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In allen untersuchten Stadien der Trächtigkeit konnte eine kontinuierlich starke und spezifische Bindung des Lektins Phaseolus vulgaris Agglutinin an die zytoplasmatischen Granula in den BNC nachgewiesen werden. Dieses Lektin bindet an Glykane des N-Acetyl-Laktosamintyps.

In der Doppelfluoreszenzfärbung des Lektins mit der PAG-Gegenfärbung konnte in allen untersuchten Präparaten eine deutliche Kolokalisation der lektinbindenden und der antikörperbindenden Strukturen beobachtet werden. Es kann demnach davon ausgegangen werden, dass PHA an die Glykane der PAGs bindet. Die ausgeprägte Spezifität der Färbung, bei der der Hintergrund und die umliegenden Strukturen in nahezu allen Schnitten nicht angefärbt wurden, deutet darauf hin, dass die erkannten N-Acetyl-Laktosaminoglykane nur im BNC-Zytoplasma vorkommen. Die PHA-Bindung, die über alle hier untersuchten Stadien der Trächtigkeit hinweg konstant stark blieb, zeigt, dass der N-Acetyl-Laktosamin - Kernteil der PAG-Glykane im Laufe der Trächtigkeit keine strukturellen Änderungen erfährt.

Das Bindungsverhalten der anderen Lektine änderte sich hingegen mit den unterschiedlichen Phasen der Trächtigkeit. So begann die Bindungsfähigkeit des Lektins Dolichos biflorus Agglutinin, welches terminales N-Acetyl-Galaktosamin erkennt, mit Tag 23 der Trächtigkeit, an dem vereinzelt DBA-positiven Zellen sichtbar wurden. Den Ergebnissen von LEHMANN et al. (1992) vergleichbar, die eine DBA-Bindung an BNC ab Tag 30 p.i. nachwiesen, konnte auch in dieser Arbeit zu Tag 32 die Bindung von DBA an nahezu alle BNC festgestellt werden. In den weiteren Präparaten der ersten 50 Trächtigkeitstage und des mittleren Trächtigkeits-abschnittes wurden dann konstant über 98 % der PAG-positiven BNC von dem Lektin gebunden. Die Situation änderte sich erst in der letzten Woche vor der Geburt.

Zum 5.Tag ante partum wurden bereits mit ca. 65 % signifikant weniger BNC von DBA gebunden. Eine dramatische Änderung war dann zum letzten Tag der Trächtigkeit zu verzeichnen, an dem weniger als drei Prozent der BNC von DBA erkannt wurden. Diese Ergebnisse zeigen, dass eine Änderung der Glykanstruktur der PAGs sowohl zum Beginn als auch gegen Ende der Trächtigkeit stattfindet.

Offensichtlich tragen früh exprimierte PAG-Formen erst um Tag 30 der Trächtigkeit terminales GalNAc, während die peripartal vorhandenen PAG-Formen, wie bereits von KLISCH et al. (2006) beschrieben, kein terminales GalNAc mehr besitzen.

Diskussion 99 Das Maackia amurensis Agglutinin wurde zur spezifischen Markierung von NeuAc-α2,3-N-Acetyl-Laktosamin eingesetzt. Bis Tag 23 der Trächtigkeit band das Lektin spezifisch an granuläre Strukturen der BNC, die durch die in der Doppelfluoreszenz nachgewiesene Kolokalisation mit PAG-positiven Granula impliziert, dass das erkannte Trisaccharidmotiv Teil der PAG-Glykane ist. Von Tag 32 an konnte jedoch bis zur peripartalen Phase keine MAL-Bindung der BNC mehr nachgewiesen werden.

Noch zu Tag 275, also 5 Tage vor der Geburt, waren im korrigierten Mittel weniger als 10 % der PAG-positiven BNC auch mit MAL anfärbbar. Einen Tag ante partum waren plötzlich wieder über 99 % dieser Zellen MAL-positiv. Auch hier wird also deutlich, dass eine Änderung der Zuckerstruktur der PAGs stattfindet, die in den gleichen Zeitraum wie die durch DBA gezeigte fällt, nur dass beide Bindungsverhalten genau gegenläufig zueinander sind. Es scheint demnach, als sei MAL der Zugang zum erkannten Trisaccharid ab Tag 32 durch terminales GalNAc, welches ab diesem Zeitpunkt die DBA-Bindung einleitet, nicht mehr möglich. Der peripartale Verlust des terminalen GalNAc, mit dem Verlust der DBA-Bindung einhergehend, hat im Gegenzug eine erneute MAL-Bindung zur Folge.

Komplettiert werden diese Ergebnisse durch den Einsatz des CT1-Antikörpers. Das von ihm erkannte Sda-Epitop, α2-3 sialyliertes Laktosamin mit terminalem GalNAc, stellt die Synthese der beiden zuvor beschriebenen Erkennungsmotive dar.

Erwartungsgemäß entsprach das Bindungsverhalten dieses Antikörpers dem des DBA, da terminales GalNac den limitierenden Faktor der Bindung darstellte.

Zusammenfassend kann aus den Ergebnissen geschlossen werden, dass die PAGs der Frühträchtigkeit zumindest ab dem 32. Tag das Sda-Epitop als Bestandteil ihrer Glykane tragen und dieses ab Tag 5 ante partum einer rapiden Reduzierung des terminalen GalNAc unterliegt.

Diskussion 100

Abb. 24 a-d: Modell der Bindung der Lektine PHA, DBA, MAL und des Antikörpers CT1 an das Sda-Epitop

a) Phaseolus vulgaris Agglutinin an N-Acetyl-Laktosamin b) Dolichos biflorus Agglutinin an terminales GalNAc c) Maackia amurensis an α2,3-sialyliertes Laktosamin

d) CT1 an gesamtem Sda-Epitop: α2,3-sialyliertes Laktosamin mit ß1,4 GalNAc an subterminaler Galaktose

Diskussion 101 5.4 Funktionen von PAGs

Aus den vorgestellten Ergebnissen wird deutlich, dass die PAGs, wie bereits von GREEN et al. (2000) beschrieben, zeitlich definierten Expressionsmustern folgen. In Abhängigkeit vom Trächtigkeitsstadium werden PAG-immunoreaktive Proteine unterschiedlichen Molekulargewichts in der Plazenta nachweisbar. Gleichzeitig werden auch, insbesondere im Vergleich der Frühträchtigkeit zum peripartalen Zeitraum, erhebliche Mengenunterschiede der in der Plazenta nachweisbaren PAGs deutlich, die in reziprokem Verhältnis zu den von ZOLI et al. 1992 untersuchten PAG-Mengen im maternalen Serum stehen.

In der Frühträchtigkeit konnten trotz der geringen Mengen untersuchten Homogenats und relativ niedrigem Gesamtproteingehalt im Western Blot deutliche Banden der Immunreaktion und in den histologischen Schnitten hohe Anteile von PAG-positiven BNC an der Gesamtzellzahl des Trophoblasten nachgewiesen werden. Zu diesem Zeitpunkt liegt die serologisch nachweisbare PAG-Konzentration noch unter 0,2 ng/ml (ZOLI et al. 1992). In den Homogenaten der geburtsreifen Plazenta sind die PAG-immunoreaktiven Banden im Western Blot trotz chromatographischer Aufreinigung des Homogenats weit weniger deutlich darstellbar. Der Eindruck relativ geringer PAG-Konzentrationen in der peripartalen Plazenta reflektiert sich in den histologischen Schnitten. Im Gegensatz zu durchschnittlich ca. 50 PAG-positiven BNC pro Zählfeld (0,173 mm2) in Präparaten der mittleren Trächtigkeit, waren in den Schnitten der Geburtsplazenta im Durchschnitt nur noch unter 6 PAG-positive BNC pro Zählfeld zu sehen. Die maternalen Serumkonzentrationen von PAGs liegen zum Zeitpunkt der Geburt bei Maximalwerten von über 2000 ng/ml (ZOLI et al. 1992).

Möglicherweise agieren einige der frühen PAG-Formen eher lokal als systemisch im maternalen Organismus und besitzen in dieser immunologisch besonders kritischen Phase immunmodulierende Eigenschaften auf die lokalen Abwehrmechanismen.

Spätere PAG-Formen, die in stetig zunehmenden Konzentrationen im maternalen Serum nachweisbar werden, könnten zum Ende der Trächtigkeit hin weniger lokale als systemische Bedeutung besitzen.

Wenn man eine immunologische Funktion der PAGs in den Vordergrund stellt, eröffnen sich zunächst zwei Möglichkeiten: entweder die PAGs dienen dem Schutz des Fetus vor der maternalen Abwehr oder sie sind an der allgemeinen Abwehr von Noxen und Erregern beteiligt.

Diskussion 102

In Anbetracht der Tatsache, dass die postpartale Phase, in der hohe PAG-Serumspiegel bestehen, mit einem erhöhten Risiko urogenitaler Infektionen einhergeht, könnte den PAGs eine protektive Rolle zukommen. Untersuchungen von DOSOGNE et al. (1999, 2000) zur negativen Korrelation des PAG-Vorkommens mit der Aktivität von Abwehrzellen, sowie zur potentiell hemmenden Wirkung von PAGs auf die Proliferation von neutrophilen Leukozyten, sprechen allerdings gegen diesen Ansatz und legen den PAGs eher immunosuppressive Eigenschaften nahe.

Eine Suppression der Abwehr, zumindest lokaler Art, wäre jedoch ganz im Sinne des Fetus, der sich gegen maternale Abstoßungsmechanismen abschirmen muss. Eine solche Möglichkeit wurde unter anderen von WOODING für die BNC-spezifischen PAGs im Sinne einer Blockierung von Lymphozyten im maternalen Uterusstroma diskutiert (WOODING 2005).

Allerdings konnte hier keine signifikante Bindung von PAGs oder CT1 an bovine Leukozyten nachgewiesen werden (SCHUBERTH 2007, persönliche Mitteilung).

Nach WOODING könnte eine Assoziation mit uterinen Serpinen jedoch die PAGs, die in das maternale Stroma eingewandert sind, zur Hemmung der Aktivität natürlicher Killerzellen befähigen (LIU und HANSEN 1993, MATHIALAGAN und HANSEN 1996, WOODING 2005). In diesem Kontext könnte auch die Funktion des Sda-Epitops als Co-Rezeptor für die Assoziation der PAGs mit anderen Molekülen und Peptiden stehen. Aufgrund ihrer funktionell erhaltenen Peptid-Bindungsspalte wird zumindest für die phylogenetisch ältere PAG-Gruppe auch eine Funktion als Träger bioaktiver Moleküle in Betracht gezogen.

Die stadiumsspezifische Ausbildung verschiedener PAG-Formen würde einen komplexen fetomaternalen Informationsmechanismus ermöglichen. Geht man von einer potentiellen Signalfunktion, ähnlich hormoneller Aktivität, der PAGs aus, die sich an veränderte Bedarfssituationen, vorrangig des Fetus, aber auch der Mutter anpasst und metabolische Prozesse reguliert, so könnten die hier nachgewiesenen peripartalen PAG-Formen im Zusammenhang mit der Induktion des Geburtsvorgangs stehen. SCHULER deutete seinen Nachweis von ß-Östrogen-Rezeptoren in Trophoblastriesenzellen und Endothelien bereits als Steuerungselement der plazentaren Hormonproduktion, Angiogenesis und Vaskularisationsfunktionen (SCHULER et al. 2005). Die präpartalen PAG-Formen könnten lokal direkt oder als systemische Mediatoren Einfluss auf die strukturellen Veränderungen der Plazenta, wie die Trennung der mikrovillären Kontaktzone und reduzierte Vaskularisation

Diskussion 103 nehmen. Weitere Untersuchungen zum Vorkommen der hier als potentielle PAG-Formen des Partus in Betracht gezogenen PAG-12, PAG-15, PAG-19 und PAG-20 in der Plazenta während des Ablösungsprozesses, sowie zu ihrem Einfluss auf lokale Umstrukturierungsprozesse wären interessant.