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6. Planungsinstrumente

6.3 Planungsinstrumente zur Steuerung von Schrumpfungsprozessen

6.3.1 Akteurskonstellationen

Sowohl Wachstums- als auch Schrumpfungsprozesse basieren auf dem Zusammenspiel einer Vielzahl von Akteuren. Ökonomische Erklärungsansätze des jahrzehntelangen wirt-schaftlichen Wachstums von amerikanischen und mitteleuropäischen Städten und der damit verbundenen Stadtentwicklungspolitik setzen lokale Koalitionen zwischen politischen und wirtschaftlichen Akteuren sowie der Bau- und Wohnungswirtschaft ins Zentrum der städti-schen „Wachstumsmaschinen“. Zentral für das Funktionieren der städtistädti-schen Wachstums-orientierung ist die enge Vernetzung der Hauptakteure (z.B. einflussreiche Politiker, leitende Verwaltungsangestellte, private Unternehmer). Auch wenn diese Hauptakteure teilweise un-terschiedliche Einzelinteressen verfolgen, verbindet sie der grundlegende Konsens wirt-schaftliches Wachstum zu erzielen.306 Durch diese Interessensharmonie und das Bewusst-sein, dass wirtschaftliche Prosperität nur gemeinsam erreicht werden kann, kooperieren die Akteure.

Schrumpfungsprozesse stellen die städtischen und wirtschaftlichen Akteure vor eine neue Herausforderung und verändern die Rahmenbedingungen der Entwicklung. Der Umgang mit Schrumpfung ist ebenfalls eine Kooperationsaufgabe, bei der alle relevanten Akteure mitein-bezogen und beteiligt werden müssen. Doch schon alleine die Festlegung, welche Akteure relevant und daher in den Steuerungsprozess integriert werden müssen, stellt eine große Herausforderung dar. In der Praxis werden meist jene Akteure einbezogen, die einen Beitrag zu den Maßnahmen leisten (z.B. Abriss von Gebäuden).307 Die Kooperationswilligkeit der Akteure hängt sehr stark von den betriebswirtschaftlichen Vorteilen und klaren Kosten-Nutzen-Überlegungen ab, die durch den erfolgreichen Umgang mit den aktuellen Entwick-lungstendenzen entstehen.308 Alle betroffenen Akteure sind sich jedoch immer nur Teilen des Schrumpfungsproblems bewusst, da sie sich auf ihre eigene Situation konzentrieren und deshalb nur eine eingeschränkte Problemwahrnehmung haben.309 Die Verbesserung der Situation eines Akteurs kann daher zu einer Verschlechterung für einen anderen Akteur füh-ren und die gesamte Problemlage sogar verstärken.

Verschiedene Analysen von Maßnahmenprogrammen zur Schrumpfungshandhabung (z.B. Stadtumbau in Weißwasser siehe Kapitel 6.3.3, Seite 89) zeigen, dass die wohnungs-wirtschaftlichen Akteure oft der Auslöser des aktiven Umgangs mit Schrumpfungsprozessen sind und im Mittelpunkt der Umsetzungsstrategien stehen. Dies ist eine Folge von klaren Kosten-Nutzen-Überlegungen, da für die Wohnungswirtschaft der starke Bevölkerungsrück-gang große finanzielle Belastungen mit sich bringt. Die ökonomische Misslage der

306 Vgl. Bürkner 2005a: 16-17

307 Vgl. Strauß 2007: 26

308 Vgl. Bernt 2005: 112

309 Vgl. Müller et al. 2007: 164

nungswirtschaftlichen Akteure steigert für die betroffenen Akteure die Attraktivität von Koope-rationen, da der Gewinn des gemeinsamen Vorgehens größer ist als der Gewinn autonomer Entscheidungen.310 Wohnungs- und Wohnbauunternehmen sind wichtige Steuerzahler für eine Gemeinde oder Region, deshalb wird die Konzentration der Maßnahmen zur Schrump-fungshandhabung auf wohnungswirtschaftliche Akteure durch klare betriebswirtschaftliche Erfordernisse erzwungen.311 Die Maßnahmen der öffentlichen Akteure zielen auf die Stabili-sierung der ökonomischen Situation der einflussreichen Unternehmen und des eigenen Fi-nanzhaushaltes ab.

Gefangenendilemma der Beteiligten

Bernt (2005) beschreibt die Akteurskonstellationen und das Verhalten der Akteure im Pla-nungsprozess zur Schrumpfungshandhabung mit Hilfe des Gefangenendilemmas, welches durch individuell rationale Entscheidungen gekennzeichnet ist, die zu kollektiv irrationalen Ergebnissen führen. Die vom Schrumpfungsprozess stark betroffenen Akteure bilden eine

„strategische Allianz“,312 die jedoch die Probleme nicht alleine lösen kann. Eine Kooperation mit Gebietskörperschaften, anderen wirtschaftlichen Akteuren und der Bevölkerung ist not-wendig. Alle Akteure verfolgen das Ziel, mit der Umsetzung von Maßnahmen zur Schrump-fungshandhabung ihre eigene wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation zu verbessern.

Alle Interessen der Beteiligten sind auf ein Ziel gerichtet und dieses Ziel kann erreicht wer-den, wenn alle Interessen aufeinander abgestimmt werden. Obwohl diese Ausgangssituation klar erscheint und alle Akteure von einer kooperativen, erfolgreichen Lösung profitieren, müssen trotzdem viele Akteure zu ihrer aktiven Teilnahme am kooperativen Prozess moti-viert werden. Bernt sieht in diesem Zusammenhang drei Interpretationsmöglichkeiten:313

→ Die Akteure erkennen das gemeinsame Ziel (= erfolgreiche Umsetzung der Maß-nahmen zur Schrumpfungshandhabung) nicht.

→ Die Akteure erkennen zwar das gemeinsame Ziel, sie wissen jedoch nicht, welchen Beitrag sie zur Erreichung des Ziels leisten können.

→ Die Akteure erkennen sowohl das gemeinsame Ziel als auch ihren notwendigen Bei-trag zur Erreichung dieses Zieles. Der Koordinationsaufwand ist den Akteuren jedoch zu groß, daher beteiligen sie sich nicht.

Eine weiteres Problem sind mögliche unterschiedliche Zielsetzungen der Akteure, die sich gegenseitig ausschließen. Dadurch entsteht ein „Nullsummenspiel“, da die Akteure sich

310 Vgl. Weiske 2005: 65

311 Vgl. Bürkner 2005a: 25

312 Bernt 2005: 112

313 Vgl. Bernt 2005: 112-113

Planungsinstrumente 85 genseitig zur Zielaufgabe zwingen, um ihre eigenen Ziele umsetzen zu können.314 Koopera-tion würde in dieser AkteurskonstellaKoopera-tion keine gemeinsame Maßnahmenumsetzung zur Er-reichung gemeinsamer Ziele bedeuten, sondern entspricht eher der Unterdrückung anderer Akteure zur Erreichung individueller Ziele.

Welche Instrumente zur Handhabung des Schrumpfungsprozesses verwendet werden sollen, ist daher vor allem von den Interessen der Akteure abhängig und den daraus resultierenden Problemen bei der Maßnahmenumsetzung. Besteht bei der bisherigen Schrumpfungshand-habung vor allem ein Informations- und Orientierungsdefizit, sind indirekte Planungsinstru-mente geeignet. Verhindern Interessensgegensätze eine Zusammenarbeit, werden Kommu-nikationsmaßnahmen zur erfolgreichen Umsetzung der Schrumpfungshandhabung wahr-scheinlich nicht ausreichen.315

Rolle der kommunalen Politik und Verwaltung

Der Schrumpfungsprozess verändert die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung und der Stadtplanung. Einerseits beeinflussen die Kennzeichen eines Schrumpfungsprozesses die derzeitigen Aufgabenfelder der Verwaltung, andererseits werden die Tätigkeitsfelder der öf-fentlichen Verwaltung durch den Schrumpfungsprozess erweitert. Beispielsweise konzentrie-ren sich die infrastrukturellen Aufgaben immer weniger auf den Ausbau von Infrastruktur, sondern es steht die Bestandssicherung der bestehenden Infrastruktur im Mittelpunkt.

Voraussetzung für einen aktiven Umgang der Politik und Planung mit dem Schrumpfungs-prozess ist die Auseinandersetzung mit neuen, ungewohnten Denk- und Handlungsmus-tern.316 Die Veränderungen zeigen sich bereits bei den Schwerpunktsetzungen der kommu-nalen Politik. Da ein quantitatives Wachstum in vielen Regionen nicht mehr stattfindet, kon-zentriert sich die Politik auf das qualitative Wirtschaftswachstum. Schrumpfungsentwicklun-gen sind aus Sicht der politischen Vertreter natürlich unpopulär, es sind daher auch Verän-derungen in den Köpfen der Bevölkerung und der politischen Entscheidungsträger für die erfolgreiche Schrumpfungshandhabung notwendig.317 Derzeit versuchen die Kommunen durch ein verbessertes Angebot an sozialer Infrastruktur und die Schaffung von Arbeitsplät-zen den Bevölkerungsrückgang einzudämmen. Politische Zielsetzung sind die Verhinderung der (selektiven) Abwanderung sowie die Gewährleistung eines wirtschaftlichen Wachstums.

Die natürliche Bevölkerungsentwicklung, welche einen viel größeren Einfluss auf die derzei-tige und zukünfderzei-tige Bevölkerungsstruktur hat, bleibt in diesen Konzepten meist unberücksich-tigt. Dies resultiert einerseits aus den negativen Assoziationen des Begriffes

314 Vgl. Bernt 2005: 113

315 Vgl. Bernt 2005: 114

316 Vgl. Stein 2005: 155; 161

317 Vgl. Kaltenbrunner 2004: 17-18, 32-33

politik“ (z.B. Nationalsozialismus, DDR), andererseits mit der äußerst schweren Einfluss-nahme der Politik auf langfristige demografische Prozesse.318

Der Umgang der kommunalen Akteure mit dem Schrumpfungsprozess kann in aktive und passive Strategien untergliedert werden. Ein passives Vorgehen der Akteure beinhaltet keine konkreten Ziele und Maßnahmen zur Schrumpfungshandhabung und führt dazu, dass sich der Schrumpfungsprozess selbst verstärkt. Die aktiven Strategien zur Schrumpfungshand-habung können in drei Grundtypen unterschieden werden:319

Expansive Strategie: Entgegenwirken des Schrumpfungsprozesses durch Expansion z.B. umfangreiche Flächenausweisungen für Einfamilienhäuser, um die Abwande-rung zu verhindern.

Bestandspflege: Attraktivierung und Erhaltung der bestehenden Strukturen

Aktive Gestaltung der Schrumpfung: Umbau, Anpassung und Qualitätssteigerung z.B. Infrastrukturanpassung, Freiflächenentwicklung

Für eine aktive Schrumpfungshandhabung ist innerhalb der Verwaltung und Politik eine res-sortübergreifende Abstimmung notwendig. Dabei ist es besonders wichtig, dass bisherige Vorgehensweisen, Routinen und Instrumente in Frage gestellt werden können. Schrump-fungshandhabung ist aber nicht gleichzusetzen mit einer vollkommenen Veränderung der Planung, denn es sind, nach kritischer Reflexion, auch bestehende Instrumente einzubezie-hen.320 Ziel ist ein ausgeglichenes Wechselspiel zwischen Stabilität und Veränderung, um die neuen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können.

Vor allem ländliche oder periphere Gemeinden müssen jedoch nicht nur bei der finanziellen Umsetzung der Maßnahmen zur Schrumpfungshandhabung unterstützt werden. Die Ge-meinden sind oft mit der Vielfalt der Planungsaufgaben überfordert und verfügen nicht über die personellen sowie fachlichen Ressourcen.321 Interkommunale Zusammenarbeit in der Steuerung des Schrumpfungsprozesses ist daher unerlässlich.