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2. Literaturübersicht

2.5 Neurotrophe Faktoren (NTF)

2.5.2 Applikationsformen neurotropher Faktoren

Es gibt Studien, die darauf schließen, dass der protektive Effekt auf die SGZ-Dichte nach Beenden der NTF-Behandlung nicht mehr nachweisbar ist (GILLESPIE et al.

2003; SHEPHERD et al. 2008, beides Studien mit BDNF) und die SGZ-Degeneration nach Beendigung der Behandlung sogar noch schneller voranschreitet als in ertaubten Cochlea ohne Behandlung (GILLESPIE et al. 2003). RAMEKERS et al. (2015) konnten dies zwar nicht feststellen (4 Wochen BDNF-Behandlung mit bis zu 8 Wochen Abstand bis zur Messung der SGZ-Dichte), nach wie vor bleibt die verwendete Applikationsform

und damit verbunden die Dauer der Anwendung ein entscheidender Faktor für die Effektivität dieser Behandlung, auch im Hinblick auf Sicherheit und Funktionalität.

RICHARDSON et al. (2005) konnten durch eine Einzel-Applikation von NT-3 (100 und 140 ng NT-3) in die Scala tympani ertaubter Meerschweinchen keinen protektiven Effekte auf die SGZ-Dichte nach Ertaubung feststellen.

Daraufhin führten RICHARDSON et al. (2009) eine CI-Elektrode ein, die mit einem leitfähigen Polypyrrol beschichtet war. Das darin eingebettete NT-3 setzte sich ohne elektrische Stimulation frei, die Freisetzung konnte aber durch eine elektrische Stimulation erheblich gesteigert und dadurch kontrolliert werden. Diese Behandlungsmethode führte nach einer 2-wöchigen Behandlungszeit zu einem signifikant erhöhtem SGZ-Überleben in der basalen und mittleren Region der Cochlea im Vergleich zur nicht implantierten Cochleae sowie zu Cochleae, dessen implantierte Elektroden nur mit Polypyrrol beschichtet waren.

Eine weitere Applikationsart ist die Anwendung von osmotischen Pumpen, die in verschiedenen Tierversuchs-Studien, meist im Schulterbereich unter der Haut der Versuchstiere angebracht wurden (YLIKOSKI et al. 1998; SCHEPER et al. 2009;

SHEPHERD 2008; FRANSSON et al. 2010). Bei dieser Methode werden die Flüssigkeitsräume der Cochlea über einen kleinen Versorgungskanal mit NTFs versorgt. Die beiden zuletzt genannten Applikationsarten versprechen im Gegensatz zur Einzelapplikation zwar eine konstante Applikation einer bestimmten Konzentration eines verabreichten NTFs, jedoch kann die Behandlungszeit nur über einen begrenzten Zeitraum stattfinden. Das Wechseln der osmotischen Pumpe sowie der zusätzlich mögliche Eintrittsweg für Bakterien durch den Versorgungskanal in die Cochlea führen dabei zu einem erhöhten Infektionsrisiko (RICHARDSON et al. 2009;

PETTINGILL et al. 2011).

Die Nachteile der bisher erläuterten Applikationsarten können mit zell- und genbasierten Therapie-Ansätzen überwunden werden (zusammengefasst in GILLESPIE et al. 2014). Die genbasierte Therapie verwendet dabei virale Vektoren, die genetisches Material in Zielzellen einschleusen (Transduktion), damit diese den gewünschten NTF exprimieren. YAGI et al. (2000) beschreiben die Cochlea als geeignetes Zielorgan für die Gen-Transduktion, da die Cochlea zwar im Schläfenbein

relativ isoliert lokalisiert ist, die Applikation über die Flüssigkeitsräume der Cochlea jedoch eine Anwendung über die gesamte Cochlea möglich macht. Faktoren, die bei der Verwendung viraler Vektoren berücksichtigt werden müssen, sind biologische Sicherheit, geringe Toxizität und Immunogenität, ausreichende Dauer der Gen-Expression sowie Zell-Spezifität (GILLESPIE et al. 2015). Die Forschungsgruppe um YAGI (2000) verwendete Adenovirus-Vektoren, die das Gen für die GDNF-Expression enthielten. Dieser Virus-Vektor gilt laut YAGI et al. (2000) als biologisch sicher, da bestimmte Gene zur Replikation deaktiviert sind. Generell integriere dieser Vektor nicht in das Chromosom der Wirtszelle, was die Potenz zur insertionellen Mutagenese minimiert. Zusätzlich ist ein hoher Titer an viralen Adenovirus-Vektoren verfügbar.

YAGI et al. (2000) infundierten 5 ml einer Suspension (1010 Viruspartikel/ml sterile Ringerlösung) in die Scala tympani ertaubter Meerschweinchen. Eine Behandlungszeit von 28 Tagen führte dabei zu einem signifikant erhöhten SGZ-Erhalt in der basalen Region der Cochlea der behandelten im Vergleich zur nicht behandelten contralateralen Seite. PETTINGGILL (2011) merkt jedoch an, dass die Ausbreitung über die endolymphatischen Räume und des cochleären Aquäduktes mit den Flüssigkeitsräumen im Gehirn in Verbindung steht und die Gen-Expression in der contralateralen Cochlea sowie in den Flüssigkeitsräumen im Gehirn bereits nachgewiesen werden konnte (STÖVER et al. 2000). Folglich ist eine Ausbreitung in fremdes Gewebe möglich, was für die Bio-Sicherheit ein Problem darstellen könnte.

Außerdem kann die Therapie nicht einfach durch eine Explantation beendet werden (WAHLBERG et al. 2012).

Eine andere Möglichkeit ist die zellbasierte Therapie. Hierbei werden Zellen implantiert, die entweder von vornerein schon NTF synthetisieren oder so genetisch verändert werden, dass sie den gewünschten NTF produzieren (GILLESPIE et al.

2014). Die zellbasierte NTF-Behandlung wurde dabei schon in klinischen Humanstudien angewandt, z.B. zur Therapie von Alzheimer (WAHLBERG et al. 2012).

Der Vorteil dieses Therapieansatzes liegt, wie in der zuvor erwähnten genbasierten Therapie, in der Langzeitapplikation therapeutisch wirksamer Stoffe (GILLESPIE et al.

2014). Als zusätzlichen Vorteil gegenüber der genbasierten Therapie ist die zellbasierte Therapie biologisch sicher und kontrollierbar, wenn die Zellen in eine

Kapsel eingebettet werden. Somit können die Zellen den Wirkort nicht verlassen und zudem ist die Kapsel explantierbar. Die semipermeable Membran der Kapsel ermöglicht einerseits die Diffusion nutritiver Stoffe in die Kapsel hinein aber verhindert andererseits den Zugang immunologisch aktiver Zellen des Patienten in die Kapsel und sichert somit das Zellüberleben der genetisch veränderten Zellen (EMERICH et al. 2014). Eine zur genetischen Veränderung verwendete Zellart ist die ARPE-19-Zelllinie (engl. „arising retinal pigment epithelium“). Sie gilt als schnell wachsend, morphologisch uniform (DUNN et al. 1996) und aufgrund ihrer humanen Herkunft als geeignet für die humane Anwendung, da somit das infektiöse Potenzial minimiert wird (EMERICH et al. 2014). Die zellbasierte Therapie mit BDNF-sezernierenden Schwannschen Zellen, eingebettet in eine Alginat-Matrix, wurde bereits in einer In-vivo-Studie an ertaubten Meerschweinchen getestet (PETTINGIL et al. 2011). Eine zwei- sowie eine vierwöchige Behandlungszeit führten zu einer signifikant erhöhten SGZ-Dichte im Vergleich zu Cochleae, in denen eine leere Kapsel implantiert wurde. Der zellbasierte Applikationsweg mit Einbettung in eine Kapsel sollte somit eine kontinuierliche und sichere Sekretion neurotropher Faktoren im Innenohr sicherstellen. Dies soll im vorliegenden Tierversuch an neonatal ertaubten Katzen getestet werden, bevor ein klinischer Versuch am Patienten initiiert wird.

2.5.3 Effekte einer kombinierten NTF-Applikation und elektrischer Stimulation