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2. Literaturübersicht

2.2 Das Cochlea-Implantat (CI)

2.2.1 Geschichte, Aufbau und Funktion des CI

Cochlea-Implantate sind elektronische Hörprothesen. Sie ersetzen die Funktion des Innenohrs, indem sie die Haarzellen umgehen und die SGZ direkt reizen, um somit einen Höreindruck zu ermöglichen. Die Geschichte des CI beginnt mit Alessandro Volta. Dieser reizte 1790 mit Drähten seinen eigenen Gehörgang und verglich die akustische Wahrnehmung mit dem Geräusch von kochendem Wasser (WILSON u.

DORMAN 2008). Das erste CI wurde 1961 in Los Angeles, Kalifornien, durch William House und John Doyle implantiert (MUDRY u. MILLS 2013). Dieses CI bestand damals noch aus einem Kanal und war nur zu dem Zweck entwickelt worden, das Lippenlesen zu verbessern und Geräusche wahrzunehmen.

Das wissenschaftliche Interesse am auditiven System und der Möglichkeit, dieses zu stimulieren, war geweckt. Mehrere Forschungsgruppen arbeiteten fortan weltweit an der Weiterentwicklung des CI. Ende der 80er wurde die CI-Implantation zur Standard Behandlungsmethode bei hochgradiger Gehörlosigkeit (MUDRY u. MILLS 2013).

Mittlerweile tragen 25.000 - 30.000 Deutsche ein CI (SCHAARSCHMIDT 2013). In Hannover wurde das erste CI 1984 durch Professor Ernst Lehnhardt implantiert (ERNST et al. 2009). Heute führt Hannover das weltweit größte CI-Centrum (CIC Hannover) mit über 500 Implantationen im Jahr. Dabei werden mittlerweile nicht nur Menschen mit vollständigem Hörverlust mit einem CI versorgt, sondern auch Patienten mit einem Resthörvermögen (DEUTSCHES HÖRZENTRUM HANNOVER).

Heutzutage gibt es drei große Firmen, Advanced Bionics (USA), Med-El (Österreich) und Cochlear (Australien), die CIs entwickeln und herstellen.

Der Aufbau eines CI besteht aus zwei Anteilen: dem extern getragenen Sprachprozessor mit Batteriefach zur Energieversorgung (Abb. 6,1), Audioprozessor (Abb. 6,2), Mikrophon (Abb. 6,3) und externer Sendespule (Abb. 6,4) sowie dem eigentlichen Implantat mit Empfangsspule (Abb. 7,1), Elektrodenträger (Abb. 7,2) mit den einzelnen Elektrodenkontakten und einer Referenzelektrode (Abb. 7,3).

Abb. 6- Komponenten des Sprachprozessors OPUS-2, Details siehe Text (Med-El)

Abb. 7 - Komponenten des Implantats PULSARCI 100, Details siehe Text (Med-El)

Der externe Sprachprozessor sitzt bei humanen CI-Trägern kaudal der Ohrmuschel auf (Abb. 8,1). Mit dem Mikrophon werden Schallwellen aufgenommen und dem Audioprozessor zugeführt. Dieser wandelt die Schallwellen nach Filterung, Komprimierung und Entrauschung in eine Abfolge von elektrischen Pulsen um und leitet sie der Sendespule zu (Abb. 8,2). Hier wird das akustische Signal transkutan von der extern liegenden Sendespule auf die subkutan retroauriculär gelegene Empfangsspule mittels Induktion (Abb. 8,3) übertragen. Sende- und Empfangsspule halten sich dabei magnetisch in Position. Von der Empfangsspule werden die elektrischen Pulse den einzelnen Elektrodenkontakten zugeleitet, dessen Träger in die Scala tympani des Innenohres, möglichst modiolusnah eingeführt wird (Abb. 8,4).

Somit liegen die Elektrodenkontakte unterschiedlich weit in der Scala tympani und reizen somit die SGZ auf unterschiedlichen Abschnitten der Cochlea, sodass eine tonotope Reizung zur Nachbildung der Frequenz-Orts-Transformation des normalen Innenohres ermöglicht wird (ZIESE u. MÜHLER 2010).

Abb. 8 - Sitz des Cochlea-Implantats, Details siehe Text (modifiziert nach BOENNIGHAUS u. LENARZ 2007, Abb. 5)

Bei der Stimulationsart sind zwei Modelle zu unterscheiden. Bei der monopolaren Stimulation fließt der Strom von einem Elektrodenkontakt zu einer außerhalb der Cochlea gelegenen Referenzelektrode. Da diese Elektrodenkontakte weiter auseinander liegen, wird eine größere Anzahl von SGZ stimuliert als bei einer bipolaren Stimulation, bei der

der Strom von einem intracochleären Elektrodenkontakt zu einem weiteren fließt. Bei letzterem führt die geringere Streuung des Stromflusses durch die Cochlea zur besseren räumlichen Selektivität und damit zu einem besseren Sprachverständnis. Dennoch wird für gewöhnlich die monopolare Stimulation verwendet, da das CI bei monopolarer Stimulation weniger Strom benötigt als bei bipolarer (CHATTERJEE et al. 2006) und das Sprachverständnis von CI-Benutzern als gleichwertig oder sogar besser bewertet wurde (PFINGST et al. 1997).

Des Weiteren sind unterschiedliche Signalverarbeitungsstrategien zu differenzieren, die sich durch unterschiedliche Reizformen (pulsatil oder analog) und dem zeitlichen Auftreten dieser Reize (simultan oder sequentiell) auszeichnen (ERNST et al. 2009). Dadurch unterscheiden sie sich in ihrer Effizienz bestimmte Komponenten des Schalls zu kodieren und damit in ihrer Priorität, die diese Komponenten jeweils haben. Eine heute noch angewendete Strategie, die CIS (engl. „continuous interleaved sampling“)-Strategie, entwickelt von Blake Wilson (WILSON et al. 1991), möchte ich hier kurz näher erläutern, da diese der im Versuch verwendeten Kodierungsstrategie, der HDCIS (engl. „high definition continuous interleaved sampling“)-Strategie, ähnelt (HOCHMAIR et al. 2014).

Für das Verständnis dieser Kodierungsstrategie ist wichtig zu wissen, dass ein akustisches Signal in zwei Bestandteile zerlegt werden kann. Die langsam variierende Umhüllende, auch Einhüllende genannt, die die Amplitudenmodulation widerspiegelt, und die Feinstruktur des Schallsignals (Abb. 9). Dabei ist erstere wichtig für das Verständnis von Sprache, die Feinstruktur ist entscheidend für die Wahrnehmung von Musik sowie für die Schallortung (SMITH et al. 2002).

Abb. 9 - Einzelkomponenten des Schallsignals (Med-El)

Die meisten Kodierungsstrategien, sowie auch die CIS-Strategie, verwenden den Mechanismus der Ortskodierung (WILSON u. DORMAN 2008). Der CIS-Strategie liegt eine pulsatil-sequentielle Stimulation der Elektroden zugrunde. Dabei wird der Schall

jedes einzelnen Frequenzbandes entschlüsselt und das Hüllkurvensignal anschließend komprimiert (Abb. 10). Biphasische, sich nicht überlappende Pulse stimulieren die einzelnen Elektroden so, dass immer nur eine einzelne Elektrode angeregt wird (MAGNUSSON 2011). Dadurch ist in ruhiger Umgebung ein relativ gutes Sprachverständnis möglich. Die Unterscheidung verschiedener Tonhöhen sowie die Wahrnehmung von Musik sind nur eingeschränkt möglich (SMITH et al. 2002).

Med-El hat diese Strategie weiterentwickelt zur HDCIS-Strategie (MAGNUSSON 2011). Hier werden 12 überlappende, glockenförmige Bandpassfilter verwendet, die das Eingangssignal logarithmisch einteilen. Somit werden virtuelle Kanäle generiert, diese ermöglichen einen gleichmäßigen Übergang der Stimulation von einer zur nächsten Elektrode und somit auch von Tonhöhen, die zwischen den Tonhöhen liegen, die durch die Stimulation der Einzelelektroden erzeugt werden (MAGNUSSON 2011).

Diese Strategie verwendet zwar immer nur noch die Information der Einhüllende, jedoch wird mit einer sehr hohen Rate stimuliert (mehr als 50.000 Pulse/Sekunde;

LORENS et al. 2010). Die HDCIS-Strategie soll das Sprachverständnis, die Tonhöhen-Unterscheidung sowie das Hören von Musik verbessern (LORENS et al. 2010).

Abb. 10 - Schematische Darstellung der CIS (engl. „continuous interleaved sampling“)-Strategie, Details siehe Text (WILSON et al. 1991)