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7. Schrumpfungshandhabung in der Region Eisenerz

7.5 Aktueller und zukünftige Schrumpfungshandhabung in der Region Eisenerz

7.5.1 Aktueller Umsetzungsprozess in Eisenerz

Die Umsetzung des Entwicklungsplans Re-design Eisenerz basiert einerseits auf einem Ge-meinderatsbeschluss der Stadt Eisenerz, andererseits auf der Gründung des Trägervereines für die Umsetzung des städtebaulichen Entwicklungsplans. Zu Beginn der Konzeptumset-zung standen Kooperationen mit den Wohnbauträgern (z.B. WAG, GIWOG) im Mittelpunkt, gleichzeitig sollten Anreizsysteme für die Attraktivierung und Sanierung der Innenstadt auch für private Wohnungseigentümer gesetzt werden.568

Die kalkulierten Kosten der Reorganisation des Wohnungsmarktes der Stadt Eisenerz belau-fen sich auf insgesamt fast € 28 Mio., welche in der gesamten Laufzeit des Anpassungspro-zesses (15 Jahre) anfallen. Der Rückbau der 477 Wohneinheiten, die eine Gesamtwohnflä-che von rund 33.000 m² umfassen, beträgt € 5,2 Mio. Die Kosten für den Rückbau der Wohneinheiten inkludieren neben dem eigentlichen Abriss auch Kosten für begleitende Maßnahmen (z.B. Umsiedlung, Ablöse) sowie bestehende hypothekarische Belastungen der Wohngenossenschaften, die auch nach dem Abriss der Gebäude bestehen bleiben. Der Großteil der Kosten des Entwicklungsplans Re-design Eisenerz resultiert aus dem umfas-senden Erhaltungs- und Sanierungsmaßnahmen (rund € 22,5 Mio.).569 Die gesamten Pro-jektkosten umfassen jedoch ein Vielfaches der oben beschriebenen Kosten, die in den Woh-nungsmarkt fließen. Eine Vielzahl der Projektideen sind fast ausschließlich privatwirtschaft-lich umzusetzen, die Gemeinde und das Land können diese Umbauten oder Betriebsansied-lungen zwar finanziell fördern, der Großteil der Investitionen ist aber von privaten Akteuren aufzubringen. Insgesamt umfassen alle Maßnahmen rund € 100 Mio., die zu einem Drittel von der öffentlichen Hand und zu zwei Drittel von privatwirtschaftlichen Akteuren aufgebracht werden (Stand: Frühjahr 2010).570

567 Vgl. Interview 4: Frage 17 Zeile

568 Vgl. Nussmüller et al. 2006: 33-34

569 Vgl. Nussmüller et al. 2006: 29-32

570 Vgl. Re-design 2010b: 6; Vgl. Interview 4: Frage 21 Zeile 10-14

Die Vergabe der Fördermittel (€ 4 Mio. in 4 Jahren) ist mit dem Land Steiermark abzustim-men. Für jedes Projekt ist eine Vorfinanzierung durch die Gemeinde Eisenerz erforderlich, das Land überprüft anschließend, ob diese Maßnahme den Projektgrundsätzen von Re-design Eisenerz entspricht und vergibt bei Konformität die finanzielle Unterstützung. Groß-teils wird bereits vor der Maßnahmenumsetzung die Finanzierungszusage mit dem Land Steiermark abgeklärt.571 Der überwiegende Teil der finanziellen Mittel der öffentlichen Hand ist bislang in die Rückbaumaßnahmen geflossen.572

Touristische Nutzung Münichtal

Auf die Umnutzung der derzeitigen Wohnsiedlung Münichtal in eine Ferienwohnanlage kon-zentriert sich derzeit der Großteil der Koordinationstätigkeiten im Rahmen des Projektes Re-design Eisenerz. Der Vertrag zwischen jener Wohnbaugenossenschaft, die bislang Eigentü-mer der Münichtal war und der Investorengruppe ist bereits unterzeichnet. Diese Investoren-gruppe setzt sich aus einem Baufachmann, dem Betreiber von Eurotours, einem Notar und einem Banker zusammen.573 Die Siedlung geht im Jahr 2011 in das Eigentum dieser Investo-rengruppe über.574 Die touristische Umnutzung der Münichtalsiedlung war für das Ende der Laufzeit des Projektes Re-design Eisenerz angedacht (Laufzeit 15 Jahre bis zum Jahr 2021), um ausreichend Zeit zur Verfügung zu haben, die notwendige touristische Infrastruktur be-reitzustellen bzw. auszubauen. Das Interesse der oben genannten Investorengruppe hat diesen Zeitplan verändert.575 Die Stadtgemeinde Eisenerz ist jetzt gefordert, diese Infrastruk-tur bis zur Inbetriebnahme der Ferienwohnanlage, die im Winter 2011/2012 geplant ist, be-reitzustellen und auch die eigentliche Umnutzung der Münichtalsiedlung zu unterstützen. Die Investorengruppe hat die Aufgabe, die Umsiedlungsprozesse „sozial verträglich“ durchzufüh-ren, an die Gemeinde übertragen.576 Diese Aufgabe hat das Informationsbüro des Träger-vereins als neutrale Stelle übernommen.

Die Bewohner der Münichtalsiedlung standen der Umnutzung in eine Ferienwohnanlage zu Beginn sehr kritisch gegenüber. Vor allem der Glaube an einen Investor, der sich für dieses Projekt interessieren könnte, fehlte.577 Vor rund 1 ½ Jahren hat das Bürgerinformationsbüro des Trägervereines seine Kommunikationsarbeit auf die Siedlung Münichtal konzentriert.

571 Vgl. Interview 6: Frage 9 Zeile 1-7

572 Vgl. Interview 6: Frage 10 Zeile 4

573 Vgl. Interview 4: Frage 11 Zeile 18-21

574 Vgl. Interview 5: Frage 27 Zeile 6-7

575 Vgl. Interview 7: Frage 6 Zeile 1-7

576 Vgl. Interview 6: Frage 4 Zeile 8-11

577 Vgl. Interview 5: Frage 27 Zeile 23-25; Vgl. Interview 7: Frage 5 Zeile 22-24

Schrumpfungshandhabung in der Region Eisenerz 133 Beispielsweise wurde das Münichtalcafe eingerichtet, bei dem sich alle zwei Wochen die Bewohner der Siedlung treffen und austauschen können. Auch der tatsächliche Verkauf der Siedlung hat das Bewusstsein der dortigen Bewohner verändert, die ersten Umzüge wurden vollzogen.578 Zum Zeitpunkt der Interviews im August 2010 standen bereits 2/3 der Wohn-siedlung Münichtal leer, in den kommenden Jahren sollen auch diese Menschen ab- bzw.

umgesiedelt werden. Vier Zeilen der derzeitigen Bebauung bleiben auch weiterhin als Wohnnutzung bestehen.579 Diese werden den derzeitigen Bewohnern der Siedlung zur Ver-fügung gestellt. Aufgrund des hohen Durchschnittsalters ist jedoch absehbar, dass durch den natürlichen Abgang auch dieser Teil der Münichtalsiedlung bald frei werden wird. Ziel ist es auch, dass das Personal, welches für die Abwicklung des touristischen Betriebes in Münich-tal notwendig ist (z.B. Hausmeister, Gästebetreuer) in diesen vier Zeilen eine Wohnmöglich-keit findet.580

Offiziell versuchen die Wohnbaugenossenschaften nicht die Einwohner zu einem Auszug zu drängen, allerdings bestehen Möglichkeiten die Mieter durch finanzielle Zusatzbelastungen in diese Richtung zu beeinflussen. Laut Mietrechtsgesetz581 haben die Wohnungseigentümer das Recht die Hausbetriebskosten (z.B. Müll, Grünanlagenpflege, Strom, Stiegenhaus, Was-ser) eines Gebäudes auf alle Mieter aufzuteilen. Stehen einige Wohnungen leer ist es ge-setzlich erlaubt, diese Gesamtkosten auf die verbliebenen Mieter aufzuteilen. Eine gestaffel-te Anlastung dieser Kosgestaffel-ten auf die verbliebenen Miegestaffel-ter wurde in Eisenerz in den letzgestaffel-ten Jah-ren immer wieder angekündigt, bislang wurden diese Kosten allerdings von den Wohnbau-genossenschaften übernommen. Im Jahr 2010 wurde dies erstmals durchgeführt. Rund 10%

bis 20% der Hausbetriebskosten der leer stehenden Wohnungen wurden den verbliebenen Mietern angelastet. Dies bedeutet ungefähr eine jährliche Betriebskostennachzahlung von

€ 120 und eine monatliche Mietkostensteigerung von € 10 bis € 20 pro Haushalt. Für ältere Menschen, die möglicherweise nur eine Mindestpension erhalten, bedeutet dies eine deutli-che finanzielle Belastung.582

Die Tourismusnutzung ist sehr stark von externen Akteuren abhängig, denn die Region Ei-senerz ist trotz vielfältiger naturräumlicher und sportlicher Tourismusmöglichkeiten keine Tourismusregion. Beispielsweise ist die derzeitige Situation in der Innenstadt nicht wirklich attraktiv oder einladend, ca. 70% der Geschäfte stehen aktuell leer.583 Die Stadtgemeinde Eisenerz unterstützt das Projekt Münichtal durch eine Mitfinanzierung der notwendigen

578 Vgl. Interview 5: Frage 27 Zeile 31-43; Frage 28 Zeile 1

579 Vgl. Interview 3: Frage 7 Zeile 7-9; Vgl. Interview 5: Frage 27 Zeile 5-19

580 Vgl. Interview 7: Frage 9 Zeile 23-39

581 Vgl. § 21 Mietrechtsgesetz 1981

582 Vgl. Interview 5: Frage 32 Zeile 7-14; Frage 33 Zeile 1-10

583 Vgl. Interview 5: Frage 37 Zeile 1-3

struktureinrichtungen (z.B. Spielplatz, Laufstrecke). Der Umbau der Wohnbebauung zur Fe-rienwohnungen wird vom Investor finanziert. Grundvoraussetzung für die finanzielle Beteili-gung der Stadtgemeinde ist der öffentliche Zugang zu diesen Infrastruktureinrichtungen, da-mit die Bevölkerung von Eisenerz diese Anlagen ebenfalls nutzen kann. Die Förderung von € 1 Mio. wird in den kommenden 15 Jahren nach Bedarf eingesetzt.584 Im September 2010 soll bereits ein Gebäude als Musterhaus für die Ferienwohnanlage fertig saniert werden.585 Im Winter 2011/2012 soll der tatsächliche Betrieb der Ferienwohnanlage aufgenommen wer-den,586 bis dahin ist auch die touristische Infrastruktur in den kommenden Monaten aufzu-bauen bzw. besser zu vernetzen. Besonderes Augenmerk legt die Stadtgemeinde Eisenerz dabei auf den Anschluss der Münichtalsiedlung an das öffentliche Verkehrsnetz. Mit Hilfe der bestehenden Trasse der Erzbergbahn, die durch das langgezogene Siedlungsgebiet der Stadtgemeinde Eisenerz führt, sollte sowohl die stadtinterne als auch touristische Vernet-zung gelingen. Dies ist derzeit jedoch fraglich, da ein Teil der Gleisanlagen im Bereich des Erzberges von einer Mure verschüttet worden ist, und aufgrund der Topographie die Sanie-rungsarbeiten äußerst schwer durchzuführen sind. Die Erzbergbahn wird von einem Verein betrieben.587 Bereits bei der Buchung der Ferienwohnanlage soll die Benützung des öffentli-chen Verkehrsnetzes inkludiert sein, mit Hilfe des Schienenbusses soll ein Beitrag zur An-bindung der Münichtalsiedlung an die innerstädtischen Gebiete erreicht werden.588 Weiters ist ein Tourismus- und Verkehrsleitsystem geplant, um die Ortseingänge attraktiver zu ges-talten und die Touristen mit Hilfe von Schau- und Informationstafeln durch die Stadt zu leiten.

Dabei sind das aktuelle Parkplatzangebot sowie das derzeitige Informationssystem zu über-arbeiten.589