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Glykoproteine bilden eine große Gruppe von Proteinen, an die ein oder mehrere verzweigte oder unverzweigte Oligosaccharidketten gebunden sind. Dabei kann der Zuckeranteil je nach Glykoprotein stark variieren und bis über 60 % der Molekularmasse ausmachen (KENNEDY und WHITE 1983).

Da ein Protein unterschiedliche Glykane, also glykosidisch gebundene Oligo-saccharideinheiten tragen kann, unterscheidet man auch dessen Glykoformen.

Sowohl die Reihenfolge der Zuckeranordnung als auch die Bindungsart der Zucker untereinander können erheblich variieren und schaffen eine enorme Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten innerhalb eines Glykanteils einerseits und in Verbindung mit unterschiedlichen Proteinen andererseits. Die tatsächlich mögliche Anzahl von Glykoproteinen in einem Organismus ist von den jeweils vorhandenen Enzymen abhängig, die diese generieren. Die häufigsten Zucker in Glykoproteinen sind die neutralen Monosaccharide D-Galaktose (Gal), D-Glukose (Glc), D-Mannose (Man), L-Fucose (Fuc), D-Xylose (Xyl), sowie die Aminosaccharide N-Acetylglukosamin (GlcNAc), Acetyl-Galaktosamin (GalNAc) und, meist in terminaler Stellung, N-Acetylneuraminsäure (NeuAc) oder N-Glykolylneuraminsäure.

Je nach Art der Bindung der Glykane an das Proteincore unterscheidet man O-glykosidisch, N-glykosidisch und die Glykosylphosphatidylinositol (GPI)-gebundenen Glykane, die Proteine als Glykolipidanker mit der Zellmembran verbinden. Bei den

Literaturübersicht 17 über das Sauerstoffatom eines Serin- oder Threoninrestes des Proteins gebundenen O-Typ-Glykanen handelt es sich oft um uneinheitliche Glykanstrukturen. Je nach ihrer Zusammensetzung können sie noch weiter in Untertypen unterteilt werden (HEMA T. C. und VELURAJA 2001). Die N-Glykane sind über eine Glykosidbindung mit der Aminoseitenkette eines Asparaginmoleküls verbunden. Wie in Abb.1 dargestellt, können drei verschiedene Typen von N-Glykanen unterschieden werden, die eine Pentasaccharidstruktur gemein haben (CUMMINGS 1992): Im Mannose-reichen Typ werden die im ER mit der Kernstruktur übertragenen Glukosereste entfernt, so dass die Mannose den Hauptanteil der Zucker ausmacht. In Glykanen des komplexen Typs werden die entfernten Mannosereste durch andere Zucker ersetzt und tragen oft endständige Neuraminsäure, welche dieser Glykanform einen sauren Charakter verleiht (UNVERZAGT 1997). Wird nur ein Teil der Mannosereste durch andere Zucker substituiert, spricht man vom Hybrid-Typ.

Je nach Anzahl der ausgebildeten Zuckerketten unterscheidet man bi- bis pentaantennäre Strukturen.

Sowohl die O- oder N-Bindung der Zucker an ein Protein als auch die Art der Bindungen zwischen den einzelnen Monosacchariden über α- oder ß- Bindung

Abb. 1: Formen der N-Glykosylierung

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bedingen maßgeblich die strukturellen und funktionellen Eigenschaften des Glykoproteins.

Im Allgemeinen werden Proteine nach ihrer Synthese im rauhen Endoplasmatischen Retikulum posttranslationalen Modifikationen unterzogen, unter denen die Glykosylierung eine der bedeutendsten darstellt. Die hierbei involvierten Enzyme sind die Glykosyltransferasen und die Glykosidasen. Die Synthese der Glykoproteine ist abhängig von der Art ihrer Glykanbindung und findet für die Core-Glykosylierung im Endoplasmatischen Retikulum (ER) und für die terminale Glykosylierung in den verschiedenen Zisternen des Golgi-Apparats (GA) statt.

Zucker, die über das Sauerstoffatom (O-Glykosylierung) des Serin- oder Threonin-restes am Protein gebunden sind, werden von spezifischen Glykosyltransferasen im ER und GA einzeln auf ein Disaccharid aus einer Galaktose in ß1,3-Bindung an GalNAc übertragen.

Bei der Synthese der N-Glykane wird zunächst an dem membran-gebundenen Dolicholphosphat eine aus 14 Zuckern bestehende Einheit aufgebaut. In einem zweiten Schritt wird diese dann „en bloc“ von einer multimeren Oligosaccharyl-transferase an das Aminoende des Asparaginrestes am Proteingerüst transferiert, wenn es die ER-Membran passiert. Während der sich anschließenden Proteinfaltung werden einige der terminalen Zucker (Glc, Man) wieder entfernt (Abb.2).

In weiteren Prozessierungsschritten, die in den verschiedenen Zisternen des GA stattfinden, wird dann das gebundene Glykan durch Entfernung, Substitution und Addition weiterer Zucker moduliert. Auch hierbei erfordert jeder Syntheseschritt ein spezifisches Enzym.

Abb. 2: Core-N-Glykosylierung im Endoplasmatischen Retikulum.

Das Dolicholphosphat-gebundene Glykan wird cotranslational ‚en bloc’ auf das Protein übertragen und erfährt während der Faltung des Proteins erste Modifikationen.

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Die vielfachen Kombinationsmöglichkeiten der Glykanzusammensetzung ergeben sich nicht nur aus der Anordnung der einzelnen Zucker zueinander, sondern auch aus der Verbindung einheitlicher Glykanstrukturen mit unterschiedlichen Protein-grundgerüsten. So können unterschiedliche Glykane von einzelnen Proteinen oder von einem einzigen Protein mit mehreren Glykosylierungsstellen getragen werden.

Die Art, wie ein Protein glykosyliert wird, ist abhängig von seiner Struktur sowie vom Ort und Zeitpunkt seiner Modifikation. Je nach Funktion und Bedarfssituation können zwei gleiche Proteine in derselben Zelle zu unterschiedlichen Zeitpunkten auch unterschiedlich glykosyliert werden.

Die Glykosyltransferasen, die diese Prozesse katalysieren, übertragen Mono-saccharide von aktivierten Donatoren wie dem Uridindiphosphat (UDP) auf das Ziel-Abb. 3: Über Transportvesikel erreichen die Glykoproteine den Golgi-Apparat. Bei der Wanderung durch die cis-, medial- und trans-Zisternen finden weitere Modifikationen der Glykane statt.

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Saccharid, wobei das entstandene Produkt als neuer Akzeptor für den folgenden Transfer dient. Oftmals kann ein solcher Akzeptor Substrat für mehrere Glykosyltransferasen, also mögliche Transferoptionen sein und unterschiedliche Zucker binden. Obwohl es sehr viele unterschiedliche Glykanstrukturen gibt, sind die meisten aus einer Reihe von Grundelementen aufgebaut und unterscheiden sich im Wesentlichen in ihrer Peripherie. Die in dieser Arbeit behandelten Glykane gehören zum komplexen Typ und tragen als peripheres Charakteristikum eine bestimmte Epitopstruktur mit terminalem GalNAc.

Es gibt eine große Anzahl an GalNAc-Transferasen (GalNAc-T), die unterschiedliche Substrate bedienen. Die Polypeptid-GalNAc-Transferasen (UDP-GalNAc:pp-GalNAc-T) übertragen einen GalNAc-Rest von einem UDP-Donator auf Ser- /Thr-Reste eines Polypeptids. Es scheint über 20 ppGalNAcT-Gene im humanen Genom zu geben. In anderen Säugern ist die gewebs- und altersspezifische Expression verschiedener Isoformen des Enzyms bekannt (TEN HAGEN et al. 2002). In N-gebundenen Glykanen ist terminales GalNAc im Vergleich zu terminaler Galaktose ein eher seltenes Phänomen. Auch sind verhältnismäßig wenige Beispiele von Transferasen bekannt, die die Übertragung von endständigem GalNAc auf N-Glykane katalysieren.

CONZELMANN und KORNFELD beschrieben 1984 das Gegenstück zu einer bekannten ß1,4GalNAc-T, die GalNAc auf Gal von O-gebundenen Glykanen muriner Lymphozyten überträgt. Sie wiesen den gleichen Transfer sowohl auf O-Glykane des humanen Glykophorin A als auch auf N-Glykane des Tamm-Horsfall Proteins (THP) nach (CONZELMANN und KORNFELD, 1984). Die so synthetisierte Struktur wurde als Bestandteil eines auf verschiedensten Zellen vorkommenden Glykoprotein-Epitops nachgewiesen und wurde als Sda-Blutgruppenantigen sowie als alters- und gewebsspezifisch exprimiertes Epitop von murinen T-Lymphozyten, intestinalen und renalen Epithelzellen und des THP bekannt (CONZELMANN und BRON, 1987). Als Teil eines Glykolipids kommt das Antigen in humaner Fundusmukosa als NGM-1 vor (DOHI et al. 1991). Auch die für Tumorzellen charakteristischen Ganglioside GM2 und GD2 tragen die genannte Epitopstruktur (DOHI et al. 1991, HIDARI et al. 1994).

So wurden auch verschiedene Formen der ß1,4-GalNAc-T beschrieben, die gewebs- und entwicklungsspezifisch exprimiert scheinen und unterschiedlich ausgeprägte Substratspezifität aufweisen (DALL’OLIO et al. 1990).

Auch das Disaccharidmotiv GalNAcβ1–4GlcNAc (LacDiNAc) kommt im Gegensatz zu der einfach acetylierten Form Galß1-4GlcNAc (LacNAc) recht selten vor und

Literaturübersicht 21 wurde vor allem in Invertebraten und als Strukturelement von Glykoproteinhormonen beschrieben (NEELEMANN et al. 1994, SASAKI et al. 2007, KAWAR et al. 2002, 2005). Sulfatierte und sialylierte Formen des LacDiNAcs kommen auf den Glykoproteinhormonen LH und TSH vor. In bovinen Hypophysenmembranen wurde eine entsprechende GalNAc-T, die diese Struktur durch Übertragung eines ß1,4GalNAcs auf ein terminales GlcNAc katalysiert, von SMITH und BAENZIGER beschrieben. Dabei wiesen die Autoren eine für Glykosyltransferasen außergewöhnliche Substratspezifität nach, die sich auf Erkennungssequenzen im Peptidteil bezieht (SMITH und BAENZIGER 1988, 1990). Neuere Arbeiten beschreiben auch das Vorkommen einer ß1,4GalNAc-T (III) in Mukosazellen des Magens und deren Überexpression in tumorös entarteten Kolonzellen, die ihre Malignitätseigenschaften fördern (IKEHARA et al. 2006, HUANG et al. 2007).

Auch die Expression von LacDiNAc-Strukturen katalysierenden Formen der ß1,4GalNAc-T scheint also gewebsspezifisch und ihre Aktivität in vielen Fällen substratspezifisch zu sein (BAENZIGER et al. 1994, DHARMESH et al. 1993). Zum anderen sind aktivitätsinduzierende Faktoren wie α-Lactalbumin oder hemmende Faktoren wie Oestrogen für bestimmte ß1,4GalNAc-T bekannt (VAN DEN NIEUWENHOF et al. 1999, DHARMESH und BAENZIGER 1993).

Im Allgemeinen kann die Regulation der Glykosylierung von Proteinen auf mehreren Ebenen stattfinden. Dabei ist entscheidend, in welchem Zelltyp und zu welchem Zeitpunkt das Protein glykosyliert wird und welche Glykosyltransferase zu diesem Zeitpunkt in ausreichender Menge exprimiert wird, um mit anderen potentiellen Zuckerdonatoren konkurrieren zu können.

Sowohl O- als auch N-Glykane besitzen jeweils eigene Kernstrukturen: das über eine Serin- oder Threonin-Seitenkette gebundene Disaccharid Galß1,3 GalNAcα bzw. das über einen Asparaginrest gebundene Pentasaccharid Manα1,3(Manα1,6)Manß1,4 GlcNAcß1,4GlcNAcß. In der Peripherie unterscheiden sie sich jedoch stark voneinander, so dass das Proteingerüst selbst einen entscheidenden Einfluss auf seine Glykosylierung haben muss. BAENZIGER beschreibt drei mögliche Mechanismen für die proteinspezifische Aktivität der Glykosyltransferasen: zum einen könnte die Tertiärstruktur des Proteins den Zugang für das Enzym und somit eine Modifikation verhindern. Zum anderen könnte durch Interaktionen des Proteins mit dem eigenen Glykanteil eine Gesamtkonformation des Moleküls erreicht werden, die von einer bestimmten Glykosyltransferase favorisiert wird. Schließlich könnten

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bestimmte Bereiche sowohl im Protein- als auch im Glykanteil als Erkennungs-schlüssel für spezifische Glykosyltransferasen dienen und somit ihre kinetischen Eigenschaften hinsichtlich ihrer Katalysegeschwindigkeit (Vmax) und/oder ihrer Bildungskonstante (KM) beeinflussen (BAENZIGER 1994). Dabei kann die Erkennungssequenz des Proteins auch von der Glykosylierungsstelle entfernt liegen (SOUSA et al. 1992) und aus einem oder mehreren Peptidmotiven bestehen, die sich über weite Bereiche auf dem Protein ausdehnen können (BARANSKI et al. 1990, 1991, 1992). Für einige Glykosyltransferasen ist die genaue Lokalisation der Erkennungssequenz(en) in Bezug zur Glykosylierungsstelle und somit auch die Tertiärstruktur des Proteins von Bedeutung (SMITH 1991, SMITH und BAENZIGER 1992). Für andere hingegen ist nur die Zugänglichkeit des Peptids entscheidend (CANTOR und KORNFELD 1992).

Die kinetischen Eigenschaften der Glykosyltransferasen stellen ein weiteres wichtiges Steuerungselement dar, wenn mehrere Enzyme um den gleichen Akzeptor konkurrieren. Dabei können die Bildungs- und die Abbaurate der Transferasen abhängig von dem Vorhandensein der Peptid-Erkennungssequenz ihres Substrats sein (REITMAN und KORNFELD 1981, SMITH und BANZIGER 1988, 1990). Eine zeitlich und räumlich koordinierte Expression des Substrates und der peptidspezifischen Transferase würde somit ihre katalytische Aktivität gegenüber der von weniger spezifischen Tranferasen begünstigen.

Bei den meisten Plasma- und Membranproteinen der Säugetiere handelt es sich um Glykoproteine. Ihre extreme Variationsbreite ermöglicht es ihnen, ein breites Spektrum an Aufgaben im Organismus wie Antigenität, enzymatische und hormonelle Aktivität, Zell-zu Zell- und Rezeptorbindung zu übernehmen.

Die Glykosylierung von Proteinen nimmt maßgeblich Einfluss auf ihre chemischen und physikalischen Eigenschaften. So werden ihre Größe, Permeabilität, Löslichkeit und Reaktivität mit anderen Molekülen und somit ihre biochemischen Laufbahnen im Organismus zum großen Teil von den ihnen anhaftenden Zuckern bestimmt. Die korrekte Faltung und der intrazelluläre Transport von Proteinen sowie ihre Fähigkeit zur Interaktion mit anderen Molekülen und Zellen über Rezeptoren werden in vielen Fällen über spezifische Kohlenhydratstrukturen vermittelt. Auch für das Erreichen von spezifischen Zielstrukturen und zur metabolischen Entfernung aus dem Organismus bilden Kohlenhydrate oft die Schlüsselmoleküle.

Literaturübersicht 23 Proteinspezifische Glykosyltranferasen sind in der Lage, zeitgenau einzigartige Glykoproteine zu synthetisieren, die dann sehr komplexe Funktionen übernehmen können.

Um ihren Wirkungsort zu erreichen, müssen die synthetisierten Glykoproteine noch über ein angepasstes Exportsystem aus der Zelle geschleust werden.

Die Sekretion von Glykoproteinen entspricht der allgemeinen Proteinsekretion und findet im Wesentlichen über zwei Wege statt. Ausgangspunkt ist dabei der Golgi-Apparat (GA), Modifikations- und Sortierungszentrum für die Proteine der Zelle. Man unterscheidet die konstitutive und die regulative Sekretion. Lösliche Proteine, die keinen bestimmten Zielort erreichen müssen, werden über die konstitutive Sekretion kontinuierlich in Exportvesikeln aus den trans-Kompartimenten geschleust. Bei der regulierten Sekretion handelt es sich um Proteine, die zu einem bestimmten Zeitpunkt sezerniert werden und über spezifische Signale ihren Ziel- und Wirkungsort zu erkennen geben. Die Transporteinheiten für diese Proteine sind die Sekretvesikel, die von der trans-Seite des GA bis zur apikalen Zellmembran migrieren und dort ihre Proteine aus der Zelle schleusen.

2.5 Sda-Epitop

Das Sda -Epitop wurde 1967 von MACVIE et al. als Blutgruppen-Antigen beschrieben und im selben Jahr von RENTON et al. auch im Speichel nachgewiesen. 1970 schlossen MORTON et al. aus Extrationsversuchen auf ein Kohlenhydrat, dessen spezifische Kette für die Sda -Aktivität verantwortlich sei.

Die Struktur des Sda - Epitops wurde 1983 von DONALD et al. aufgeklärt.

Es besteht aus einem verzweigten Oligosaccharid, dessen Ausgangsstruktur ein α2,3-sialyliertes N-Acetyllaktosamin ist (NeuAc α2-3 Galβ1-4 GlcNAc). An die subterminale Galaktose ist in ß1,4-glykosidischer Bindung ein GalNAc gebunden.

Das Epitop kommt sowohl als Teil von N- als auch von O-gebundenen Glykanen vor und wird auf Glykoproteinen und Glykolipiden exprimiert. Ca. 96 % der Menschen tragen das Sda – Epitop als Blutgruppen-Antigen auf ihren Erythrozyten (RENTON et al. 1967). Von den 4 % Sda -Negativen besitzt jedoch nur die Hälfte Antikörper gegen

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das Epitop, so dass diesem Antigen transfusions-immunologisch keine klinische Bedeutung zukommt (SPITALNIK et al. 1982).

α2-3

ß1-4

ß1-4

MORTON et al. fanden das Sda-Antigen in verschiedenen Geweben und Sekreten, in denen auch andere Blutgruppenantigene vorkommen. Dabei besteht jedoch keine Korrelation im Auftreten des Sda mit den Konzentrationen der ABH-Antigene (MORTON et al. 1970). Auch auf dem Tamm-Horsfall-Protein, das in löslicher Form im menschlichen Urin und GPI-gebunden im Nierenepithel vorkommt, wurde es nachgewiesen (SOH et al.1980, DONALD et al. 1983).

Das Sda–Epitop wurde auch in anderen Säugern, in Vögeln und Amphibien nachgewiesen. MORTON et al. untersuchten Gewebe und Sekrete verschiedener Tierarten und fanden besonders hohe Konzentrationen in Niere und Blase des Meerschweinchens (MORTON et al. 1970).

Es ist auch integraler Bestandteil der Zona pellucida von Mäuseoozyten, (EASTON et al. 2000), sowie des CD45 (Tyrosin Phosphatase) aktivierter zytotoxischen T-Lymphozyten (CTL) in Mäusen, welches für die Proliferation nach Antigenstimulation und zytolytische Aktivität dieser Immunzellen von Bedeutung ist. LEFRANCOIS und BEVAN entwickelten 1985 einen monoklonalen Antikörper (CT1) gegen dieses Epitop.

Die Sda -Struktur ist ebenfalls Teil des 1983 von BLANCHARD beschriebenen CAD-Antigens, ein Pentasaccharid des Glykophorins A, das auf Erythrozyten, im Intestinalmukus und auf Glykolipiden der Fundusmukosa vorkommt.

Abb. 4: Sda-Epitop: NeuAcα2-3[GalNAcβ1-4]Galβ1-4GlcNAc

Literaturübersicht 25 Das Sda-Epitop ist Bestandteil vieler sehr unterschiedicher Glykokonjugate und scheint aufgrund seiner Struktur, ähnlich einem Multifunktionsschlüssel, nach gleichem biochemischem Prinzip unterschiedliche Funktionen übernehmen zu können. Seine Expression korreliert in den unterschiedlichen Geweben mit der Expression der Sda-GalNAc-Transferase (Sda-GalNAc-T) und scheint einer ontogenetischen und onkologischen Regulation zu unterliegen. So kommt es im Urin junger Meerschweinchen in sehr geringen Mengen vor, während adulte Tiere die höchsten Konzentrationen dieses Antigens aufweisen. Auch im Kolon von Neonaten ist die Sda-Konzentration im Vergleich zu adulten Tieren stark reduziert (DALL’OLIO et al. 1987, 1990).

SPITALNIK et al. stellten auch einen graviditätsbedingten Einfluss auf die Regulation der Sda-Expression fest. Demnach waren 22 % der untersuchten schwangeren Frauen im ersten Trimenon und 36 % zur Geburt Sda-negativ, gegenüber 5 % Sda - Negativer im Bevölkerungsdurchschnitt. Dabei bilden die Betroffenen weder Antikörper gegen das Epitop aus, noch ändert sich dessen Konzentration im Urin signifikant während der Schwangerschaft. Nach der Geburt ist das Antigen wieder auf den Erythrozyten vorhanden (SPITALNIK et al. 1982).

Aber auch in pathologisch veränderten Geweben besteht eine Veränderung der Sda -Expression. In tumorös entartetem Magen- und Darmgewebe ist das Epitop stark herunterreguliert (MALAGOLINI et al. 1989).

Versuche von KAWAMURA et al. zeigten, dass die Einführung der Sda-GalNAc-T in Maus-Krebs-Zelllinien durch die kompetitive Bildung von Sda-Epitopen anstatt der metastasierungsfördernden sialyl-Lewis-Epitope (sLex) auch in vivo die Meta-stasierung von Tumoren erfolgreich verhindern kann (KAWAMURA et al. 2005). Im menschlichen Modell zeigten MALAGOLINI et al. jedoch, dass die Expression der Sda-Transferase ebenso wie die sLex-synthetisierende Fucosyltransferase, in direkter Relation zur sLex-Expression steht (MALAGOLINI et al. 2007). Es wäre also zwar möglich, dass der Sda-GalNAc-T als Sda-generierendes Enzym im Gastrointestinaltrakt eine protektive Rolle in der Verhinderung der Bildung von sialyl-Lewis-Epitopen zukommt. Allerdings scheinen ihre Substratspezifität und ihre Funktion auch in sehr ähnlichen Systemen speziespezifisch unterschiedlich zu sein.

SMITH und LOWE (1994) stellen eine mögliche Beteiligung des Sda an der Modulierung von CD45-vermittelten Signalen in immunologischen Reaktionen dar. Im Falle der Zona pellucida wird seine Beteiligung an der immunologischen Erkennung

Literaturübersicht 26

der Gameten in Betracht gezogen (EASTON et al. 2000). MONTIEL et al. (2003) bezeichneten das Sda-Epitop als Marker für Zell-Differenzierung, da es in differenzierten Kolon-Zellen in signifikant größeren Mengen als in undifferenzierten vorkommt.

Die Bildung des Sda-Epitops wird von der Sda -β-1,4-N-Acetylgalaktosaminyl-Transferase (Sda-GalNAc-T) katalysiert, die einen N-Acetylgalaktosaminrest (GalNAc) von einem Nukleotid-Donator (UDP-GalNAc) auf das C4 der Galaktose eines α2,3-sialylierten Laktosamins (β1-4GlcNAc-R) überträgt (Abb.5)

Untersuchungen von MONTIEL et al. (2003) zeigten, dass diese Transferase gewebsspezifisch dort exprimiert wird, wo auch das Sda -Epitop nachweisbar ist. Im menschlichen Darm kommt das Enzym vor allem im Kolon mit proximo-distal abnehmender Aktivität vor (MORTON et al. 1988). Auch in der Niere und in den Hauptzellen des Magens wurde die Transferase nachgewiesen (PILLER et al. 1986;

SERAFINI-CESSI et al. 1988; DOHI et al. 1990). MONTIEL et al. (2003) untersuchten die Bedingungen für eine maximale Enzymaktivität. So muss der Akzeptor in Position 3´sialyliert sein, die Disaccharideinheit NeuAcα2-3Gal aufweisen und über N-Bindung am Protein gebunden sein. Der Einfluss der Proteinbindung und des Proteingerüstes selbst auf die Transferleistung des Enzyms weisen, mit den bereits erwähnten spezies- und systemeigenen Unterschieden, auf eine proteinspezifische Transferase hin.

Abb. 5: Synthese des Sda-Epitops

Literaturübersicht 27 2.6 Lektine

Seit ihrer Entdeckung wurden die Lektine zu Funktionsgruppen zusammengefasst, da sie kein gemeinsames Strukturprinzip besitzen. Die ersten Lektine, die aus Pflanzen isoliert wurden, wurden aufgrund ihrer gemeinsamen Eigenschaft, Erythrozyten zu agglutinieren, lange Zeit als „Phytagglutinine“, „Phythämagglutinine“

oder „Phasine“ bezeichnet.

Der Begriff Lektin (lat. „legere“ ) wurde 1954 von BOYD und SHAPLEIGH mit der Entdeckung der Blutgruppenspezifität dieser Stoffe eingeführt und deutet auf ihre spezifische Affinität zu bestimmten Zuckerstrukturen hin, die ihre Fähigkeit, bestimmte Zellen zu agglutinieren, bestimmt.

In Anlehnung an die 1980 von GOLDSTEIN eingeführte Definition der Lektine als

„Zucker-bindende Proteine nicht-immunogener Herkunft, welche Zellen agglutinieren oder Glykokonjugate präzipitieren können“, umfasst der Begriff der Lektine heute eine große heterogene Gruppe von Proteinen unterschiedlichster Herkunft, die ungeachtet ihrer Agglutinationsfähigkeit, Kohlenhydratstrukturen binden. Sie stammen aus Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen und scheinen eine Vielzahl verschiedenster biologischer Funktionen zu erfüllen.

Abgesehen von wenigen Ausnahmen sind die meisten Lektine Glykoproteine und bestehen in der Regel aus zwei bis vier nicht-kovalent gebundenen Untereinheiten, die jeweils eine Bindungsstelle für Kohlenhydrate (KH) besitzen.

Dabei können die Untereinheiten gleichartig oder unterschiedlich sein. Die KH-Bindungsstellen sind jedoch innerhalb eines Lektins meist identisch (SHARON 1987).

Die multimerische Struktureigenschaft der Lektine befähigt sie, Zellen zu agglutinieren oder Präzipitate mit Glykokonjugaten zu bilden.

Die Bindungsstellen der Lektine erkennen spezifische KH-Strukturen, die einzelne Monosaccharide oder Oligosaccharide sein können. Somit zeichnet die Lektine eine hohe Spezifität aus, die sie befähigt, auch Oligosaccharide mit identischen Zuckern zu unterscheiden.

Die Spezifität der Lektinbindung kann sowohl von der Art des Zuckers als auch von seiner Position innerhalb der Struktur abhängig sein. Auch die Art der Bindung innerhalb eines Zuckers, welche die α- und ß-Anomerform bedingt, kann für die Lektinbindung entscheidend sein.

Literaturübersicht 28

Die Lektine werden nach ihrer Bindungsaffinität zu bestimmten KH-Gruppen eingeteilt. Dabei werden fünf große Gruppen unterschieden (GOLDSTEIN und PORETZ 1986):

1. GlcNAc-Gruppe: Glukose-/N-Acetyl-Glucosamin-bindende Lektine heterogene Gruppe von Lektinen, die vorrangig GlcNAc oder ihre ß1-4- gebundenen Oligomere binden

z.B: Triticum vulgaris (WGA), Weizen-Keim

2. GalNAc-Gruppe: Galaktose-/ N-Acetyl-Galactosamin- bindende Lektine Glykoproteine, deren Bindung Mangan (Mn2+)-/

Kalzium (Ca2+) -abhängig ist.

z.B.: Dolichos biflorus (DBA), afrik. Pferdebohne 3. Fucose-Gruppe: L-Fucose- bindende Lektine

z.B.: Ulex europaeus (UEA), europ. Stechginster 4. Mannose-Gruppe: Mannose- bindende Lektine

meist aus Leguminosen stammende Lektine, die oft als Tetramere aus zwei leichten und zwei schweren Ketten vorliegen. Auch ihre Bindungsfähigkeit ist abhängig von Metallionen (Mn2+/Ca2+)

z.B.: Concanavalia ensiformis (Con A), Schwertbohne 5.Oligosaccharid-Gruppe: Oligosaccharide/Neuraminsäure- bindende Lektine

meist aus Invertebraten stammende Lektine.

Neuraminsäurespezifische Lektine z.B.: Limax flavus Agglutinin (LFA)

Literaturübersicht 29 Lektine stellen vielfach Erkennungsschlüssel für physiologische und pathologische Interaktionen dar.

Regulationsmechanismen des Metabolismus und des Immunsystems, die auf Zell-Zell-Kontakten basieren, werden oft durch endogene Lektine wie Selektine vermittelt.

So sind z.B. die Phagozytose apoptotischer Zellen durch Makrophagen und die Leukozytenbindung an Endothelzellen lektinvermittelt. Auch Pflanzen nutzen Lektine

So sind z.B. die Phagozytose apoptotischer Zellen durch Makrophagen und die Leukozytenbindung an Endothelzellen lektinvermittelt. Auch Pflanzen nutzen Lektine