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3 Die Vorrede der ‚Wertheimer Bibel’

3.2 Das hermeneutsche Programm der Vorrede

3.2.1 Das Gotesbild der Vorrede

hohe Standespersonen das Belieben gehabt [häten, A.F.], die Beförderung des-selben zu übernehmen“.311 Als Beweis für diese Unterstützung führt Schmidt die

„feine[] Auszierung“312 des Buches an. Schmidt beendet seine Vorrede mit den Worten: „Got befördere in diesem Stücke seine Absichten! Ubrigens wünsche ich, daß diese Arbeit zur Aufnahm einer gründlichen Erkäntniß Gotes und Aus-übung einer rechtschafenen Gotseligkeit gereichen möge.“313

aus der Vorstellung, wie Got ist, ergibt sich für Schmidt zwangsläufg die Frage, wie sich Got den Menschen ofenbart und welche Form von Autorität dieses Of-fenbarungszeugnis hat, – was wiederum als grundlegend in eine Theorie der Bi-belübersetzung einfießen muss. Ähnlich verhält es sich bei Schmidts Motv, die Bibel neu zu übersetzen. Sein leitendes Interesse ist hierbei ein apologetsches.

Er möchte Got und dessen Ofenbarung bei einer bestmmten Gruppe wieder zu der Anerkennung verhelfen, die sie seiner Meinung nach verdienen. Diese pri-märe Adressatengruppe Schmidts besteht aus einem Kreis von gebildeten Zweif-lern, die sich mehr und mehr von Gotes Ofenbarungszeugnis abwenden, weil sie den Wahrheitsanspruch dieses Zeugnisses in Frage stellen. Aufgrund des ihm eigenen Gotesbildes und wegen seines spezifschen Verständnisses von Gotes Ofenbarung hält Schmidt diese grundsätzliche Kritk, wie sie – vor allem von Sei-ten des englischen Deismus – am götlichen Ofenbarungszeugnis geäußert wird, jedoch für unbegründet. Den Wahrheitsanspruch der ‚Schrifen’ zu beweisen, steht zwar laut Schmidt noch aus, aber dass dies auf dem von ihm vorgeschlage-nen Weg gelingen wird, scheint für ihn – zumindest zum Zeitpunkt des Überset-zens – nicht in Frage zu stehen.314

Um sich der Beschafenheit von Schmidts Gotesbild anzunähern, bietet es sich zunächst an, darauf zu achten, mit welchen Begrifen Got und das Ofenba-rungszeugnis Gotes bezeichnet werden. Für letzteres verwendet Schmidt neu-trale Worte. Er bezeichnet die Bibel meist als ‚diese Schrifen’315 oder als ‚gegen-wärtge Schrifen’316. Teilweise spricht er aber auch von den ‚götlichen Schrif-ten’317. Die nüchterne Ausdrucksweise macht deutlich, dass Schmidt die ‚Schrif-ten’ als einen Text behandeln möchte, der auszulegen ist wie jeder andere Text auch. Schmidt stellt keine speziellen Kriterien oder Voraussetzungen auf, die ex-klusiv die Auslegung der ‚Schrifen’ betrefen.318 Zur Frage der Vollkommenheit der Schrif äußert sich Schmidt einschränkend: Er meint, die ‚Schrifen’ seien den

314 Vgl. die Aussage Schmidts: „Ich denke nicht zu viel, wenn ich glaube, daß durch dieses Unter-nehmen die Absichten Gotes befördert werden: denn ich habe mich besonders bemühet von Got und demienigen, was zu seinem Thun gerechnet wird, also zu reden, wie es seine Eigenschafen, nach der Gewohnheit unserer Zeiten, erfordern“. (Anonym, Vorrede, 46).

315 Insgesamt neun Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 14, 7, 18, 20, 22, 37, 40, 45 und 47.

316 Insgesamt vier Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 5, 19, 21 und 21.

317 Insgesamt vier Mal, vgl. Anonym, Vorrede, Titel, 23, 26, 27 und 37.

318 Hier folgt Schmidt größtenteils Christan Wolf, denn auch dieser ordnet in der ‚Deutschen Logik’ die Hermeneutk der Heiligen Schrif in die allgemeine Hermeneutk ein.

Umständen entsprechend vollkommen.319 Mit den Umständen bezieht sich Schmidt auf den Entwicklungsstand des Hebräischen und den Stand der Wissen-schafen zu Mose Zeiten. Eben aufgrund der Umstände ist das Begrifssystem der götlichen Wahrheiten nach Schmidts Ansicht ofmals nur ungenügend darge-stellt.

Im Hinblick auf die Urheberschaf der ‚Schrifen’ ist es wichtg zu erwähnen, dass in Schmidts Vorrede vom heiligen Geist und seiner Eingabe der götlichen Worte an die Autoren des Pentateuch nicht die Rede ist. Statdessen spricht Schmidt von den ‚Verfassern der Schrifen‘ und legt damit nahe, dass nicht der heilige Geist die ‚Schrifen’ verfasst hat, sondern eine Gruppe von Menschen. Diese werden zwar an einer Stelle als „heilige[] Verfasser“320 bezeichnet, aber dann auch wieder nur als „Geschichtschreiber[]“321, deren Glaubwürdigkeit nach den Kriterien zu beurteilen sei, die auch an die historischen Berichte anderer Verfas -ser angelegt werden.322 Schmidt geht zwar davon aus, dass der Inhalt der Ofen-barung von Got kommt, denn die Verfasser sind für ihn „Mitelspersonen [...], welche den Menschen den götlichen Willen hinterbringen“.323 Den Verfassern wird hierbei aber durchaus zugestanden, dass sie eigene Absichten324 verfolgen.

Was nun die Bezeichnung für Got selbst angeht, so gebraucht Schmidt vor allem in den ersten beiden Teilen der Vorrede die Wendungen ‚höchstes Wesen’325 oder ‚selbständiges Wesen’326. Es ist auch vom ‚Verstand’, dem ‚Willen’, den

‚Kräfen’ und der ‚Macht’ dieses selbständigen Wesens die Rede.327 Ebenso vom

‚götlichen Willen’328 und der ‚götlichen Absicht’329, dem ‚Angeben [=Befehl,

319 Vgl. Anonym, Vorrede, 28.

320 Anonym, Vorrede, 41.

321 Anonym, Vorrede, 11.

322 So beruht die Wahrheit einer ‚Geschichte’ laut Schmidt „auf der Klugheit und Aufrichtgkeit des Geschichtschreibers“ (Anonym, Vorrede, 10). Für Schmidt ist es zulässig, die Inhalte, wel-che die Verfasser in den ‚Geschichten’ berichten, auf Plausibilität und Widervernünfigkeit zu prüfen (vgl. Anonym, Vorrede, 10f). Zudem hält Schmidt es für zulässig, die Berichte anderer Geschichtsschreiber heranzuziehen, um die Wahrheit der ‚Schrifen’ zu prüfen. Sollten sich die Berichte widersprechen, gelte es abzuwägen.

323 Anonym, Vorrede, 6.

324 Vgl. Anonym, Vorrede, 25 und 40.

325 Insgesamt zwei Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 5 und 6.

326 Insgesamt vier Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 12, 13, 19 und 38.

327 Alle Nennungen auf Seite 13, vgl. Anonym, Vorrede, 13.

328 Insgesamt ein Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 6.

329 Insgesamt zwei Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 46.

A.F.] Gotes’330 oder den ‚Absichten Gotes’331. Nur von ‚Got’332 oder von Got in der Verwendung mit dem Genitvus objectvus (‚Erkenntnis Gotes’333) wird ver-stärkt auf den letzten Seiten der Vorrede gesprochen, wenn Schmidt sich nicht mehr auf die Konzepte von Leibniz oder Wolf bezieht, sondern verstärkt seine eigene Terminologie verwendet.

Die Bezeichnung ‚selbständiges Wesen’ ist „schlicht die deutsche Übersetzung des Substanzbegrifs, der dem leibniz-wolfschen Gotesbegrif entspricht“334. Be-reits in seiner Bezeichnung für Got ordnet sich Schmidt somit, ebenso wie bei der Wahl seiner Methode, in jene Schulrichtung ein. Allerdings hält er sich nicht konsequent daran, was Goldenbaum übersieht, wenn sie behauptet, „daß an kei-ner Stelle [der Vorrede, A. F.] von Got gesprochen wird, sondern nur vom götli-chen Willen, viel öfer von dem höchsten Wesen bzw. von dem selbständigen Wesen“.335 Auf den letzten vier Seiten der Vorrede ist fünfmal von ‚Got’ die Rede. Diese Bezeichnung ist eine, die Schmidts eigener Ausdrucksweise ent-spricht. Indem Schmidt seine Vorrede mit dem Wunsch beschließt, dass „Got [...] in diesem Stücke seine Absichten [befördere]!“, wird zudem deutlich, dass Schmidt sich als sein Werkzeug ansieht, denn Got ist ja in jenem Wunschsatz der Handelnde. Es ist also zwar richtg, dass Schmidt sich bereits rein begrifsmä-ßig mit seinem Gotesbild in die leibniz-wolfsche Schule einordnet. Gerade vor dem Hintergrundwissen seiner Biographie, sollte aber nicht übersehen werden, dass Schmidt seine pietstsche Prägung nicht völlig aufgegeben zu haben scheint, noch immer eine persönliche Gotesbeziehung pfegt und es als seine primäre Aufgabe ansieht, Got mit seiner Arbeit zu dienen.

Auf den Seiten 12–14 der Vorrede äußert sich Schmidt dann genauer dazu, wie seines Erachtens nach der logische Aufau der Welt und der ‚Schrifen’ von Got hergeleitet wird. Der Bezug zu Leibniz und Wolf336 ist dabei klar erkennbar. Die

330 Insgesamt ein Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 28.

331 Insgesamt ein Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 46.

332 Insgesamt drei Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 45, 46 und 48.

333 Insgesamt zwei Mal, vgl. Anonym, Vorrede, 46 und 48.

334 Goldenbaum, Wertheimer Bibel, 207.

335 Goldenbaum, Wertheimer Bibel, 207.

336 Schmidt orientert sich an den Thesen, die Leibniz in der Théodicée entwickelte (vgl. Golden-baum, Leibniz). Eine für das Thema der vorliegenden Arbeit sehr brauchbare Zusammenfas-sung der Philosophie Wolfs fndet sich bei Hetner (vgl. Hetner, Literaturgeschichte, 223–

229).

Welt läuf laut Schmidt mitels Kausalketen ab,337 wobei auch Got in diese kau-salen Abfolgen integriert ist.338 Jedoch steht Got am Anfang dieser Kausalverket-tung: die Wirklichkeit des „selbständigen Wesen[s] [...] hat ihren Grund in ihm selbst“.339 Weil Got also die erste Quelle aller Dinge ist und von Got ausgehend Kausalketen den Lauf der Ereignisse bestmmen, hat „alles, was wirklich ist, sei -nen zureichenden Grund, aus welchem es sich verstehen und erweisen lasset.“340