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HAZARD BAND

A

C B D

0 20 40 60 80 100

0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 10000

% Summenhäufigkeit

Expositionszielgröße [mg/m3] OMCTS EPPENL CPFE

BZA

DMSO ACYA

DPG

HAZARD BAND

A D B

ALLA C

HCCP TCT

PPH VAN CHP BUTI

BAK

BNL

Abb. 5.9 Summenhäufigkeiten der Expositionszielgrößen der 76 als Gase bzw.

Dämpfe bewerteten Stoffe innerhalb der Toxizitätsklassen (Abk. S. 68)

Abb. 5.10 Summenhäufigkeiten der 99 Expositionszielgrößen innerhalb der Toxizitätsklassen, für alle Stoffe in der Einheit mg/m3. Weiße Symbole:

Gase/Dämpfe; schwarze Symbole: Aerosole/Stäube (Abk. S. 68) 0

20 40 60 80 100

0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 10000

Expositionszielgröße [ppm]

% Summenhäufigkeit

HCCP TCT

BNL DMSO

ACYA OMCTS PENL CPFE

Toxizitätsklasse B A

D C

BZA HYT

CHP VAN

PPH

BUTI

ALLA

EP

0 20 40 60 80 100

0,001 0,01 0,1 1 10 100 1000 10000

% Summenhäufigkeit

Expositionszielgröße [mg/m3] PHT

MTBT NP

OMCTS

HYT PENL CPFE

Toxizitätsklasse A

B D C

BAK

ALLA BZA TRL DMSO ACYA

EP

DPG HCCP

TCT BUTI

OBDE PPH

VAN

BNL

Abkürzungen der Stoffbezeichnungen in den Abb. 5.7 - 5.10 ACYA 2-Cyanopropan-2-ol (Acetoncyanhydrin)

ALLA Allylalkohol

BAK Bariumkarbonat

BNL Benzonitril

BZA Benzylalkohol

BUTI Butylisocyanat

CHP 4-Chlorphenol

CPFE Chlorpentafluorethan DMSO Dimethylsulfoxid

EP 1-Ethoxy-2-propanol

HCCP Hexachlorcyclopentadien HYT Terphenyle, hydrogeniert

MTBT 2-(Morpholinothio)-benzothiazol

NP 4-Nitrophenol

OBDE Octabromdiphenyl-ether OMCTS Octamethylcyclo-tetrasiloxan PENL Pentanol (Amylalkohol)

PHT Phthalimid

PPH p-Phenetidin

PROP 1-Propanol

TCT 2,4,6-Trichlor-1,3,5-triazin

TRL Triadimenol

VAN Vanillin

einem Stoff der Klasse D. Unter diesem Gesichtspunkt ist es von untergeordneter Bedeutung, dass Stoffe der Klasse D Expositionszielgrößen sowohl in Höhe von 0,01 ppm als auch von 0,5 ppm umfassen: Ab einer bestimmten Menge ist ein geschlossenes System erforderlich und es wird erwartet, dass demzufolge weder ein Schichtmittelwert in Höhe von 0,5 ppm noch von 0,01 ppm erreicht wird.

Die Verhältnisse liegen anders, wenn man nicht von fest vorgegebenen technischen Maßnahmen ausgeht, sondern einen Konzentrationswert vorgeben möchte, der als Schichtmittelwert nicht überschritten werden darf. Dann scheint das System einen umso besseren Gesundheitsschutz zu bieten, je niedriger dieser Wert angesetzt wird. Man hat es dann eigentlich mit so etwas wie einem „Gruppengrenzwert“ zu tun.

Würde man also vorgeben, dass für alle Stoffe der Klasse D nach Abb. 5.4 der Schichtmittelwert den Betrag von 0,5 ppm nicht übersteigen darf, dann würde ein geringeres Schutzniveau vorliegen als wenn man vorgeben würde, dass für diese Stoffe der Wert von 0,1 ppm nicht überschritten werden darf. Falls dann tatsächlich ein Schichtmittelwert von 0,1 ppm erreicht würde, dann wäre mit diesem System gleichwohl kein umfassender Gesundheitsschutz gegeben insofern als Stoffe, für die

„eigentlich“ Schichtmittelwerte von 0,005 ppm nicht überschritten werden sollten, ebenfalls in mittleren Konzentrationen von 0,1 ppm - also um das 20fache höher als angemessen - vorliegen könnten. Vor der weiteren Diskussion dieser Problematik sei auf die zusätzliche Fragestellung der Unterscheidung „massebezogen (mg/m3)“

versus „volumenbezogen (bzw. ppm)“ eingegangen.

Die Abbildungen 5.5 und 5.6 enthalten die Expositionszielgrößen aller 99 Stoffe. Da die Größen dort in der Einheit mg/m3 angegeben sind, können dabei Dämpfe und Aerosole gemeinsam dargestellt werden. In den Abbildungen sind die als Gas/Dampf bewerteten Stoffe mit weißen, die als Aerosol/Staub bewerteten Stoffe mit schwarzen Symbolen dargestellt. In Abb. 5.5 wurde wie in Abb. 5.3 eine Einteilung in Quartile vorgenommen. Man erkennt, dass die Expositionszielgrößen für die als Aerosol/Staub bewerteten Stoffe eher niedrigere Konzentrationswerte haben, das dritte Quartil beträgt zirka 20 mg/m3, größere Werte betreffen nur Gase/Dämpfe. Das zweite Quartil liegt bei zirka 2 mg/m3, das erste Quartil bei zirka 0,1 mg/m3. Für die Abb. 5.6 konnten nicht analog zu Abb. 5.4 die Klassengrenzen der Toxizitätsklassen

eingetragen werden, da diese für Gase/Dämpfe in der Einheit ppm und nicht in mg/m3 definiert sind. Der Umrechnungsfaktor von ppm in mg/m3 ist (abhängig vom Molekulargewicht) von Stoff zu Stoff unterschiedlich. Die Spannweite der Umrechnungsfaktoren der 76 hier als Gase/Dämpfe bewerteten Stoffe reicht von 2,3 bis 12,3; der Median beträgt 5,3, das arithmetische Mittel 5,6. Für Abb. 5.6 wurde der mittlere Faktor von 5,6 verwendet, um hilfsweise hypothetische Klassengrenzen für eine Klassierung von Gasen/Dämpfen anhand der Expositionszielgrößen in der Einheit mg/m3 zu berechnen (z.B. 0,5 ppm x 5,6 (mg/m3)/ppm = 2,8 mg/m3).

Falls man die Klasseneinteilung von Abb. 5.6 einheitlich für alle Stoffe - gleichgültig ob Staub oder Gas - verwenden würde, dann fielen mehr als die Hälfte aller Stoffe und die überwiegende Mehrzahl der Aerosole in die Klasse D. Den Klassen A und B wären gar keine Aerosole zuzuteilen. Die Klassengrenze für „D“ liegt bei rund 3 mg/m3. Zum Vergleich: Der Allgemeine Staubgrenzwert nach TRGS 900 liegt für die E-Staubfraktion (einatembarer Anteil) bei 10 mg/m3 und für die A-Staubfraktion (alveolengängiger Anteil) je nach Umständen bei 3 bzw. 6 mg/m3. Der Allgemeine Staubgrenzwert betrifft schwerlösliche bzw. unlösliche Stäube ohne wesentliche bekannte spezifische Toxizität, also Stäube, die früher als „inert“ bezeichnet wurden.

Die arbeitsmedizinische und toxikologische Forschung hat gezeigt, dass auch diese schwerlöslichen Stäube allein aufgrund der Partikeldeposition bzw. retention -grundsätzlich eine toxische Wirkung auf die Lunge besitzen. Insofern wäre es einerseits nicht völlig abwegig, wenn solche Substanzen in einem Klassierungssystem gemäß chronischer Toxizität nicht einer Kategorie zuzuteilen wären, die gewissermaßen Abwesenheit von Toxizität signalisiert, d.h. der Klasse A.

Wenn man aber andererseits berücksichtigt, dass unter COSHH Essentials ein Feststoff der Hazard Band D im geschlossenen System gehalten werden muss, falls eine Kilogramm-Menge fünfmal pro Tag für 5 Minuten umgefüllt wird, dann ist es nicht realistisch, die früher als „Inertstäube“ bezeichneten Materialien gemäß der höchsten Toxizitätsklasse zu regulieren. Die Auflösung dieser Widersprüchlichkeit ist nach der Beantwortung der bereits oben angesprochenen Frage zu finden, wie die Klassengrenzen zu verstehen sind: entweder im engeren Sinne als Grenzen

„semiquantitativer“ Toxizitätsklassen oder eher als konkret umzusetzende

„Gruppengrenzwerte“.

Unter dem Szenario einer einheitlichen Klasseneinteilung für Dämpfe und Stäube auf Basis der Massenkonzentrationen scheint die eingangs angesprochene Unterscheidung nach den Perspektiven I. und II. (Abschn. 5.4.2.1) besonders gravierend. Unter der Perspektive I., d.h. ausgehend von der Angemessenheit der nach COSHH Essentials zu ergreifenden Maßnahmen, ist die getrennte Klassierung von Dämpfen und Stäuben naheliegend, da sich zwangsläufig bzw. definitionsgemäß die physikalischen Eigenschaften von Dämpfen und Stäuben unterscheiden. Die Maßnahmen nach COSHH Essentials sollen in Abhängigkeit von den physikalisch-chemischen Eigenschaften und dem Grad der Toxizität erfolgen. Gemäß Abb. 5.6 führt dagegen eine gemeinsame Klassierung von Dämpfen und Stäuben anhand der Expositionszielgrößen zu dem „befremdlich“ anmutenden Ergebnis, dass es Aerosole der niedrigeren Toxizitätsklassen A und B überhaupt nicht gibt. Insofern erscheint es durchaus sinnvoll, den Grad der Toxizität jeweils innerhalb der Systeme

„Gas/Dampf“ und „Aerosol/Staub“ auf einer eigenen Skala zu betrachten und daraus mit den notwendigen Zusatzinformationen geeignete Maßnahmen abzuleiten. Es sei an dieser Stelle aber nochmals betont, dass uns bisher nicht bekannt ist, inwieweit das gesamte System COSHH Essentials einschließlich der Umsetzung der Maßnahmen im Ergebnis am realen Arbeitsplatz zu einer hinreichend niedrigen Exposition führt. Dies müsste durch Validierungsuntersuchungen bzw.

Luftmessungen in der Praxis überprüft werden.

Unter dem Gesichtspunkt II., d.h. im Falle von „Gruppengrenzwerten“, kann dagegen eine gemeinsame Gruppenbildung für Dämpfe und Stäube durchaus als naheliegend betrachtet werden. Mit Blick auf die Abb. 5.6 könnte zum Beispiel festgesetzt werden, dass für Stoffe der Klasse C ein Grenzwert von 10 mg/m3 einzuhalten sei. Dabei ist es dann wie bei „gewöhnlichen“ Grenzwerten auch -zunächst völlig gleichgültig, welche physikalisch-chemischen Eigenschaften vorliegen und wie hoch unter akademischen Gesichtspunkten der Grad der Toxizität einzuschätzen ist: ein Schichtmittelwert von 10 mg/m3 muss eingehalten werden. Bei diesem System sind folgende Probleme zu lösen: Lässt sich unter technischen Gesichtspunkten ein einfaches Maßnahmenkonzept entwickeln, mit dem für ganz unterschiedlich beschaffene Stoffe und Einsatzzwecke annähernd punktgenau ein bestimmter Schichtmittelwert der Stoffkonzentration in der Luft am Arbeitsplatz

erzielt wird? Wie soll unter arbeitsmedizinisch-toxikologischen Gesichtspunkten der

„Gruppengrenzwert“ der am stärksten toxischen Stoffe, der Klasse D, ermittelt werden?

Die erste der beiden vorgenannten Fragen soll hier nicht beantwortet werden, sie ist von Experten mit dem entsprechenden technischen Wissen zu bearbeiten. Die zweite Frage lässt sich meines Erachtens gar nicht bzw. nicht wirklich befriedigend beantworten. Vor einer Erläuterung soll aber noch weitere Information in die Diskussion einbezogen werden, und zwar in Form einer detaillierteren Betrachtung von Summenhäufigkeitsverteilungen der Expositionszielgrößen - getrennt nach den jeweiligen Klassen.

5.4.2.4 Summenhäufigkeitsverteilungen der Expositionszielgrößen innerhalb der Hazard Bands: Frage nach Klassengrenzen und „Mindeststandards“ pro Klasse bzw. „Gruppengrenzwerten“

Die Abbildungen 5.7 und 5.8 zeigen die Summenhäufigkeiten der Expositions-zielgrößen jeweils innerhalb der Hazard Bands nach COSHH Essentials (R-Satz bezogen), analog zeigen die Abbildungen 5.9 und 5.10 die Summenhäufigkeiten der Expositionszielgrößen jeweils innerhalb unserer Toxizitätsklassen ohne Berück-sichtigung der R-Sätze. Die Abbildungsserie 5.7 bis 5.10 ist als eine gewisse Einheit zu sehen. Um eine Orientierung über die einzelnen Substanzen zu geben, sind jeweils die Punkte am Rande der Verteilungen mit Stoffbezeichnungen versehen.

Die dabei verwendeten Abkürzungen sind auf der auf die Abbildungen folgenden Seite erläutert. Eine Substanz ist in der Regel auch dann gekennzeichnet, wenn sie in einer bestimmten Abbildung nicht am Rand der Verteilung liegt, aber in einer anderen Abbildung „randständig“ ist. Auf diese Weise soll die Veränderung der

„Placierung“ der Substanzen mit den einzelnen Gruppierungssystemen kenntlich gemacht werden. Die Pfeile in den Abbildungen 5.7 und 5.8 markieren die bisher verwendeten Klassengrenzen. Die Abbildungen 5.7 bis 5.10 enthalten eine Reihe von Informationen, auf die nicht näher eingegangen werden soll. Dies betrifft zum Teil eine Wiederholung von Gesichtspunkten, die bereits an anderer Stelle erörtert wurden. So zeigt zum Beispiel die Abb. 5.7 - wie auch Abb. 5.1, aber in einer etwas

anderen Darstellungsweise, dass sich für eine beträchtliche Zahl von Substanzen, die gemäß R-Sätzen der Hazard Band A zuzuteilen sind, Expositionszielgrößen kleiner als 50 ppm ergeben. Die Exposition gegenüber diesen Substanzen am Arbeitsplatz kann daher unter Umständen bei regelmäßiger Anwendung eines auf die Hazard Band A gemäß COSHH Essentials abgestimmten Maßnahmenpaketes in Relation zu ihrer chronischen Toxizität (beträchtlich) zu hoch sein. Dies wurde bereits diskutiert. Die Abb. 5.8 zeigt, dass sich daran durch Bezug auf Massenkonzentrationen wenig ändert. Die an dieser Stelle interessierende Frage ist es vor allem, inwiefern sich Konzentrationszielbereiche im Sinne von „Gruppen-grenzwerten“, insbesondere im Hinblick auf ein einheitliches Gruppierungssystem für Dämpfe und Aerosole, benennen lassen.

Das Hauptaugenmerk hinsichtlich eines eventuellen einheitlichen Gruppierungsschemas liegt auf der Abb. 5.10. Dort sind alle 99 bewerteten Stoffe eingetragen -die in -dieselbe Toxizitätsklasse eingeteilten Stoffe jeweils mit dem grundsätzlich selben Symbol (Kreis, Quadrat usw.), jedoch mit unterschiedlicher „Füllfarbe“ des Symbols: weiß für Gase/Dämpfe, schwarz für Aerosole/Stäube. Es versteht sich, dass die als Aerosol bewerteten Stoffe anhand der Skala auf Basis von Massen-konzentrationen, die Dämpfe aber auf Basis von Volumenkonzentrationen klassiert wurden. Zunächst fällt auf, dass beim Übergang der schwarzen „Aerosol-Punkte“ zu den weißen „Dampf-Punkten“ jeweils ein „Versatz“ der Kurve stattfindet - bedingt durch die jeweiligen, sich unterscheidenden Klassierungsskalen. Wie bereits weiter oben angesprochen, ist in der „Philosophie“ von COSHH Essentials nicht unmittelbar eine Bereichsbildung (target airborne concentration ranges) für Gase/Dämpfe auf Basis von Massenkonzentrationen vorgesehen. Es ist daher die Frage, wo diesbezüglich Klassengrenzen neu gelegt werden könnten. In Abb. 5.10 sind gestrichelte Linien eingezeichnet, die die oberen und unteren Ränder benachbarter Klassen für Gase/Dämpfe verbinden. Verlängert man diese Linien zur x-Achse, dann landet man ungefähr bei Werten von 2, 20 und 200 mg/m3.

Die vorgenannten Grenzen stimmen ungefähr mit den Grenzen der Abb. 5.6 überein, die durch Multiplikation der ppm-Werte mit einem mittleren Faktor von 5,6 erhalten wurden. Innerhalb der Stoffe „Gase/Dämpfe“ ändert sich durch eine Umstellung von

Volumenbezug auf Massebezug in der Regel nicht viel: in Abb. 5.10 sind kleinere Änderungen der Reihenfolge erkennbar (HYT - ACYA, HCCP - BUTI). Bei einer gemeinsamen Verwendung dieser Grenzen auch für Aerosole wäre die Auswirkung jedoch dann gravierend, wenn man diese neuen Grenzen als Grundlage der Klassierung nach dem Grad der toxischen Wirkungsstärke verwenden würde: alle Aerosole wären nur den Klassen C oder D, nicht mehr den Klassen A oder B, zuzuteilen. Dies wurde bereits weiter oben anhand der Abb. 5.6 diskutiert. Die eigentlich verbliebene Frage war aber: Welche Konzentration darf als Schichtmittelwert für Stoffe der Klasse D nicht überschritten werden?

Dazu ist zunächst zu fragen: Wo genau soll die Grenze für die Klasse D liegen? Die Grenze zwischen 1 und 2 mg/m3 gemäß den Abbildungen 5.6 und 5.10 ist das Ergebnis der vorgegebenen Grenze von 0,5 ppm. Diese ist freilich kein Naturgesetz, sondern kann in Frage gestellt werden. Eine Expositionszielgröße von 0,5 ppm wurde für Acetoncyanhydrin abgeleitet. Die Toxizität dieser Verbindung wird wesentlich auf die Freisetzung von Cyanidionen im Körper zurückgeführt. Es soll hier nicht näher hinterfragt werden, wie sich die Freisetzung von Cyanidionen aus Acetoncyanhydrin einerseits und aus Cyanwasserstoff (Blausäure) bzw. anorga-nischen Cyanidsalzen andererseits unterscheidet. Auch in IUCLID (2000) wird die Toxizität von Acetoncyanhydrin mit anorganischem Cyanid verglichen. Geht man daher hilfsweise davon aus, dass die Anzahlkonzentration von Acetoncyanhydrin-molekülen in der Luft nicht höher sein darf als die Anzahlkonzentration von Blausäuremolekülen, dann ist die Expositionszielgröße von 0,5 ppm vergleichbar mit einem Grenzwert für Cyanwasserstoff von 0,5 ppm. Der MAK-Wert gemäß DFG (2002) für Cyanwasserstoff beträgt 1,9 ppm. Geht man davon aus, dass die Ableitung von MAK-Werten unter Umständen niedrigere „Sicherheitsfaktoren“

beinhaltet als die Ableitung von ARW-Werten, dann ist hier von einer guten Konsistenz zu sprechen.

Da Cyanwasserstoff unabhängig von einer möglichen chronischen Toxizität von Cyaniden als hoch toxisch zu betrachten ist, ergibt sich daraus, dass Stoffe mit einer ähnlichen Toxizität wie Cyanwasserstoff nicht in eine geringere Toxizitätsklasse als Klasse D eingeordnet werden sollten. Eine niedrigere Klassengrenze als 0,5 ppm

müsste daher mit sehr guten Argumenten begründet werden. Geht man nach diesen Überlegungen von einer Klassengrenze der Klasse D von 0,5 ppm (Gase/Dämpfe) bzw. hilfsweise von 2 mg/m3 (alle Stoffe) aus, dann verbleibt noch immer die Frage nach dem „Mindeststandard“ hinsichtlich einer anzustrebenden Konzentration für diese Klasse. An dieser Stelle kann die konkrete Benennung eines Konzentrations-wertes aus toxikologischer Sicht nur abgelehnt werden. Es liegt auf der Hand, dass ein gemeinsamer „Praxisgrenzwert“ für zwei Stoffe toxikologisch nicht wirklich stichhaltig begründet werden kann, wenn für den einen Stoff zuvor ein Grenzwert von 0,001 mg/m3 und für den anderen ein Grenzwert von 2 mg/m3 abgeleitet wurde.

Der niedrigste Wert für eine Expositionszielgröße, die für dieses Projekt berechnet wurde, beträgt 0,0005 ppm und betrifft die Substanz 2,4,6-Trichlor-1,3,5-triazin. Der exakte Wert gerade für diese Substanz ist mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet und eignet sich nicht gut für verallgemeinernde Betrachtungen (CAS-Nr.

108-77-0, Tab. A3; „Qualitätsstufe“ I wurde nur im Hinblick darauf vergeben, dass die Zuordnung zu Klasse D unvermeidbar erscheint). Die grundsätzliche Problematik ist davon jedoch unabhängig und kann ebenso an MAKWerten verdeutlicht werden -auch wenn dabei gegebenenfalls wegen der etwas unterschiedlichen Ableite-methodik eine andere Skala zu betrachten ist (Abschn. 5.4.1). Der niedrigste MAK-Wert wurde für TCDD festgesetzt, er beträgt 10-8 mg/m3, d.h. 0,00000001 mg/m3. Selbst wenn man also für die Klasse D einen „Gruppengrenzwert“ von 0,001 mg/m3 mit Maßnahmepaketen anstreben und damit für Substanzen mit einer Expositions-zielgröße in Höhe von 1 mg/m3 einen unwirtschaftlich hohen Aufwand in Kauf nehmen würde, dann wäre dieser Grenzwert in seiner Höhe bei weitem nicht ausreichend, um TCDD-Expositionen im Sinne der MAK-Liste angemessen zu regulieren.

5.4.2.5 Schlussfolgerungen und Bewertung

Aus wissenschaftlicher Sicht erscheint nach wie vor das Grenzwertkonzept als Methode der Wahl. Unter „Grenzwertkonzept“ ist dabei zu verstehen, dass aus der Verbindung naturwissenschaftlich-toxikologisch ermittelter Niedrig-Wirkungsbereiche und präventivmedizinischer Überlegungen individuell für einzelne Stoffe höchstzulässige Konzentrationswerte abgeleitet werden und dass ihre Einhaltung

-auch zur Wirksamkeitskontrolle gegebenenfalls dem Einzelfall angepasster Schutzmaßnahmen - überprüft wird. Es kann dabei durchaus diskutiert werden, mit Hilfe welcher Konventionen naturwissenschaftliche Kenntnislücken zu überbrücken sind, wie Aussageunsicherheiten zu berücksichtigen sind und welche Risiko-akzeptanz angemessen ist. Der Verzicht auf stoffspezifische Grenzwerte, also der Verzicht auf naturwissenschaftliche Information, und ihr Ersatz durch ähnliche, aber weniger spezifische Vorgehensweisen zum Beispiel in Form von Toxizitätsklassen -verschiebt die Verantwortung stärker in nicht-naturwissenschaftliche Bereiche. Hier treten Argumente „der Praxis“ auf den Plan, die zum Teil weit außerhalb naturwissenschaftlicher Erörterung liegen: Können individuelle Grenzwerte rechtlich und praktisch durchgesetzt werden? Kann ihre Einhaltung überwacht werden? Kann für die Vielzahl chemischer Stoffe mit vernünftigem Aufwand ausreichend umfangreiche Information zur Ableitung von Grenzwerten produziert und ausge-wertet werden? Die Ableitung von Expositionszielgrößen, Toxizitätsklassen, Hazard Bands o.ä. und die Diskussion abgestufter Maßnahmenkonzepte ist vor diesem Hintergrund zu sehen.

Die Diskussion in den vorstehenden Abschnitten wurden unter zwei Perspektiven geführt, diese in Abschn. 5.4.2.1 angesprochenen Betrachtungsweisen seien nochmals wiederholt:

I. Es wird als zutreffend unterstellt, dass die Maßnahmen nach COSHH Essentials geeignet sind, für die jeweilige Hazard Band die Einhaltung geeigneter Schichtmittelwerte und Kurzzeitwerte innerhalb des angestrebten Konzentra-tionsbereiches in der Luft (Target Airborne Concentration Range) sicherzustellen. Insbesondere für die beiden höchsten Hazard Bands wird von einer hinreichend niedrigen Maßnahmenschwelle in Bezug auf die physikalisch-chemischen Eigenschaften und die Art des Umgangs mit dem Stoff, bei der die Verwendung in geschlossenen Systemen gefordert wird, ausgegangen. Die Angabe eines genauen, einzuhaltenden Konzentrationswerts innerhalb der Bereiche erübrigt sich.

Die Frage ist dann nur: Wie ist das optimale Verfahren der Zuordnung eines Stoffes zu einer Hazard Band bzw. wie ist das Schutzniveau dieses Zuordnungs-verfahrens zu beurteilen?

II. Es werden toxikologisch begründete Konzentrationswerte für die Toxizitätsklassen („Gruppengrenzwerte“) vorgegeben, und ein (neues) Maß-nahmenkonzept ist so zu entwickeln, dass infolge der technischen Maßnahmen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit (99 %, 95 %, 90 %, o.ä.) sowohl dieser Wert als Schichtmittelwert eingehalten wird als auch eine unangemessene Kurzzeitüberschreitung ausgeschlossen ist.

Die Trennung in die beiden Fragestellungen wurde zur Vereinfachung der Argumentation vorgenommen, im Ergebnis ist selbstverständlich auch eine Zwischenlösung vorstellbar, etwa in der Art, dass sich „neu zu entwickelnde Maßnahmen“ stark an COSHH Essentials orientieren, aber in einigen Details abweichen.

Der Hauptteil dieses Projektes befasste sich mit der Perspektive I. Dazu wurden anhand von IUCLID-Daten Expositionszielgrößen abgeleitet und dementsprechend eine Einteilung in Toxizitätsklassen vorgenommen. Die Klassierung wurde mit der reinen Verwendung von R-Sätzen verglichen, wie sie in dem System COSHH Essentials zur Einteilung in Hazard Bands vorgesehen ist. In einer beträchtlichen Zahl von Fällen führten die R-Sätze zu einer Klassierung, die im Hinblick auf das gemäß der Expositionszielgröße bzw. der zugehörigen Toxizitätsklasse anzu-strebende Schutzniveau als nicht ausreichend anzusehen ist

*

. In einigen Fällen signalisierten Expositionszielgrößen auch einen geringeren Regulationsbedarf als die R-Sätze bzw. die zugehörige Hazard Band. Es ist davon auszugehen, dass geeignete Daten zur subakuten bis chronischen Toxizität und die daraus

*

Bei einem relativ großen Teil der R-Sätze, die zu einer Klassierung nach Hazard Band A bei gleichzeitigem Vorliegen einer Expositionszielgröße kleiner als 50 ppm - also Toxizitätsklasse B, C oder D - führten, handelt es sich nicht um Legaleinstufungen, sondern um Einstufungen nach dem Definitionsprinzip. Für das Ergebnis in der Praxis, in der die Hazard Band anhand des Sicherheits-datenblattes ermittelt wird, wäre dies aber unerheblich.

abgeleiteten Expositionszielgrößen eine nützliche zusätzliche Information darstellen, die in den R-Sätzen nicht in jedem Fall bereits enthalten ist. Daraus ergibt sich die Empfehlung, innerhalb eines Systems ähnlich COSHH Essentials alle verfügbaren Informationen einschließlich von Expositionszielgrößen - und nicht nur, aber auch die R-Sätze - zu nutzen, falls ein solches System in Ermangelung der Einsetzbarkeit des herkömmlichen Grenzwertsystems eingesetzt wird. Wenn sowohl R-Sätze als auch

abgeleiteten Expositionszielgrößen eine nützliche zusätzliche Information darstellen, die in den R-Sätzen nicht in jedem Fall bereits enthalten ist. Daraus ergibt sich die Empfehlung, innerhalb eines Systems ähnlich COSHH Essentials alle verfügbaren Informationen einschließlich von Expositionszielgrößen - und nicht nur, aber auch die R-Sätze - zu nutzen, falls ein solches System in Ermangelung der Einsetzbarkeit des herkömmlichen Grenzwertsystems eingesetzt wird. Wenn sowohl R-Sätze als auch