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3. ÖFFENTLICHE ARBEITEN FRANZ HOFSTÖTTERS

3.3. Würdigung der Arbeiten in Au/Hallertau

3.3.2. Hauptaltarbilder

Die beiden Ölgemälde der Hauptaltarbilder entstanden im Winter 1904/05 im Atelier Hofstötters in der Zieblandstraße in München. Das kleinere Auszugsbild mit "St. Michael als Seelenwäger" (A 23) war im zeitigen Frühjahr 1905 fertig, das größere Hauptbild mit "St. Vitus als Fürbitter der Gemeinde Au" (A 22) beendete Hofstötter erst um Ostern 1905. Sie gehören (zusammen mit dem Kreuzweg in Ludwigsthal) zu den wenigen heute noch erhaltenen Ölgemälden Hofstötters aus öffentlichen Aufträgen.156

Beide Bilder zeigen eine etwas andere Behandlung als die Wand- und Deckenbilder und dement-sprechend auch z.T. andere Einflüsse. Ähnlich wie in der Wandmalerei pflegte Hofstötter hier ei-nen Malstil, der die Komposition nicht durch die Linie, sondern durch die farbig gestaltete Fläche bestimmt. Die Betonung der menschlichen Gestalt durch Licht- und Schattenwirkungen, auffällige Farben und betonte Gesten, wie sie besonders in Kostümbildern und manchen Porträts der Foto-grafen des 19. Jahrhunderts verbreitet waren, bilden eine weitere Gemeinsamkeit. Die Beschäfti-gung mit römischer Wandmalerei macht sich ebenso bemerkbar wie die Verarbeitung zeitgenössi-scher Werke besonders aus dem Umfeld des Wiener und Münchener Jugendstils.

Die Aufnahme bestimmter moderner Strömungen, wie sie der Impressionismus französischer oder deutscher Ausprägung u.ä. darstellte, verbot sich von vornherein, da Hofstötter damit keine Akzeptanz für die von einer langen Tradition bestimmten und geprägten Orte innerhalb des Kirchengebäudes bei Auftraggebern (Kirche und Staat) wie Gläubigen erreichen konnte. Darum konzentrierte sich Hofstötter darauf, auf alte Malstile und Darstellungsweisen zurückzugreifen,

156 Die möglicherweise auch in Öl gemalten Bilder des Königlichen Redoutensaales in Passau sind später entfernt oder zerstört worden. Die zeitlich nächsten Bilder in dieser Technik entstanden für Weiden II ab 1905/06. Die für St. Maximilian in München entstandenen Bilder wurden im zweiten Weltkrieg zerstört.

diese aber maßvoll innerhalb der von den Auftraggebern gesteckten Grenzen durch Aufnahme zeitgenössischer Strömungen zu erneuern.157

Vergleicht man die Entwurfszeichnung für das Hauptaltarblatt (A 22a, Abb. 108) mit den Zeich-nungen für die Glasfenster in Ludwigsthal (L 387a und folgende, Abb. 7) oder mit dem in Farbe ausgeführten Entwurf für die dortige erste Kreuzwegstation (L 323a, Abb. 22) ist eine Zunahme der Räumlichkeit zu erkennen. Dies wird durch kräftige Striche und starke Schraffuren erreicht.

Die Kontrastwirkung mit Hilfe von Licht und Schatten bleibt aber in der Zeichnung auf die Hauptgruppe mit dem hl. Vitus, der hl. Crescentia, dem hl. Modestus und Christus beschränkt.

Die umgebende Engelgruppe ist bis auf die beiden vordersten wenig differenziert, ebenso die An-sicht von Au am unteren Bildrand.

In dem als Ölbild ausgeführten Hauptbild (Abb. 109) ist die Dominanz der Linie völlig ausge-schieden. Die Darstellung von Räumlichkeit erfolgt durch Differenzierung der Farben innerhalb von Farbflächen. Besonders intensive Farbtöne herrschen bei der Hauptgruppe vor, während die Darstellung von Au mit den für die Hallertau typischen Hopfengärten im Vordergrund mehr in Erdtönen gehalten ist. Die darüber ziehenden dunklen Gewitterwolken, die als Standfläche für die drei Heiligen dienen und zum heller leuchtenden "Himmlischen Paradies" überleiten, lassen nur einen schmalen blauen Himmelsstreifen über den Häusern frei.

Die Halbfigur des wundenweisenden Christus ist sehr nahe an die Heiligengruppe herangerückt, auf ihn hin finden sich mehrere Verweise. Eine direkte Verbindung erfolgt durch den auf Christus zeigenden rechten Arm des Modestus, dessen linker gleichzeitig auf das Sakramentshäuschen mit dem "Lamm Gottes" am Hauptaltar zeigt, in dem Christus in übertragener Form in den geweihten Hostien sich manifestiert. Weitere Zusammenhänge ergeben sich durch Kopf- und Körperhaltun-gen der HeiliKörperhaltun-gen, die sich in Christus bündeln lassen.158

Gegenüber der in kräftigen Pinselstrichen und kompakten Farben wiedergegebenen Hauptgruppe wirken die umgebenden Engel blasser in den Farben und dadurch ätherischer, der übernatürlichen Sphäre zugehörig. Auch sind sie summarischer und nicht bis ins Detail ausgearbeitet dargestellt.

Engel in dieser Weise friesartig nebeneinander zeigte Hofstötter erstmals in Weichering. In größerem Ausmaß und kräftigeren Farben tauchen Engeldarstellungen dieser Art bei der Neuausmalung des Chores von St. Josef in Weiden wieder auf (Abb. 47).

Die Entwicklung Hofstötters wird besonders auffällig bei einem Vergleich mit den nur etwa drei Jahre älteren Kreuzwegbildern von Ludwigsthal (L 323 - L 336, Abb. 23, 41 und 42). Trotz der angedeuteten Körperlichkeit der Figuren (durch Fältelung der Kleidung und leichter Schattierung innerhalb der Farbflächen) wird diese durch andere Elemente wieder stark zurückgenommen. Die Dominanz der Linie, die manche anatomische Details zu Ornamenten umformt, fällt auf (s.o).

In den Altarbildern von Au herrscht eine kräftigere Farbgebung vor. Der Malgrund ist mit dek-kenden Farbschichten überzogen, die nicht mehr wie in Ludwigsthal den Grund durch die Lasuren

157 Daß Hofstötter damit immer wieder aneckte, zeigen die Einschränkungen und Vorschriften, die teilweise sogar in die Verträge mit eingearbeitet wurden, und die Verzögerungen und Uneinigkeiten, die daraus während der Ar-beiten in Weiden II, besonders aber bei St. Maximilian in München entstanden.

158 Die Linien zwischen den geneigten Köpfen von Crescentia und Modestus zu dem von Christus ergeben ein Dreieck, dessen eine Spitze nach oben zeigt.

durchscheinen lassen. Der Hintergrund vor dem die Figuren in Au agieren, ist durch Einzelheiten deutlich differenziert. Die Körperlichkeit der Personen ist betont. Die Darstellung wird nicht mehr von der Linie, sondern durch die Gestaltung von farbigen Flächen definiert.

Das Thema des Bildes mit Heiligen als Fürbitter und Mittler zwischen Gott und der Welt findet sich schon im Mittelalter.159

Stilbildend für die Art der Darstellung ebenso wie die Gestalt waren neben der Tradition duktionen, wie sie z.B. im Verlag Hanfstaengl in München herausgegeben wurden. Die Repro-duktions-Industrie wurde vielfach als eine Form der Demokratisierung und als Erziehungsmittel zur Kunst angesehen. Zum Teil wurde sogar die Erneuerungsbestrebungen in der christlichen Kunst der Jahrhundertwende aus dem Phänomen der Kunstreproduktion abgeleitet.160 Das Chri-stusbild mit langen dunklen, leicht gelockten Haaren und Bart wurde von den Hanfstaengl-Reproduktionen einiger Werke des Berliner Akademieprofessors J.M.H. Hofmann, von Plockhorst u.a. übernommen, die genau dieses Erscheinungsbild vorführen, teilweise sogar die Senatoren-Toga mit Goldrand zeigen.161 Die römische Kleidung der Dargestellten, Senatoren-Toga mit Goldrand, langer und kurzer Mantel sind in Au zusätzlich angeregt von der Lebenszeit des Vitus um 300 n.Chr., zum anderen von der Beschäftigung Hofstötters mit der vermeintlich wie-derentdeckten römischen Enkaustik und der römischen Kunst.

Dieser Einfluß ist noch stärker sichtbar beim Auszugsbild mit der sehr beliebten und oft verwen-deten Darstellung von "St. Michael als Seelenwäger" (Abb. 107). Bemerkenswert am Bild Hofstötters ist, daß der Erzengel Michael als römischer Legionärsoffizier in Uniform vor einer Truppe aus einfachen Soldaten erscheint. Die (vorübergehende ?) Faszination Hofstötters, die von der Beschäftigung mit dem römischen Reich und deren erhaltenen Kunstwerken ausging, prägte sich hier deutlich aus.

Die Beschäftigung mit Werken von Künstlern des Münchener oder des Wiener Jugendstils wird an der Betonung der Figuren, die monumental und kraftvoll vor der nur durch wenige Details geschilderten Landschaft im Hintergrund stehen, erkennbar. Ähnliches kann in den Bildern Franz von Stucks oder Fritz Erlers beobachtet werden. Oft überschneidet dabei der vordere Bildrand die Figur, wie es auch beim Auszugsbild "St. Michael" geschieht.

3.3.3. Kurze Zusammenfassung

Die vorgegebene Situation innerhalb des barock geprägten Kirchenraumes zwang Franz Hofstötter zu einigen Kompromissen. Es war ihm dadurch nicht möglich, in den fest vorgegebenen Grenzen,

159 Z.B. auf einem Glasfenster (aus Straßburger Werkstatt ?) mit der "Hl. Klara, die um Schonung der Stadt Assisi betet", für die Kirche des ehem. Franziskanerklosters in Königsfelden, Aargau, um 1325-30; oder die sog. "Glatzer Madonna" einer Prager Werkstatt mit dem knienden Stifter Ernst von Pardubitz, Erzbischof von Prag, um 1350/55 (heute in Berlin, Gemäldegal. Staatl. Mus. Preuß. Kulturbesitz); und viele andere.

160 So Peter-Klaus Schuster in seinem Aufsatz Religiöses bei Hanfstaengl, in: Kat. München leuchtete, S. 98ff. Dort auch zeitgenössische Zitate und Abbildungen einiger Seiten des Hanfstaengl-Katalogs.

161 Siehe Abb. 1/S. 90, Abb. 5/S. 93 (Hofmann 8229, Plockhorst 5001), Abb. 6/S. 94 (Hofmann 6401 und 2950, Plock-horst 10=68), Abb. 7/S. 95 (PlockPlock-horst 7378 und 3178, Schmiechen 11486, Deger 5056), Abb. 8/S. 96 (Joy 10170, Zimmermann 7768, Küsthardt 9492), Abb. 9/S. 97 (Zimmermann 4330, Kaulbach 7101, Plockhorst 6189, Hofmann 1051, 7600, 7581, 6400 und 2875), Abb. 10/S. 98

die ihm in Au in der eine bestimmte Fläche umschließenden Stuckrahmungen innerhalb einer vom Barock geprägten Kirche sowie der Hochaltarbilder innerhalb eines barocken Aufbaus gezogen wurden, seine Vorstellungen so frei zu entfalten, wie es ihm kurz darauf in der völlig neu zu ge-staltenden Kirche St. Josef in Weiden gelang. Trotz aller Einschränkungen wird im Vergleich zu Weichering und Ludwigsthal ein großer Entwicklungsschritt Hofstötters deutlich.

Ab den Arbeiten in Au wurde der Malstil Hofstötters nicht mehr durch die Linie, sondern durch die farbig gestaltete Fläche bestimmt. Außerdem führte er durch die Beimischung von Wachs in seine Kaseinmalerei eine neue Technik ein, die nicht ohne Schwierigkeiten beherrschbar war. Sie trug mit zur Veränderung des Malstils bei. Zur Betonung und verstärkten Herausstellung der monumental wiedergegebenen, kraftvollen menschlichen Gestalt durch Licht- und Schattenwir-kungen, auffällige Farben und betonte Gesten regten ihn neben der Fotografie Maler des Jugend-stils an.

Er versuchte, diese und andere Tendenzen in seinen Werken zu verarbeiten, stieß aber damit we-gen zu starker "Modernität" bei seinen Auftraggebern auf Ablehnung. Bei späteren Werken (besonders in München) trat diese Tatsache, die Hofstötter an der Weiterentwicklung der kirchli-chen Kunst, wie er sie empfand, hinderte, so stark in den Vordergrund, daß er schließlich gegen Ende des ersten Weltkrieges seine öffentliche künstlerische Laufbahn (vorläufig für längere Zeit) beendete.