat der beiden Protagonisten mit einschloss, erscheint sehr wahrscheinlich – alles andere würde der Tradition des griechischen Liebesromans zuwider laufen. Die Protagonisten und ihre Geschichte müssen in jedem Fall einen nachhaltigen Eindruck bei den Rezipienten hinterlassen haben. Schließlich wurde der Metiochos-Parthenope-Roman sogar als Theaterstück mit starken Charakteren aufgeführt (vgl. Luc. Salt. 2 und 54 sowie Pseu. 25279):

Since she [Parthenope, H.E.] is linked with Phaidra and Rhodope by Lucian and is the only female character from the novels to have made it to the stage, she must have been one of the most powerful dramatic characters that Greek novelists created, dominating the book and

Sie fällt zudem einem gewissen Demoxenos oder Danaos in die Hände, welchem wohl eine ähnliche Rolle wie dem Piraten Theron bei Chariton zugekommen sein mag, vgl. Hägg/Utas (2003), S. 244-245.

277 Dies deutet ein Textbruchstück in der persischen Anthologie Dārāb-nāmah implizit an. So erzählt die junge Frau ihre Geschichte dem Händler Hiranqālīs, welcher sie daraufhin als die berühmte Tochter des Fuluqrāt erkennt und ihr verspricht, sie wieder mit Vāmiq zusammenzuführen. Vgl. auch (Char. Kall. 8.7.3-8 und 8.7.11) Xenophon (Xen. Eph. 5.14) und des Achilleus Tatios (Ach. Tat. Leu. 8.4-5).

278 Vgl. Utas, Bo: Did Άdhrā remain a virgin?, in: OrSu 33-35 (1984-1986), S. 429-441.

279 Dass Lucian wirklich von der Parthenope des griechischen Liebesromans als Heldin eines Theaterstückes spricht, darauf wies M. Kokolakis in seinem Aufsatz „Pantomimus and the Treatise ΠΕΡΙ ΟΡΧΗΣΕΟΣ“, in: Platon 11 (1959), S. 47-51 erstmals hin.

imaginations of its readers. […] He [Metiochos, H.E.], too, seems to have been a fit subject for performance, and he is an equally strong character in the Greek and Persian fragments.280