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Schrumpfungsprozesse können nicht anhand eines einzigen Merkmales identifiziert werden, sondern es ist eine Vielzahl an Einflussfaktoren und Kennzeichen relevant. Schrumpfungs-prozesse werden durch soziodemografische, ökonomische und/oder räumliche Umstrukturie-rungen beeinflusst. Als Folge dieser Einflussfaktoren können Kennzeichen von Schrump-fungsprozessen identifiziert werden. Diese Merkmale von SchrumpSchrump-fungsprozessen umfas-sen soziodemografische Kennzeichen (z.B. rückläufige Bevölkerungumfas-sentwicklung), ökonomi-sche und fiskaliökonomi-sche Kennzeichen (z.B. verringertes Arbeitsplatz- und Arbeitskräfteangebot, Wohnungsleerstände, fiskalische Einschränkungen für die Stadtplanung) sowie infrastruktu-relle Kennzeichen (z.B. Auslastungsprobleme der technischen und sozialen Infrastruktur).

Weiters sind auch soziokulturelle Kennzeichen des Schrumpfungsprozesses wie die Verrin-gerung der Verbundenheit mit dem Wohnort oder Segregationstendenzen relevant. Die Ent-wicklung in einigen Merkmalen kann dann zusammen genommen einen Schrumpfungspro-zess identifizieren und große Herausforderungen für die Planung ergeben.

Zentral für den Umgang mit Schrumpfungsprozessen ist ein verändertes Planungsver-ständnis aller beteiligten Personen, welches sich in zweierlei Hinsicht an die aktuellen Ent-wicklungstendenzen anpassen muss. Erstens verändert sich die strategische Ausrichtung der Raumplanung durch den Schrumpfungsprozess, die uneingeschränkte Wachstumsorien-tierung ist zu überdenken. Die Raumplanung darf sich nicht mehr nur auf die Bereitstellung von Infrastruktur sowie Nutzungsmöglichkeiten (z.B. Flächenwidmung) konzentrieren, um die räumlichen Voraussetzungen für Wachstumsprozesse zu schaffen. Vielmehr steht in vielen Regionen Österreichs bereits der Erhalt bestehender Strukturen im Vordergrund. Durch die aktuellen Schrumpfungsprozesse muss die Raumplanung ihre strategischen Leitlinien über-arbeiten und anpassen.

Zweitens ist eine Anpassung des Planungsverständnisses hinsichtlich der Steuerung räumli-cher Entwicklungen erforderlich, die sich nicht mehr auf die einseitige Beeinflussung des Handelns durch direkte Planungsinstrumente und hoheitliche Maßnahmen konzentriert.

Raumplanung wird nicht mehr als reine technische Aufgabe verstanden, welche nach ratio-nalen Kriterien den Siedlungsraum strukturiert und Nutzungen zuteilt. Vielmehr entspricht die heutige und zukünftige Steuerung der räumlichen Entwicklung einem Interaktionsprozess, der die Komplexität und Unbestimmtheit des Planungsprozesses in das Planungsverständnis integriert. Die Problemstellungen und Herausforderungen, die sich durch den Schrump-fungsprozess für alle planerischen Akteure ergeben, erfordern die Bildung von Netzwerken zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren sowie die Erweiterung der Planungsin-strumente im Bereich der indirekten, das heißt kommunikativen und kooperativen Steuerung.

Dies konnte auch im Rahmen der empirischen Untersuchung der Schrumpfungshandhabung in der Region Eisenerz verdeutlicht werden.

Die folgenden Handlungsempfehlungen stellen Grundvoraussetzungen für eine aktive Schrumpfungshandhabung dar und sind an alle Planungsebenen adressiert. Sowohl die Stadt- bzw. Gemeindeplanung als auch die Landesplanung sind bei der Schrumpfungshand-habung gefordert, gleichzeitig gewinnt auch die regionale Ebene an Bedeutung.

Problembewusstsein als Basis

Das Erkennen des Schrumpfungsprozesses ist eine entscheidende Voraussetzung für den Umgang mit dieser Entwicklung. Im Planungsraum ist ein Problembewusstsein notwendig, wobei natürlich alle Planungsakteure trotz verschiedener Hintergründe und möglicherweise unterschiedlichen Zielsetzungen eine gemeinsame Problemwahrnehmung entwickeln sollten.

Gemeinsame Zielorientierung der Akteure

Von großer Bedeutung ist das Zusammenspiel der Planungs- und privatwirtschaftlichen Ak-teure, dafür soll – wie oben beschrieben – zuerst die Entwicklung erkannt werden. Ein ge-meinsames Problemverständnis kann zu einer gemeinsamen Zielsetzung führen, dabei sind die Interessenskonstellationen zu berücksichtigen. Jeder Akteur verfügt über eine unter-schiedliche Motivation zur Schrumpfungshandhabung, die meist durch individuelle Interes-sen und Vorteile geprägt ist. Trotzdem soll jedem Akteur verdeutlicht werden, dass nur ein gemeinsames Handeln zielführend ist, ansonsten drohen passive Akteurskonstellationen, die mit einem Gefangenendilemma vergleichbar sind.

Realistische und langfristige Zielsetzungen

Die Zielsetzungen der Schrumpfungshandhabung sind realistisch und langfristig festzulegen.

Utopische Stadtentwicklungsziele und das Festhalten am Wachstumsparadigma (siehe oben Æ verändertes Planungsverständnis) sind zu vermeiden. Gleichzeitig ist der Planungszeit-raum langfristig anzusetzen. Genauso wie der Schrumpfungsprozess sich in einer Region langfristig entwickelt, ist auch der Erfolg von Anpassungsmaßnahmen ein langwieriger Pro-zess. Außerdem ist die Schrumpfungshandhabung von einer Vielzahl an Eventualitäten und Akteuren abhängig, die sehr schnell zu Verzögerungen im Planungsprozess führen können.

Wachstumsorientierte Bestandssicherung versus Rückbau

Für Schrumpfungsregionen gibt es bei der Schrumpfungshandhabung zwei grundsätzliche Zieloptionen: Erstens konzentrieren sich die Bestrebungen von Politik, Planung und Wirt-schaft auf eine wachstumsorientierte Bestandssicherung, welche auf die Stabilisierung der aktuellen Bevölkerungszahl, die Absicherung sowie Attraktivierung der bestehenden Struktu-ren und dem Erhalt bzw. Ausbau der wirtschaftlichen Basis abzielt. Dafür ist jedoch ein ge-wisses Maß an endogenen Entwicklungspotentialen, engagierten Akteuren und politischen Willen, der mit finanzieller Unterstützung verbunden ist, notwendig. Die zweite mögliche Ziel-orientierung ist der Rückbau der Siedlungsstruktur, da aufgrund mangelnder endogener

Handlungsempfehlungen für die Stadt- und Regionalplanung 149 Entwicklungspotentiale die Entwicklung der Region auch zukünftig rückläufig sein wird (z.B. Bevölkerungsprognose). Die Entwicklung von – wie oben beschrieben – unrealistischen Zielsetzungen, die auf einen Aufschwung von stark betroffenen Schrumpfungsregionen ab-zielen, ist weder für die Akzeptanz des Schrumpfungsprozesses noch für den aktiven Um-gang mit der Entwicklung förderlich. Die Anpassung der Siedlungsstrukturen an die neuen Anforderungen der räumlichen Entwicklung (z.B. verringerte Einwohnerzahl) kann unter an-derem durch den Rückbau leer stehender Gebäude und Infrastruktur erreicht werden.

Der aktuelle Umgang mit Schrumpfungsprozessen zeigt eine Kombination der wachstums-orientierten Bestandssicherung und dem Rückbau von Siedlungsstrukturen (z.B. Eisenerz).

Einerseits wird versucht die wirtschaftliche Entwicklung der Region voranzutreiben, gleichzei-tig werden städtebauliche Anpassungen durchgeführt, die aufgrund der veränderten Anforde-rungen nicht mehr benötigt werden.

Unterstützung der überörtlichen Planung

Die Unterstützung der Schrumpfungshandhabung durch die Akteure der überörtlichen Pla-nung ist in Österreich unerlässlich. Schon alleine die finanzielle Unterstützung, um endogene Entwicklungspotentiale der Region zu fördern, ist durch die lokalen Akteure durch die öko-nomischen und fiskalischen Kennzeichen des Schrumpfungsprozesses nicht mehr möglich.

Außerdem entwickelt sich durch die Schrumpfungsproblematik ein Bedeutungsgewinn für die überörtlichen Planungsinstitutionen, deren Einfluss auf die räumliche, kommunale Entwick-lung vergrößert wird. Trotzdem sind die überörtlichen Akteure gefordert, dass die aktive Schrumpfungshandhabung bereits bevor die lokalen Akteure finanziell nicht mehr handlungs-fähig sind, begonnen wird. Kooperationen und Anpassungen an die rückläufige Entwicklung sind bereits vor der Entstehung einer finanziellen Notsituation anzudenken, dabei ist eine Effizienzsteigerung in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, Versorgung und Entsor-gungsleistungen zu erreichen. Weiters hat die überörtliche Planung anzustreben, dass die ressourcenverschwendende Konkurrenz zwischen Nachbargemeinden um Einwohner und Arbeitsplätze vermieden wird.

Lokale Akteure des Planungsprozesses

Die Rolle der lokalen Akteure der Politik, Verwaltung und Planung ist in Schrumpfungspro-zessen eine besondere Herausforderung. Die Innenperspektive der lokalen Akteure er-schwert eine objektive Problemwahrnehmung und kann zu einer Negierung der Entwicklung führen. Gleichzeitig ist die Integration lokaler Akteure in bestehende soziale Netzwerke einer Gemeinde entscheidend für den Erfolg der Schrumpfungshandhabung, denn jeder Verände-rungsprozess muss lokal verankert und umgesetzt werden.

Berücksichtigung privatwirtschaftlicher Akteure

Die Komplexität des Schrumpfungsprozesses erfordert die Einbeziehung von privatwirt-schaftlichen Akteuren in die Schrumpfungshandhabung. Die Notwendigkeit kommunikativer und kooperativer Planungsinstrumente wird dadurch gesteigert, dabei ist eine gleichwertige Partnerschaft anzustreben, ansonsten ist die Zusammenarbeit durch eine hierarchische Ko-operation und die damit verbundenen Probleme gekennzeichnet.

Integration der Bevölkerung

Die Beteiligung der Bevölkerung in den Planungsprozess ist einerseits zeit- und kosteninten-siv, andererseits können durch die Innenperspektive der Einwohner wichtige Erkenntnisse erlangt werden. Bei der Schrumpfungshandhabung ist die Integration der Bevölkerung in vielerlei Hinsicht besonders relevant.

1. Eine Grundvoraussetzung für den Erfolg des Umgangs mit dem Schrumpfungspro-zess ist die Kooperation der relevanten Akteure. Die Bevölkerung als zivilgesell-schaftlicher Akteur ist somit ebenfalls in den Planungsprozess zu integrieren.

2. Maßnahmen der Schrumpfungshandhabung zielen auf die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen innerhalb einer Gemeinde oder einer Region ab. Daher ist eine Abstimmung mit der Bevölkerung über ihre Wünsche und ihre Anforderungen an die Lebens- und Arbeitsbedingungen erforderlich.

3. Die Akzeptanz von Anpassungsmaßnahmen in der Bevölkerung ist ein wesentlicher Faktor bei der erfolgreichen Umsetzung. Ein Großteil der Maßnahmen zur Schrump-fungshandhabung können ohne die Beteiligung der Bevölkerung nicht umgesetzt werden (z.B. Umsiedlungen), eine Integration der Einwohner bereits im Planungspro-zess ist daher empfehlenswert.

In welcher Form die Bevölkerung in den Planungsprozess integriert wird, ist individuell zu entscheiden. Jedoch sollte vermieden werden, dass die Bevölkerung lediglich informiert wird und die grundsätzlichen Festlegungen von den politischen und planerischen Akteuren getrof-fen werden. Dies hat sowohl die Fallstudie des Stadtumbaus in Weißwasser (siehe Kapitel 6.3.3, Seite 89) als auch die empirische Untersuchung der Schrumpfungshandhabung in Eisenerz (siehe Kapitel 7, Seite 95) gezeigt. Auch wenn die Konzepterstellung in den Aufga-benbereich von Architekten und Raumplanern fällt, sind die Wünsche und Anregungen der Bevölkerung anzuhören, selbst wenn diese im endgültigen Konzept nicht alle berücksichtigt werden können. Das Gefühl der Beteiligung muss bei der Bevölkerung hergestellt werden, damit die Schrumpfungshandhabung positiv in der Bevölkerung aufgenommen wird und da-durch auch die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung gegeben sind.

Handlungsempfehlungen für die Stadt- und Regionalplanung 151 Handlungsempfehlungen für die Schrumpfungshandhabung in Eisenerz

Neben den oben angeführten Handlungsempfehlungen für die Stadt- und Regionalplanung zur aktiven Schrumpfungshandhabung ergeben sich aufgrund der empirischen Untersu-chung zusätzliche Handlungsempfehlungen für die planerischen Akteure der Schrumpfungs-handhabung in Eisenerz.

Unterstützung der überörtlichen Raumplanung

Die überörtliche Raumplanung spielt bei der aktiven Schrumpfungshandhabung in Eisenerz eine besonders wichtige Rolle, da die Impulse der Landesplanung den Beginn der Schrump-fungshandhabung entscheidend beeinflusst haben. Durch die finanzielle Unterstützung des Landes Steiermark wird der Umsetzungsprozess des Projektes Re-design Eisenerz maßgeb-lich getragen. Die Förderungen sind auch weiterhin für den Erfolg der Schrumpfungshand-habung in Eisenerz relevant, die Eigenständigkeit der Region sollte trotzdem das langfristige Ziel des Planungsprozesses sein.

Aktivität der lokalen Akteure

Die Stadtgemeinde Eisenerz befindet sich in einer überaus schwierigen Position und ist im Zwiespalt zwischen den Forderungen sowie Wünschen der Bevölkerung und den notwendi-gen städtebaulichen und infrastrukturellen Anpassunnotwendi-gen. Der eingeschränkte finanzielle Handlungsspielraum der Gemeindeverwaltung erschwert die Aktivitäten der Gemeinde zu-sätzlich. Neben Investitionen ist die Stadtgemeinde Eisenerz jedoch auch in der Wahrung der Interessen der Einwohner von Eisenerz gefordert und sollte sich nicht zu stark von den Vorstellungen privatwirtschaftlicher Investoren beeinflussen lassen.

Kooperation staatlicher und nicht-staatlicher Akteure

Die aktive Schrumpfungshandhabung in Eisenerz basiert auf einem Zusammenschluss der politisch-administrativen und wohnungswirtschaftlichen Akteure in einem Verein. Die Ver-einsmitglieder agieren auf einer Ebene und stimmen die weitere Vorgehensweise miteinan-der ab. Sowohl die Unterstützung miteinan-der überörtlichen Planungsverantwortlichen sowie die In-tegration der politischen und teilweise privatwirtschaftlichen lokalen Akteure sind durch die Einführung dieser nicht-hierarchischen Kooperationsform in Eisenerz gegeben. Die Kommu-nikation zwischen den staatlichen Planungsakteuren (überörtliche und örtliche Akteure) und den nicht-staatlichen, vor allem privatwirtschaftlichen Akteuren ist weiterhin aufrechtzuerhal-ten und laufend zu verbessern.

Verstärkte Berücksichtigung der Bevölkerung

Die erfolgreiche Umsetzung der zukünftigen Entwicklungen in Eisenerz ist natürlich stark von der Akzeptanz und der Mitarbeit der Einwohner abhängig. Die Akteure des Planungsprozes-ses müssen sich der umfangreichen Veränderungen für die Bevölkerung durch den

Schrumpfungsprozess selbst und auch durch die Umsetzung des Projektes Re-design Ei-senerz immer bewusst machen. Umsiedlungen sollten nicht mit einem straffen Zeitplan eines Investors erfolgen, denn dadurch entsteht möglicherweise die Konfliktsituation, dass dieser Zeitplan nicht eingehalten wird, weil einige Bewohner sich gegen eine Umsiedlung stellen.

Kombination wachstumorientierte Bestandssicherung und Rückbau

Der Umgang mit dem Schrumpfungsprozess in Eisenerz umfasst eine Kombination aus Rückbau und Wachstumsförderungen, dies verdeutlicht den Zwiespalt in der Zielausrichtung der Schrumpfungshandhabung. Auf der einen Seite werden städtebauliche Anpassungen forciert, die den Schrumpfungsprozess der Wohnbevölkerung nachvollziehen, auf der ande-rer Seite werden unzählige privatwirtschaftliche Projekte angedacht und teilweise bereits umgesetzt, durch die zusätzliche Arbeitsplätze in Eisenerz geschaffen werden sollen. Ein gewisses Maß an Wachstumsorientierung ist auch in Schrumpfungsregionen notwendig, vor allem in Eisenerz sind die fehlenden Arbeitsplatzmöglichkeiten für junge Menschen ein zent-rales Problem. Um die Stabilisierung der Bevölkerung von Eisenerz langfristig zu erreichen ist auch aufgrund der ungünstigen Altersstruktur von Eisenerz eine Verbesserung der Be-schäftigtensituation junger Menschen essentiell. Dabei sollte jedoch verstärkt auf endogene Entwicklungspotentiale eingegangen werden.

Literaturverzeichnis 153